Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Scheiderbauer, Dr. Kralik, Dr. Melber und Dr. Huber als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei prot Firma Paul K***** GesmbH Co KG, *****, vertreten durch Dr. Otto Philp, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei K***** AG, *****, vertreten durch Dr. Ingo Ubl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 25.500 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. Oktober 1980, GZ 15 R 154/80-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 12. März 1980, GZ 32 Cg 720/79-20, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegenseitig aufgehoben.
Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 2.579,50 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 155,50 S Umsatzsteuer und 480 S Barauslagen) zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Am 16. August 1978 um ca 1:10 Uhr kam der im Eigentum der klagenden Partei stehende, von Franz S***** gelenkte Tankwagen-Sattelschleppzug Kennzeichen *****, auf der Südautobahn in Wiener Neudorf, nachdem er auf einen LKW-Zug aufgefahren und hiedurch die gesamte Fahrzeugbeleuchtung ausgefallen war, quer über den ersten und zweiten Fahrstreifen zum Stillstand. Der kurz danach mit seinem bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten PKW Kennzeichen ***** in derselben Fahrtrichtung folgende Otto G***** fuhr auf den Sattelschleppzug auf. Er erlitt tödliche Verletzungen, ebenso seine Frau und seine beiden Kinder. Franz S***** wurde wegen Vergehens der fahrlässigen Tötung nach dem § 80 StGB rechtskräftig schuldig gesprochen (8 d E Vr 8452/78 des Landesgerichts für Strafsachen Wien).
Die klagende Partei begehrt unter Berücksichtigung eines ihrem Fahrer Franz S***** anzulastenden 25%igen Mitverschuldens am Unfall gemäß § 63 KFG 1967 von der beklagten Partei den Ersatz von Reparaturkosten des Sattelschleppzugs und für Verdienstentgang einen Gesamtbetrag von 126.684,69 S sA, Otto G***** treffe das überwiegende Verschulden am Unfall, da er zufolge Unaufmerksamkeit oder fahrtechnisch unrichtigen Verhaltens ohne Bremsung auf das Fahrzeug der klagenden Partei aufgefahren sei.
Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Am Unfall trage Franz S***** das 75%ige Mitverschulden, da dieser zufolge Unaufmerksamkeit und unter Einhaltung erhöhter Geschwindigkeit auf einen LKW aufgefahren sei und hiedurch den Ausfall der Beleuchtung an seinem Fahrzeug und die Blockierung zweier Fahrspuren verschuldet habe. Die Höhe des Gesamtschadens der klagenden Partei wurde mit 153.000 S sA außer Streit gestellt (AS 59).
Das Erstgericht nahm eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 1 vor, sprach demgemäß der klagenden Partei einen Betrag von 76.500 S sA zu und wies das Mehrbegehren ab.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es der klagenden Partei im Sinne ihres Berufungsantrags unter Zugrundelegung einer Verschuldensteilung von 2 : 1 zu ihren Gunsten einen Gesamtbetrag von 102.000 S sA zuerkannte.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf den Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO gestützte Revision der beklagten Partei mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils.
Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist gerechtfertigt.
Das Erstgericht traf die auf den S 4 bis 9 (AS 66 ff) seines Urteils enthaltenen Sachverhaltsfest-stellungen. In seiner rechtlichen Beurteilung verwies es auf die Bindungswirkung des gegen Franz S***** ergangenen strafgerichtlichen Erkenntnisses. Danach habe dieser mit seinem Tankwagen-Sattelschleppzug eine überhöhte Geschwindigkeit von 90 bis 100 km/h und zufolge Unaufmerksamkeit - er bückte sich, um einen entglittenen Kaugummi aufzuheben - schließlich einen zu geringen Tiefenabstand zu den vor ihm fahrenden LKW eingehalten. Er sei auf diesen LKW aufgefahren und bestehe zwischen beiden Auffahrunfällen ein Kausalzusammenhang. Aus der Unterlassung einer Maßnahme nach § 3 WareneinrichtungsVO könne ihm jedoch kein Vorwurf gemacht werden, da für eine solche nicht genügend Zeit zur Verfügung gestanden sei. Vielmehr müsse darin, dass er dem Fahrzeug des Otto G***** 16 bis 21 m über das Heck des Sattelschleppzugs hinaus auf dem Pannenstreifen entgegengelaufen sei und dabei mit einer Taschenlampe kreisende Lichtzeichen gegeben habe, eine sinnvolle Warnmaßnahme gesehen werden. Einem unbekannten, unmittelbar dem Sattelschleppzug folgenden PKW sei es jedenfalls gelungen, über den Pannenstreifen das Hindernis zu umfahren. Dem Franz S***** fielen somit die vom Strafgericht festgestellten Verstöße gegen §§ 18 Abs 1, 20 Abs 1 StVO, § 98 KFG 1967 und § 58 KDV zur Last und er habe die einleitende Unfallsursache zu vertreten. Otto G***** dagegen habe jegliche unfallsverhindernde Maßnahme unterlassen. Bei der von ihm zulässigerweise eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit von 100 km/h hätte er den Sattelschleppzug spätestens auf 120 m wahrnehmen können und wäre in der Lage gewesen, sein Fahrzeug auf einer Strecke von 92 m, somit unfallsverhindernd, anzuhalten. G***** falle daher eine gröbliche Unaufmerksamkeit bzw eine daraus resultierende Reaktionslosigkeit und ein Verstoß nach § 20 Abs 1 StVO zur Last. Beide Lenker seien somit unaufmerksam und zu schnell gefahren. S***** habe die unfallseinleitende Ursache gesetzt, G***** sei die völlig unverständliche, totale Reaktionslosigkeit vorzuwerfen. Unter diesen Umständen erscheine eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 1 angemessen.
Das Berufungsgericht beurteilte den vom Erstgericht unbekämpft festgestellten Sachverhalt dahin, dass beide Fahrzeuglenker die im Straßenverkehr erforderliche Vorsicht und Aufmerksamkeit gröblich außer Acht gelassen hätten. Beide hätten bei gehöriger Aufmerksamkeit ihren Auffahrunfall verhindern können. Otto G***** habe zumindest den Versuch unternehmen müssen, den Sattelschleppzug auf dem dritten Fahrstreifen zu umfahren. Die Unterlassung jeglicher Reaktion wiege umso schwerer, als es dem vor G***** fahrenden PKW-Lenker gelungen sei, unter Benützung des Abstellstreifens einen Auffahrunfall zu vermeiden. Stelle man das besonders verantwortungslose, jeglicher Reaktion entbehrende Fehlverhalten des Otto G***** jenem des Franz S*****, der immerhin vor seinem Auffahrunfall eine Notbremsung eingeleitet und sodann Warnmaßnahmen vorgenommen habe, gegenüber, so überwiege das Verschulden des Otto G***** klar, weshalb eine Schadensteilung im Verhältnis von 2 : 1 zu dessen Lasten angemessen erscheine.
Im Revisionsverfahren ist nur noch die Verschuldensteilung strittig.
Die Revision beschreibt das grobe Fehlverhalten des Franz S***** und die besonderen Umstände, welche zum gegenständlichen Unfall führten und vertritt unter Hinweis auf den vom Erstgericht vorgenommenen Ausspruch gleichteiligen Verschuldens den Standpunkt, dass das Verschulden des PKW-Lenkers jedenfalls nicht höher bewertet werden könne als das des Lenkers des Sattelschleppzugs.
Dieser Rechtsauffassung ist beizupflichten.
Zunächst muss entgegen der Meinung der Revisionsbeantwortung nachdrücklichst der Umstand hervorgehoben werden, dass der Lenker des Tankwagen-Sattelschleppzugs der klagenden Partei in äußerst fahrlässiger Weise die einleitende Ursache für diesen außerordentlich folgenschweren Unfall gesetzt hat, indem er mit überhöhter Fahrgeschwindigkeit (§ 58 Abs 1 Z 2 lit e KDV) fahrend sich nach einem entglittenen Kaugummi bückte und solcherart mangels Beobachtung der Fahrbahn auf den vor ihm fahrenden LKW auffuhr. Sein wegen dieses von ihm schuldhaft herbeigeführten Primärunfalls auf der Autobahn zum Stillstand gekommenen Fahrzeug bildete im nächsten Augenblick zufolge Ausfalls der gesamten Fahrzeugbeleuchtung und Blockierung von zwei der drei Fahrstreifen hinsichtlich der Größe seiner Gefährlichkeit sodann aber auch ein ganz außergewöhnliches kaum vorherzusehendes Hindernis für den Folgeverkehr. Gerade auf Autobahnen, wo nach ständiger Judikatur nur bei Vorliegen besonderer (außergewöhnlicher) sichtbehindernder Umstände wie Nebel, unübersichtliche Verkehrslage usw, der Grundsatz des Fahrens auf Sicht voll gilt (ZVR 1962/5; 1976/68; 2 Ob 140/75 ua), fällt die schuldhafte Blockierung der Fahrbahn durch ein unbeleuchtetes Fahrzeug schwer ins Gewicht. Ausgehend vom Rechtssatz, dass bei einem Zusammenstoß zwischen einem nicht entsprechend reagierenden Fahrzeuglenker und einem bei Dunkelheit nicht beleuchteten Fahrzeug das Schwergewicht der Verkehrswidrigkeit auf dem Mangel der Beleuchtung liegt (8 Ob 205/80; 2 Ob 231/69 ua), das überwiegende Mitverschulden also in solchen Fällen den Lenker des letztgenannten Fahrzeugs trifft, kann hier eine andere Verschuldensteilung nur insoweit begründet sein, als Otto G***** überhaupt nicht reagiert hat. Dem Berufungsgericht kann aber keinesfalls dahin zugestimmt werden, dass in dieser Unterlassung jeglicher Reaktion ein „besonders verantwortungsloses Fehlverhalten“ liege. Dies trifft vielmehr weitaus eher auf das Verhalten des Franz S***** zu, der, obwohl unzulässigerweise mit seinem Tankwagen-Sattelschleppzug eine Geschwindigkeit von nahezu 100 km/h fahrend, es dennoch riskierte, seinen Blick nicht dem Verkehrsgeschehen, sondern einfach einem entglittenen Kaugummi zuzuwenden. Darin, dass der seinerseits zulässigerweise mit 100 km/h fahrende Otto G***** den quergestellten Sattelschleppzug auf eine Entfernung von 120 m, also rund 4 Sekunden vor dem Anprall, wahrnehmen hätte können und letztlich auch auf die von dem am Pannenstreifen entgegenkommenden Franz S***** gegebenen, gewiss auch zu missdeutenden, Lichtzeichen nicht reagierte, kann im Hinblick auf den gegen den Lenker des Fahrzeugs der klagenden Partei insgesamt zu richtenden schweren Schuldvorwurf keinesfalls ein überwiegendes Verschulden am Unfall erkannt werden.
Der Revision war daher Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
In der Berufungsinstanz haben die Parteien jeweils mit ihrer Berufung keinen Erfolg, jedoch hinsichtlich der gegnerischen Berufung einen vollen Abwehrerfolg erzielt. Berufungsmitteilungen waren nicht erstattet worden, die anteiligen Kosten der mündlichen Berufungsverhandlung waren gegenseitig aufzuheben.
Im Revisionsverfahren ist die beklagte Partei mit ihrer Revision voll durchgedrungen und hat somit Anspruch auf Ersatz ihrer Revisionskosten.
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