Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Juni 1993 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schindler und Dr.Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Hautz als Schriftführer in der bei dem Landesgericht Innsbruck zum AZ 37 Vr 1118/93 anhängigen Strafsache gegen Josef S***** wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach dem § 287 Abs. 1 iVm §§ 87 Abs. 1; 15, 269 Abs. 1 und 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 4 StGB über die Grundrechtsbeschwerde des Josef S***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 18. Mai 1993, AZ 7 Bs 196/93, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Durch den angefochtenen Beschluß wurde Josef S***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung:
Josef S***** befindet sich seit 6.April 1993 (S 18) aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs. 2 Z 3 lit. b und c StPO in Untersuchungshaft.
Der Strafantrag vom 25.Mai 1993 (ON 35) lastet ihm an, er habe sich am 5.April 1993 in Ramsau, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuß von Alkohol und Beruhigungsmitteln in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt und im Rausch
a) Max S***** dadurch, daß er ihm ein Messer in die Brust stieß, eine (an sich) schwere Körperverletzung, nämlich eine Stichverletzung im Bereich der rechten Brustkorbhälfte mit Eröffnung der Brusthöhle absichtlich zugefügt;
b) die Gendarmeriebeamten Insp.Josef H***** und Albin E*****, die im Begriffe standen, ihn festzunehmen, ihm Handschellen anzulegen, ihn zum Dienstfahrzeug zu bringen und auf die Dienststelle zu eskortieren, mit Gewalt, indem er fortlaufend mit seinen Händen und dem Ellbogen gegen die Beamten gestoßen habe, an einer Amtshandlung zu hindern versucht;
c) Insp.Josef H***** durch die zu b) geschilderten Tätlichkeiten, die Abschürfungen an der rechten Hand zur Folge hatten, vorsätzlich am Körper verletzt, wobei die Tat an einem Beamten während der Vollziehung seiner Aufgaben begangen worden sei,
mithin Handlungen begangen, die ihm außer diesem Zustand
zu a) als Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB,
zu b) als Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 StGB und
zu c) als Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 4 StGB zugerechnet würden und hiedurch das Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 iVm §§ 87 Abs. 1; 15, 269 Abs. 1 und 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 4 StGB begangen.
Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Oberlandesgericht Innsbruck der Beschwerde des Beschuldigten gegen den seinen Enthaftungsantrag abweisenden Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes Innsbruck vom 22. April 1993 (ON 17) nicht Folge.
Die dagegen fristgerecht erhobene, beim Obersten Gerichtshof am 15. Juni 1993 eingelangte Grundrechtsbeschwerde, worin die unrichtige Beurteilung des Tatverdachtes und des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr releviert wurden, ist nicht berechtigt.
Das Oberlandesgericht gründete die Haftvoraussetzung des allein in bezug auf die dem Max S***** zugefügte an sich schwere Stichverletzung bestrittenen dringenden Tatverdachtes - der Aktenlage entsprechend - auf das gerichtsmedizinische Sachverständigengutachten (ON 10), auf das Ergebnis der sicherheitsbehördlichen Erhebungen (ON 6, 17), auf die von Beamten des Landesgendarmeriekommandos für Tirol und des Gendarmeriepostens Zell am Ziller in Berichtsform wiedergegebenen Angaben der Tatzeugen Max, Alois und Johann S***** (die in der weiteren Folge vor dem Bezirksgericht Zell am Ziller gemäß § 152 Abs. 1 Z 1 StPO von ihrem Entschlagungsrecht Gebrauch machten - ON 20-22) und auf die Aussagen der Zeugen Josef H***** (ON 18) und Albin E***** (ON 19).
Der auch einen dringenden Tatverdacht wegen Vergehens nach § 287 Abs. 1 StGB bestreitenden, das Vorbringen der Beschwerde gegen den Beschluß der Ratskammer (ON 16) wiederholenden, die Begründung des bekämpften Beschlusses aber weitgehend vernachlässigenden Argumentation des Beschwerdeführers bleibt - zusammenfassend - zu erwidern, daß sie nicht geeignet ist, Bedenken gegen die vom Oberlandesgericht bejahte Intensität des Tatverdachtes zu erwecken. Dazu ist auf die konformen, in den Gendarmerieerhebungen in Berichtsform festgehaltenen Angaben der Tatzeugen Max S***** (S 37, 41, 59 f), Alois S***** (S 41, 45, 55 f) und Johann S***** (S 41, 119 ff), wonach der Beschuldigte seinem Bruder ein Messer in die Brust stieß, auf die mit diesem Geschehensablauf, nicht aber mit der (leugnenden) Verantwortung des Beschuldigten in Einklang stehenden Ausführungen des gerichtsmedizinischen Gutachtens (ON 10, insbesondere S 91, 93) und auf die Angaben der als Zeugen vernommenen Gendarmeriebeamten Josef H***** und Albin E***** über die von ihnen kurze Zeit nach der Tat am Tatort vorgefundene Situation (ON 18 und 19) zu verweisen.
Inwieweit die Verdachtsmomente ausreichen, den Beschwerdeführer der absichtlichen Zufügung der inkriminierten Stichverletzung im Zustand voller Berauschung zu überführen, muß dem erkennenden Gericht nach den das Strafverfahren beherrschenden Grundsätzen der Unmittelbarkeit, Mündlichkeit und freien richterlichen Beweiswürdigung vorbehalten bleiben, dem im Rahmen der Prüfung der Grundrechtsbeschwerde nicht vorzugreifen ist.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen lassen die bisherigen Verfahrensergebnisse - unter anderem im Hinblick auf den inkriminierten schweren, von der Beschwerde übergangenen Verletzungserfolg - auch mit Grund befürchten, Josef S***** werde ohne Fortsetzung der durch gelindere Mittel nicht substituierbaren Untersuchungshaft auch während des gegen ihn geführten Strafverfharens neuerlich strafbare Handlungen mit nicht bloß leichten Folgen begehen, die ebenso wie die ihm angelasteten strafbaren Handlungen gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet sind wie die strafbaren Handlungen, derentwegen er bereits zweimal verurteilt worden ist (§ 180 Abs. 2 Z 3 lit. b und c StPO).
Das Beschwerdegericht führte dazu ferner zutreffend aus, daß sich die Tatbegehungsgefahr bei Josef S***** im Hinblick auf sein einschlägig getrübtes Vorleben (zwanzig einschlägige, rückfallsbegründende gerichtliche Verurteilungen - S 31 f), seine Entlassung aus der letzten Strafhaft erst am 15.August 1992, die seit diesem Zeitpunkt amtsbekannt gewordenen mehrfachen Streitigkeiten und Handgreiflichkeiten mit seinem Bruder Max S***** und seine durch Alkoholmißbrauch verstärkte latente Affektlabilität und Reizbarkeit geradezu aufdränge.
Dem ist noch hinzuzufügen, daß diese vorläufigen Annahmen durch den Inhalt des mit Beschluß vom 11.Juni 1993 (ON 38) gemäß § 56 StPO einbezogenen Aktes des Bezirksgerichtes Zell am Ziller, AZ U 100/93, erhärtet werden. In diesem Verfahren wurde der Beschwerdeführer wegen des Verdachtes, seinen Bruder Max S***** am 11.März 1993 durch zehn Fußtritte gegen Kopf und Körper verletzt zu haben, zur Anzeige gebracht.
Da sohin durch den angefochtenen Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck keine Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit des Beschwerdeführers stattgefunden hat (§ 2 Abs. 1 iVm § 7 GRBG), war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Demzufolge hatte gemäß § 8 GRBG ein Ausspruch über den Ersatz der Beschwerdekosten zu entfallen.
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