Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Ernst Oder und Peter Pulkrab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Albert F***, Kraftfahrer, St. Gertraud, Hintergumitsch 45, vertreten durch Dr. Hans Primus, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagten Parteien 1. Hans K*** KG, St. Andrä, Burgstall 44,
2. Hans K***, offener Gesellschafter der Hans K*** KG, ebendort, beide vertreten durch Dr. Heinz Sacher, Rechtsanwalt in Wolfsberg, wegen 63.072,-- S brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. März 1988, GZ 7 Ra 1/88-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 17. September 1987, GZ 32 Cga 1101/87-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Der Kläger war ab dem Jahre 1976 mit Unterbrechungen, zuletzt vom 25.Mai bis 13.Juni 1987 im Transportbetrieb der Beklagten als LKW-Fahrer beschäftigt. Er arbeitete bei Bedarf fallweise auch an Samstagen, und zwar im Jahre 1984 6mal, 1985 3mal und 1986 7mal. Sein Stundenlohn betrug zuletzt 72 S brutto. Das Arbeitsverhältnis endete durch Entlassung.
Auf dieses Arbeitsverhältnis findet der Kollektivvertrag für Bauindustrie und Baugewerbe - ausgenommen die Urlaubsbestimmungen - Anwendung.
Dieser Kollektivvertrag enthält unter anderem folgende Regelungen über Arbeitszeit, Überstunden, Feiertagsarbeit und Entgeltzahlung:
".......
§ 2 Arbeitszeit
1. Die Wochenarbeitszeit beträgt für alle Arbeitnehmer 40
Stunden.
........
3. Die Wochenarbeitszeit wird (ausgenommen im Mehrschichtbetrieb und bei Dekadenarbeit) auf nicht weniger als fünf aufeinanderfolgende Werktage verteilt.
4. Wenn an Tagen infolge ungünstiger Witterung oder sonstiger Umstände die jeweils geltende Arbeitszeit nicht eingehalten werden kann, bestimmt der Dienstgeber oder dessen Beauftragter im Einvernehmen mit dem Betriebsrat deren Beginn und Ende bzw. deren allfällige Einarbeitung.
5. Die Wochenarbeitszeit von 40 Stunden findet auf folgende Fälle keine Anwendung:
.........
d) auf die Arbeitszeit der Lenker und Beifahrer, des Küchen- und
sonstigen Lagerpersonals. Für diese kann im Sinne des § 7 Abs 2 AZG
innerbetrieblich eine Überstundenleistung bis zu 8 Stunden je Woche
vereinbart werden.
.........
§ 3 Überstunden-, Sonntags-, Feiertags-, Nacht- und Schichtarbeit
1. Die über die betrieblich festgesetzte tägliche normale
Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit, mit Ausnahme der in § 2 Z 5
lit a und b bezeichneten Sonderfälle, wird mit dem entsprechenden
Zuschlag vergütet.
2. Zur Leistung von Überstunden und Einbringungsstunden darf
kein Arbeitnehmer gezwungen werden, doch müssen Vorbereitungs- und
Abschlußarbeiten sowie unaufschiebbare Arbeiten über ausdrücklichen
Auftrag des Arbeitgebers bzw. dessen Beauftragten geleistet werden.
........
6. Für die an gesetzlichen Feiertagen ausfallende Arbeitszeit
(von 0 bis 24 Uhr, bei Dreischichtbetrieb von 6 Uhr bis 6 Uhr) ist
das regelmäßige Entgelt gemäß Feiertagsruhegesetz bzw. der
Verordnung über die Lohnzahlung an Feiertagen (ab 1.Juli 1984 gemäß
Arbeitsruhegesetz BGBl. 144/83) zu leisten.
........
§ 4 Zuschläge für Überstunden-, Sonntags-, Feiertags-,
Nacht- und Schichtarbeit
..........
3. Es werden, ausgenommen für Vorbereitungs- und
Abschlußarbeiten gemäß § 3/2 und für Arbeiten gemäß § 2/5 a und b,
folgende Zuschläge geleistet:
a) für Überstunden in der Zeit von 5 Uhr bis 20 Uhr 50 %
b) für Überstunden in der Zeit von 20 Uhr bis 5 Uhr 100 %
........
f) für Arbeiten, die an gesetzlichen Feiertagen verrichtet werden,
aa) wenn er auf einen Werktag fällt, an dem zufolge des Feiertages
an sich Anspruch auf Arbeitsruhe unter Fortzahlung des Entgeltes
besteht 50 % (somit Feiertagsentgelt und Arbeitslohn mit 50 %
Zuschlag)
bb) wenn er auf einen Werktag fällt, an dem auf Grund der
wöchentlichen Arbeitszeiteinteilung regelmäßig nicht gearbeitet wird
100 % (somit Arbeitslohn mit 100 % Zuschlag)
..........
§ 8 Lohnberechnung und Lohnzahlung
1. Bezahlt wird die Zeit:
a) in der gearbeitet wurde,
b) der angeordneten oder üblichen Arbeitsbereitschaft, insbesondere
bei Arbeitnehmern, deren regelmäßige Arbeitszeit mehr als 40 Stunden
in der Woche beträgt, § 2 Z 5 c, d,
c) unverschuldete Arbeitsversäumnisse, sofern für diese im
vorliegenden Vertrage die Zahlung eines Entgeltes vorgesehen ist.
........."
Die Revision ist berechtigt.
Zu Recht rügt der Revisionswerber, daß die Vorinstanzen nicht geprüft haben, ob die von der Erstbeklagten für den Kläger getroffene Arbeitseinteilung in der zweiten Juniwoche mit den Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes und Arbeitsruhegesetzes in Einklang stand. Wenn dem Berufungsgericht auch darin beizupflichten ist, daß mit § 8 Z 1 KV die dispositive Norm des § 1155 ABGB (vgl.
Krejci in Rummel in ABGB Rz 1 zu § 1155) abbedungen wurde, sodaß der
Kläger Entgelt für die Zeit der durch Umstände auf Seiten der
Erstbeklagten verursachten Dienstverhinderung am 9., 10. und 11.Juni
1987 nicht fordern kann, ist der Kläger nicht gehalten, diese Tage
ohne ausdrückliche Vereinbarung als "Zeitausgleich" für Überstunden
und Feiertagsarbeit zu akzeptieren (vgl. Haslinger,
Überstundenprobleme im Arbeitsrecht ZAS 1971, 58; Klein, Das
Überstundenentgelt in Strasser FS, 126; Cerny Arbeitszeitrecht2, 97;
Grillberger Arbeitszeitgesetz, 84 f; Arb. 9.406 sowie SZ 57/103 =
RdA 1986, 312, mit Anm. von Grillberger = JBl 1985, 309 = EvBl
1984/150 = Arb. 10.356; Schwarz, Arbeitsruhegesetz2, 256 f). Ist
eine ausdrückliche oder schlüssige Vereinbarung über einen
Zeitausgleich nicht zustandegekommen, hatte der Kläger für die an
den beiden Feiertagen geleistete Arbeit daher neben dem auch bei
Nichtbeschäftigung am Feiertag gebührenden Feiertagsentgelt gemäß
§ 9 Abs 2 AZG sowie gemäß § 9 Abs 5 AZG Anspruch auf den für die
geleistete Arbeit gebührenden Arbeitslohn zuzüglich 50 % Zuschlag
gemäß § 4 Z 3 lit f aa KV; für in der Zeit von 5 Uhr bis 20 Uhr
geleistete Überstunden gebührt dem Kläger gemäß § 10 AZG und § 4 Z 3
lit a KV zum Normallohn ein Zuschlag von 50 %. Da ein vereinbarter
"Freizeitausgleich" nach der zwingenden Vorschrift des § 3 ArbVG
nicht zu einer Verschlechterung der Position des Arbeitnehmers
gegenüber Kollektivvertrag und Gesetz führen darf, wäre dem Kläger
bei Abgeltung der Überstunden- und Feiertagsarbeit durch
Zeitausgleich neben dem auch ohne Arbeitsleistung gebührenden
Feiertagsentgelt für die an den Feiertagen - in der sonstigen
Normalarbeitszeit - geleistete Arbeit mit dem Normallohn bezahlte
Freizeit (während der sonstigen Normalarbeitszeit) im
eineinhalbfachen Ausmaß der an den Feiertagen zurückgelegten
Arbeitszeit zu gewähren gewesen; nicht bezahlte Überstunden wären
gleichfalls mit dem eineinhalbfachen Ausmaß bezahlter Freizeit in
der sonstigen Normalarbeitszeit abzugelten (vgl. Cerny aaO 98;
Grillberger aaO 85; Spielbüchler in Spielbüchler-Floretta
Arbeitsrecht I2 99; Klein aaO, 127; Haslinger aaO 58, WBl 1988, 92
= RdW 1988, 138). Dem Revisionswerber ist auch darin zu folgen, daß
es sich bei der Arbeit am Samstag schon im Hinblick auf die Regelung
des § 2 Z 3 KV um außerhalb der Normalarbeitszeit liegende
Überstundenarbeit handelte, weil nur ausnahmsweise an Samstagen
gearbeitet wurde, so daß davon auszugehen ist, daß die normale
Wochenarbeitszeit im Betrieb der Erstbeklagten in den Zeitraum von
Montag bis Freitag fiel. Hätte nun die Erstbeklagte unter Mißachtung
der gesetzlichen und kollektivvertraglichen Regelungen über die
Honorierung von Überstunden- und Feiertagsarbeit dem Kläger
lediglich "Zeitausgleich" dadurch gewährt, daß sie ihn während einer
der geleisteten Überstunden- und Feiertagsarbeit im Verhältnis 1 : 1
entsprechenden Normalarbeitszeit an Wochentagen nicht einsetzte und
lediglich die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden - da für den
"Zeitausgleich" nach dem übereinstimmenden Parteienvorbringen
überhaupt kein Entgelt gewährt wurde, möglicherweise sogar ohne
Entrichtung des ohne Arbeitsleistung gebührenden Feiertagsentgeltes
gemäß § 9 Abs 2 ARG - ohne Berücksichtigung ihrer Lagerung mit dem
Normalstundensatz von 72 S honorierte, dann wäre der Kläger im
Hinblick auf diese willkürliche und der Fürsorgepflicht des
Arbeitgebers widersprechende Verlagerung der Arbeitszeit (vgl. Cerny
aaO 41) unter Vorenthalten des gebührenden Entgeltes gemäß § 82 a
lit d GewO zum Austritt berechtigt gewesen (vgl. SozM I Ad/1122).
Die Leistung von auf diese Weise - durch willkürliche Gewährung von
Zeitausgleich im Verhältnis 1 : 1 während der
Normalarbeitszeit - "honorierten" Überstunden wäre dem Kläger nicht
zumutbar gewesen, sodaß der Kläger durch die Verweigerung der
Überstundenleistung am 13.Juni 1987 nicht den Entlassungstatbestand
des § 82 lit f erster oder zweiter Fall GewO verwirklicht hätte
(vgl. Martinek-Schwarz Abfindung, Auflösung des
Arbeitsverhältnisses, 165; Kuderna, Entlassungsrecht 44 f).
Zur Beurteilung, ob dem Kläger die Leistung der angeordneten
Überstunden auch zumutbar war, werden daher im fortgesetzten
Verfahren vor allem Feststellungen über die Honorierung der
Überstunden sowie auch der Feiertagsarbeit durch die Erstbeklagte zu
treffen sein. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß der
Kläger auch bei Verteilung der Normalarbeitszeit auf einen
zweiwöchigen Durchrechnungszeitraum gemäß § 4 Abs 7 AZG bis
einschließlich 8.Juni 1987 23 Überstunden und 16 Stunden
Feiertagsarbeit geleistet hat, in der von der Beklagten stammenden
Aufstellung Beilage 2 aber sämtliche in den drei Wochen geleisteten
Stunden ohne Rücksicht auf ihre zeitliche Lagerung zusammengerechnet
wurden und von den sich ergebenden 122 Gesamtstunden 120 als
Normalstunden bezeichnet wurden.
Sollten die Überstunden von der Erstbeklagten ordnungsgemäß
honoriert worden sein, wären zur Beurteilung, ob es sich tatsächlich
um an diesem Tag unaufschiebbar notwendige Arbeiten im Sinn des § 3 Z 2 KV handelte, detaillierte Feststellungen erforderlich, ob die Arbeit an diesem Tag aus Rechtsgründen oder zur Abwendung eines unverhältnismäßigen Schadens geleistet werden mußten (vgl. Arb. 6.862; Arb. 8.050 = ZAS 1967, 11 mit Anm. von Gürtler). Schließlich wäre noch erörterungsbedürftig, aus welchen Gründen der Kläger, der zuvor an drei in die Normalarbeitszeit fallenden Tagen trotz Arbeitswilligkeit nicht eingesetzt wurde, erst am Abend des 12.Juni 1987 verständigt wurde, daß er an dem nicht in die Normalarbeitszeit fallenden folgenden Tag benötigt werde. Sollte sich der unaufschiebbare Arbeitsbedarf nicht plötzlich ergeben haben, hätte der Arbeitgeber durch die verspätete Anordnung der Überstunden die unvermeidliche Belastung der Privatsphäre des Arbeitnehmers durch den im Interesse des Betriebes liegenden Einsatz an einem an sich arbeitsfreien Tag unnötigerweise erheblich vergrößert und damit gegen die ihm obliegende Fürsorgepflicht verstoßen, so daß die Nichtbefolgung dieser Anordnung durch den Kläger auch aus diesem Grund eine Entlassung nicht gerechtfertigt hätte (vgl. Kuderna aaO 44 f sowie 73).
Der Revision war daher Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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