[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Mag. HUTTERER, Mag. MAITZ-STRASSNIG, Mag. HEILEGGER und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 20. Juli 2011 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde des Ronald L*** in X*** (Beschwerdeführer) vom 19. Jänner 2011 gegen den Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37 (Baupolizei) (Beschwerdegegner), wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung wird entschieden:
Rechtsgrundlagen: § 1 Abs. 1 und 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idgF., iVm § 8 Zustellgesetz, BGBl Nr. 200/1982 idgF., iVm § 17 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl Nr. 51/1991, iVm § 134 Bauordnung für Wien (BO), LGBl Nr. 11/1930 idgF.
B e g r ü n d u n g
A. Verfahrensgang und Vorbringen der Parteien
1. Der Beschwerdeführer behauptet eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass der Beschwerdegegner laut einem Schreiben vom 19. Oktober 2010 seine (Address-)daten trotz Meldeauskunftssperre verwendet und an Dritte weitergegeben habe.
2. In seiner Stellungnahme vom 1. Februar 2011 wies der Beschwerdegegner darauf hin, dass der Beschwerdeführer, damals noch wohnhaft in ***, im März 2006 eine baurechtliche Bewilligung für die Errichtung von Zubauten und baulichen Änderungen am Wohnhaus auf der genannten Liegenschaft beantragt habe. Im Ansuchen sei er als Bauwerber genannt und sei eine Vollmacht zur Vertretung der damaligen alleinigen Liegenschaftseigentümerin und damit am gegenständlichen Bewilligungsverfahren als Partei Beteiligten, Frau Dr. B***, vorgelegt worden. Am 3. Mai 2006 sei die Baugenehmigung erteilt worden, eine Fertigstellungsanzeige aber nicht eingelangt. Aufgrund bei einer Einschau festgestellten Abweichungen vom bewilligten Bauvorhaben sei das Schreiben vom 19. Oktober 2010 versandt worden. Es sei an jene Personen gerichtet, die nach § 128 der Bauordnung für Wien für die Legung der Fertigstellungsanzeige verantwortlich seien: der Beschwerdeführer als Bauwerber und die Eigentümerin des Grundstücks, die im vorliegenden Fall auch Eigentümerin des Bauwerks sei. Da dem Beschwerdegegner weder ein Bauwerberwechsel noch eine Änderung der Abgabestelle mitgeteilt worden sei, sei vor Übermittlung des Schreibens eine ZMR-Abfrage zur Feststellung einer neuen zustellfähigen Adresse vorgenommen worden.
3. Im dazu gewährten Parteiengehör gab der Beschwerdeführer – trotz durch die Post AG bestätigte Zustellung – keine Stellungnahme ab.
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob ihn der Beschwerdegegner durch Verwendung (Ermittlung) und Übermittlung seiner Adressdaten an die (aktuelle) Liegenschaftseigentümerin im Schreiben vom 19. Oktober 2010 in seinem Recht auf Geheimhaltung gemäß DSG 2000 verletzt hat.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt: Der Beschwerdeführer beantragte im März 2006, damals noch wohnhaft in ***, eine baurechtliche Bewilligung für die Errichtung von Zubauten und baulichen Änderungen am Wohnhaus auf der genannten Liegenschaft. Im Ansuchen wurde der Beschwerdeführer als Bauwerber angeführt und gleichzeitig eine Vollmacht zur Vertretung der damaligen alleinigen Liegenschaftseigentümerin und damit am gegenständlichen Bewilligungsverfahren als Partei Beteiligten, Frau Dr. B***, vorgelegt. Am 3. Mai 2006 wurde dem Beschwerdeführer die Baugenehmigung für das erwähnte Bauvorhaben erteilt. Unmittelbar darauf gab der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Bauwerber der Baupolizei den Bauführer bekannt, und wurde der Baubeginn gemeldet.
Da bis vier Jahre nach Baubeginn (gemäß § 128 Bauordnung für Wien) keine Fertigstellungsanzeige für das Bauvorhaben beim Beschwerdegegner einlangte, wurde im Zuge der baubehördlichen Überwachungstätigkeit am 13. Oktober 2010 ein Ortsaugenschein auf der genannten Liegenschaft durchgeführt, um den Fortschritt des Bauvorhabens zu überprüfen. Da Abweichungen vom bewilligten Bauvorhaben bestanden, und das abgeänderte Wohnhaus auch bereits benützt wurde, versandte der Beschwerdegegner, nachdem er mangels Bekanntgabe eines Bauwerberwechsels oder der Änderung seiner Abgabestelle eine ZMR-Abfrage zur Feststellung einer neuen zustellfähigen Adresse vorgenommen hatte, am 19. Oktober 2010 ein Schreiben folgenden wesentlichen Inhalts sowohl an den Beschwerdeführer als auch an die – nunmehrige – Haus- und Liegenschaftseigentümerin:
„ABWEICHUNG VOM BEWILLIGTEN BAUVORHABEN
Anlässlich einer Erhebung am 13. Oktober 2010 (soweit von außen ersichtlich!) wurde festgestellt, dass entgegen der Bewilligung vom 3. Mai 2006, MA 37*** (Zubau, bauliche Änderungen) Abweichungen vom bewilligten Bauvorhaben vorgenommen wurden, die über den Umfang des § 73 Abs. 3 BO hinausgehen.
Sie werden ersucht, binnen 12 Wochen ab Zustellung dieses Schreibens ein Bauansuchen (Planwechselbewilligung) mit den erforderlichen Beilagen bei der MA 37/00 einzureichen.
Sollte diese Frist nicht eingehalten werden, müsste ein Auftragsverfahren gem. § 129 BO und in weiterer Folge ein Verwaltungsstrafverfahren sowie Zwangsmaßnahmen eingeleitet werden.
Ergeht an:
Bereits zuvor, am 16. September 2010, beantragte der Beschwerdeführer eine Auskunftssperre aus dem Melderegister, welche mit Bescheid vom 21. September 2010 gemäß § 18 Abs. 2 Meldegesetz 1991 für die Dauer von zwei Jahren verfügt wurde.
In diesem Bescheid findet sich (ua.) auch folgender Hinweis:
„Die Auskunftssperre gilt nicht gegenüber Behörden und Ämtern.“
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen ergeben sich aus den Beilagen zur Beschwerde (Schreiben vom 19. Oktober 2010, Bescheid vom 21. September 2010) und aus dem Vorbringen des Beschwerdegegners im Schreiben vom 1. Februar 2011, das der Beschwerdeführer im Parteiengehör nicht bestritten hat.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Die Verfassungsbestimmung des § 1 DSG 2000 lautet auszugsweise:
„§ 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.
…“
§ 8 Zustellgesetz lautet unter dem Titel „Änderung der Abgabestelle“:
„§ 8. (1) Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.
(2) Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.“
§ 18 Abs. 1 und 2 Meldegesetz 1991 lauten unter dem Titel „Meldeauskunft“:
„§ 18. (1) Die Meldebehörde hat auf Verlangen gegen Nachweis der Identität Auskunft zu erteilen, ob und zutreffendenfalls wo innerhalb des Bundesgebietes ein eindeutig bestimmbarer Mensch angemeldet ist. Scheint der gesuchte Mensch nicht als angemeldet auf oder besteht in Bezug auf ihn eine Auskunftssperre, so hat die Auskunft der Meldebehörde zu lauten: “Es liegen über den/die Gesuchte(n) keine Daten für eine Meldeauskunft vor.” Können die Angaben dessen, der das Verlangen gestellt hat, nicht nur einem Gemeldeten zugeordnet werden, hat die Auskunft der Meldebehörde zu lauten: “Auf Grund der Angaben zur Identität ist der Gesuchte nicht eindeutig bestimmbar; es kann keine Auskunft erteilt werden.”
Für die Zuständigkeit zur Erteilung einer Auskunft ist der Wohnsitz (Sitz) oder Aufenthalt (§ 3 Z 3 AVG) dessen maßgeblich, der das Verlangen stellt.
(2) Jeder gemeldete Mensch kann bei der Meldebehörde beantragen, daß Meldeauskünfte über ihn nicht erteilt werden (Auskunftssperre). Dem Antrag ist stattzugeben, soweit ein schutzwürdiges Interesse glaubhaft gemacht wird. Ist ein solches Interesse offenkundig, so kann die Auskunftssperre auch von Amts wegen verfügt oder verlängert werden. Die Auskunftssperre kann für die Dauer von höchstens zwei Jahren verfügt oder verlängert werden; sie gilt während dieser Zeit auch im Falle der Abmeldung.“
§ 134 Bauordnung für Wien lautet unter dem Titel „Parteien“ auszugsweise:
„§ 134. (1) Partei im Sinne des § 8 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes ist in allen Fällen, in denen dieses Gesetz ein Ansuchen oder eine Einreichung vorsieht, der Antragsteller oder Einreicher.
…
(3) Im Baubewilligungsverfahren und im Verfahren zur Bewilligung von Abweichungen von Vorschriften des Bebauungsplanes sind außer dem Antragsteller (Bauwerber) die Eigentümer (Miteigentümer) der Liegenschaften Parteien. Personen, denen ein Baurecht zusteht, sind wie Eigentümer der Liegenschaften zu behandeln. Die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften sind dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre im § 134 a erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berührt und sie spätestens, unbeschadet Abs. 4, bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen im Sinne des § 134 a gegen die geplante Bauführung erheben; das Recht auf Akteneinsicht (§ 17 AVG) steht Nachbarn bereits ab Einreichung des Bauvorhabens bei der Behörde zu. Alle sonstigen Personen, die in ihren Privatrechten oder in ihren Interessen betroffen werden, sind Beteiligte (§ 8 AVG). Benachbarte Liegenschaften sind im Bauland jene, die mit der vom Bauvorhaben betroffenen Liegenschaft eine gemeinsame Grenze haben oder bis zu einer Breite von 6 m durch Fahnen oder diesen gleichzuhaltende Grundstreifen oder eine höchstens 20 m breite öffentliche Verkehrsfläche von dieser Liegenschaft getrennt sind und im Falle einer Trennung durch eine öffentliche Verkehrsfläche der zu bebauenden Liegenschaft gegenüberliegen. In allen übrigen Widmungsgebieten sowie bei Flächen des öffentlichen Gutes sind jene Liegenschaften benachbart, die in einer Entfernung von höchstens 20 m vom geplanten Bauwerk liegen.“
2. Rechtliche Schlussfolgerungen:
a. Ermittlung der Adressdaten des Beschwerdeführers durch den Beschwerdegegner
Der Beschwerdeführer, damals noch wohnhaft an der Adresse ***, hat eine baurechtliche Bewilligung beim Beschwerdegegner beantragt. Vor Beendigung des Bauvorhabens (durch Fertigstellungsanzeige) hat der Beschwerdeführer seine Abgabestelle in ***, geändert. Gemäß § 8 Abs. 1 ZustellG hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist gemäß Abs. 2 leg.cit., soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.
Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass die Behörde Schritte zu unternehmen hat, eine Abgabestelle festzustellen. Sie war daher auch im gegenständlichen Sachverhalt verpflichtet, die Abgabestelle des Beschwerdeführers (und Bauwerbers) festzustellen. Einer Abfrage des Zentralen Melderegisters steht die bescheidmäßig verfügte Auskunftssperre gemäß § 18 Abs. 2 MeldeG nicht entgegen, weil sich aus dem Bescheid vom 21. September 2010 selbst ergibt, dass die Auskunftssperre nicht gegenüber Behörden und Ämtern gilt.
Der Beschwerdegegner hat daher den Beschwerdeführer durch Ermittlung seiner aktuellen Adressdaten durch Abfrage des Zentralen Melderegisters vor Zustellung des Schreibens vom 19. Oktober 2010 nicht in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt. Diesbezüglich war die Beschwerde daher abzuweisen.
b. Übermittlung der Adressdaten des Beschwerdeführers an die Haus- und Liegenschaftseigentümerin
Mit Schreiben vom 19. Oktober 2010 übermittelte der Beschwerdegegner die aktuellen Adressdaten des Beschwerdeführers an die – nunmehrige Haus- und Liegenschaftseigentümerin – durch Erwähnung in der Zustellmitteilung.
Die Adressdaten des Beschwerdeführers stehen grundsätzlich unter dem Schutz des Grundrechts des § 1 Abs. 1 DSG 2000. Voraussetzung für den Grundrechtsschutz ist aber, dass an den Daten ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse besteht, das gemäß § 8 Abs 1 Z 4 DSG 2000 auch gegebenenfalls gegenüber „überwiegenden berechtigte Interessen des Auftraggebers oder eines Dritten“ zurücktreten muss.
Im konkreten Fall verbindet den Beschwerdeführer mit der Haus- und Liegenschaftseigentümerin aber ein Bauverfahren, dessen Partei beide ex lege sind, wie sich aus § 134 Abs. 1 bzw. Abs. 3 BO ergibt (ein Wechsel der Haus- und Liegenschaftseigentümerin wie hier im Zuge der Ausführung des Baus schadet daher nicht). Die Baubehörde war dabei verpflichtet, die Interessen aller Parteien, also auch die der Liegenschaftseigentümerin, zu wahren und zu berücksichtigen. Allein dadurch liegt ein überwiegendes berechtigtes Interesse der Liegenschaftseigentümerin vor. Es ergibt sich daher ein „berechtigtes“, das heißt rechtlich begründetes Interesse dieser weiteren Partei, eine Meldeadresse des Beschwerdeführers zu erfahren.
Eine Interessenabwägung ergibt daher insgesamt, dass die berechtigten Interessen der Liegenschaftseigentümerin, vom Stand des Verfahrens und der Adresse des Beschwerdeführers und Bauwerbers Kenntnis zu erhalten, das schutzwürdige Geheimhaltungsinteresse des Beschwerdeführers überwogen.
Auch die Übermittlung seiner Adressdaten im Schreiben vom 19. Oktober 2010 an die Haus- und Liegenschaftseigentümerin hat den Beschwerdeführer daher nicht in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt. Die Beschwerde war daher auch in diesem Punkt und daher insgesamt abzuweisen.
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