SZ 22/134
Die zu einer infolge Krankheit und Alters hilflosen Person von ihrer Pflegerin gemachte Äußerung, sie bleibe nicht, wenn sie nicht letztwillig bedacht werde, und es werde der Pflegebedürftigen dann schlecht gehen, ist als eine Drohung zu beurteilen; die unter dem Druck dieser Drohung zustande gekommene letztwillige Verfügung ist nichtig.
Entscheidung vom 21. September 1949, 2 Ob 41/49.
I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Die am 8. Oktober 1858 geborene und am 8. Februar 1945 gestorbene Landwirtin F. R. hat zwei letztwillige Verfügungen hinterlassen:
eine letztwillige Anordnung vom 5. März 1933, die sie vor drei Zeugen unterfertigt hat und in der die Kläger (Sohn und Schwiegertochter) als Universalerben eingesetzt worden sind, und ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament vom 18. Juni 1943, in dem sie unter Aufhebung ihrer früheren letztwilligen Verfügungen die Beklagte, ihre Tochter, zur Erbin ihres ganzen Nachlasses eingesetzt hat. Bei der Verlassenschaftsabhandlung haben die Kläger die Echtheit und Gültigkeit des Testamentes vom 18. Juni 1943 mit der Begründung bestritten, daß die Erblasserin im Zeitpunkt der Testamentserrichtung weder körperlich noch geistig in der Lage gewesen sei, dieses Testament zu schreiben; sie haben daher auf Grund der letztwilligen Anordnung vom 5. März 1933 Erbserklärungen abgegeben. Die Beklagte, die behauptet, daß das Testament vom 18. Juni 1943 von der Erblasserin selbst geschrieben worden sei, hat sich auf Grund dieses Testamentes erbserklärt. Das Verlassenschaftsgericht hat mit dem Beschluß vom 2. März 1945 die Kläger angewiesen, binnen Monatsfrist gegen die Beklagte zur Geltendmachung ihres Erbrechtes die Klage einzubringen. Die Kläger haben fristgerecht die Klage eingebracht und aus mehreren Gründen die Feststellung beantragt, daß das Testament vom 18. Juni 1943 ungültig und nichtig sei; sie haben während des Verfahrens einen Anfechtungsgrund fallen gelassen und zuletzt, als sie ersehen konnten, daß die bisher aufgenommenen Beweise ihren Klagsanspruch nicht unterstützen, als weiteren Nichtigkeitsgrund geltend gemacht, daß die Erblasserin von der Beklagten durch die Drohung, sie bleibe nicht mehr, wenn die Erblasserin ihr "das Häusl nicht verschreibe oder übergebe", zur Errichtung des Testamentes im Jahre 1943 gezwungen worden sei.
Das Prozeßgericht hat das Beweisverfahren noch in der Richtung des letzten Anfechtungsgrundes ergänzt und im Urteil ausgesprochen, daß das Testament vom 18. Juni 1943 ungültig und nichtig sei und daß die Verlassenschaft auf Grund der von den Klägern unter Berufung auf das Testament vom 5. März 1933 abgegebenen Erbserklärung abzuhandeln sei.
Das Berufungsgericht hat dieses Urteil bestätigt.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Prozeßgericht hat festgestellt, daß die Erblasserin das Testament vom 18. Juni 1943 eigenhändig geschrieben habe, und auch ihre Testierfähigkeit angenommen; trotzdem hat es das Testament für nichtig erklärt, da die Erblasserin bei seiner Verfassung nicht willensfrei gewesen sei.
Es ist unbestritten, daß die Streitteile seit Jahren gemeinsam mit der Erblasserin in deren Haus gewohnt haben und daß die Kläger, soweit sie nicht im Beruf oder Haushalt tätig waren, die Kleinwirtschaft der Erblasserin geführt haben, während der Beklagten hauptsächlich die Pflege und Betreuung der Erblasserin oblegen ist. Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Prozeßgerichtes hat es zwischen den Streitteilen wiederholt Auseinandersetzungen gegeben, in die jedoch die Erblasserin nicht einbezogen worden war. Im Zusammenhang mit diesen Auseinandersetzungen hat sich die Beklagte im Jahr 1942 einmal geäußert, der Erstkläger werde schon sehen, er müsse gehen und das Häusl müsse sie kriegen. Sie hat aber auch mehrmals der Erblasserin erklärt, daß sie nicht bleibe, wenn sie nicht das Häusl bekomme, und ein anderes Mal noch beigefügt, daß es der Erblasserin schlecht gehen werde, wenn sie nicht bleibe. Der Erblasserin war jedoch mit Rücksicht auf ihren schlechten Gesundheitszustand, der eine ständige Pflege erforderte, an einer solchen durch die Beklagte sehr gelegen. Durch Vermittlung der Zeugin L. setzte sie sich mit einem Rechtsanwalt wegen einer Änderung ihres früheren Testamentes in Verbindung. Die Erblasserin verhandelte nicht persönlich mit dem Rechtsanwalt und ließ die von ihr verfaßten Testamentsentwürfe diesem sowohl durch die Zeugin als auch durch die Beklagte übermitteln. Da die von der Erblasserin in dem schließlich errichteten Testament für den Widerruf der letztwilligen Verfügung vom 5. März 1933 angegebene Begründung (liebloses und grobes Verhalten der Kläger) nach den Ausführungen des erstgerichtlichen Urteiles durch das Beweisverfahren nicht bestätigt worden ist, hat das Prozeßgericht angenommen, daß das neue Testament nur auf die Beeinflussung der Erblasserin durch die Beklagte, die sie zwar in jeder Beziehung klaglos betreut, ihr jedoch auch die Aufgabe der Pflege in Aussicht gestellt hat, zurückzuführen war. Das Berufungsgericht hat die Rechtsansicht des Prozeßgerichtes geteilt, daß die Beklagte mit der festgestellten Äußerung eine Drohung gegen die Erblasserin ausgestoßen habe, die als Zwang im Sinn des § 565 ABGB. zu gelten habe, und daß ohne die Drohung das Testament vom 18. Juni 1943 nicht zustande gekommen wäre. Das Berufungsgericht hat endlich daraus, daß die gegen die Kläger in dem Testament erhobenen Vorwürfe durch das Beweisverfahren nicht bestätigt worden sind, geschlossen, daß das Testament dem wahren Willen der Erblasserin nicht entsprochen habe.
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