Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Juli 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hörburger, Dr.Kuch, Dr.Massauer und Dr.Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Amschl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Peter K***** wegen des Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1 SGG und anderer Delikte über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 31.Oktober 1990, GZ 6 b Vr 2922/90-22, und den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 9.April 1991, AZ 23 Bs 87/91, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr.Jerabek, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 31.Oktober 1990, GZ 6 b Vr 2922/90-22, und der Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 9.April 1991, AZ 23 Bs 87/91, verletzen das Gesetz in der Bestimmung des Art. 65 Abs. 2 lit. c BVG iVm § 53 Abs. 1 StGB.
Diese Beschlüsse werden aufgehoben und es wird dem Landesgericht für Strafsachen Wien aufgetragen, dem Gesetz gemäß vorzugehen.
Gründe:
Im Verfahren 6 b Vr 4535/88 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wurde dem wegen des Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1 SGG und des Vergehens nach dem § 16 Abs. 1 SGG zu einer 20-monatigen Freiheitsstrafe verurteilten (ON 31) Peter K***** der noch unverbüßt aushaftende Strafrest von einem Jahr und 22 Tagen mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 13.Dezember 1989 mit den Wirkungen der bedingten Strafnachsicht (§ 43 StGB) unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen; die Probezeit begann mit dem Entlassungstag, dem 18.Dezember 1989 zu laufen (ON 44).
In der Folge wurde Peter K***** mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 31.Oktober 1990, GZ 6 b Vr 2922/90-22, des Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1 SGG und des Vergehens nach dem § 16 Abs. 1 SGG schuldig erkannt und zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Die dem Schuldspruch zugrundeliegenden Taten wurden am 12. September 1989 bzw. zwischen dem 13.Juli 1988 und dem 12.September 1989 (vgl. S 199), sohin vor dem gewährten Gnadenerweis und dem Beginn der aus diesem Anlaß bestimmten Probezeit begangen. Das Landesgericht für Strafsachen Wien sprach gleichzeitig gemäß dem § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO den Widerruf der gnadenweisen "bedingten Entlassung" (richtig: bedingten Strafnachsicht) unter Zitierung der Bestimmung des § 53 Abs. 1 StGB aus.
Das Oberlandesgericht Wien gab mit Beschluß vom 9.April 1991 (ON 30 in 6 b Vr 2122/90) der Beschwerde des Angeklagten Peter K***** gegen den Widerrufsbeschluß nicht Folge.
Die den Widerruf der gnadenweise bedingten Strafnachsicht betreffenden Beschlüsse des Landesgerichtes für Strafsachen Wien und des Oberlandesgerichtes Wien stehen mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Vom Bundespräsidenten gewährte Gnadenerweise stellen verfassungsunmittelbare Akte der vollziehenden Gewalt dar, die in Ermangelung entsprechender verfassungsrechtlicher Vorschriften ihren Wirkungsbereich selbst zu bestimmen haben, was im vorliegenden Falle durch den Hinweis auf die Wirkungen der bedingten Strafnachsicht nach dem § 43 StGB geschah; Inhalt und Auswirkungen des in Rede stehenden Gnadenaktes, sohin also auch die Voraussetzungen für einen Widerruf des Strafnachlasses, werden demzufolge materiell- und verfahrensrechtlich durch die jeweils geltenden Bestimmungen über das Institut der bedingten Strafnachsicht determiniert, wobei der Gnadenerweis einem in Rechtskraft erwachsenen gerichtlichen Erkenntnis über die Gewährung bedingter Strafnachsicht gleichzusetzen ist.
Wurde durch eine Entschließung des Bundespräsidenten der noch unverbüßte Teil einer Strafe mit den Wirkungen der bedingten Strafnachsicht unter Bestimmung einer Probezeit erlassen, so obliegt die Entscheidung darüber, ob nach dem § 53 Abs. 1 StGB die bedingte Nachsicht zu widerrufen ist, wenn nach dem Zeitpunkt der Erlassung des Gnadenaktes der Begnadigte wegen vorher begangener strafbarer Handlungen neuerlich verurteilt wird, nicht dem Gericht, sondern dem Bundespräsidenten (SSt. 48/85 und die dort gegebene Begründung).
In Verkennung des Umstandes, daß der Begnadigte Peter K***** die im Verfahren AZ 6 b Vr 2922/90 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien abgeurteilten Straftaten nicht während der ihm bestimmten Probezeit begangen hat, haben das genannte Gericht und das Oberlandesgericht Wien zu Unrecht selbst über den Widerruf der mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 13.Dezember 1989 gnadenweise gewährten bedingten Strafnachsicht entschieden; rechtsrichtig wären die Akten nach Rechtskraft des Schuldspruches dem Bundesministerium für Justiz auf dem im § 411 StPO vorgeschriebenen Weg zur Entscheidung der Widerrufsfrage durch den Bundespräsidenten zuzuleiten gewesen (siehe dazu JABl. 1979/7).
Es war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.
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