Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Neperscheni als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick, Dr. Petrasch, Dr. Kuderna und Dr. Wurz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*, Angestellter, *, vertreten durch Dr. Nikolaus Siebenaller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei W*, Hauseigentümer, *, vertreten durch Dr. Erich Biel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Wiederaufnahme eines Verfahrens (Streitwert 8.644,77 S sA), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 28. Februar 1977, GZ 5 R 34/77 10, womit anläßlich der Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 13. Dezember 1976, GZ 3 Cg 313/76 5, aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rekurses selbst zu tragen.
Begründung:
Mit rechtskräftigem Versäumungsurteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 28. Mai 1975, 3 Cg 201/75 2, wurde der nunmehrige Wiederaufnahmskläger schuldig erkannt, dem nunmehrigen Wiederaufnahmsbeklagten einen rückständigen Mietzins von 15.147,55 S sA zu bezahlen. Der betreffenden Mietzinsklage lagen Mietzinsrückstände für die Monate November 1974 bis April 1975 zugrunde.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der nunmehrige Kläger die Wiederaufnahme des Verfahrens 3 Cg 201/75 des Landesgerichtes für ZRS Wien bezüglich der Mietzinsrückstände für November und Dezember 1974 sowie Jänner 1975 im Gesamtbeträge von 8.644,77 S sowie bezüglich der Kosten mit der Behauptung, er habe seinerzeit vor der ersten Tagsatzung vergeblich die Zahlungsbelege für diese Mietzinse gesucht, habe sie aber nunmehr am 11. Juli 1976 im Keller seines Wohnhauses beim „Ausmisten“ alter Geschäftsunterlagen gefunden. Mit Hilfe dieser Unterlagen hätte er den im Vorverfahren bestandenen Beweisnotstand beseitigen können.
Während das Erstgericht der am 19. Juli 1976 eingebrachten Wiederaufnahmsklage bezüglich des Hauptbetrages von 8.644,77 S stattgab, hob das Berufungsgericht aus Anlaß der Berufungen beider Parteien das erstgerichtliche Urteil auf und wies die Wiederaufnahmsklage zurück. Es führte aus, daß zwar grundsätzlich auch gegen ein Versäumungsurteil eine auf § 530 Abs 1 Z 7 ZPO gestützte Wiederaufnahmsklage zulässig sei, doch müsse in diesem Falle der Wiederaufnahmskläger beweisen, daß er nach der Lage im Zeitpunkt der Urteilsfällung ein Einlassen in den Rechtsstreit mit Sicherheit als aussichtslos ansehen mußte. Im vorliegenden Fall wären dem Beklagten, außer den erst später aufgefundenen Zahlungsbelegen, noch andere Beweismittel, insbesondere die zeugenschaftliche Einvernahme des Hausverwalters, zur Verfügung gestanden. Bei dieser Sachlage sei das Klagsvorbringen unschlüssig, was zu einer Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage nach § 538 ZPO führen müsse.
Der vom Kläger gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist nicht gerechtfertigt.
Grundsätzlich ist es richtig, daß auch dann, wenn der Vorprozeß durch Versäumungsurteil beendet wurde, eine auf § 530 Abs 1 Z 7 ZPO gestützte Wiederaufnahme des Verfahrens möglich ist. Hiebei ist von der Erwägung auszugehen, daß sich ein vernünftiger Beklagter nur dann in einen Streit einlassen wird, wenn er Aussicht hat, mit seiner Verteidigung durchzudringen. Fehlen ihm hiezu Beweismittel, läßt er ein Versäumungsurteil ergehen. Findet er aber hinterher solche Beweismittel, so fehlt die gesetzliche Grundlage, ihm die Wiederaufnahmsklage zu verwehren (7 Ob 44/70, 6 Ob 294/69). Nur wenn es dem im Vorprozeß Beklagten offenbar sinnlos erscheinen mußte, sich in den Prozeß einzulassen, weil er sich aus Mangel an verfügbaren Beweismitteln zu einer wirksamen Rechtsverteidigung nicht in der Lage sah, kann demnach in dem Auffinden von Beweismitteln ein tauglicher Wiederaufnahmsgrund betreffend ein durch Versäumungsurteil abgeschlossenes Verfahren erblickt werden. Es ist Sache des Wiederaufnahmeklägers, in einem solchen Fall die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahmsklage zu behaupten und zu beweisen (EvBl 1970/234).
Im vorliegenden Fall kann nun dahingestellt bleiben, inwieweit die vom Berufungsgericht verwendete Wendung „mit Sicherheit“ Allgemeingültigkeit für sich beanspruchen kann. Auf jeden Fall hätte ein Wiederaufnahmskläger in Fällen, in denen der Vorprozeß mit Versäumungsurteil abgeschlossen wurde, Tatsachen vorzubringen, aus denen sich ergibt, daß in gleich gelagerten Fällen ein vernünftiger Beklagter im Hinblick auf die Aussichtslosigkeit seiner allfälligen Verteidigung eine Streiteinlassung vermieden hätte. Werden derartige Umstände nicht vorgebracht, erweist sich die Wiederaufnahmsklage als unschlüssig. Da selbst die Unschlüssigkeit in der Richtung, daß die neuen Tatsachen oder bekanntgewordenen Beweismittel im Falle ihrer Richtigkeit zu keiner Änderung der Entscheidung des Vorprozesses führen können, ein Vorgehen nach § 538 ZPO rechtfertigt ( Fasching IV, 541, RZ 1955, 46 ua), muß dies um so mehr für eine Unschlüssigkeit bezüglich des Wiederaufnahmsgrundes selbst gelten.
Zutreffend hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall die Unschlüssigkeit des Klagsvorbringens bejaht. Es mag dahingestellt bleiben, inwieweit sich ein vernünftiger Mieter als Beklagter in einem Prozeß über eine Zinsklage einlassen wird, wenn der Hausverwalter ihm gegenüber auch auf Grund einer Reklamation an Hand von Unterlagen das Bestehen des eingeklagten Zinsrückstandes behauptet. Im vorliegenden Fall wurde nicht einmal ein derartiger Protest des seinerzeit Beklagten oder der Versuch, vom Hausverwalter eine Aufklärung zu erlangen, behauptet. Demnach kann keinesfalls ausgeschlossen werden, daß eine Berufung auf die Aussage des Hausverwalters Prozeßchancen für den Beklagten im Vorprozeß erbracht hätte, die ein Einlassen auf den Prozeß vertretbar erscheinen hätte lassen. Kann aber der Beklagte eine gerechtfertigte Annahme der Aussichtslosigkeit seiner Verteidigung nicht beweisen, ist eine Wiederaufnahme eines mit Versäumungsurteil abgeschlossenen Verfahrens nach § 530 Abs 1 Zif 7 unzulässig. Hiebei ist nicht ein subjektiver Maßstab sondern ein objektiver anzulegen. Nicht ob der Beklagte von seiner subjektiven Warte aus eine Verteidigung im Vorprozeß für aussichtslos gehalten hat, ist entscheidend, sondern ob ein verständiger Beklagter in der gleichen Situation eine Prozeßeinlassung unter Berücksichtigung aller Umstände verweigern würde. Dies kann unter Zugrundelegung der Behauptungen des Klägers, von denen hier auszugehen ist, nicht gesagt werden.
Mit Recht hat daher das Berufungsgericht die Wiederaufnahmsklage zurückgewiesen, weshalb dem Rekurs nicht Folge zu geben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.
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