Das Landesgericht für ZRS Wien hat als Rekursgericht durch Dr. Breinl als Vorsitzenden, sowie Dr. Zeller und Dr. Streller als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Parteien 1) Stadt W*****, ***** Wien, ***** 2) V*****bank, *****Klagenfurt, *****, vertreten durch Dr. Johann Quendler, Dr. Alexander Klaus, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, 3) und andere betreibende Parteien, wider die verpflichtete Partei T***** Liegenschaftsverwertungsgesellschaft mbH, *****Wien, *****vertreten durch den Geschäftsführer Sch*****, wegen zu 1): S 571.887,-- s.A., zu 2): S 29,760.530,27 s.A., über den Rekurs der zweitbetreibenden Partei gegen den Meistbotsverteilungsbeschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 1.9.1997, 31 E 36/96z-74, den
Beschluß
gefaßt:
Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahingehend abgeändert, daß er einschließlich des unangefochtenen Teiles insgesamt zu lauten hat:
"I) Dem Widerspruch der V*****bank, ***** gegen die als bevorrechtet im Sinne des § 216 Abs 1 Z 2 EO angemeldeten Wasser/Abwassergebühren und Müllabfuhrgebühr der MA 6, wird Folge gegeben.
II) Das Meistbot für die am 22.4.1997 dem Ersteher Wilhelm E***** zugeschlagenen Liegenschaften EZ ***** und EZ *****, beide Grundbuch Leopoldstadt, wird nach den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung vom 5.8.1997 wie folgt verteilt:
Die Verteilungsmasse beträgt:
an Kapital: Das Meistbot von S 17,610.000,--
an Zinsen:
a) die vom Ersteher erlegten Meistbotszinsen im Betrag von S 92.843,66
b) die Zinsen der fruchtbringenden Anlegung des Meistbots in unbekannter Höhe.
Hievon werden zugewiesen:
I) aus dem Kapitalbetrag:
A) als Vorzugsposten
dem Magistrat der Stadt W*****an
Grundsteuer vom 22.4.1994 bis 31.12.1994 S 7.811,15 und S 6.216,23. Vom 1.1.1995 bis 31.12.1995 S 11.171,-- und S 8.920,--. Vom 1.1.1996 bis 30.6.1996 S 6.196,50 und S 4.500,50.
Sohin insgesamt S 44.815,38 durch Barzahlung.
B) in der bücherlichen Rangordnung:
Der V*****bank *****, auf Grund der zu C-LNr 1 simultan einverleibten Forderungen der ausgeschöpften Höchstbetragshypothek von S 30,000.000,--
zur Berichtigung des Kapitals mit einem Teilbetrag von S 17,565.185,31 durch Barzahlung.
Hiemit ist das Meistbot erschöpft.
II) aus dem Zinsenzuwachs:
Die Meistbots- und Fruktifikationszinsen werden zu den zu Punkt I) A) und B) Bezugsberechtigten anteilig entsprechend den an sie erfolgten Zuweisungen verteilt."
Die Erlassung der geänderten Auszahlungsanordnung bleibt dem Erstgericht vorbehalten.
Die Rekurswerberin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Der ordentliche Revisionsrekurs gegen diese Entscheidung ist zulässig.
Begründung:
Mit ihrem Rekurs bekämpft die zweitbetreibende Partei die Zuweisung von insgesamt S 778.552,31 als Vorzugsposten an den Magistrat der Stadt W***** für angemeldete Müllabfuhrgebühren, Wasser- und Abwassergebühren. Sie bringt vor, es handle sich bei diesen Gebühren um keine bevorrechteten Forderungen im Sinn des § 216 Abs 1 Z 2 EO.
Das Erstgericht hat die Abweisung des Widerspruches im wesentlichen damit begründet, daß die genannten Gebühren bevorrechtet wären und auf JABl 1952 5 ff verwiesen.
Dem Rekurs kommt Berechtigung zu:
Richtig ist, daß in JABl 1952 5 ff neben der Grundsteuer auch die Kanaleinmündungsgebühr, die Hauskehrrichtabfuhrgebühr (Koloniagebühr) und die Wassergebühren hinsichtlich des Bundeslandes Wien als solche angeführt sind, hinsichtlich derer ein gesetzliches Pfand- und Vorzugsrecht an Liegenschaften zukommt. Auch Heller-Berger-Stix 1473 führen für Wien die Kanalisationsgebühr, die Hauskehrrichtabfuhrgebühr und die Wassergebühr als bevorrechtet an. Auch MGA ABGB33 Anm 29 zu § 450 ABGB nennt diese Gebühren als gesetzliche Pfand- und Vorzugsrechte und verweist wieder auf JABl 1952 5 ff.
Dazu ist folgendes auszuführen: Bei der Verteilung des Meistbotes sind vor den auf der Liegenschaft pfandrechtlich sichergestellten Forderungen im Sinne des § 216 Abs 1 Z 2 EO unter anderem rechtzeitig angemeldete, aus den letzten drei Jahren vor dem Tag der Zuschlagserteilung rückständige, von der Liegenschaft zu entrichtende öffentliche Abgaben zu berichtigen, die nach den bestehenden Vorschriften ein gesetzliches Pfand- oder Vorzugsrecht genießen. Dieses Vorzugsrecht hat also zur Voraussetzung, daß für die öffentliche Abgabe ein gesetzliches Pfand- oder Vorzugsrecht ausdrücklich eingeräumt ist; daß die Abgabe von der Liegenschaft zu entrichten ist, genügt nicht (RZ 1993/18).
Es ist sohin im einzelnen zu prüfen, ob durch landesgesetzliche Vorschriften den genannten Gebühren eine Vorzugsstellung zukommt, sohin ob gesetzliche Pfand- und Vorzugsrechte bestehen.
1) Zu den angemeldeten Wassergebühren:
Heller-Berger-Stix verweisen auf § 16 Abs 3 des Wasserversorgungsgesetzes 1947, LGBl. 1947, Nr. 15 und auf LGBl. Nr. 10/1960. Auch JABl 1952 verweisen auf § 16 Abs 3 des Wasserversorgungsgesetzes 1947. Das Wasserversorgungsgesetz 1947 wurde durch die Verordnung der Wiener Landesregierung vom 10. Juni 1947, LGBl. 1947 Nr. 15, neu verlautbart. Gemäß § 16 Abs 3 dieser Gesetzesstelle besteht für die nach den §§ 8 Abs 1, sowie 15 lit a, b und d vom Hauseigentümer zu zahlenden Gebühren ein gesetzliches Pfandrecht mit dem Vorzugspfandrecht vor allen Privatpfandrechten jedoch nach dem privilegierten Pfandrechte der Bundessteuern samt Zuschlägen und Vermögensübertragungsgebühren an jenen Liegenschaften, rücksichtlich deren die Gebühr rechtskräftig vorgeschrieben wurde und zwar hinsichtlich der Gebühr nach § 8 Abs 2 bis zum Höchstbetrage der für 350 Liter täglich vorgeschriebenen Gebühr. Dieses Pfandrecht steht jedoch nur jenen Gebührenrückständen samt Nebengebühren zu, welche vom Zeitpunkte der exekutiven Veräußerung der Pfandsache zurückgerechnet nicht länger als ein Jahr und sechs Monate aushaften.
Schon daraus geht hervor, daß die Anmeldung hinsichtlich der letzten drei Jahre der vorgeschriebenen Gebühr nicht in vollem Umfange zustehen kann. Auch wurde der Höchstbetrag für 350 Liter täglich nicht nachgewiesen.
Entscheidend ist jedoch folgendes: § 30 Abs 2 des Wasserversorgungsgesetzes 1960, LGBl 1960/10, bestimmt, daß das Wasserversorgungsgesetz 1947 mit Ausnahme hier nicht in Betracht kommender Gesetzesstellen mit Ablauf des 31. Mai 1960 außer Kraft tritt und an seine Stelle das Wasserversorgungsgesetz 1960 tritt. Dieses bestimmt in seinem § 25 Haftungsregeln für Gebührenrückstände, jedoch kein gesetzliches Pfand- und Vorzugsrecht. Daß der jeweilige Eigentümer der Liegenschaft Abgabenschuldner ist, bedeutet noch nicht, daß die Abgabe durch Gesetz ein Pfand oder Vorzugsrecht genießt (RZ 1993/18). Das Wasserversorgungsgesetz 1960 ist derzeit geltende Norm.
Zur Kanalisationsgebühr (Abwassergebühr):
Anzuwendende Norm ist das Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetz 1978, LGBl 1978/2 idF LGBl 1994/33. In § 23 dieses Gesetzes finden sich Haftungsbestimmungen für die Gebühren, ein gesetzliches Pfand- und Vorzugsrecht wird jedoch in diesem Gesetz nicht normiert.
Vom Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetz 1978 zu unterscheiden ist das Gesetz über Kanalanlagen und Einmündungsgebühren LGBl 1955/22 idF LGBl 1996/44: Gemäß § 11 Abs 2 dieses Gesetzes besteht dann, wenn der Gebührenpflichtige zugleich Eigentümer (Miteigentümer) der Liegenschaft ist, an ihr hinsichtlich der zu entrichtenden Kanaleinmündungsgebühr ein gesetzliches Pfandrecht mit dem Vorzugsrecht vor allen Privatpfandrechten. Dieses Pfandrecht steht jedoch nur jenen Gebührenrückständen samt Nebengebühren zu, die zum Zeitpunkt der zwangsweisen Veräußerung zurückgerechnet, nicht länger als drei Jahre aushaften. Sohin wird in dieser Gesetzesstelle ein gesetzliches Pfand- und Vorzugsrecht normiert. Das Gesetz über Kanalanlagen und Einmündungsgebühren betrifft jedoch nicht die Abwassergebühr, sondern jene Gebühr, die bei Errichtung des Kanales anfällt. Dies bedeutet, daß für die Abwassergebühr kein Vorzugspfandrecht besteht.
Zur Müllabfuhrabgabe (Hauskehrrichtabfuhrgebühr, Koloniagebühr):
Anzuwenden ist das Wiener Abfallwirtschaftsgesetz, LGBl 1994/13 idF LGBl 1996/53. Auch hier finden sich keine Bestimmungen hinsichtlich eines gesetzlichen Pfand- und Vorzugsrechtes an Liegenschaften hinsichtlich der Abgabe. Gemäß § 52 Abs 1 Wr. AWG trat dieses Gesetz grundsätzlich mit 1. Juli 1994 in Kraft. Es galt sohin nicht für den geltend gemachten Zeitraum 22.4.1994 (Zuschlag 22.4.1997) bis 30.6.1994. In diesem Zeitraume galt das Müllabfuhrgesetz 1965, LGBl 1965/19. Aber auch in diesem Gesetz finden sich keine gesetzlichen Pfand- und Vorzugsrechte.
Dem Rekurs war sohin Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet in Judikat 201.
Der Ausspruch hinsichtlich der Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses gründet in § 239 Abs 3 EO und in § 528 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO. Der ordentliche Revisionsrekurs war zuzulassen, da zur Frage der gesetzlichen Pfand- und Vorzugsrechte an Liegenschaften in Wien hinsichtlich der genannten Gebühren und Abgaben jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes - soweit ersichtlich - fehlt und der Frage zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukommt.
Landesgericht für ZRS Wien
1016 Wien, Schmerlingplatz 11
Rückverweise
Keine Verweise gefunden