SZ 37/51
Den Eltern steht das Recht nach § 145 ABGB. die Rückkehr der Kinder zu erzwingen nicht zu, wenn Erziehungsmaßnahmen weder notwendig noch möglich sind.
Entscheidung vom 8. April 1964, 7 Ob 75/64. I. Instanz:
Bezirksgericht Hernals; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Der Vater der Mj. starb im Jahre 1957, worauf ihre Mutter Karoline M. zur Vormunderin bestellt wurde. Am 16. Oktober 1962 erschien die Mj. beim Pflegschaftsrichter und beschwerte sich darüber, daß ihre Mutter sie grundlos mit Schimpfnamen belege und wiederholt schlage. Sie beantragte, einen anderen Vormund zu bestellen oder ihr die Nachsicht des Alters zu gewähren. Das Jugendamt berichtete, daß die Mj. unter den häuslichen Mißständen sehr leide. Sie werde von ihrer Mutter grundlos beschimpft und mißhandelt. In der Folge zog die Mj. aus und lebt seither in Untermiete. Die eheliche Mutter sprach sich gegen die Anträge ihrer Tochter aus und verlangte gemäß § 145 ABGB., die Mj. zur Rückkehr in die mütterliche Wohnung zu verhalten.
Das Erstgericht wies den Antrag der ehelichen Mutter ab, enthob sie als Vormunderin und behielt die Bestellung eines neuen Vormundes einem besonderen Beschluß vor.
Das Rekursgericht bestätigte diesen, bloß von der ehelichen Mutter angefochtenen Beschluß, soweit deren Antrag abgewiesen wurde, hob ihn jedoch im übrigen auf und verwies die Sache an das Erstgericht zurück. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und schloß sich auch im allgemeinen dessen rechtlicher Beurteilung an, führte jedoch aus, daß es unzulässig sei, die Vormunderin zu entheben, ohne gleichzeitig einen anderen Vormund zu bestellen. Nur dieser Umstand führe zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Mutter nicht Folge.
Aus der Begründung:
Die eheliche Mutter meint, es stehe ihr gemäß § 145 ABGB. ein unbedingtes Recht zu, die Minderjährige zur Rückkehr in die elterliche Wohnung zu veranlassen. Diese Gesetzesstelle gibt jedoch den Eltern keine Befugnis, die Rückkehr von Kindern, welche den Haushalt verlassen haben, im eigenen Interesse zu verlangen. Eine solche Auffassung entspricht der väterlichen Gewalt im Sinne des römischen Rechtes, die das ABGB. nicht kennt. Noch bei Beratung des Codex Theresianus wurde eine solche Ansicht vertreten und die ursprüngliche Fassung der "Parifizierung der Kinder mit Eigentum" bloß als unschicklich abgelehnt (Harrasowsky, I S. 156 Anm. 9). In der Folge änderte sich aber der Standpunkt der Gesetzesverfasser. Es ergibt sich sowohl aus der ursprünglichen Fassung des § 142 ABGB. als auch aus den Bestimmungen der I. TN. hierüber, daß die Zuteilung der Kinder an die einzelnen Elternteile bloß zum Zweck der Pflege und Erziehung erfolgt und daß es sich keineswegs um eine Aufteilung der Kinder zur Befriedigung eigener Rechtsansprüche der Eltern handeln kann (im gleichen Sinn Zeiller I S. 327, Stubenrauch[8] I S. 223 ff., Wentzel- Plessl bei Klang[2] I 2 S 65, SZ. VI 169 u. a.). Daraus folgt, daß ein Begehren eines Elternteiles im Sinne des § 145 ABGB. voraussetzt, daß die Rückkehr zu Zwecken der Erziehung angemessen ist.
Ein im 20. Lebensjahr stehendes Mädchen, das eine angemessene Anstellung hat und sich bereits selbst erhält, ist im allgemeinen nicht mehr erziehungsbedürftig. Nach den Feststellungen der Untergerichte liegen keine besonderen Umstände vor, die noch eine Erziehung durch die Mutter notwendig machen würden. Darauf kommt es auch der ehelichen Mutter gar nicht an. Bei der Vernehmungstagsatzung vom 7. Oktober 1963, hat sie ausgeführt, sie brauche ihre Tochter zur Hilfe im Haushalt, sie hat auch nach ihren eigenen Angaben, mit ihr einen Rechtsstreit beim Bezirksgericht Hernals. Sie kann selbst nicht behaupten, irgendwelche Maßnahmen zur allfälligen Besserung und Erziehung der Minderjährigen zu beabsichtigen.
Es ist daher im vorliegenden Fall gar nicht, wie in SZ. VI 169 vorausgesetzt, zu untersuchen, ob sich die eheliche Mutter Verfehlungen im Sinne des § 178 ABGB. schuldig gemacht hat. Vielmehr steht ihr das Recht, die Rückkehr der Minderjährigen verlangen zu können, aus dem Grund nicht zu, weil Erziehungsmaßnahmen weder notwendig noch möglich sind.
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