Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 18. August 1980 gestorbenen Ida Maria W*****, infolge Revisionsrekurses des erblasserischen Sohnes Johann W*****, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Hanno Burger Scheidlin, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 3. Februar 1984, GZ 1 R 549/83 30, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 20. Juli 1983, GZ 2 A 681/80 23, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Dem Revisionsrekurs wird stattgegeben . Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht eine neue Entscheidung über den Rekurs des Enkels der Erblasserin gegen den Beschluss vom 20. Juli 1983, ON 23, unter Abstandnahme vom gebrauchten Aufhebungsgrund aufgetragen.
Begründung:
Ida Maria W***** ist nach den Eintragungen im Sterbebuch am 18. 8. 1980 um 6:39 Uhr gestorben; als Todesursache sind „Zertrümmerung des Schädels und Abtrennung des Halses mit Zerquetschung des Brustkorbes“ und zahlreiche Brüche der Extremitäten als Folge eines Verkehrsunfalls festgehalten.
Die am 9. 9. 1927 geborene Erblasserin hatte zwei eheliche Kinder, die am 6. 9. 1954 geborenen Zwillinge Johann und Ernst. Ernst W***** ist nach den Eintragungen im Sterbebuch beim selben Verkehrsunfall und in derselben Minute wie seine Mutter gestorben; als Todesursache sind außer zahlreichen Brüchen der Extremitäten „Quetschung des Brustkorbes und Schädels“ vermerkt. Ernst W***** hinterließ eine Witwe und den am 23. 7. 1975 geborenen Sohn Roman Ernst.
Ida W***** starb als Witwe. Sie hatte in ihrem Testament vom 12. 12. 1963 „zu gleichen Teilen meine ehelichen Kinder“ zu Erben eingesetzt und beigefügt, derzeit zwei eheliche Kinder, nämlich die beiden am 6. 9. 1954 geborenen Zwillinge zu haben.
Johann W***** gab am 4. 6. 1981 vor dem Gerichtskommissär aufgrund des Testaments vom 12. 12. 1963 zum gesamten Nachlass seiner Mutter die bedingte Erbserklärung ab; gleichzeitig beantragte er, ihm die Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft zu überlassen. Er berief sich auf ein nach der Aktenlage anzunehmendes gleichzeitiges Ableben seiner Mutter und seines Zwillingsbruders und folgerte daraus den Zuwachs des seinem Bruder zugedachten Erbteils gemäß § 560 ABGB.
Roman Ernst W*****, der mj Enkel der Erblasserin, gab in der mit 9. 6. 1981 datierten Eingabe durch seine Mutter aufgrund des Testaments vom 12. 12. 1963 zur Hälfte des Nachlasses nach seiner väterlichen Großmutter die bedingte Erbserklärung ab. Dieser Erklärung trat der für den Minderjährigen bestellte Kollisionskurator am 23. 6. 1981 bei. Der Enkel der Erblasserin behauptete, dass sein Vater die Erblasserin überlebt habe, und folgerte daraus eine Transmission. (Die Witwe nach Ernst W***** hatte zunächst aufgrund des Gesetzes zu einem Viertel des Nachlasses nach ihrer Schwiegermutter eine bedingte Erbserklärung abgegeben, diese Erklärung aber mit ihrer Eingabe vom 24. 3. 1982 wieder zurückgenommen.)
Der Sohn der Erblasserin beantragte ausdrücklich, die Erbserklärung seines Neffen „abzuweisen“ (ON 9).
Unter der ON 14 findet sich in den Abhandlungsakten ein fünfseitiger maschinschriftlicher Aufsatz über die Annahme der Erbserklärung des Sohnes, die Zurückweisung der Erbserklärung des Enkels, eine teilweise Annahme und teilweise Zurückweisung der Erbserklärung der Schwiegertochter, eine Zuteilung der Klägerrolle an sie und eine Abweisung des Antrags nach § 145 AußStrG, § 810 ABGB. Der undatierte Aufsatz trägt ein Handzeichen (offensichtlich das des Abhandlungsrichters) und den handschriftlichen Vermerk: „noch nicht abfertigen ...“.
Nach dem mit ON 17 eingeordneten Protokoll fand am 23. 12. 1982 vor dem Abhandlungsgericht eine Tagsatzung zur Rekonstruktion des Verlassenschaftsakts statt.
Als ON 18 findet sich eine sechsseitige Durchschrift eines maschinschriftlichen Aufsatzes mit dem Inhalt eines Beschlusses über eine Annahme der Erbserklärung des Sohnes in Ansehung einer Hälfte des Nachlasses und einer Abweisung dieser Erbserklärung in Ansehung der weiteren Nachlasshälfte; über die Annahme der Erbserklärung des Enkels, über eine Klägerrollenzuweisung nach § 125 AußStrG, eine Ablehnung des Antrags nach § 145 AußStrG, § 810 ABGB und über die Bestellung eines Verlassenschaftskurators. Dieser Aufsatz mit der Bezeichnung des Gerichts, der Gerichtsabteilung und des (offensichtlich unrichtigen) Datums „23. 12. 1983“ ist mit der Unterschrift des Abhandlungsrichters versehen und trägt folgenden handschriftlichen Vermerk:
„bitte neu schreiben
dann je 1 x ... (Vertreter des Enkels) ...
... (Vertreter des Sohnes) ...
... (Verlassenschaftskurator) ...“
Das als ON 18 eingeordnete Aktenstück enthält keinen Vermerk über eine Abgabe an die Geschäftsabteilung und die weitere Erledigung.
Unter ON 19 findet sich in den Akten aber ein den Verbesserungen in der ON 18 entsprechender fünfseitiger maschinschriftlicher Aufsatz mit dem Datum „23. 12. 1982“. Auf diesem ist ein handschriftlicher Vermerk nach der Art einer Zustellverfügung entsprechend dem Vermerk auf ON 18 angebracht. Der Aufsatz trägt keine Unterschrift. Auf Seite 6 dieses Aktenstücks findet sich die mit 20. 7. 1983 datierte Verfügung: „nicht abfertigen!“.
Auf Aufforderung des Rekursgerichts vermerkte der seinerzeitige Leiter der Gerichtsabteilung, in der die Abhandlung geführt wird, er habe ... „Auf Grund ... der Tagsatzung vom 23. 12. 1982 einen Beschlussentwurf vorbereitet, welcher mit der im Akt erliegenden ON 18 ident ist ... habe ... Passage gestrichen, weiter Fehler ausgebessert, den Entwurf unterfertigt und die Zustellverfügung sowie Neuausfertigung angeordnet. Nach der Neuanfertigung (ident mit ON 19) habe“ er sich „beim Setzen der Zustellverfügung daran erinnert, diese bereits angeordnet und den Beschluss schon unterfertigt gehabt zu haben (ON 18)“, weshalb er den Akt seiner ehemaligen Geschäftsabteilung übergeben habe.
In einem Amtsvermerk vom 25. 5. 1983 machte der nunmehrige Leiter der Gerichtsabteilung aktenkundig, der Verlassakt sei „am 25. 5. 1983 dem nunmehrigen Leiter der Gerichtsabteilung 2 von dessen Vorgänger ... vorgelegt“ worden.
Nach dem Einlangen eines Berichts des Gerichtskommissärs und der Auszüge aus dem Sterbebuch fasste das Abhandlungsgericht den mit 20. 7. 1983 datierten Beschluss, der als ON 23 eingeordnet ist, einen Abfertigungsvermerk trägt und den Vertretern der beiden Erbansprecher (am 26. 7. und 28. 7. 1983) zugestellt wurde. Mit dieser Entscheidung nahm das Abhandlungsgericht die Erbserklärung des Sohnes an, wies die des Enkels zurück und gab dem Antrag des Sohnes nach § 810 ABGB, § 145 AußStrG statt.
Der Enkel erhob gegen diesen Beschluss vom 20. 7. 1983 insoweit Rekurs, als seine eigene Erbserklärung zurückgewiesen, die Erbserklärung seines Onkels auch in dem Ausmaß zu Gericht angenommen wurde, in dem sie seiner eigenen widerspricht, und dem Onkel die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen wurde. In formeller Hinsicht rügte der Enkel, dass der angefochtene Beschluss einer bereits das Abhandlungsgericht bindenden Entscheidung zuwiderlaufe und daher in unzulässiger Weise erfolgt sei. Meritorisch erachtete der Enkel einerseits das von ihm behauptete Nachversterben seines Vaters nach der Erblasserin durch die bisherigen Erhebungen des Abhandlungsgerichts nicht mit der Sicherheit widerlegt, dass eine auf die Transmission gestützte Erbserklärung keinesfalls zu einer Einantwortung führen könnte und aus dieser Erwägung vom Abhandlungsgericht nicht angenommen zu werden brauchte, andererseits rügte der Enkel, das Abhandlungsgericht habe die Auslegungsmöglichkeit vernachlässigt, dass die Erblasserin mit ihrer letztwilligen Verfügung vom 12. 12. 1963 eine der Bestimmung des § 779 ABGB entsprechende Regelung habe anordnen wollen.
Das Rekursgericht hob den erstrichterlichen Beschluss vom 20. 7. 1983, ON 23, als nichtig auf und trug dem Abhandlungsgericht die Zustellung der Ausfertigungen des Beschlusses vom 23. 12. 1982, ON 18, auf. (Diesem Auftrag hat das Abhandlungsgericht inzwischen entsprochen.)
Der erbserklärte Sohn der Erblasserin ficht die Rekursentscheidung wegen Nichtigkeit, unrichtiger rechtlicher Beurteilung (nämlich einer unrichtigen Anwendung der Verfahrensgesetze) und Aktenwidrigkeit mit einem Antrag auf Aufhebung der Nichtigerklärung sowie Bestätigung des erstrichterlichen Beschlusses vom 20. 7. 1983, hilfsweise Rückverweisung der Abhandlungssache an das Gericht zweiter oder erster Instanz an.
Der Revisionsrekurs ist berechtigt.
Das Rekursgericht hat den abhandlungsgerichtlichen Beschluss vom 20. 7. 1983, ON 23, über die Annahme der Erbserklärung des Sohnes (Punkt 1) über die Zurückweisung der Erbserkärung des Enkels (Punkt 2) sowie über den Antrag des Sohnes nach § 145 AußStrG, § 810 ABGB (Punkt 3) aufgehoben, weil es das Aktenstück ON 18 als eine schriftliche Abfassung des richterlichen Entscheidungswillens über die Erbserklärungen und den nach § 145 AußStrG gestellten Antrag wertete und als erwiesen annahm, dass der Richter, dessen Unterschrift das strittige Aktenstück trägt, dieses der Geschäftsabteilung zur Abfertigung der Ausfertigungen an die Beteiligten übergeben habe. Dabei ließ das Rekursgericht nach der Begründung seines Beschlusses offen, wann der bis 31. 12. 1982 nach der Geschäftsverteilung zur Erledigung berufene Richter das Aktenstück ON 18 der Geschäftsabteilung übergeben hat. Dass er das Aktenstück ON 19 erst im Verlauf des Jahres 1983 mit dem handschriftlichen Zusatz nach der Art einer Zustellverfügung versehen, aber im Hinblick auf das Aktenstück ON 18 nicht unterschrieben und den Akt dann (neuerlich) der Geschäftsabteilung ohne neu richterliche Weisung übergeben hat, ist für die Beurteilung der verfahrensrechtlichen Bedeutung des Aktenstücks ON 18 ohne Belang: Die neuerliche Abgabe der Akten (im Jahre 1983), in denen sich nun das nicht unterfertigte Aktenstück ON 19 befunden hat, an die Geschäftsabteilung konnte weder nach objektiv zutagegetretenen Bild des Vorgangs noch nach dem dem subjektiven Willen des Richters eine verfahrensrechtliche Bedeutung haben, weil mit dem bloß faktischen Vorgang ein neuer verfahrensgestaltender Schritt nicht beabsichtigt war.
Dem Rekursgericht ist die ihm angelastete Aktenwidrigkeit nicht unterlaufen. Es hat vielmehr eine wertende Beurteilung des Aktenstücks ON 18 vorgenommen, die mit der Beurteilung durch den Rechtsmittelwerber nicht übereinstimmt. Dieser will das Aktenstück ON 18 als „rechtliches Nullum“ beurteilt wissen. Die verfahrensrechtliche Wertung der gerichtsinternen Vorgänge um das Aktenstück ON 18 durch das Rekursgericht ist zu überprüfen, die zweitinstanzliche Beurteilung mag unrichtig sein, sie begründet aber entgegen den Rechtsmittelausführungen keinesfalls eine Nichtigkeit der Rekursentscheidung.
Die Beurteilung des Aktenstücks ON 18 als einer schriftlichen Abfassung einer richterlichen Entscheidung einerseits oder als einer bloßen Vorstufe hiezu muss bei der durch Rekonstruktionen, Verzögerungen und Aktenfehlleitungen gekennzeichneten Aktenbehandlung daran anknüpfen, dass die handschriftliche Weisung des Richters „bitte neu schreiben“ objektiv zunächst als Auftrag zur Herstellung einer das Aktenstück ON 18 in seiner Funktion als schriftliche Abfassung der Entscheidung ersetzende Urschrift aufzufassen war, der weitere handschriftliche Vermerk: „dann je 1 x ...“ aber noch nicht als Zustellungsverfügung, sondern als ein Hinweis, wem Ausfertigungen zuzustellen sein werden, damit bei der Herstellung der neuen Urschrift vorsorglich die erforderlichen Durchschriften hergestellt würden. Diese objektive Deutung findet ihre Stütze darin, dass die (erste) Übergabe der Akten an die Geschäftsabteilung mit dem Aktenstück ON 18 offensichtlich auch nur im Sinne eines Schreibauftrags verstanden wurde, weil nicht nur ein Abfertigungsvermerk fehlt, sondern auch eine Zustellung an die Beteiligten unterblieb. Zur gebotenen leichteren Lesbarkeit einer Entscheidung im Sinne des mit Ausbesserungen versehenen Aktenstücks ON 18 hätte es genügt, eine nach dem Aktenstück ON 18 als Urschrift hergestellte Ausfertigung anzuschließen. Dies hätte durch einen entsprechenden Vermerk in der Zustellungsverfügung angeordnet werden können. Die Anordnung, vom Aktenstück ON 18 eine neue urschriftliche Fassung herzustellen mit dem Zusatz, dass
Der Eintritt der verfahrensrechtlichen Bindung des Gerichts an seine eigene Entscheidung darf nur an einen inhaltlich eindeutigen, in der zeitlichen Zuordnung und dem formalen Ausdruck klaren Vorgang geknüpft werden.
Die aktenkundig gemachten Vorgänge einer Übergabe der Akten mit dem als ON 18 eingeordneten Schriftstück an die Geschäftsabteilung entbehren dieser gebotenen Eindeutigkeit. Sie vermochten deshalb auch die vom Rekursgericht angenommene Bindungswirkung keinesfalls auszulösen.
Aus diesen Gründen sind Erörterungen darüber entbehrlich, ob und in welchen Fällen eine analoge Anwendung der Regelung nach § 416 Abs 2 ZPO in einem nach den Vorschriften des Außerstreitgesetzes durchzuführenden Verfahren zulässig und geboten ist (vgl die Erwägungen in SZ 38/147 und JBl 1975, 210 sowie bei Dolinar , österreichisches Außerstreitverfahrensrecht, 140 und 145).
In gleicher Weise ist es entbehrlich, die vom Rekursgericht angenommene Wertung eines Verstoßes gegen die Bindung des Gerichts an seine eigene Entscheidung als Nichtigkeitsgrund zu überprüfen, weil der vom Rekursgericht aufgegriffene Verfahrensmangel im Rekurs als solcher gerügt worden war und dem Wort „nichtig“ gegebenenfalls nur die Bedeutung einer in den Spruch aufgenommenen unrichtigen Begründung beigelegt werden müsste.
Der Enkel ließ die erstrichterliche Annahme der Erbserklärung seines Onkels in Ansehung einer Hälfte des Nachlasses unangefochten. Das Rekursgericht hat dessen ungeachtet den Beschluss vom 20. 7. 1983 zur Gänze aufgehoben. Es hat aber gleichzeitig das Vorliegen einer erstrichterlichen Entscheidung im Sinne des Aktenstücks ON 18 angenommen, mit der die Erbserklärung des Sohnes in Ansehung einer Hälfte des Nachlasses zu Gericht angenommen wurde. Der Sache nach hat damit das Rekursgericht die Annahme der Erbserklärung des Sohnes zu einer Hälfte des Nachlasses aufrechterhalten.
Aus den oben dargelegten Gründen sind aber die aktenkundigen konkreten Vorgänge im Zusammenhang mit dem Aktenstück ON 18 nicht eindeutig genug, um dieses Aktenstück als endgültige, für die Akten bestimmte Abfassung der richterlichen Entscheidung zu werten, so dass selbst bei der vom Rekursgericht angenommenen Anwendbarkeit der Regel des § 416 Abs 2 ZPO das Abhandlungsgericht im Zeitpunkt der Erlassung des Beschlusses vom 20. 7. 1983 noch nicht an eine eigene Entscheidung mit dem Inhalt des Aktenstücks ON 18 gebunden sein konnte.
In Stattgebung des Revisionsrekurses war der angefochtene rekursgerichtliche Beschluss aufzuheben und dem Rekursgericht eine neue Entscheidung über den vom Enkel gegen den Beschluss vom 20. 7. 1983 erhobenen Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Aufhebungsgrund aufzutragen.
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