Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Juni 1992 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Rzeszut, Dr. Hager und Dr. Schindler als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lendl als Schriftführer, in der Strafsache gegen Germano D***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Germano D*****, Giorgio F***** und Antonio S***** gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 6.Februar 1992, GZ 20 Vr 1340/91-279, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß
gefaßt:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugemittelt.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten Germano D*****, Giorgio F***** und Antonio S***** die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Die italienischen Staatsbürger Germano D*****, geboren am 30. Oktober 1952, Giorgio F*****, geboren am 21.Juni 1962 und Antonio S*****, geboren am 3.Dezember 1952, wurden (neben weiteren Angeklagten) (A I) des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB, (A 2) des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 erster Fall StGB und (A 3) des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 1 und 4 WaffenG schuldig erkannt. Darnach haben sie im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit Luigi Q***** und Ercole Q***** als Mittäter (1) am 7.Mai 1991 in Volders durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung von Waffen (zwei Maschinenpistolen, zwei Revolver und eine Pistole) Angestellten der Raiffeisenkasse ***** 1,718.000 S Bargeld und einem Kunden dieses Geldinstituts eine Geldtasche mit 350.000 Lire und 1.000 S Bargeld mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung weggenommen bzw abgenötigt; (2) am 4.Mai 1991 in Kufstein einen Personenkraftwagen der Marke Lancia Thema durch Aufbrechen der Beifahrertür und des Zündschlosses, sohin durch eine im § 129 StGB geschilderte Handlung, ohne Einwilligung des Berechtigten Thomas R***** in Gebrauch genommen, wobei der durch die Tat verursachte Schaden am Fahrzeug 36.492,60 S betrug;
(3) im Frühjahr 1991 bis 7.Mai 1991 in Volders und an anderen Orten, wenn auch nur fahrlässig, Faustfeuerwaffen und Kriegsmaterial besessen, und zwar ein Sturmgewehr Marke Kalaschnikov, eine Maschinenpistole der Marke Uzi, einen Revolver der Marke Smith Wesson, einen Revolver der Marke Astra und eine Pistole der Marke Tanfoglio Guiseppe.
Nach Zurückziehung der zunächst auch von Ercole und Luigi Q***** angemeldeten und ausgeführten Rechtsmittel bekämpfen nur Germano D*****, Giorgio F***** und Antonio S***** ihre Schuldsprüche mit Nichtigkeitsbeschwerden, die beiden erstgenannten Angeklagten (in gemeinsamer Rechtsmittelausführung) gestützt auf die Z 5, S***** auf die Z 4 des § 345 Abs 1 StPO, überdies die sie betreffenden Strafaussprüche jeweils mit Berufung.
Den Nichtigkeitsbeschwerden kommt keine Berechtigung zu.
Die sich in ihrem sachlichen Kern im wesentlichen überschneidende Argumentation der Beschwerdeführer läuft auf den Einwand hinaus, Verteidigungsrechte der Angeklagten seien in einer den Grundsätzen des "fair trial" nach Art 6 EMRK widerstreitenden Weise verkürzt worden, weil das Fehlen schriftlicher Übersetzungen der Anklageschrift und sämtlicher Vernehmungsprotokolle in die italienische Sprache eine dem Gesetz entsprechende Vorbereitung auf die Hauptverhandlung verhindert habe.
Diesen - aus der Sicht des § 345 Abs 1 Z 5 StPO mangels jedweder die relevierten Übersetzungen betreffenden Antragstellung in der Hauptverhandlung schon prozessual
untauglichen - Beschwerdevorbringen zuwider liegt bei der hier gegebenen Sachkonstellation auch keine nach § 345 Abs 1 Z 4 iVm § 221 Abs 1 StPO faßbare oder sonst konventionswidrige Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten der Angeklagten, insbesondere ihrer Vorbereitung auf die Hauptverhandlung vor. Nachdem den Angeklagten die Ladung zu der für den 6.Februar 1992 anberaumten Hauptverhandlung am 3.Jänner 1992, ihren (inländischen) Verteidigern schon am 2.Jänner 1992 zugestellt worden war (351/VI), gaben sie dem Vorsitzenden des Geschwornengerichtes anläßlich ihrer (ebenso wie ihre Einvernahmen im gesamten Vorverfahren unter Beiziehung eines Dolmetschers durchgeführten) Vernehmung (§ 220 Abs 1 StPO) ausdrücklich an, die (ihnen bereits bei der Anklagekundmachung am 12. November 1991 mündlich übersetzte und ihren Verteidigern am 15. November 1991 zugestellte - (55/VI) Anklage verstanden zu haben und sich zu allen Anklagepunkten schuldig zu bekennen (61, 63 und 69/VII). In der (erneut unter kontinuierlicher Mitwirkung eines Dolmetschers abgelaufenen Hauptverhandlung hielten sie an ihrer uneingeschränkt anklagekonform geständigen Verantwortung fest (92 bis 95/VII). Der (erstmals im Beschwerdevorbringen) behauptete Verstoß gegen das nach § 221 Abs 1 StPO mit Nichtigkeitssanktion bewehrte Gebot der Wahrung einer Frist von wenigstens acht Tagen zur Vorbereitung der Verteidigung liegt damit nicht vor und läßt sich auch aus dem Zeitpunkt der Überstellung der Angeklagten in die Vorführabteilung des Landesgerichtes Innsbruck am 5.Februar 1992 ebensowenig ableiten wie aus den Bestimmungen des Art 6 Abs 3 lit a und e EMRK. Den aus der Sicht eines konventionsgerecht fairen Verfahrens unabdingbaren Rechten des Angeklagten, in möglichst kurzer Frist in einer für ihn verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über die Art und den Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung in Kenntnis gesetzt zu werden (lit a), sowie die unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers zu verlangen, wenn der Angeklagte die Verhandlungssprache des Gerichtes nicht versteht oder sich nicht darin ausdrücken kann (lit e), wurde mit den wiedergegebenen Verfahrensmaßnahmen in gebotener Weise Rechnung getragen. Fallspezifische Gründe aber, aus denen eine dem "fair trial" entsprechende Wahrnehmung von Verteidigungsinteressen (über den dargelegten Rahmen der Beiziehung von Dolmetschern hinaus) auch die Herstellung schriftlicher Übersetzungen der Anklageschrift und sämtlicher Vernehmungsprotokolle erfordert hätte, sind weder den seinerzeitigen Übersetzungsanträgen noch den Beschwerdeausführungen zu entnehmen und hier auch sonst nicht einsichtig: Ein in jedem Fall unbeschränkter Anspruch von Angeklagten auf schriftliche Übersetzung der in Rede stehenden Aktenteile ist der Strafprozeßordnung ebenso fremd wie dem Konventionsrecht (vgl EGMR 19.12.1989 Nr 9/1988/153/207 = ÖJZ-MRK 10/1990).
Die insgesamt nicht berechtigten Nichtigkeitsbeschwerden waren daher teils als offenbar unbegründet (§§ 285 d Abs 1 Z 2, 344 StPO) und teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt (§ 285 d Abs 1 Z 1 iVm §§ 285 a Z 2, 344 StPO) bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.
Über die Berufungen wird das hiefür zuständige Oberlandesgericht Innsbruck zu befinden haben (§§ 285 i, 344 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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