[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Mag. ZIMMER, Mag. HUTTERER, und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Dr. KÖNIG in ihrer Sitzung vom 12. Mai 2010 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde des Roland S*** in Ä***, vom 18. März 2010 gegen „Parlament Republik Österreich“ wegen Verletzung im Recht auf Auskunft wird entschieden:
- Die Beschwerde wird z u r ü c k g e w i e s e n.
Rechtsgrundlagen: § 1 Abs. 1 und Abs. 3 Z 1, § 31 Abs. 1 Datenschutzgesetz 2000 - DSG 2000, BGBl I Nr.165/1999 idgF, Art. 24 und 53 Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl Nr. 1/1930 idgF.
B e g r ü n d u n g
A. Vorbringen der Parteien und festgestellter Sachverhalt
Der Beschwerdeführer behauptet eine Verletzung im Recht auf Auskunft dadurch, dass seinem Auskunftsbegehren vom 6. Jänner 2010, gerichtet an Martin I*** in seiner Funktion als Abgeordneter zum österreichischen Nationalrat und Mitglied des Untersuchungsausschusses im Parlament „***“, bisher nicht nachgekommen worden sei. Er stellte daher den Antrag (Antragsgegner: „Parlament Republik Österreich“), die Datenschutzkommission möge prüfen, ob das im DSG 2000 verankerte „Auskunfts-/Richtigstellungs-/Löschungsrecht vom Datenverarbeiter erfüllt wird.“
Das Auskunftsbegehren vom 6. Jänner 2010 enthielt zahlreiche Fragen im Zusammenhang mit einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Beschwerdevorbringen sowie dem in Beilage vorgelegten Auskunftsschreiben selbst.
B. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Die Verfassungsbestimmung des § 1 DSG 2000 lautet:
„Grundrecht auf Datenschutz
§ 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
…
(3) Jedermann hat, soweit ihn betreffende personenbezogene Daten zur automationsunterstützten Verarbeitung oder zur Verarbeitung in manuell, dh. ohne Automationsunterstützung geführten Dateien bestimmt sind, nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen
1. das Recht auf Auskunft darüber, wer welche Daten über ihn verarbeitet, woher die Daten stammen, und wozu sie verwendet werden, insbesondere auch, an wen sie übermittelt werden;
…
(5) Gegen Rechtsträger, die in Formen des Privatrechts eingerichtet sind, ist, soweit sie nicht in Vollziehung der Gesetze tätig werden, das Grundrecht auf Datenschutz mit Ausnahme des Rechtes auf Auskunft auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. In allen übrigen Fällen ist die Datenschutzkommission zur Entscheidung zuständig, es sei denn, daß Akte der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit betroffen sind.“
§ 31 Abs. 1 DSG 2000 lautet:
„Beschwerde an die Datenschutzkommission
§ 31. (1) Die Datenschutzkommission erkennt über Beschwerden von Personen oder Personengemeinschaften, die behaupten, in ihrem Recht auf Auskunft nach § 26 oder nach § 50 Abs. 1 dritter Satz oder in ihrem Recht auf Darlegung einer automatisierten Einzelentscheidung nach § 49 Abs. 3 verletzt zu sein, soweit sich das Auskunftsverlangen (der Antrag auf Darlegung oder Bekanntgabe) nicht auf die Verwendung von Daten für Akte im Dienste der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit bezieht.“
Die wesentlichen Bestimmungen des B-VG lauten:
„A. Nationalrat
Artikel 24. Die Gesetzgebung des Bundes übt der Nationalrat gemeinsam mit dem Bundesrat aus.
…
„Artikel 53 B-VG
Artikel 53. (1) Der Nationalrat kann durch Beschluss Untersuchungsausschüsse einsetzen.“
2. rechtliche Schlussfolgerungen
Der Beschwerdeführer sieht sich in seinem Recht auf Auskunft gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 DSG 2000 iVm § 26 DSG 2000 durch das „Parlament Republik Österreich“ dadurch verletzt, dass auf sein Auskunftsbegehren nicht reagiert wurde.
§ 1 Abs. 5 DSG 2000 bestimmt, dass gegen Rechtsträger, die in Formen des Privatrechts eingerichtet sind, soweit sie nicht in Vollziehung der Gesetze tätig werden, das Grundrecht auf Datenschutz mit Ausnahme des Rechts auf Auskunft auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen ist. In allen übrigen Fällen ist die Datenschutzkommission zur Entscheidung zuständig, es sei denn, dass Akte der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit betroffen sind.
Gemäß § 31 Abs. 1 DSG 2000 erkennt die Datenschutzkommission (ua.) über Beschwerden von Personen, die behaupten, in ihrem Recht auf Auskunft nach § 26 DSG 2000 verletzt zu sein, soweit sich das Auskunftsverlangen nicht auf die Verwendung von Daten für Akte im Dienste der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit bezieht.
Sollten daher von einem Auskunftsbegehren Akte der Gesetzgebung betroffen sein, ist die Überprüfung einer Auskunft der Zuständigkeit der Datenschutzkommission entzogen.
Im Konkreten hat der Beschwerdeführer ein Auskunftsbegehren an einen Abgeordneten des Nationalrates gerichtet, das inhaltlich zahlreiche Fragen zu einem Untersuchungsausschuss bzw. zur Datenverwendung im Nationalrat selbst enthielt. Bevor zu beurteilen wäre, ob sämtliche dieser Fragen überhaupt vom Recht auf Auskunft gemäß § 26 DSG 2000 gedeckt sind, stellt sich für die Zuständigkeit der Datenschutzkommission die Frage, ob die Tätigkeit des Nationalrates bzw. die Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses Akte der Gesetzgebung sind.
Zur Staatsfunktion „Gesetzgebung“ sind nach Adamovich/Funk/Holzinger, Österreichisches Staatsrecht, Band 2: Staatliche Organisation; Rz 26014, alle Verhaltensweisen von gesetzgebenden Organen zu verstehen. Dazu gehören Akte der parlamentarischen Versammlung selbst (zB Gesetzesbeschlüsse) und von Ausschüssen, aber auch von Organen (zB dem Präsidenten des Nationalrates und der Parlamentsdirektion) oder von Abgeordneten bei Ausübung ihres Berufes. Zur Gesetzgebung gehören insbesondere auch jene Tätigkeiten gesetzgebender Organe, die das B-VG unter dem Titel „Mitwirkung an der Vollziehung“ behandelt (Art. 50 bis 55 B-VG). Dem Bereich der Staatsfunktion Gesetzgebung sind sogar die parlamentarischen Hilfsdienste zuzuordnen (Adamovich/Funk/Holzinger, aaO, Rz 26015).
Gemäß Art. 53 B-VG kann der Nationalrat durch Beschluss Untersuchungsausschüsse einsetzen. Die Datenschutzkommission schließt sich dabei Mayer (in Mayer/Platzgrummer/Brandstetter, Untersuchungsausschüsse und Rechtsstaat, S 1ff) an: Der Untersuchungsausschuss ist ein Organ der Gesetzgebung, das weder als Gericht noch als Verwaltungsbehörde iSd B-VG qualifiziert werden kann. Die von einem solchen Ausschuss gesetzten Akte sind weder als gerichtliche noch als verwaltungsbehördliche Akte deutbar; es handelt sich bei diesen vielmehr um unmittelbaren Vollzug der Bundesverfassung und des GOG-NR (aaO, S 2). Dass Akte von Untersuchungsausschüssen nicht als Verwaltungsakte zu qualifizieren sind, folgt aus dem Fehlen einer entsprechenden Zurechnungsregel im B-VG. Akte eines Gesetzgebungsorganes oder eines Teilorganes des Gesetzgebungsorganes können nur dann als „Verwaltungsakte“ qualifiziert werden, wenn dies eine verfassungsrechtliche Zurechnungsregel – wie etwa Art. 30 Abs. 6 B-VG – normiert.
Damit ist aber das verfahrensgegenständliche Auskunftsbegehren auf Akte der Gesetzgebung im Sinn des § 1 Abs. 5 DSG 2000 bzw. § 31 Abs. 1 DSG 2000 gerichtet (nämlich die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses bzw. des Nationalrates als solchem), sodass eine Verletzung im Recht auf Auskunft von der Zuständigkeit der Datenschutzkommission ausgenommen ist.
Die Beschwerde war somit spruchgemäß zurückzuweisen.
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