Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Maier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann K***, Maurermeister, Eschenbachstr. 35, D-5000 Köln 60, vertreten durch Dr. Günther Moshammer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei F*** DER V***, Schwarzenbergplatz 7, 1030 Wien, vertreten durch Dr. Hans Kreinhöfner, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 180.000,-- s.A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz, als Berufungsgerichtes vom 21. Mai 1987, GZ 6 R 92/87-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 3. Februar 1987, GZ 23 Cg 250/86-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 6.793,05 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 617,55 S an Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Am 17. Juli 1985 gegen 22 Uhr 45 ereignete sich im Gemeindegebiet von Schiefling am See (Bezirk Klagenfurt) auf dem Auener Ortschaftsweg im Bereich der Überbrückung des Auener Baches ein Verkehrsunfall, an dem ein unbekannt gebliebenes Kraftfahrzeug mit Kärntner Kennzeichen und der Kläger als Fußgänger beteiligt waren. Dabei erlitt der Kläger einen Bruch des linken Fersenbeines. Mit der am 22. Juli 1986 erhobenen Klage begehrte der Kläger unter Berufung auf das Gesetz über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer vom 2. Juni 1977, BGBl. 322, von der Beklagten die Bezahlung eines Schmerzengeldes in der Höhe von letztlich 180.000,-- S. Er sei am Unfallstag auf dem Auener Ortschaftsweg am linken Fahrbahnrand in Richtung Wörther See gegangen. Als ihm ein PKW mit überhöhter Geschwindigkeit entgegengekommen und so nahe an den von ihm benützten Fahrbahnrand herangefahren sei, habe er, um nicht vom PKW erfaßt zu werden, nach links ausweichen müssen. Dabei sei er in ein betoniertes, durch kein Geländer abgeschütztes Bachbett neben der Straße gefallen und habe sich dabei verletzt. Der PKW, von dessen Scheinwerfern er auch geblendet worden sei, habe nicht ermittelt werden können. Die Voraussetzungen nach § 2 Abs 1 Z 2 des genannten Bundesgesetzes seien daher erfüllt. Die Beklagte bestritt das Vorbringen des Klägers über den Unfallshergang, insbesondere den Zusammenhang mit einem unbekannt gebliebenen Fahrzeug und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Schließlich wendete die Beklagte noch ein, die Gemeinde Velden habe ihre gesetzliche Verkehrssicherungspflicht schuldhaft verletzt; sie hätte am südseitigen Fahrbahnrand des Auener Ortschaftsweges bei der Überführung des Baches ein geeignetes Geländer errichten müssen; dadurch wäre ein Sturz von Fußgängern in den Bach verhindert worden.
Demgegenüber bestritt der Kläger jegliche Relevanz dieses ergänzenden Vorbringens der Beklagten; schließlich führte er noch aus, daß er die zuständige Gemeinde, nämlich S*** AM SEE und deren Haftpflichtversicherer vergeblich zum Schadenersatz aufgefordert habe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - unter Abweisung des 4 % übersteigenden Zinsenmehrbegehrens - statt. Es traf dabei über den bereits wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch folgende für das Revisionsverfahren bedeutsame Feststellungen:
Im Bereich der Unfallstelle verläuft das Bett des Auener Baches unter dem Auener Gemeindeweg; das betonierte Bachbett ist 77 cm tief und im Bereich der Krone 130 cm breit. Im Bereich der Absturzstelle des Klägers schließt an den Asphaltbelag des Weges eine 50 cm breite Betonplatte an, die etwa 5 cm tiefer als der Asphaltbelag liegt. Ein Geländer, sonstiger Schutz oder eine Warnung vor dieser Gefahrenstelle ist nicht vorhanden. Die Beleuchtung des Weges im näheren Unfallsbereich erfolgt durch zwei Peitschenleuchten, durch die die Betonabdeckung kaum, das anschließende Bachbett nicht erfaßt wird. Im Bereich der Unfallstelle beträgt die höchst zulässige Geschwindigkeit 30 km/h.
Als der Kläger am Unfallstag am linken Rand des Gemeindeweges ging, sah er einen PKW entgegenkommen. Der PKW fuhr sehr schnell, jedenfalls über 30 km/h; seine Scheinwerfer blendeten ihn. Der Kläger ging einen Schritt weiter, bemerkte dann, daß der PKW in seiner Fahrtrichtung ganz am rechten Fahrbahnrand und zwar mit den rechten Rädern schon im Gras außerhalb der Fahrbahn fuhr und direkt auf ihn zukam. Als der PKW noch rund 5 m von ihm entfernt war, machte er einen Schritt schräg nach links vorwärts, trat dabei ins Leere und stürzte in das Bachbett.
Bei der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes ging das Erstgericht davon aus, daß der unbekannte PKW-Lenker durch Einhaltung einer 30 km/h übersteigenden Geschwindigkeit im Bereich der Unfallstelle gegen § 20 Abs 2 StVO und durch seine Fahrlinie ganz am rechten Fahrbahnrand trotz des entgegenkommenden Fußgängers gegen § 7 Abs 1 StVO verstoßen habe. Nach dem Gesetz über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer habe der Kläger gemäß § 1325 ABGB Anspruch auf Schmerzengeld aus diesem Ereignis. Nach § 2 Abs 3 dieses Gesetzes sei Voraussetzung für den Anspruch auf Entschädigung, daß weder der zum Schadenersatz Verpflichtete, noch andere Personen, gegen die der Geschädigte einen gesetzlichen Anspruch auf Ersatz seines Schadens hat, ihre Verbindlichkeit erfüllten, obwohl sie gemahnt worden seien. Der PKW-Lenker, der den Unfall des Klägers verschuldet habe, habe nicht ausgeforscht und demzufolge auch nicht gemahnt werden können. Gegenüber der G*** S***, die den Übergang über den Bach nicht durch ein Geländer gegen einen Absturz abgesichert habe, könnte ebenfalls ein Schadenersatzanspruch erwogen werden. Die G*** S*** habe trotz Mahnung durch den Klagsvertreter die Schadenersatzforderung des Klägers nicht befriedigt. Die Beklagte könne sich daher auf die Legalzession des § 7 des genannten Gesetzes berufen. Eine vorsätzliche oder grobfahrlässige Verletzung der Verständigungspflicht gemäß § 4 Abs 1 Z 1 leg.cit. könne dem Kläger nicht angelastet werden. Den Verletzungen des Klägers und den damit verbundenen Schmerzen und Unannehmlichkeiten erachtete das Erstgericht das begehrte Schmerzengeld von 180.000,-- S als angemessen.
Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß die Revision nach § 502 Abs 1 Z 4 ZPO zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und erachtete die in der Berufung im wesentlichen dahin ausgeführte Rechtsrüge, daß vom Erstgericht die Subsidiarität des Anspruches nach dem genannten Gesetz nicht beachtet worden sei, als nicht berechtigt. Gemäß § 2 Abs 3 des Gesetzes über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer sei bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen insoweit Entschädigung zu leisten, als weder der zum Schadenersatz Verpflichtete noch eine andere Person, gegen die der Geschädigte einen gesetzlichen Anspruch auf Ersatz des Schadens habe, ihre Verbindlichkeit erfüllt, obwohl sie gemahnt worden seien. Demnach sei der Anspruch des Geschädigten gegen den F*** DER V*** nur so weit subsidiär, als die
erfolglose Mahnung der genannten Personen durch den Geschädigten eine Anspruchsvoraussetzung darstelle (ZVR 1984/126 = Evbl. 1983/77). Eine Vorausklage sei entgegen der Ansicht der Beklagten zur Entstehung des Ersatzanspruches gegen sie nicht erforderlich. Da eine Mahnung des nach den Feststellungen haftpflichtigen Kraftfahrzeuglenkers bzw. Halters, der nicht habe ausgeforscht werden können, nicht in Betracht komme, und die G*** S*** AM SEE gemahnt worden sei, seien die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs 3 leg.cit. erfüllt. Es bleibe der Beklagten unbenommen, nach Ersatz des Schadens des anspruchsberechtigten Klägers ihre Rechte gemäß § 7 leg.cit. geltend zu machen. Da die Beklagte, die auch kein Mitverschulden des Klägers eingewendet habe, keine sonstigen rechtlichen Gesichtspunkte, die zu ihren Gunsten sprächen, aufzeige und auch nach der vom Berufungsgericht vorgenommenen rechtlichen Überprüfung des Ersturteils nach allen Richtungen hin auf Grund der Feststellung, daß der Kläger habe ausweichen müssen, um nicht vom PKW erfaßt zu werden, kein dem Erstrichter unterlaufener Rechtsirrtum erkennbar sei, sei das angefochtene Urteil zu bestätigen gewesen. Den Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß zu den im vorliegenden Fall zu erörternden Fragen des genannten Gesetzen nur eine spärliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege. Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf den Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.
Die Revision ist im Hinblick auf das Fehlen einer entsprechenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zulässig, aber nicht berechtigt.
Die Beklagte vertritt in ihrer Revision den Standpunkt, die im § 2 Abs 3 des Gesetzes über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer als Anpruchsvoraussetzung normierte "Mahnung" gelte nur für die Fälle des § 2 Abs 1 Z 1 und 3 leg.cit. Vom Geschädigten könne nur eine "technisch durchführbare" Mahnung verlangt werden, bei der Fahrerflucht mit einem unbekannt gebliebenen Fahrzeug sei die Forderung nach einer Mahnung sinnlos. Die Mahnung könne sich nur auf jene Sachverhalte beziehen, die sich aus dem Gesetz über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer ergäben. Wenn ein Haftender vorhanden sei, der auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften hafte, dann könne dieser nicht in jenen Bereich hineingezogen werden, der vom Gesetz über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer nicht erfaßt sei. Da die G*** S*** dem Kläger hafte, könne der Kläger im Hinblick auf die Subsidiarität des Anspruches nach dem genannten Gesetz gegen die Beklagte keinen Anspruch geltend machen. Dem kann nicht gefolgt werden.
Der § 2 Abs 1 des Bundesgesetzes vom 2. Juni 1977, BGBl. 322 über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer sieht eine vom F*** DER V*** zu leistende
Entschädigung für die Tötung, Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung einer Person vor, die im Inland durch ein nach den kraftfahrrechtlichen Bestimmungen versicherungspflichtiges Kraftfahrzeug verursacht wurden, wenn trotz bestehender Versicherungspflicht kein Versicherungsvertrag bestand, nicht binnen 6 Monaten nach dem Eintritt des Schadens eine zivilrechtlich haftpflichtige Person ermittelt werden konnte, oder wenn das Kraftfahrzeug ohne Willen des Halters benützt worden ist, und dieser gemäß § 6 EKHG von der Haftung befreit ist. Nach § 2 Abs 3 des genannten Gesetzes ist eine Entschädigung insoweit zu leisten, als weder der zum Schadenersatz Verpflichtete noch eine andere Person, gegen die der Geschädigte einen gesetzlichen Anspruch auf Ersatz des Schadens hat, ihre Verbindlichkeit erfüllen, obwohl sie gemahnt worden sind. Die in dieser Bestimmung normierte Subsidiarität des Entschädigungsanspruches gegen den F*** DER
V*** liegt nach dem klaren
Gesetzeswortlaut - ebenso wie nach dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck (vgl. 506 Blg NR 14. GP 3 f) - bloß darin, daß die Leistungspflicht des F*** DER V***
dann nicht besteht, wenn der Geschädigte einen Leistungsanspruch gegen den zum Schadenersatz Verpflichteten oder gegen eine andere Person einen gesetzlichen Anspruch auf Ersatz des Schadens hat und diese Personen ihre Verbindlichkeit erfüllen; kommen diese Personen ihren Verpflichtungen nicht nach, so entsteht der Anspruch gegen den F*** DER V*** schon dann, wenn der Geschädigte die genannten Personen gemahnt, d.h. zur Erfüllung des Ersatzanspruches aufgefordert hat. Der vom Revisionswerber vertretenen Ansicht, der Entschädigungsanspruch gegen ihn sei durch das Bestehen eines Schadenersatzanspruches gegen einen Dritten an sich schon ausgeschlossen, kann somit nicht beigepflichtet werden. Die vom beklagten Verband weiters noch angestellten Überlegungen über die "Frage des Solidarschuldverhältnisses" sowie darüber, ob er "solidarisch mit einem anderen Haftenden" verurteilt werden könnte, gehen am Kern der hier zu lösenden Rechtsfrage schon deshalb vorbei, weil im vorliegenden Verfahren keine Parteienmehrheit auf Beklagtenseite besteht.
Da nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes bloß die erfolglose Mahnung der anderen Personen, gegen die der Geschädigte einen gesetzlichen Anspruch auf Ersatz des Schadens hat, durch den Geschädigten die Voraussetzung für die Leistungspflicht des F*** DER V*** ist, entsprechen die Entscheidungen der Vorinstanzen der Sach- und Rechtslage. Der Revision konnte somit kein Erfolg beschieden sein. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Rückverweise
Keine Verweise gefunden