[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Mag. HUTTERER, Dr. KÖNIG, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Mag. ZIMMER und Dr. GUNDACKER sowie des Schriftführers Mag. HILD in ihrer Sitzung vom 16. Mai 2012 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde der Gina L*** (Beschwerdeführerin) aus A*** vom 16. November 2011 gegen Rechtsanwalt Dr. Fritz T*** als Insolvenzverwalter in der Sache Aktenzeichen *2 S *45/11p des Bezirksgerichts A*** (Beschwerdegegner), wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung in Folge Ermittlung von Adressdaten der Beschwerdeführerin zwecks Prüfung von deren Unterhaltsansprüchen, wird entschieden:
- Die B e s c h w e r d e wird z u r ü c k g e w i e s e n.
Rechtsgrundlagen : §§ 1 Abs. 5, 31 Abs. 2 und 7, 32 Abs. 1 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF, iVm § 80 der Insolvenzordnung (IO), RBGl. Nr. 337/1914 idgF.
B e g r ü n d u n g:
A. Vorbringen der Parteien
Die Beschwerdeführerin behauptet in ihrer Beschwerde vom 16. November 2011 (bei der Datenschutzkommission eingelangt am 22. November 2011) eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass der Beschwerdegegner (dieser eindeutig gemäß § 31 Abs. 3 Z 2 DSG 2000 als solcher bezeichnet) als Masseverwalter im über das Vermögen ihres Vaters eröffneten Schuldenregulierungsverfahren „sensible personenbezogene Daten“ (die Anschrift ihres Zweitwohnsitzes) wohl von der Universität A*** ermittelt habe, um diese in einem Rechtsstreit wegen Unterhaltspflichten verwenden zu können. Sie beantragte (neben einem formularmäßigen Antrag auf Feststellung der Verletzung ihres Geheimhaltungsrechts), „Dr. T*** diesbezüglich abzumahnen, und seine Quelle der Daten bekannt zu geben.“
Der Beschwerdegegner wandte mit Stellungnahme vom 2. Dezember 2011 die fehlende Zuständigkeit der Datenschutzkommission gemäß § 31 Abs. 2 DSG 2000 ein, da er als Insolvenzverwalter lediglich eine vom Gericht „zur Abwicklung und Vermögensverwaltung“ eingesetzte sachkundige Person sei. In der Sache brachte er vor, er habe im Rahmen seiner Pflichten auch eine Prognose über die Einkommenssituation des Gemeinschuldners zu erstellen, in die auch Unterhaltspflichten einzubeziehen seien. Er habe nicht durch unrechtmäßige Datenermittlung, sondern in einem Gespräch mit dem Gemeinschuldner erfahren, dass die Beschwerdeführerin nicht mehr bei ihrer Mutter, sondern an einer Zweitadresse lebe, die sie auch bei ihrer Inskription an der Universität A*** angegeben habe. Dies sei als ein Indiz für ein mögliches Erlöschen von Unterhaltsansprüchen aufzufassen gewesen und habe ihn veranlasst, mit der Beschwerdeführerin in dieser Frage brieflich Kontakt aufzunehmen.
Die Beschwerdeführerin brachte nach Parteiengehör zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens vor, der Beschwerdegegner habe den Sachverhalt immer noch nicht ausreichend dargelegt. Sie stehe mit ihrem Vater – dem Gemeinschuldner – seit rund 20 Jahren nicht mehr in Kontakt und es sei nicht davon auszugehen, dass sich dieser eine Information über ihren Nebenwohnsitz mittels rechtmäßiger Nachforschungen verschafft habe. Außer ihrer Mutter und der Universität A*** hätten nur die Meldebehörden (Zentrales Melderegister - ZMR) davon Kenntnis.
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand 1. die Frage ist, ob die Datenschutzkommission für ein Beschwerdeverfahren gegen den Beschwerdegegner zuständig ist, und in eventu 2. dieser durch sein Vorgehen die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt hat.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:
Der Beschwerdegegner ist vom Bezirksgericht A*** mit Beschluss vom 19. Oktober 2011 im Schuldenregulierungsverfahren Aktenzeichen: *2 S *45/11p (Schuldner: Karl L***) zum Insolvenzverwalter (im Edikt noch als „Masseverwalter“ bezeichnet, siehe jedoch § 275 Abs. 1 Z 23 IO) bestellt worden. Dem Schuldner wurde die Eigenverwaltung entzogen.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf den übereinstimmenden Angaben beider Parteien, ergänzend auf den am 4. Mai 2012 in der öffentlichen Insolvenzdatei abrufbaren Edikten des Bezirksgerichts A***.
Nach einem Gespräch mit dem Schuldner, in dem dieser angegeben hatte, seine Tochter – die Beschwerdeführerin – wohne wahrscheinlich gar nicht mehr bei ihrer Mutter und sei unter einer anderen Adresse an der Universität A*** inskribiert, wandte sich der Beschwerdegegner mit Brief vom 10. November 2011 an die Beschwerdeführerin (per Adresse: U***straße 3*, **** A***). Darin gab er an, als Masseverwalter im oben bezeichneten Insolvenzverfahren das Weiterbestehen von Unterhaltsansprüchen gegenüber dem Schuldner zu überprüfen und ersuchte sie
„…mir mitzuteilen, unter welcher Adresse Sie neben der Adresse U***straße 3* gemeldet sind (meiner Information nach, dürften Sie diese zweite Adresse bei der Universität A*** bekannt gegeben haben) zumal ich abzuklären habe, wie weit nicht auch Unterhaltspflicht ihrer Mutter besteht.“
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf den glaubwürdigen Angaben des Beschwerdegegners und auf einer Kopie des zitierten Schreibens, das die Beschwerdeführerin als Beilage zur Beschwerde vom 16. November 2011 vorgelegt hat.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 5 DSG 2000 lautet samt Überschrift:
„ Grundrecht auf Datenschutz
§ 1 . (1) [...] (4)
(5) Gegen Rechtsträger, die in Formen des Privatrechts eingerichtet sind, ist, soweit sie nicht in Vollziehung der Gesetze tätig werden, das Grundrecht auf Datenschutz mit Ausnahme des Rechtes auf Auskunft auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. In allen übrigen Fällen ist die Datenschutzkommission zur Entscheidung zuständig, es sei denn, daß Akte der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit betroffen sind.“
§ 31 Abs. 2 und 7 DSG 2000 lautet samt Überschrift:
„ Beschwerde an die Datenschutzkommission
§ 31 . (1) […]
(2) Die Datenschutzkommission erkennt weiters über Beschwerden von Personen oder Personengemeinschaften, die behaupten, in ihrem Recht auf Geheimhaltung (§ 1 Abs. 1) oder in ihrem Recht auf Richtigstellung oder auf Löschung (§§ 27 und 28) verletzt zu sein, sofern der Anspruch nicht nach § 32 Abs. 1 vor einem Gericht geltend zu machen ist oder sich gegen ein Organ im Dienste der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit richtet.
(3) […] (6)
(7) Soweit sich eine Beschwerde nach Abs. 1 oder 2 als berechtigt erweist, ist ihr Folge zu geben und die Rechtsverletzung festzustellen. Ist eine festgestellte Verletzung im Recht auf Auskunft (Abs. 1) einem Auftraggeber des privaten Bereichs zuzurechnen, so ist diesem auf Antrag zusätzlich die – allenfalls erneute – Reaktion auf das Auskunftsbegehren nach § 26 Abs. 4, 5 oder 10 in jenem Umfang aufzutragen, der erforderlich ist, um die festgestellte Rechtsverletzung zu beseitigen. Soweit sich die Beschwerde als nicht berechtigt erweist, ist sie abzuweisen.“
§ 32 Abs. 1 DSG 2000 lautet samt Überschrift:
„ Anrufung der Gerichte
§ 32 . (1) Ansprüche wegen Verletzung der Rechte einer Person oder Personengemeinschaft auf Geheimhaltung, auf Richtigstellung oder auf Löschung gegen natürliche Personen, Personengemeinschaften oder Rechtsträger, die in Formen des Privatrechts eingerichtet sind, sind, soweit diese Rechtsträger bei der behaupteten Verletzung nicht in Vollziehung der Gesetze tätig geworden sind, auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen.“
§ 80 der Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 idgF, lautet samt (Abschnitts-)Überschrift:
„ Organe des Insolvenzverfahrens.
Insolvenzverwalter
§ 80 . (1) Das Insolvenzgericht hat bei der Eröffnung des Verfahrens von Amts wegen einen Insolvenzverwalter zu bestellen. Lehnt der Bestellte die Übernahme der Tätigkeit ab, wird er seines Amtes enthoben oder fällt er sonst weg, so hat das Gericht von Amts wegen eine andere Person zum Insolvenzverwalter zu bestellen; die Bestellung eines anderen Insolvenzverwalters ist öffentlich bekanntzumachen.
(2) Zum Insolvenzverwalter ist eine unbescholtene, verlässliche und geschäftskundige Person zu bestellen, die Kenntnisse im Insolvenzwesen hat.
(3) Die in Aussicht genommene Person muss in Insolvenzverfahren, die Unternehmen betreffen, ausreichende Fachkenntnisse des Wirtschaftsrechts oder der Betriebswirtschaft haben oder eine erfahrene Persönlichkeit des Wirtschaftslebens sein. Wenn das Insolvenzverfahren ein Unternehmen betrifft, das im Hinblick auf seine Größe, seinen Standort, seine wirtschaftlichen Verflechtungen oder aus anderen gleich wichtigen Gründen von wirtschaftlicher Bedeutung ist, ist eine im Insolvenzwesen besonders erfahrene Person heranzuziehen. Erforderliche Anfragen des Gerichts über diese Eigenschaften sind von den Behörden und den zuständigen gesetzlichen Interessenvertretungen umgehend zu beantworten.
(4) Der Insolvenzverwalter erhält eine Bestellungsurkunde.
(5) Zum Insolvenzverwalter kann auch eine juristische Person bestellt werden. Sie hat dem Gericht bekanntzugeben, wer sie bei Ausübung der Insolvenzverwaltung vertritt.“
2. rechtliche Schlussfolgerungen
Die Datenschutzkommission ist zur Entscheidung in der vorliegenden Beschwerdesache unzuständig. Die Frage, ob ein Insolvenzverwalter als Staatsorgan oder als Privatperson (bzw. Vertreter von Privatpersonen oder einer Vermögensmasse) für seine datenschutzrechtlich relevanten Handlungen auftraggeberisch verantwortlich ist, wurde in der Rechtsprechung bisher, soweit absehbar, noch nicht beantwortet.
Der Beschwerdegegner kann aber aus jedem der beiden denkmöglichen Blickwinkel nicht vor der Datenschutzkommission belangt werden.
Sieht man seine Bestellung durch Gerichts beschluss als entscheidend an, so handelt es sich beim Beschwerdegegner, wie auch aus der Abschnittsüberschrift vor § 80 IO hervorgeht, um ein „Organ im Dienste der Gerichtsbarkeit“ gemäß § 31 Abs. 2 letzter Halbsatz DSG 2000, für dessen Handlungen gemäß der zuletzt zitierten Bestimmung keine Zuständigkeit der Datenschutzkommission gegeben ist. Denn es besteht kein Zweifel, dass die Befugnisse des Beschwerdegegners als Insolvenzverwalter im gerichtlichen Insolvenzverfahren wurzeln und auf dieses beschränkt sind, daher zur Sphäre der Staatsgewalt Gerichtsbarkeit zählen.
Sieht man den Beschwerdegegner hingegen, wie er offenkundig sich selbst, als sachkundige, in ihren Handlungen in hohem Grade unabhängige Privatperson, die im Insolvenzverfahren Gläubiger- und Schuldnerinteressen wahrnehmen und ausgleichen soll und in vielen privatrechtlichen Belangen (vgl. §§ 21 ff IO) an die Stelle des Schuldners tritt, so wäre eine Zuständigkeit der Datenschutzkommission dadurch ausgeschlossen, dass das Recht auf Geheimhaltung diesfalls gemäß §§ 31 Abs. 2 und 32 Abs. 1 DSG 2000 auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen wäre.
In keinem Fall denkmöglich ist es, das Handeln eines Rechtsanwalts als Insolvenzverwalter der Staatsgewalt Verwaltung zuzurechnen, auf die sich die Zuständigkeit der Datenschutzkommission in Fragen der Wahrung des Rechts auf Geheimhaltung im Wesentlichen beschränkt.
Für die von der Beschwerdeführerin begehrte „Abmahnung“ des Beschwerdegegners bzw. den Antrag, diesen zur Bekanntgabe seiner Informationsquellen zu verhalten, gibt es überdies keine Grundlage unter den gesetzlichen Befugnissen der Datenschutzkommission im Beschwerdeverfahren (§ 31 Abs. 7 DSG 2000).
Die Beschwerde war daher spruchgemäß wegen Unzuständigkeit der Datenschutzkommission zurückzuweisen, ohne auf die Sache inhaltlich einzugehen.
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