BESCHEID
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. KLEISER, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER und Dr. VESELY sowie der Schriftführerin Mag. HROVAT-WESENER in ihrer Sitzung vom 5. Oktober 1999 folgenden Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde des R (Beschwerdeführer) vom 25. Mai 1999, präzisiert mit Schreiben vom 5. Juli 1999, mit dem Antrag, der Bundespolizeidirektion Wien (belangtes Organ) die Vernichtung sämtlicher beim Bezirkspolizeikommissariat Ottakring vorliegender Aufzeichnungen über den Vorfall vom 17. Dezember 1990 (Vorführung des Beschwerdeführers zum Amtsarzt) aufzutragen, wird gemäß §§ 14 Abs. 1, 36 Abs. 1 Z. 1 Datenschutzgesetz, BGBl. Nr. 565/1978 idF BGBl. Nr. 632/1994 (DSG) und § 44 Abs. 1 Unterbringungsgesetz, BGBl. Nr. 155/1990 idF BGBl. I Nr. 12/1997 (UbG) als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit Beschwerde vom 25. Mai 1999 brachte der Beschwerdeführer vor, in einer Reihe (verfassungs-)gesetzlich eingeräumter Rechte dadurch verletzt zu sein, dass die Bundespolizeidirektion Wien (belangtes Organ) in ihrer Organisationseinheit (vgl. § 12 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz, BGBl. Nr. 566/1991) Bezirkspolizeikommissariat Ottakring Aufzeichnungen über einen ihn betreffenden Vorfall vom 17. Dezember 1990 (Vorführung zum Amtsarzt) aufbewahre.
Über Vorhalt der Zuständigkeit der Datenschutzkommission schränkte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 5. Juli 1999 sein Vorbringen auf den im Spruch erledigten Antrag und die Verletzung seiner Rechte aus dem Datenschutzgesetz ein. Die Datenschutzkommission hat Beweis erhoben durch die Einholung einer Stellungnahme der Bundespolizeidirektion Wien.
Es wird folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt:
Am 17. Dezember 1990 wurde der Beschwerdeführer von Organen der Bundespolizeidirektion Wien aus einem hier nicht weiter interessierenden Anlass einem Amtsarzt zwecks Ausstellung einer Bescheinigung ('Parere') gemäß dem damals geltenden § 49 Abs. 1 Krankenanstaltengesetz (KAG), BGBl. Nr. 1/1957 idF vor BGBl. Nr. 157/1990, zur zwangsweisen Einweisung des Beschwerdeführers in eine psychiatrische Krankenanstalt vorgeführt. Über diesen Vorgang wurde ein Akt angelegt - davon zu unterscheiden ist die früher bestandene Vormerkung in der sogenannten 'Chefärztlichen Evidenz' (Ges-Kartei) - und wird dieser bis heute beim belangten Organ aufbewahrt.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen stützen sich auf die Stellungnahme der Bundespolizeidirektion Wien vom 30. Juli 1999, AZ: P 1596/a/99 und die sachverhaltsmäßig dazu nicht im Widerspruch stehenden Angaben des Beschwerdeführers.
In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
Der Beschwerdeführer beruft sich auf sein Grundrecht auf Datenschutz gemäß § 1 Abs. 1 DSG. Nach herrschender Auffassung beinhaltet dieses Grundrecht auch den Schutz vor Ermittlung (Dohr-Pollirer-Weiss, DSG (1988), 5) und strukturierter Evidenthaltung von personenbezogenen Daten in nichtautomationsunterstützter Weise, wobei Daten, die Schlüsse auf den geistigen Gesundheitszustand eines Betroffenen erlauben, in die Kategorie der sensiblen, besonders schutzwürdigen Daten fallen. Allerdings ist der Eingriffsvorbehalt gemäß § 1 Abs. 2 DSG zu beachten, nach dem Beschränkungen des Grundrechtes auch auf Grund von Gesetzen zulässig sind, die aus den in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Gründen notwendig sind. Der Schutz der Gesundheit des Betroffenen und der Schutz der Allgemeinheit vor Gefahren, die unter Geisteskrankheiten oder geistigen Störungen leidende Personen hervorrufen können (vgl. § 3 Z. 1 UbG), stellen derartige Gründe im Sinne Art. 8 Abs. 2 MRK, dar.
Im Gegensatz zu den Rechtsausführungen des Beschwerdeführers ist die Rechtslage betreffend Aufbewahrung von Altakten aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Unterbringungsgesetzes, BGBl. Nr. 155/1990 (UbG), für nach alter Rechtslage ergangene Schritte der Sicherheitsbehörden zur Zwangseinweisung von Personen in psychiatrische Krankenanstalten seit der UbG-Novelle, BGBl. I Nr. 12/1997, klar und eindeutig. Gemäß § 44 Abs. 1 UbG idF der soeben zitierten Novelle sind Bescheinigungen gemäß § 49 Abs. 1 KAG 'sowie Aufzeichnungen über damit im Zusammenhang stehende Amtshandlungen' (Unterstreichung durch Datenschutzkommission [Anmerkung: hier nicht dargestellt]) drei Jahre nach Inkrafttreten der UbG-Novelle bzw. ab diesem Zeitpunkt sofort nach Abschluss noch anhängiger Verfahren unverzüglich zu vernichten. Daraus ist der Umkehrschluss zu ziehen, dass die Aufbewahrung dieser Aufzeichnungen bis zu diesem Zeitpunkt gesetzmäßig ist. Diese Bestimmungen sind auch, im Gegensatz zur Rechtsansicht des Beschwerdeführers, auf den vorliegenden Fall anwendbar, da es nach dem klaren Wortlaut nicht darauf ankommt, ob der Betroffene in die Anstalt aufgenommen, sondern ob ein amtsärztliches Parere (Bescheinigung gemäß früherem § 49 Abs. 1 KAG) gemäß früherer Rechtslage ausgestellt wurde. Letzteres ist unbestritten.
Gemäß § 42 Abs. 2 UbG idF BGBl I Nr. 12/1997 tritt § 44 in der Fassung dieser Novelle am 1. Juli 1997 in Kraft, Aufzeichnungen, die unter diese Bestimmung fallen, werden daher regelmäßig bis zum 1. Juli 2000 zu vernichten sein. Da mit der schon mehrfach zitierten UbG-Novelle weitere Vorkehrungen zum Schutz der Vertraulichkeit damit auch des Datengeheimnisses getroffen wurden (vgl. § 39a UbG) und in § 44 Abs. 2 UbG die Vernichtung der sogenannten 'Ges-Karteien' vom Gesetzgeber ausdrücklich angeordnet wurde, bestehen keine Zweifel an der Grundrechtskonformität dieser Bestimmungen.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
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