Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Heinrich Matzke (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Herbert Lohr (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Tibor N*****, vertreten durch Dr.Arnulf Summer und Dr.Nikolaus Schertler, Rechtsanwälte in Bregenz, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr.Anton Paul Schaffer, Rechtsanwalt in Wien, wegen vorzeitiger Alterspension (Pensionshöhe), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14.Juni 1994, GZ 5 Rs 54/94-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 20. Jänner 1994, GZ 34 Cgs 183/93h-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.058,88 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 676,48 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Da die Begründung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es auf diese Ausführungen zu verweisen (§ 48 ASGG).
Die Vorinstanzen haben das von ihnen gewonnene Ergebnis auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes SSV-NF 6/64 gegründet. An den dort ausgesprochenen Grundsätzen hat der erkennende Senat in der zu SSV-NF 7/69 veröffentlichten Entscheidung festgehalten. Die Revisionswerberin vermag dagegen nichts Entscheidendes vorzubringen.
Es trifft nicht zu, daß in den zitierten Entscheidungen die Grenze der zulässigen Auslegung des § 2 Abs 1 lit a Ausländerrenten-Übernahmegesetz BGBl 1961/290 überschritten worden wäre. Zu Unrecht erhebt die Revisionswerberin den Vorwurf, es sei dabei so vorgegangen worden, als sei der festgestellte Sachverhalt nicht unter § 2 ARÜG, sondern unter Art 1 der Genfer Flüchtlingskonvention zu subsumieren.
Strittig ist im vorliegenden Fall nur das Tatbestandsmerkmal der Staatenlosigkeit in § 2 Abs 1 lit a ARÜG. Zur Auslegung dieses Begriffes hat sich der erkennende Senat mit der herrschenden Völkerrechtslehre auseinandergesetzt, die ihrerseits wieder der Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention maßgebliche Bedeutung beimißt und zum Ergebnis gelangt, daß vor (politischer) Verfolgung ins Ausland Geflüchtete, die den Schutz ihres Heimatstaates nicht in Anspruch nehmen können oder wollen als quasi-staatenlose Flüchtlinge zu behandeln sind, auch wenn die nach der Rechtsordnung des Heimatstaates vorgeschriebene Entlassung aus dem Staatenverband nicht erfolgt. Die Entscheidung ist daher das Ergebnis der Auslegung des Begriffes der Staatenlosigkeit und nicht einer unmittelbaren Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention. Es besteht kein Anlaß von der eingehend begründeten Rechtsprechung abzugehen, daß von einem Verlust der Staatsangehörigkeit auch dann auszugehen ist, wenn ein Bürger wegen politischer Verfolgung ins Ausland flüchtet und sich einseitig von seinem Heimatstaat lossagt, wenn er durch Flucht einen gesinnungsmäßigen Bruch mit seiner Heimat vollzogen hat, wenngleich der Heimatstaat die Entlassung aus der Staatsbürgerschaft aus nicht zu billigenden Gründen verweigert.
Wohl unterscheidet sich der vorliegende Fall insoweit von dem der Entscheidung SSV-NF 6/64 zugrundeliegenden Sachverhalt, als der dortige Kläger vor den Stichtagen des ARÜG wiederholt versucht hatte, seine ungarische Staatsbürgerschaft zurückzulegen, was hier nicht feststeht. Dies ist aber nicht entscheidend. In der zitierten Entscheidung wurde dargelegt, daß nach dem ungarischen Gesetz über die Staatsbürgerschaft vom 6.6.1957, das an den maßgeblichen Stichtagen des ARÜG im Jahre 1961 in Geltung stand, aus der ungarischen Staatsbürgerschaft nur jemand entlassen werden konnte, gegen den kein Strafverfahren anhängig war und der nicht unter der Rechtswirkung eines Strafurteiles stand. Nach den Feststellungen mußte der Kläger aber deshalb ins Ausland flüchten, weil seine Verhaftung wegen seiner Mitwirkung bei der Herausgabe und dem Vertrieb einer "Revolutionszeitschrift" unmittelbar bevorstand; sein Mitarbeiter, der in Ungarn blieb, wurde wegen seiner Tätigkeit bei der Herausgabe der Zeitung nach einem gerichtlichen Verfahren hingerichtet. Da gegen den Kläger in Ungarn ein Strafverfahren anhängig war, wäre er aus der ungarischen Staatsbürgerschaft aufgrund des oben zitierten Gesetzes auch nicht entlassen worden, wenn er einen entsprechenden Antrag gestellt hätte. Daß er aber eine Maßnahme unterließ, die von vornherein keine Aussicht auf Erfolg haben konnte, kann ihm nicht zum Nachteil gereichen.
Der Kläger hat sich durch die Flucht von seinem Heimatstaat losgesagt und auch einen gesinnungsmäßigen Bruch mit seinem Heimatstaat vollzogen. Nach außen kam dies auch darin zum Ausdruck, daß er in Österreich ständigen Aufenthalt nahm, sich hier vollständig integrierte. Zutreffend sind die Vorinstanzen daher zum Ergebnis gelangt, daß das Tatbestandsmerkmal der Staatenlosigkeit gemäß § 2 Abs 1 lit a ARÜG erfüllt ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.
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