Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dkfm. Reinhard Keibl (AG) und Gerald Kopecky (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Georg M***, Gorianstraße 14, 5020 Salzburg, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei P*** DER A***, Friedrich
Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr. Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung von Versicherungszeiten, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Juni 1989, GZ 12 Rs 62/89-26, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 17. Jänner 1989, GZ 40 Cgs 1132/87-20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Der Revision wird teilweise nicht Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das hinsichtlich der Feststellung der Monate Oktober 1941 bis Feber 1942, November 1942 bis Juni 1943, November 1943 bis Juni 1944, Feber 1948 bis September 1953, November 1954 bis Dezember 1954, Jänner 1955 bis Dezember 1957, Jänner 1958 bis März 1979, April 1979 bis Dezember 1979, Jänner 1980 bis Juni 1987 und ein Monat Beschäftigung vor Versicherungspflicht (GSVG) als Versicherungszeiten und der Abweisung der Feststellung der Monate Juli 1945 bis August 1946 sowie November 1947 bis Jänner 1948 als Versicherungszeiten des Klägers als unangefochten unberührt bleibt, insoweit als
T***
bestätigt, daß die beklagte Partei schuldig ist, die Monate August 1944 bis Mai 1945 als Ersatzzeiten gemäß § 228 Abs. 1 Z 1 lit. a ASVG sowie die Monate September 1947 und Oktober 1947 als Ersatzzeiten gemäß § 228 Abs. 1 Z 4 ASVG als weitere Versicherungszeiten des Klägers anzuerkennen.
Im übrigen, also hinsichtlich der Feststellung der Monate Juni 1945 sowie September 1946 bis August 1947 als weitere Versicherungszeiten wird der Revision Folge gegeben, das angefochtene Urteil in diesem Umfange aufgehoben und die Rechtssache insoweit zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 1. Oktober 1987 stellte die beklagte Partei über Antrag des Klägers die Versicherungszeiten im einzelnen, insgesamt mit 479 Versicherungsmonaten fest.
Der Kläger begehrte (neben inzwischen unstrittigen zwei weiteren Versicherungsmonaten) die Zeiten vom August 1944 bis Mai 1945 wegen geleisteten Kriegsdienstes als Wehrmachtsangehöriger und die Monate Juni 1945 bis Jänner 1948 wegen Kriegsgefangenschaft und politischer Verfolgung in Rumänien als weitere Versicherungszeiten zu berücksichtigen.
Die beklagte Partei wandte ein, der Kläger habe keinen Kriegsdienst geleistet, damit sei auch keine Kriegsgefangenschaft möglich gewesen.
Das Erstgericht wies dieses Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge und erkannte die beklagte Partei schuldig, über die unstrittigen Versicherungsmonate hinaus vom August 1944 bis Juni 1945 11 Monate Ersatzzeit gemäß § 228 Abs. 1 Z 1 lit. a ASVG und vom September 1946 bis Oktober 1947 14 Monate Ersatzzeit gemäß § 228 Abs. 1 Z 4 ASVG als weitere Versicherungszeiten anzuerkennen. Das Mehrbegehren, auch die Monate Juli 1945 bis August 1946 sowie November 1947 bis Jänner 1948 als weitere Versicherungszeiten anzuerkennen, wies es ab.
Nach Beweiswiederholung traf das Berufungsgericht folgende Feststellungen:
Der am 21. Juli 1927 in Nitzkidorf, Rumänien geborene Kläger schloß sich im August 1944 einem "Sonderkommando 201" der deutschen Abwehr an, dem er bis Jahresende 1944 zugeteilt war. Ab Jänner 1945 bis zum Kriegsende im Mai 1945 war der Kläger bei einer "Einheit Langer" in Fohnsdorf in der Steiermark stationiert. Die Bezeichnung "Einheit Langer" war ein Deckname. Der Kläger hatte zwar ein Soldbuch, das er jedoch nicht bei sich tragen durfte, sondern in der Schreibstube liegen ließ. Er hatte einen chiffrierten Sonderausweis bzw. Sonderausweise, mit denen er auch Lebensmittel beziehen konnte. Die Aufgabe des Klägers lag darin, als "V-Mann" hinter der rasch vorrückenden Front in Zivilkleidung nach versprengten deutschen Soldaten zu suchen, um diese auf Schleichwegen auf deutsches Hoheitsgebiet zu führen. Gegen Kriegsende war die Einheit Langer auch mit der Partisanenbekämpfung beschäftigt. Diese Einheit war der Wehrmacht unterstellt. Der Vorgesetzte des Klägers war ein Major namens V***. Dieser trug Wehrmachtsuniform.
Nach Kriegsende, im Mai 1945, hielt sich der Kläger noch zwei bis drei Wochen bei Frau Margaretha W*** in Fohnsdorf auf. Noch im Mai versuchte er sich in seine rumänische Heimat durchzuschlagen. Vorerst (noch im Mai 1945) wurde er in Zeltweg drei bis vier Tage von Briten angehalten. Anschließend wurde er von den Sowjets drei bis vier Tage in Knittelfeld angehalten. Der Kläger wurde nicht als Kriegsgefangener registriert, er entzog sich der Anhaltung jeweils wieder durch Flucht. Im Juni 1945 wurde der Kläger in Szegedin drei Tage von den Russen, in Jugoslawien eine Woche von den jugoslawischen Behörden angehalten. Dann gelangte der Kläger Ende Juni oder Anfang Juli 1945 über die rumänische Grenze in sein Heimatdorf Nitzkidorf. Der Kläger mußte sich in seiner Heimat verstecken, weil allgemein Leute, die vom Krieg zurückkehrten, interniert wurden. Der Kläger hielt sich etwa vier Monate versteckt, um einem Internierungslager bzw. einer Zwangsarbeit zu entgehen. In dieser Zeit arbeitete er jeweils tagsüber und hielt sich in der Nacht versteckt. Im November 1945 gab der Kläger sein Versteck auf, er blieb jedoch vorerst unbehelligt. Im März 1946 wurde er eine Woche von dem Gendarmerieposten seines Heimatdorfes angehalten und auch in der Folge mehrmals einige Tage eingesperrt, konnte aber immer wieder fliehen. Vom September 1946 bis Ende August 1947 war der Kläger in einer Molkerei in seinem Heimatort beschäftigt. Er wurde zwangsverpflichtet dort zu arbeiten, nächtigte jedoch meist zu Hause. So lange er zwangsverpflichtet war, blieb er von den Polizeibehörden unbehelligt. Als sich die politischen Verhältnisse wieder verhärteten, wurde der Kläger im September 1947 in Haft genommen und in einem Lager in Temesvar bis Oktober 1947 zwei Monate angehalten. Ende Oktober gelang dem Kläger schließlich die Flucht und er kehrte im Jänner 1948 nach Österreich zurück. In rechtlicher Würdigung dieses Sachverhaltes führte das Berufungsgericht aus, die Zeit von August 1944 bis Mai 1945 sei als Ersatzzeit im Sinne des § 228 Abs. 1 Z 1 lit. a ASVG anzurechnen, weil der Kläger in dieser Zeit als Wehrmachtsangehöriger tatsächlich Kriegsdienst versehen habe. Weil der Kläger auch noch im Juni 1945 auf der Flucht in seine Heimat mehrmals in Gefangenschaft genommen worden sei, müsse auch dieser Monat unter Bedachtnahme auf § 228 Abs. 2 ASVG als Ersatzzeit berücksichtigt werden. Für die Zeit seiner Zwangsverpflichtung von September 1946 bis August 1947 sei § 228 Abs. 1 Z 4 ASVG anzuwenden. Unter einer Freiheitsbeschränkung infolge der der Versicherte an der Verfügung über seine Arbeitskraft gehindert war, seien insbesondere behördliche, gerichtliche, polizeiliche oder durch Privatpersonen (zB Terroristen) verwahrte und konfinierte Gefangene zu verstehen, aber auch Zivilpersonen, die in ihrer persönlichen Freiheit durch einen Arbeits- oder Zivildienst zwangsverpflichtet worden seien. Durch die zwangsweise Arbeitsverpflichtung sei der Kläger immerhin in seiner Freizügigkeit so beschränkt gewesen, daß es ihm nicht möglich gewesen sei, über seine Arbeitskraft frei zu verfügen. Die daran anschließende Inhaftierung von zwei Monaten erfülle die Voraussetzungen des § 228 Abs. 1 Z 4 ASVG ohne jeden Zweifel. Es müsse daher nicht weiter darauf eingegangen werden, ob für die Zeit der Zwangsarbeit auch eine zumindest teilweise Anrechnung als Ersatzzeit im Sinne des § 6 Abs. 2 ARÜG in Betracht komme. Für jene Zeiten, in denen sich der Kläger versteckt gehalten habe, um einer Verhaftung oder zwangsweisen Arbeitsverpflichtung zu entgehen, komme eine Ersatzzeitenanrechnung nicht in Betracht, weil sie nicht mehr unter den Begriff der Freiheitsbeschränkung subsumiert werden könnten; hiezu fehle es an einem Akt einer Behörde oder sonstigen Organisation, die in die Freiheitsrechte des Klägers eingegriffen hätte.
Die gegen den stattgebenden Teil des Berufungsurteiles erhobene Revision der beklagten Partei ist im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages teilweise berechtigt.
Gemäß § 228 Abs. 1 Z 1 lit. a ASVG gelten als Ersatzzeiten aus der Zeit vor dem 1. Jänner 1956 Zeiten, in denen ein Versicherter, der am Stichtag (§ 223 Abs. 2) die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, während des ersten oder zweiten Weltkrieges Kriegsdienst oder einen nach den jeweils in Geltung gestandenen Vorschriften dem Kriegsdienst für die Berücksichtigung in der Rentenversicherung gleichgehaltenen Not- oder Luftschutzdienst geleistet oder sich in Kriegsgefangenschaft befunden hat.
Unter Kriegsdienst werden Zeiten des "besonderen Einsatzes der Wehrmacht" oder Dienstleistungen im Volkssturm und in anderen bewaffneten Wehrverbänden sowie im Zusammenhang mit militärischen Einsätzen verstanden (vgl. Teschner-Fürböck ASVG Anm. 3 zu § 228, 48. ErgLfg). Ein Angehöriger der Wehrmacht leistet Kriegsdienst. Da die Wehrmacht im Krieg eine Vielzahl von Aufgaben zu erfüllen hat, ist nicht nur Dienst bei der kämpfenden Truppe, sondern auch jede andere Tätigkeit im Rahmen der Wehrmachtsorganisation Kriegsdienst. Es ist (Arg. aus § 228 Abs. 1 Z 1 a "Kriegsdienst geleistet hat") auch nicht entscheidend, ob zum Kriegsdienst eine Verpflichtung bestand oder dieser freiwillig erfolgte. Maßgeblich ist aber, daß eine Eingliederung in die Hierarchie der Wehrmacht erfolgt, der einzelne der Befehls- und Disziplinargewalt seiner Vorgesetzten unterstand, also völkerrechtlich den Status eines Kombattanten hatte (vgl. Teschner-Fürböck aaO). Dies aber hat das Berufungsgericht festgestellt. Die Einheit, in welche der Kläger eingegliedert war, war der Wehrmacht unterstellt, der Vorgesetzte des Klägers war ein Major der Wehrmacht. Kriegsdienst muß daher angenommen werden, mag auch allenfalls die über Befehl des Vorgesetzten ausgeübte konkrete Tätigkeit gegen völkerrechtliche Grundsätze verstoßen haben. Die Feststellung der Kriegsdienstzeiten von August 1944 bis Mai 1945 als weitere Versicherungszeiten gemäß § 228 Abs. 1 Z 1 a ASVG war daher mit Teilurteil zu bestätigen.
Hinsichtlich des darauf folgenden Monates Juni 1945 und der Zeit der Zwangsverpflichtung des Klägers in der Molkerei seines Heimatortes vom September 1946 bis August 1947 reichen die Feststellungen des Berufungsgerichtes zu einer abschließenden rechtlichen Beurteilung noch nicht aus.
Aus der Tatsache, daß der Kläger während seines Versuches, nach Kriegsende in seine Heimat zu kommen, mehrmals einige Tage "angehalten" wurde, kann ohne nähere Feststellungen noch nicht abgeleitet werden, daß es sich dabei um Kriegsgefangenschaft gehandelt hat. Es wäre auch denkbar, daß er nur als Zivilist, wie dies in der ersten Nachkriegszeit häufig geschehen ist, kurzfristig festgehalten wurde, darauf ließe auch eine Festnahme "durch die jugoslawischen Behörden" schließen. Dann aber wären diese Zeiten nicht als Kriegsgefangenschaft zu werten und die gesamte Zeit bis zur Heimkehr im Sinne des § 228 Abs. 2 ASVG als Ersatzzeit anzurechnen, sondern der Bestimmung des § 228 Abs. 1 Z 4 zu unterstellen. Danach sind Ersatzzeiten Zeiten, während derer der Versicherte infolge einer Freiheitsbeschränkung - soferne es sich nicht um Zeiten einer Freiheitsbeschränkung auf Grund einer Tat handelt, die nach österreichischen Gesetzen im Zeitpunkt der Begehung strafbar war oder strafbar gewesen wäre, wenn sie im Inland gesetzt worden wäre - in der Verfügung über seine Arbeitskraft gehindert gewesen ist und wenn ihnen eine Beitrags- oder Ersatzzeit vorangeht.
Der Oberste Gerichtshof teilt die vom Oberlandesgericht Wien als dem damaligen Höchstgericht in SSV 11/89 und von Marschall (Historische Haftzeiten als Ersatzzeiten in Wiener Beiträge zum Arbeits- und Sozialrecht hrsg.v. Tomandl, Bd 14, 13 f) vertretene Ansicht, daß durch diese Bestimmung auch Zeiten einer Freiheitsbeschränkung im Ausland erfaßt werden. Aus dem Wortlaut und Sinn dieser Gesetzesstelle geht in keiner Weise hervor, daß es sich um Zeiten einer Freiheitsbeschränkung während der Besetzung Österreichs in Österreich handeln müßte. Gerade die Formulierung "auf Grund eines Tatbestandes, der nach den österreichischen Gesetzen ..... strafbar wäre, wenn er im Inland gesetzt wäre" läßt keinen anderen Schluß zu, als daß damit auch Freiheitsbeschränkungen im Ausland unter den sonstigen Voraussetzungen erfaßt werden sollten. Der Tatbestand des § 228 Abs. 1 Z 4 ASVG hat zur Voraussetzung, daß der Versicherte infolge einer (nicht auf einer strafbaren Handlung beruhenden) Freiheitsbeschränkung an der Verfügung über seine Arbeitskraft gehindert gewesen wäre. Der Oberste Gerichtshof teilt die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht nicht, die Zwangsverpflichtung des Klägers zur Arbeit in einer Molkerei allein, ohne daß er im übrigen in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt gewesen wäre, sei ausreichend. Nach dem Wortlaut des Gesetzes muß die Verfügung über die Arbeitskraft infolge einer Freiheitsbeschränkung gehindert sein. Wenn auch die Freiheitsbeschränkung nicht zu eng ausgelegt werden darf und die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind, muß doch eine Einschränkung der persönlichen Bewegungsfreiheit durch eine Unterbringung in Form von Internierung oder Konfinierung auf einem eng umgrenzten Ort gegeben sein. Dies läßt sich auch aus der Einschränkung des Gesetzes auf Freiheitsbeschränkungen, die nicht auf strafbaren Handlungen beruhen, ableiten (vgl. auch Marschall aaO, 18). Die Tatsache allein, daß der Betroffene sich den Arbeitsplatz nicht frei wählen, sondern einen ihm zugewiesenen annehmen muß, in seiner Bewegungsfreiheit im übrigen aber nicht gehindert wird, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes des § 228 Abs. 1 Z 4 ASVG noch nicht aus. Dieser trifft nur auf die Haft des Klägers im Lager Temesvar im September und Oktober 1947 zu. Damit aber ist zu prüfen, ob die Zeit der "Zwangsarbeitsverpflichtung des Klägers in seinem Heimatort" nicht als Ersatzzeit im Sinne des § 6 ARÜG in Betracht kommt. Hiezu sind nähere Feststellungen erforderlich, ob der Kläger in der rumänischen Rentenversicherung hiefür Rentenansprüche und Versicherungszeiten erworben hat (§ 1 Abs. 1 lit. a ARÜG) oder eine Beschäftigung im Sinne des § 1 Abs. 1 lit. b iVm § 6 Abs. 2 ARÜG (Art und Umfang der Tätigkeit, Art der Eingliederung in den Betrieb, Entgeltlichkeit) ausgeübt hat.
Da erst nach Ergänzung der Feststellungen im aufgezeigten Sinn abschließend beurteilt werden kann, ob und in welchem Umfang die noch strittigen Zeiten als Ersatzzeiten anrechenbar sind, war wie im Spruch zu entscheiden.
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