I421 2312013-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 04.04.2025, IFA-Zahl/Verfahrenszahl XXXX , zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer wurde von Beamten der LPD XXXX aufgrund des Betretens bei einem Ladendiebstahl am 24.12.2024 einer Personalkontrolle unterzogen. Er konnte sich jedoch mit keinem Personaldokument ausweisen. Er wurde festgenommen und in das Polizeianhaltezentrum XXXX gebracht. Im Zuge der erkennungsdienstlichen Behandlung ergab sich, dass je ein EURODAC-Treffer der Kategorie 1 in Deutschland, Finnland sowie Schweden vorlag.
Am 25.12.2024 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen und wurde hinsichtlich seines Aufenthaltes, hinsichtlich Art. 8 EMRK sowie hinsichtlich des Vorliegens eines Sicherungsbedarfes einvernommen. Der Beschwerdeführer wurde im Rahmen der Befragung in Kenntnis gesetzt, dass gegen ihn nunmehr ein Sicherungsmaßnahmen-Verfahren geführt wird. Auf die Frage, warum er in das österreichische Bundesgebiet eingereist sei, gab er an, dass er nach Österreich gekommen sei, um sich das Land anzuschauen. Er sei Tourist, wolle Silvester hier verbringen und dann wieder nach Frankreich zurückkehren.
Mit Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 25.12.2024 wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Überstellungsverfahrens angeordnet.
Der Beschwerdeführer stellte am 27.12.2024 einen Asylantrag, welchen er bei der Erstbefragung am selben Tag damit begründete, er habe seine Heimat verlassen, weil er Influencer in den sozialen Medien sei. Er teile seine politische Meinung, welche gegen die Regierung sei. Das sei der Grund, warum er in seiner Heimat gesucht werde. Weitere Fluchtgründe habe er keine. Auf die Frage, was er bei einer Rückkehr in seine Heimat zu befürchten habe, gab er als Befürchtung an, eine Inhaftierung. In seiner Einvernahme gab er auch keine konkreten Hinweise an, dass ihm bei der Rückkehr eine unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohe. Ebenso machte er keine Angaben dazu, ob er im Falle seiner Rückkehr mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen hätte.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 27.12.2024 wurde ihm mitgeteilt, dass die in § 28 Abs. 2 AsylG 2005 definierte 20-Tages-Frist für Verfahrenszulassungen für ihn nicht gilt, weil die belangte Behörde nach der Dublin-Verordnung Konsultationen in Form einer Anfrage mit Deutschland, Schweden und Finnland führt. Diese Verfahrensordnung wurde dem Beschwerdeführer übergeben, jedoch verweigerte er seine Unterschrift.
Die österreichischen Behörden stellten in Deutschland, Finnland sowie Frankreich jeweils ein Wiederaufnahmegesuch, welches jedoch jeweils abgelehnt wurde und der Beschwerdeführer nicht zurückgenommen wurde.
Die Staatsanwaltschaft XXXX stellte das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen §§ 15, 127 StGB zur obig angeführten Tat am 08.01.2025 wegen Geringfügigkeit ein.
Der Beschwerdeführer wurde zudem verdächtigt einen versuchten Widerstand gegen die Staatsgewalt am 20.01.2025 begangen zu haben, jedoch erfolgten keine weiteren Maßnahmen nach der StPO gegen ihn.
Weiters beging er am 14.02.2025, am 23.02.2025 sowie am 26.02.2025 jeweils Ladendiebstähle.
In Deutschland trat er während seines Aufenthaltes mit Straffälligkeit in Erscheinung. Er wurde wegen Diebstahls nach § 242 Abs. 1 dStGB rechtskräftig vom Amtsgericht XXXX verurteilt.
Aufgrund des Wegfalles des Schubhaftgrundes wurde der Beschwerdeführer am 05.02.2025 aus der Schubhaft entlassen.
Die belangte Behörde stellte jeweils ein Ersuchen um Überprüfung hinsichtlich des Beschwerdeführers in Spanien, Schweiz, Schweden, Finnland, Dänemark, Polen.
Der Beschwerdeführer hat in Finnland ein aufrechtes Einreiseverbot bis zum 07.02.2026.
Mit Strafverfügung vom 18.02.2025 wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem FPG rechtskräftig verhängt.
Mit 17.03.2025 hat die StA XXXX Anklage wegen einer in Österreich vorsätzlich begangener gerichtlich strafbaren Handlung erhoben, wodurch er sein Recht zum Aufenthalt in Österreich ex lege nach § 13 AsylG verloren hat und ihm lediglich der faktische Abschiebeschutz nach § 12 AsylG zukommt.
Am 25.03.2025 wurde der Beschwerdeführer vom BFA niederschriftlich einvernommen. Befragt zu seinem Fluchtgrund führte er aus, dass er politische Probleme in Algerien gehabt habe. Er habe über Tik Tok Videos Kritik an der algerischen Regierung sowie dessen Präsidenten ausgeübt. Probleme hinsichtlich seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder Religion habe er nicht gehabt. Auch habe er mit den staatlichen Stellen in Algerien nie Probleme gehabt. Es sei kein Gerichtsverfahren in Algerien gegen ihn anhängig sowie bestehe auch kein aufrechter Haftbefehl gegen ihn.
Mit Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 25.03.2025 wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet.
Am 01.04.2025 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf freiwillige Rückkehr, welcher von der belangten Behörde mit Schreiben vom 03.04.2025 genehmigt wurde.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 04.04.2025, Zl. XXXX , wurde festgestellt, dass er sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 17.03.2025 verloren hat (Spruchpunkt I), sein Antrag auf internationalen Schutz vom 27.12.2024 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Algerien abgewiesen (Spruchpunkt II und III). ihm eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunk IV) und gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt V). Weiters stellte die belangte Behörde fest, dass gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Algerien zulässig ist (Spruchpunkt VI) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt wird (Spruchpunkt VII). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VIII) und erließ die belangte Behörde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 1 FPG gegen ihn ein auf drei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IX).
Mit E-Mail vom 04.04.2025 zog der Beschwerdeführer seinen Antrag auf freiwillige Rückkehr zurück und gab an, dass dort sein Leben in Gefahr sei.
Gegen obgenannten Bescheid richtet sich die vollumfänglich erhobene Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Verletzung von Verfahrensvorschriften vom 30.04.2025. Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen seien unvollständig. Der Beschwerdeführer werde aufgrund seiner politischen Einstellung und öffentlichen Kritik an der aktuellen Regierung von dieser verfolgt. Es drohe ihm eine unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung. Eine Verletzung des Art. 3 EMRK würde im Fall der Abschiebung vorliegen. Überdies greife das mit drei Jahren bemessene Einreiseverbot in unverhältnismäßiger Weise in die Rechte des Beschwerdeführers ein und sei jedenfalls verfehlt.
Mit Schriftsatz vom 02.05.2025, eingelangt am 07.05.2025, legte das BFA die Beschwerde samt Akt dem Bundesverwaltungsgericht Außenstelle Innsbruck vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt – ausgenommen dem Parteienvorbringen - festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
1.1 Zur Person:
Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest. Im Verfahren lautet sein Name XXXX . Im Zuge dessen gab er an, dass er am XXXX in der Stadt XXXX im Stadtteil XXXX in Algerien geboren wurde, algerischer Staatsangehöriger, Araber, ledig und kinderlos ist. Er gehört keiner Religion an. Zudem ist er gesund und erwerbsfähig. Seine Muttersprache ist Arabisch. Zudem hat er gute Sprachkenntnisse in Russisch, Englisch sowie Französisch. Den Militärdienst hat er in Algerien nicht absolviert.
Er besuchte zwölf Jahre die Schule und anschließend studierte er in seiner Heimat, wo er sein Studium mit einem Magistertitel in Marketing abschloss. Sein letzter ausgeübter Beruf war Verkaufsmanager.
Seine Eltern sowie sein Bruder und seine Schwester leben in Algerien. Sein weiterer Bruder lebt in Spanien. Ebenso hat er Verwandte in Frankreich. Er hat regelmäßigen Kontakt mit seiner Familie in Algerien.
Bei erfolgter erkennungsdienstlicher Behandlung stellte sich heraus, dass er je einen EURODAC-Treffer der Kategorie 1 in Deutschland, Finnland und Schweden aufwies und demnach in den jeweiligen Ländern je einen Asylantrag stellte. Keines dieser Asylverfahren war abgeschlossen.
Im Sommer 2018 verließ der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat legal mit dem Flugzeug. In Russland hielt sich der Beschwerdeführer für fünf Jahre auf und hatte hierfür ein Studentenvisum, welches von 2017 bis 2023 gültig war. Er beabsichtigte sein Masterstudium zu absolvieren. Das Studium brach er jedoch 2019 ab und arbeitete stattdessen im Marketing, Verkauf und Buchhaltung bei einer Backwarenhandlung. Aufgrund des Ukrainekrieges begab er sich 2023 nach Weißrussland. Im April 2023 reiste der Beschwerdeführer zu Fuß von Weißrussland nach Polen ein. Er hielt sich dort einen Tag auf. Anschließend ist er nach Deutschland weitergereist. Er ist weiter nach Frankreich gereist und dann weiter nach Spanien. Anschließend reiste er weiter nach Portugal. Darauffolgend ging er nach Spanien zurück, dann wiederum nach Frankreich sowie nach Deutschland, wo er einen Asylantrag stellte. Nach Deutschland ging er nach Dänemark. Dann ging er nach Schweden und suchte dort um Asyl an. Anschließend ging er weiter nach Finnland, wo er ebenso Asyl ansuchte. In Finnland befand er sich für einen Monat in Schubhaft, von wo er anschließend nach Frankreich abgeschoben wurde. In Frankreich wurde er enthaftet und nach einem einwöchigen Aufenthalt ging er wiederum nach Spanien. Nach Spanien ging er nach Portugal und anschließend wieder zurück nach Frankreich. Von dort ist er mit dem Zug über XXXX nach Österreich am 23.12.2024 eingereist. Er wollte hier Silvester feiern und anschließend wieder zurück nach Frankreich gehen. In keinem von den vorherig genannten europäischen Ländern hatte er ein gültiges Aufenthaltsrecht oder einen gültigen Aufenthaltstitel. Zwischen den Ländern reiste er immer mit öffentlichen Verkehrsmitteln. In den jeweiligen Ländern lebte er zum Teil in Hotels, Asylunterkünften oder in Finnland im Gefängnis. In diesen Ländern behauptet er als Influencer auf diversen sozialen Plattformen sein Geld verdient zu haben.
Der Beschwerdeführer reiste am 23.12.2024 illegal mit dem Zug in das österreichische Bundesgebiet ein. Der Beschwerdeführer trat am 24.12.2024 erstmalig behördlich in Österreich in Erscheinung. Er wurde von Beamten der LDP XXXX in Wien bei einem Ladendiebstahl in einer XXXX -Filiale betreten. Am selben Tag erfolgt die Festnahme des BF und er wurde in das PAZ XXXX gebracht.
Seit dem 25.12.2024 befindet sich der Beschwerdeführer in Schubhaft. Am 27.12.2024 stellte er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, zu dem er am selbigen Tag erstbefragt wurde. Am 05.02.2025 wurde er aus der Schubhaft entlassen.
In Österreich hat er keine Familienangehörige. Er geht keiner sozialversicherungspflichten Erwerbstätigkeit nach. Zum Entscheidungszeitpunkt bezieht er Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Er ist weder Mitglied eines Vereins noch ist er bei einer sonstigen Organisation in Österreich tätig. Er besucht weder einen Deutschkurs noch hat er eine entsprechende Prüfung dazu abgelegt. Der Beschwerdeführer ist seit 24.12.2024 im Bundesgebiet durchgehend melderechtlich erfasst.
Bis dato scheinen beim Beschwerdeführer keine strafgerichtlichen Verurteilungen auf, jedoch hat er in Österreich bereits mehrmals Diebstähle begangen sowie versuchten Widerstand gegen die Staatsgewalt.
Seit 28.03.2025 ist er im Anhaltezentrum XXXX aufhältig.
Er weist keine sozialen, sprachlichen oder privaten Integrationsmerkmale in Österreich auf.
1.2 Zum Fluchtvorbringen:
Der Beschwerdeführer reiste aus nicht asylrelevanten Gründen aus seinem Herkunftsstaat aus. Ein konkreter Anlass für ein (fluchtartiges) Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden.
Der Beschwerdeführer wird in Algerien nicht aufgrund seiner Meinungsäußerung auf seinem sozialen Netzwerk hinsichtlich der Regierung sowie hinsichtlich des Präsidenten verfolgt. Sein entsprechendes Vorbringen ist nicht glaubhaft. Er ist im Falle seiner Rückkehr nach Algerien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Algerien aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität oder politischen Gesinnung verfolgt wurde oder werden wird.
Der Beschwerdeführer muss bei seiner Rückkehr nach Algerien nicht mit einer Verfolgung rechnen und wird mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein. Eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Algerien ist möglich und zumutbar und führt nicht dazu, dass er dort in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation geraten würde. Es ist ihm zumutbar wieder in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren und eine Erwerbstätigkeit zu suchen und aufzunehmen. Die Familie des Beschwerdeführers lebt in Algerien. In Österreich verfügt er über keine familiären oder privaten Anknüpfungspunkte. Der Beschwerdeführer befindet sich erst seit wenigen Monaten in Österreich und ist hier daher nicht verfestigt.
1.3 Zum Herkunftsstaat:
Algerien gilt als sicherer Herkunftsstaat nach § 1 Z 10 HStV (Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl. II Nr. 177/2009 idF BGBl. II Nr. 129/2022).
Hinsichtlich der aktuellen Lage in Algerien sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 04.04.2025 getroffenen Feststellungen keine Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Algerien vom 01.10.2024 (Version 10) zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens sind auch keine Änderungen der Lage bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.
Im Hinblick auf das Fluchtvorbringen stellt sich die Situation in Algerien im Wesentlichen wie folgt dar:
1.3.1 Politische Lage:
Gemäß seiner Verfassung ist Algerien eine demokratische Volksrepublik mit einem semipräsidentiellen Regierungssystem. Der Präsident wird für fünf Jahre direkt gewählt, seine Amtszeit ist auf zwei Mandate begrenzt (AA 20.6.2023; vgl. AA 10.5.2023). Die 2020 erfolgte Verfassungsreform bringt eine weitere Verstärkung der Rolle des Staatspräsidenten und - noch problematischer - verankert stärker als bisher eine Rolle des Militärs als Staats- und Verfassungsgarant (ÖB Algier 21.5.2024).
Der Präsident ist Staatsoberhaupt, Oberbefehlshaber des Heeres und Verteidigungsminister. Er garantiert die Einheit des Staates und ist die höchste Instanz der Rechtsprechung. Er ernennt den Premierminister nach Konsultation des Parlaments und nach Befassung des Premierministers die Minister und sitzt dem Ministerrat vor. Er ernennt die Funktionäre der Verwaltung und des Militärs, den Gouverneur der Nationalbank, die 48 Wilaya(Provinz)präfekte und die Richter des Landes. Die Gesetzgebung basiert mehrheitlich auf präsidentiellen Dekreten (ÖB Algier 21.5.2024).
Präsident Abdelaziz Bouteflika wurde 2019 nach massiven Demonstrationen („Hirak“) gestürzt. Er war seit 1999, damals 62-jährig, im Amt. Während die Öffentlichkeit eine grundlegende Erneuerung des politischen Systems, mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit fordert(e), konsolidierte sich dieses in Richtung eines „Clanwechsels“, dominiert vom neuen Staatspräsidenten Abdelmajid Tebboune und der Armee unter Generalstabschef Saïd Chengriha. Tebboune. Der damals neue [Anm.: und gegenwärtige] Präsident war Premierminister und Minister Bouteflikas, wurde im Dezember 2019 bei einer offiziellen Wahlbeteiligung von knapp unter 40% gleich im ersten Wahlgang gewählt, es standen nur „Systemkandidaten“ zu Auswahl (ÖB Algier 21.5.2024). Bei der Präsidentschaftswahl in Algerien am 7.9.2024 hat sich Amtsinhaber Abdelmadjid Tebboune nach vorläufigen Ergebnissen klar durchgesetzt und eine zweite Amtszeit von weiteren fünf Jahren gewonnen. Tebboune hat gemäß Vorsitzendem der Wahlbehörde 94,6% der Stimmen erhalten. Die beiden Gegenkandidaten blieben demnach völlig chancenlos und erhielt nur 3% beziehungsweise 2% der abgegebenen Stimmen. Die Wahlbeteiligung war mit nur 48% ähnlich gering wie vor fünf Jahren. Der Sieg hat für Tebboune damit einen bitteren Beigeschmack und ist auch Ausdruck der Frustration bei vielen Menschen in dem nordafrikanischen Land (Tagesschau 8.9.2024).
Das algerische Parlament besteht aus der nach Verhältniswahlrecht (mit Fünf-Prozent-Klausel) gewählten Nationalen Volksversammlung (Assemblée Populaire Nationale) und einer zweiten Kammer (Conseil de la Nation oder Senat), deren Mitglieder zu einem Drittel vom Präsidenten bestimmt und zu zwei Dritteln von den Gemeindevertretern gewählt werden (AA 20.6.2023; vgl. AA 10.5.2023). Die Mitglieder der Nationalen Volksversammlung, des Unterhauses des Parlaments, werden direkt für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt, die nach der Verfassungsreform von 2020 nur einmal verlängert werden kann. Vorgezogene Parlamentswahlen [Anm.: des Unterhauses] fanden 2021 statt; es kam zu Vorwürfen von Unregelmäßigkeiten. Der Präsident ernennt ein Drittel der Mitglieder des Oberhauses, des Rates der Nation, der aus 144 Mitgliedern besteht, die eine sechsjährige Amtszeit haben. Die anderen zwei Drittel werden indirekt von den Kommunal- und Provinzparlamenten gewählt. Die Hälfte der Mandate der Kammer wird alle drei Jahre erneuert. Die Teilwahlen zum Oberhaus fanden im Februar 2022 statt. Die Kommunal- und Regionalwahlen im Jahr 2021 fanden bei geringer Wahlbeteiligung statt (FH 2024). Die Rolle der beiden Parlamentskammern im Staats- und Machtgefüge bleibt vor allem aufgrund der klaren Regierungsmehrheit schwach (AA 10.5.2023).
Die politischen Angelegenheiten in Algerien werden seit Langem von einer geschlossenen Elite beherrscht, die sich auf das Militär und die Regierungspartei, die Nationale Befreiungsfront (FLN), stützt. Es gibt zwar mehrere Oppositionsparteien im Parlament, aber die Wahlen werden durch Betrug verzerrt, und die Wahlverfahren sind nicht transparent. Weitere Probleme sind die Unterdrückung von Straßenprotesten, rechtliche Einschränkungen der Medienfreiheit und die grassierende Korruption. Die Hirak-Protestbewegung im Jahr 2019 setzte das Regime unter Druck, sich zu reformieren, aber ein hartes Vorgehen gegen Andersdenkende in den darauffolgenden Jahren hat verhindert, dass es weiterhin zu groß angelegten Demonstrationen kommt (FH 2024).
[…]
1.3.2 Sicherheitslage:
Demonstrationen
Spontane Demonstrationen können trotz Verboten auch außerhalb der Hauptstadt Algier stattfinden, insbesondere nach den Freitagsgebeten. Auch bei friedlichem Verlauf können vereinzelt gewaltsame Auseinandersetzungen und Verkehrsbehinderungen nicht ausgeschlossen werden (AA 31.5.2024).
Terrorismus
Algerien unternimmt weiterhin erhebliche Anstrengungen, um terroristische Aktivitäten innerhalb seiner Grenzen zu verhindern, und bleibt daher für terroristische Gruppen ein schwieriges Operationsumfeld. Der dschihadistische Terrorismus in Algerien ist stark zurückgedrängt worden und die Kapazitäten algerischer Terrorgruppen sind aufgrund erfolgreicher Antiterror-Operationen begrenzt. Al-Qaida im islamischen Maghreb (AQIM) ist auf kleine Reste reduziert, hat sich mehrmals gespalten und ist in Algerien praktisch handlungsunfähig. Die Sicherheitssituation betreffend terroristische Vorfälle hat sich inzwischen weiter verbessert, die Sicherheitskräfte halten Reste terroristischer Gruppen unter starkem Druck. Terroristen wurden großteils entweder ausgeschaltet, festgenommen oder haben das Land verlassen. Terrorgruppen stellen allerdings weiterhin eine Bedrohung dar, wenn auch in geringerem Ausmaß. Zu erkennen ist die Verringerung terroristischer Aktivitäten auch an den statistischen Werten des Global Terrorism Index für die Jahre 2019 bis 2023 (STDOK 27.6.2024).
Terroristische Aktivitäten richten sich in erster Linie gegen die staatlichen Sicherheitskräfte (AA 31.5.2024). Es gibt immer noch terroristische Strukturen, wenn auch reduziert (ÖB Algier 21.5.2024). Das Fortbestehen bewaffneter islamistischer Gruppen, die in den Bergregionen im Norden und Osten sowie in den Grenzgebieten im Süden sporadische Angriffe auf das Militär verüben, wird allerdings anerkannt. Obwohl diese Gruppen die Unterstützung der lokalen Bevölkerung verloren haben, sind sie weiterhin aktiv und unterhalten Verbindungen zu kriminellen Netzwerken in der Sahelzone (BS 2024).
Spezifische regionale Risiken - Terrorismus
Die Sicherheitslage in gewissen Teilen Algeriens ist weiterhin gespannt (ÖB Algier 21.5.2024; vgl. AA 31.5.2024). Die Sicherheitskräfte haben auch bislang unsichere Regionen wie die Kabylei oder den Süden besser unter Kontrolle, am relativ exponiertesten ist in dieser Hinsicht noch das unmittelbare Grenzgebiet zu Tunesien, Libyen und zu Mali (ÖB Algier 21.5.2024). In den Grenzgebieten mit den Nachbarländern Libyen, Niger, Mali, Mauretanien, Tunesien und Westsahara besteht weiterhin die Gefahr von terroristischen Anschlägen oder Entführungsversuchen (AA 31.5.2024; vgl. BMEIA 2.9.2024), ebenso wie in den algerischen Saharagebieten und außerhalb der Bezirke der größeren Städte im nördlichen Landesteil von Algerien, in ländlichen Gebieten und Bergregionen (AA 31.5.2024). Immer wieder versuchen kriminelle, terroristische bzw. bewaffnete Gruppen Algeriens Grenzgebiete für ihre Zwecke zu nutzen bzw. diese zu durchqueren (BMEIA 2.9.2024).
Subjektives Sicherheitsempfinden
In einer in drei großen algerischen Städten mit einem repräsentativen Sample November bis Dezember 2023 durchgeführten Umfrage zur sozio-ökonomischen Lage gaben 97% der Befragten an, sich in ihrer Wohngegend entweder „sehr sicher“ oder „eher sicher“ zu fühlen (STDOK 31.12.2023).
[…]
1.3.3 Rechtsschutz / Justizwesen:
Die Justiz agiert nicht immer unabhängig oder unparteiisch und es mangelt ihr an Unabhängigkeit (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 10.5.2023, BS 2024, ÖB Algier 21.5.2024). Obwohl die Gewaltenteilung verfassungsmäßig vorgesehen ist (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 10.5.2023, BS 2024), schränkt die Exekutive die Unabhängigkeit der Justiz ein (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 11.4.2023, BS 2024, ÖB Algier 21.5.2024) bzw. hat die Exekutive weitgehende Befugnisse über die Justiz (AA 10.5.2023). Der Präsident hat den Vorsitz im Obersten Justizrat, der für die Ernennung aller Richter sowie Staatsanwälte zuständig ist (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 10.5.2023, FH 2024, BS 2024). Der Oberste Justizrat ist auch für die richterliche Disziplin und die Entlassung von Richtern zuständig (USDOS 23.4.2024; vgl. BS 2024, AA 10.5.2023).
Das algerische Strafrecht sieht explizit keine Strafverfolgung aus politischen Gründen vor. Es existiert allerdings eine Reihe von Strafvorschriften, die aufgrund ihrer weiten Fassung eine politisch motivierte Strafverfolgung ermöglichen. Diese Vorschriften wurden im April 2020 durch eine Novellierung des Strafgesetzbuches noch einmal verschärft. Betroffen sind insbesondere Meinungs- und Pressefreiheit, welche durch Straftatbestände wie Verunglimpfung von Staatsorganen oder Aufruf zum Terrorismus eingeschränkt werden (AA 10.5.2023). Mit der Verordnung 21-08 wurde im Juni 2021 per Präsidialdekret die Terrorismusdefinition in Artikel 87 des Strafgesetzbuches vage ausgeweitet. Seitdem werden unter Bezugnahme auf diesen Artikel zunehmend auch lediglich kritische Äußerungen gegen die Staatsführung in Medien oder sozialen Netzwerken als Förderung von Terrorismus oder Angriff auf die Nationale Einheit ausgelegt. Mehrere kritische Journalisten und Aktivisten wurden bereits unter Artikel 87 mit teils langen Haftstrafen belegt (AA 10.5.2023; vgl. ÖB Algier 21.5.2024).
Die Verfassung gewährleistet das Recht auf einen fairen Prozess, aber in der Praxis respektieren die Behörden diese rechtlichen Bestimmungen nicht immer (USDOS 23.4.2024). Die fehlende Unabhängigkeit von Justiz und Staatsanwaltschaft untergräbt häufig die Rechte der Angeklagten auf ein ordnungsgemäßes Verfahren, insbesondere in politisch heiklen Fällen gegen ehemalige Beamte oder Bürgeraktivisten. Es kommt häufig zu langen Verzögerungen bei der Anhörung von Angeklagten, und den Anträgen der Staatsanwaltschaft auf Verlängerung der Untersuchungshaft wird in der Regel stattgegeben. Die Sicherheitskräfte führen häufig Durchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl durch und nehmen willkürliche Verhaftungen und kurzfristige Inhaftierungen vor (FH 2024). Die meisten Prozesse sind öffentlich, es sei denn, der Richter stellt fest, dass das Verfahren eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die „Moral“ darstellt. Das Strafgesetzbuch sieht kostenfreie Übersetzer für Angeklagte vor. Die Angeklagten haben das Recht, während des Prozesses anwesend zu sein, können aber in Abwesenheit verurteilt werden, wenn sie einer Vorladung nicht Folge leisten (USDOS 23.4.2024).
Personen mit genügend Mitteln bzw. politischen Verbindungen können auf Gerichtsentscheidungen Einfluss nehmen. Mitunter scheinen politische Prozesse und die gerichtliche Verfolgung von unliebsamen Personen oder Kritikern auf der Basis gerichtlich belangbarer Vorwürfe konstruiert zu werden. Oppositionelle politische Aktivisten beklagen, aufgrund von Anti-Terrorismus-Gesetzen und solchen zur Begrenzung der Versammlungsfreiheit oder Vergehen gegen „die Würde des Staates und die Staatssicherheit“ festgenommen zu werden. In der Amtszeit von Präsident Tebboune (seit Dezember 2019) wurde die Repression in Algerien erheblich verschärft. 2023 ist von über 300 politischen Gefangenen die Rede. Trotz dieser Zahlen ist die algerische Regierung bemüht, eine oberflächlich versöhnliche Haltung einzunehmen (ÖB Algier 21.5.2024).
[…]
1.3.4 Sicherheitsbehörden:
Die algerischen Sicherheitskräfte bestehen aus der Armee (Algerian People’s National Army - ANP), der Nationalen Gendarmerie und der republikanischen Garde unter dem Verteidigungsministerium sowie der nationalen Polizei unter dem Innenministerium. Die Nationale Gendarmerie nimmt unter der Schirmherrschaft des Verteidigungsministeriums polizeiliche Aufgaben außerhalb der städtischen Gebiete wahr; sie besteht aus territorialen, Interventions-/Mobilitäts-, Grenzschutz-, Eisenbahn-, Aufruhrkontroll- und Luftunterstützungseinheiten; die Generaldirektion für Nationale Sicherheit ist mitverantwortlich für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung (CIA 7.8.2024).
Angesichts der jüngeren Geschichte und der Sicherheitslage im Land ist der Sicherheitsapparat sehr groß dimensioniert. Nationale Gendarmerie und Polizei zählen zusammen allein fast 400.000 Mann. Hinzu kommen die zahlenmäßig nicht bekannten Angehörigen der politisch einflussreichen „Direction des Services de Sécurité“ (DSS) [Anm.: Direktion der Sicherheitskräfte] bzw. dessen Nachfolgeorganisationen, die im Bereich Terrorismus und nationale Sicherheit ebenfalls als Strafverfolgungsbehörde funktionieren (ÖB Algier 21.5.2024).
Die Regierung hat Schritte unternommen, um gegen Beamte, die Menschenrechtsverletzungen, insbesondere Korruption, begangen haben, zu ermitteln, sie strafrechtlich zu verfolgen oder zu bestrafen. Die Generaldirektion für nationale Sicherheit führte Ermittlungen zu Misshandlungsvorwürfen durch und ergriff Verwaltungsmaßnahmen gegen Beamte, die ihrer Meinung nach Misshandlungen begangen hatten. Das Justizministerium meldete mehrere strafrechtlichen Verfolgungen oder Verurteilungen von Zivil-, Sicherheits- oder Militärbeamten wegen Folter oder anderer missbräuchlicher Behandlung. Die Straffreiheit für Polizei- und Sicherheitsbeamte ist nach wie vor ein Problem (USDOS 23.4.2024). Übergriffe und Rechtsverletzungen der Sicherheitsbehörden werden entweder nicht verfolgt oder werden nicht Gegenstand öffentlich gemachter Verfahren (ÖB Algier 21.5.2024).
[…]
1.3.5 Folter und unmenschliche Behandlung:
Die Verfassung verbietet Folter und unmenschliche Behandlung (AA 10.5.2023; vgl. USDOS 23.4.2024, ÖB Algier 21.5.2024), auch im algerischen Strafgesetz ist Folter seit 2004 ein Verbrechen. Das traditionelle islamische Strafrecht (Scharia) wird nicht angewendet (AA 10.5.2023). Das Strafmaß für Folter für Beamte liegt zwischen 10 und 20 Jahren (USDOS 23.4.2024).
Folter wird laut Menschenrechtsbeobachtern gelegentlich zur Erzwingung von Aussagen und Geständnissen angewandt (ÖB Algier 21.5.2024) bzw. gibt es glaubwürdige Berichte, dass Folter von Beamten angewendet wird (USDOS 23.4.2024). Menschenrechtsorganisationen berichten, dass die Polizei gelegentlich übermäßige Gewalt gegen Verdächtige, einschließlich Demonstranten und Informanten, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen, anwendet, was einer Folter oder erniedrigenden Behandlung gleichkommen könnte (USDOS 23.4.2024). Vor Gericht werden Aussagen bezüglich Folter von den Justizbehörden ignoriert (AI 24.4.2024).
[…]
1.3.6 Allgemeine Menschenrechtslage:
Algerien ist den wichtigsten internationalen Menschenrechtsabkommen beigetreten. Laut Verfassung werden die Grundrechte gewährleistet (AA 20.6.2023). Systematische staatliche Repressionen, die allein wegen Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe erfolgen, sind in Algerien nicht feststellbar (AA 10.5.2023). NGOs kritisieren zunehmende Einschränkungen der Meinungs-, Versammlungs-, und Pressefreiheit (AA 20.6.2023; vgl. USDOS 23.4.2024, HRW 11.1.2024) - in diesen Bereichen verschlechterte sich die Lage im Jahr 2023 (USDOS 23.4.2024). Die algerischen Behörden haben im Jahr 2023 die Unterdrückung der Meinungs-, Presse-, Vereinigungs-, Versammlungs- und Bewegungsfreiheit im Rahmen ihrer fortgesetzten Bemühungen zur Unterdrückung des organisierten Widerstandes verschärft. Sie haben wichtige zivilgesellschaftliche Organisationen aufgelöst, Oppositionsparteien und unabhängige Medien suspendiert und weiterhin restriktive Gesetze angewandt, um Menschenrechtsverteidiger, Aktivisten, Journalisten und Anwälte zu verfolgen - unter anderem wegen des zweifelhaften Vorwurfs des Terrorismus und der Annahme von Geldern zur Schädigung der Staatssicherheit -, was einige von ihnen zur Flucht ins Exil veranlasste (HRW 11.1.2024). Weitere bedeutende Menschenrechtsprobleme sind unter anderem Folter oder grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung durch Angehörige der Sicherheitskräfte; willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen; politische Gefangene; schwerwiegende Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz und der Unparteilichkeit sowie rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre (USDOS 23.4.2024).
Obwohl die Verfassung Meinungs- und Pressefreiheit gewährleistet (USDOS 23.4.2024), schränkt die Regierung diese Rechte ein (USDOS 23.4.2024; vgl. HRW 11.1.2024). Die Behörden nutzen rechtliche Mechanismen, um die Medienarbeit einzuschränken (FH 2024). Öffentliche Debatten und Kritik an der Regierung sind weit verbreitet, jedoch ist es für Journalisten und Aktivisten problematisch, bestimmte rote Linien zu überschreiten (USDOS 23.4.2024). Die Behörden setzen Journalisten und Kritiker Schikanen und Einschüchterungen aus (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024). Journalisten berichten, dass selektive Strafverfolgung als Einschüchterungsmechanismus dient. Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen schüchtert die Regierung Aktivisten und Journalisten ein. Zu den Maßnahmen der Regierung gehören die Schikanierung einiger Kritiker, die willkürliche Durchsetzung vage formulierter Gesetze und informeller Druck auf Verleger, Redakteure, Anzeigenkunden und Journalisten (USDOS 23.4.2024). Die algerische Presse zeichnet sich durch rapide schwindenden Pluralismus und Druck gegen unabhängige Zeitungen aus. Der Staat kontrolliert zwei Schlüsselressourcen für die Printmedien, die öffentlichen Druckereien und subventionierte Papierlieferungen. Daneben besteht ein weiteres Mittel staatlicher Einflussnahme in Gestalt der staatlichen Werbe- und Vertriebsgesellschaft ANEP, über die alle staatlichen Unternehmen ihre Werbung platzieren. Ein Rückgang dieser Werbeeinnahmen hat in den letzten Jahren zur Schließung mehrerer Zeitungen geführt. Die Abhängigkeit von diesen Ressourcen führt zu Selbstzensur seitens der Herausgeber und Redakteure (AA 10.5.2023). Obwohl sich manche Zeitungen in Privatbesitz befinden und einige Journalisten eine aggressive Berichterstattung in Bezug auf Regierungsangelegenheiten an den Tag legen, so sind die meisten Zeitungen auf Regierungsbehörden zur Drucklegung und für Werbung angewiesen, was Selbstzensur fördert (FH 2024). Die Behörden verhaften und inhaftieren Bürger, weil sie Ansichten äußern, die als schädlich für staatliche Beamte und Institutionen angesehen werden, einschließlich der Verwendung der Amazigh-Flagge bei Protesten, und die Bürger üben Selbstzensur bei der Äußerung öffentlicher Kritik (USDOS 23.4.2024).
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit werden durch die algerische Verfassung garantiert, dennoch werden Demonstrationen regelmäßig nicht genehmigt bzw. in Algier komplett verboten (AA 10.5.2023; vgl. USDOS 23.4.2024) bzw. wird die Versammlungsfreiheit massiv eingeschränkt (USDOS 23.4.2024; vgl. HRW 11.1.2024). Folglich sind die Möglichkeiten oppositioneller politischer Tätigkeit weiterhin eng begrenzt: Versammlungen müssen angemeldet sein, Demonstrationen in der Hauptstadt sind theoretisch weiterhin verboten (ÖB Algier 21.5.2024; vgl. USDOS 23.4.2024) und auch anderswo ist es schwierig, eine Genehmigung zu erhalten (USDOS 23.4.2024). Politische Veranstaltungen sind engen Regeln unterworfen und im Grunde auf die dreiwöchigen Kampagnen vor Wahlen beschränkt (ÖB Algier 21.5.2024).
Gesetzliche Beschränkungen der Versammlungsfreiheit bestehen weiterhin, werden aber uneinheitlich durchgesetzt. Obwohl die Hirak-Proteste, die 2019 begannen, manchmal toleriert wurden, griffen die Behörden häufig zu Gewalt und willkürlichen Verhaftungen, um Kundgebungen zu verhindern oder aufzulösen. Nach der Wiederaufnahme der Demonstrationen im Jahr 2021 sahen sich die Hirak-Demonstranten zunehmenden Repressionen ausgesetzt, wodurch die Bewegung an Schwung verlor. Im Jahr 2023 kam es zu keinen größeren Hirak-Protesten, aber die Polizei nahm im Laufe des Jahres 2023 weiterhin Personen fest, denen Verbindungen zu der Bewegung nachgesagt wurden (FH 2024).
Das Gesetz garantiert der Regierung weitreichende Möglichkeiten zur Überwachung und Einflussnahme auf die täglichen Aktivitäten von zivilgesellschaftlichen Organisationen. Das Innenministerium muss der Gründung zivilgesellschaftlicher Organisationen zustimmen, bevor diese gesetzlich zugelassen werden. Nach der Registrierung müssen die Organisationen die Regierung über ihre Aktivitäten, Finanzierungsquellen und Mitarbeiter informieren und auch personelle Veränderungen mitteilen. Dennoch sind verschiedene nationale Menschenrechtsgruppen aktiv. Sie sind jedoch in unterschiedlichem Ausmaß Einschränkungen durch die Regierung ausgesetzt bzw. ist Kooperation nur selten mit dieser möglich (USDOS 23.4.2024).
Eine Parteigründung bleibt weiterhin schwierig (ÖB Algier 21.5.2024). Für die Gründung einer Partei ist - wie bei anderen Vereinigungen - eine Genehmigung des Innenministeriums nötig. Politische Parteien auf Basis von Religion, Ethnie, Geschlecht, Sprache oder Region sind verboten, aber verschiedene politische Parteien mit religiöser oder ethnischer Zugehörigkeit werden toleriert (USDOS 23.4.2024). Die Zunahme neuer politischer Parteien nach dem Arabischen Frühling und dem Hirak hat neue Bevölkerungsgruppen mobilisiert. Sie hat jedoch auch zu einer möglichen Zersplitterung der Opposition geführt und kleinere Unterstützergruppen für die regierende Nationale Befreiungsfront (FLN) geschaffen (BS 2024). Oppositionsparteien können sich grundsätzlich ungehindert betätigen, soweit sie zugelassen sind. In den privaten Medien sind oppositionelle Parteien wenig, in den staatlichen Medien gar nicht präsent. Mehrere Parteien haben kritisiert, dass ihnen teils die Ausrichtung von Versammlungen erschwert wird und sie Bedrohungen und Einschüchterungen ausgesetzt sind. Oppositionelle Gruppierungen haben zudem oft Schwierigkeiten, Genehmigungen für Veranstaltungen in geschlossenen Räumen zu erhalten (AA 10.5.2023).
Der Nationale Menschenrechtsrat (CNDH) verfügt über Haushaltsautonomie und hat die verfassungsmäßige Aufgabe, mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen, offiziell zu den von der Regierung vorgeschlagenen Gesetzen Stellung zu nehmen und dem Präsidenten, dem Premierminister und den beiden Parlamentspräsidenten einen veröffentlichten Jahresbericht vorzulegen. Die CNDH ist in fast allen Gemeinden und in fünf regionalen Delegationen in Chlef, Biskra, Setif, Bechar und Bejaia vertreten. Die CNDH stellte fest, dass sie im Laufe des Jahres 2023 Gefängnisbesuche durchführte, Sitzungen mit der Arabischen Liga und Penal Reform International abhielt, Krankenhäuser und Pflegeheime besuchte, um einen gleichberechtigten Zugang zur Gesundheitsversorgung für gefährdete Bevölkerungsgruppen zu gewährleisten, und Sondersitzungen abhielt, um den Klimawandel nach den Waldbränden im Nordosten des Landes zu thematisieren (USDOS 23.4.2024).
[…]
1.3.7 Haftbedingungen:
Die Haftbedingungen sind hart und aufgrund von körperlichen Misshandlungen und unzureichender medizinischer Versorgung lebensbedrohlich (USDOS 23.4.2024). Die Haftbedingungen sind schlecht, und einige Insassen sind Berichten zufolge starker Überbelegung ausgesetzt und haben mit schlechten sanitären Einrichtungen zu kämpfen (FH 2024). Vulnerable Häftlinge werden getrennt inhaftiert (USDOS 23.4.2024).
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 10.5.2023) und lokale Menschenrechtsbeobachter (USDOS 23.4.2024) besuchen Inhaftierte in verschiedenen Gefängnissen (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 10.5.2023). Der IKRK-Delegierte hält engen Kontakt mit algerischen Ministerien und Behörden und beurteilte die Zusammenarbeit mit der Regierung als grundsätzlich positiv (AA 10.5.2023).
Es werden für Gefängnispersonal Schulungen zu Menschenrechtsstandards durchgeführt. Die DGSN [Generalsekretariat für die nationale Sicherheit] berichtete, dass sie im Laufe des Jahres 2023 170 Schulungen zum Thema Menschenrechte für 8.467 Polizeibeamte in allen 58 Bundesstaaten durchgeführt hat, was eine deutliche Steigerung gegenüber dem Vorjahr darstellt (USDOS 23.4.2024). Die Bemühungen der algerischen Strafvollzugsbehörden, die Haftbedingungen zu verbessern, konnten bei mehreren Kooperationsprojekten von ausländischen Experten konstatiert werden. Von 144 Strafanstalten sind 80 jünger als zehn Jahre, die medizinische Ausstattung ist allgemein gut. Bei Resozialisierungsmaßnahmen bzw. der Betreuung nach Entlassung aus der Haft sind Defizite festzustellen (AA 10.5.2023).
Verbesserungen: Im Laufe des Jahres 2023 meldete das Justizministerium mehrere Verbesserungen der Haftbedingungen, darunter die Einrichtung von öffentlichen Telefonen in drei neuen Gefängnissen, die Eröffnung von zwei neuen Gefängnissen, um die Überbelegung der Gefängnisse zu verringern, und die Verbesserung der medizinischen Einrichtungen in mehreren Gefängnissen im ganzen Land. Die Behörden führten außerdem Schulungsprogramme für Gefängnisbeamte zu national und international verankerten Rechten für Gefangene sowie Schulungen zum besonderen Schutz von Frauen und Minderjährigen in Gefängnissen ein (USDOS 23.4.2024).
[…]
1.3.8 Todesstrafe:
Die Todesstrafe ist für zahlreiche Delikte vorgesehen und wird auch verhängt, doch gibt es in der Praxis ein Moratorium und seit 1993 werden offiziell keine Exekutionen mehr durchgeführt (AA 10.5.2023; vgl. ÖB Algier 21.5.2024, AI 24.4.2024, ECPM o.D.). Im Jahr 2023 gab es zumindest 38 Todesurteile (ÖB Algier 21.5.2024; vgl. ECPM o.D.)
Für den Fall einer Auslieferung besteht die Möglichkeit, Nichtverhängung oder Nichtvollzug der Todesstrafe zu vereinbaren (AA 10.5.2023).
[…]
1.3.9 Bewegungsfreiheit:
Die Verfassung garantiert Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung, diese Rechte werden jedoch von der Regierung in der Praxis eingeschränkt (USDOS 23.4.2024). Nach anderen Angaben können die meisten Bürger innerhalb des Landes und ins Ausland relativ frei reisen (FH 2024). Die Verfassung gewährt den Bürgern das Recht, in das Land ein- und auszureisen. Menschenrechtsgruppen äußern sich besorgt darüber, dass die Regierung Reiseverbote, einschließlich außergerichtlicher Verbote, gegen Journalisten, Aktivisten und Kritiker einsetzt (USDOS 23.4.2024).
Jungen wehrpflichtigen Männern, die ihren Wehrdienst noch nicht abgeleistet haben, wird die Ausreise ohne Sondergenehmigung verweigert (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024). Sondergenehmigungen erhalten Studenten und Personen in besonderen Familienkonstellationen. Personen, die jünger als 18 Jahre sind, ist es gemäß Familienrecht nicht gestattet, ohne die Erlaubnis einer Aufsichtsperson ins Ausland zu reisen (USDOS 23.4.2024). Verheiratete Frauen, die jünger als 18 Jahre sind, dürfen ohne die Erlaubnis ihres Ehemanns nicht ins Ausland reisen (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024).
Die Landgrenze zwischen Algerien und Marokko bleibt geschlossen (FH 2024).
[…]
1.3.10 Grundversorgung:
Algerien ist als flächenmäßig größtes Land des afrikanischen Kontinents ein bedeutender ökonomischer Akteur. Algerien stützt sich wirtschaftlich auf Förderung und Export von Öl und Gas. Eine Diversifizierung steht aber schon länger auf der politischen Agenda. Angesichts der Energiekrise in Europa hat die Bedeutung Algeriens als verlässlicher Lieferant nochmals zugenommen. Algerien möchte diese Position im Energiesektor langfristig sichern. Dazu gehört neben Modernisierung und Ausbau der bestehenden Öl- und Gasinfrastruktur der Aufbau einer auf erneuerbaren Energiequellen basierenden Produktion von Wasserstoff (ABG 8.2024).
Im Jahr 2021 trug eine kräftige Erholung der Erdöl- und Gasproduktion dazu bei, dass sich die Wirtschaft von der durch COVID-19 ausgelösten Rezession erholt hat. Die Außenhandels- und Haushaltssalden erholten sich 2022 merklich und profitierten vom Anstieg der Weltmarktpreise für Erdöl- und Gas. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat der Erdöl- und Gasboom Algerien Fortschritte in der wirtschaftlichen und menschlichen Entwicklung ermöglicht. Das Land hat 2008 seine multilateralen Schulden fast beglichen, in Infrastrukturprojekte zur Förderung des Wirtschaftswachstums investiert und eine umverteilende Sozialpolitik eingeführt, die die Armut gelindert und die Indikatoren für die menschliche Entwicklung deutlich verbessert hat (WB 30.5.2023). Dennoch bleibt die Inflation mit 9,4% hoch. Um die Kaufkraft zu sichern, hat die Regierung Maßnahmen wie die Anhebung der Gehälter im öffentlichen Dienst und die Einführung von Arbeitslosenunterstützung ergriffen. Dieses Ausgabenniveau könnte jedoch zu einer Herausforderung werden, wenn die Gaspreise in Zukunft sinken (BS 2024). Die algerische Wirtschaft wird voraussichtlich bis Ende 2023 um 2,8% wachsen, angetrieben durch steigende Erdgasförderung, eine erhebliche Zunahme der Getreideproduktion und verstärkte Investitionen in Industrie und Bauwesen. Algeriens Wirtschaft ist stark von Erdöl und Erdgas abhängig. Etwa 60% der Steuereinnahmen und 90% der Exporteinnahmen des Landes kommen aus diesem Sektor. Das Land setzt verstärkt auf die Diversifizierung seiner Wirtschaft und den Ausbau der lokalen Produktion. Diese Strategie zielt darauf ab, die Abhängigkeit von Öl- und Gasexporten zu verringern und langfristiges, nachhaltiges Wachstum zu fördern (WKO 13.9.2024).
Algerien leistet sich aus Gründen der sozialen und politischen Stabilität ein für die Möglichkeiten des Landes aufwendiges Sozialsystem, das aus den Öl- und Gasexporten finanziert wird. Das Land hat - als eines von wenigen Ländern - in den letzten 20 Jahren eine Reduktion der Armutsquote von 25% auf 5% erreicht. Schulbesuch und Gesundheitsfürsorge sind kostenlos. Energie, Wasser und Grundnahrungsmittel werden stark subventioniert. Ein Menschenrecht auf Wohnraum wird anerkannt. Für Bedürftige wird Wohnraum kostenlos zur Verfügung gestellt. Missbräuchliche Verwendung ist häufig (ÖB Algier 21.5.2024).
Im Bereich der Sozialfürsorge kommt, neben geringfügigen staatlichen Transferleistungen, vornehmlich der Familien- und im Süden des Landes auch der Stammesverband für die Versorgung alter Menschen, Behinderter oder chronisch Kranker auf. In den Großstädten des Nordens existieren „Selbsthilfegruppen“ in Form von Vereinen, die sich um spezielle Einzelfälle (etwa die Einschulung behinderter Kinder) kümmern. Teilweise fördert das Solidaritätsministerium solche Initiativen mit Grundbeträgen (AA 10.5.2023).
Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln war bislang durch umfassende Importe gewährleistet. Insbesondere im Vorfeld religiöser Feste, wie auch im gesamten Monat Ramadan, kommt es allerdings immer wieder zu substanziellen Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln. Für Grundnahrungsmittel wie Weizenmehl, Zucker und Speiseöl gelten im Jänner 2011 eingeführte Preisdeckelungen und Steuersenkungen. Staatliche oder karitative Einrichtungen, die eine Befriedigung der existenziellen Bedürfnisse sicherstellen, sind nicht bekannt (AA 10.5.2023). In einer in drei großen algerischen Städten mit einem repräsentativen Sample November bis Dezember 2023 durchgeführten Umfrage zur sozio-ökonomischen Lage gaben 61% der Befragten an, dass es ihnen gelingt, ihren Haushalt trotz der aktuellen Lebensmittelpreise ausreichend mit Lebensmitteln zu versorgen, 30% können sich gerade so mit Lebensmitteln versorgen und nur 9% können ihren Haushalt kaum oder gar nicht mit Lebensmitteln versorgen. Etwas schwieriger ist die Situation beim Kauf von grundlegenden Konsumgütern wie Kleidung oder Schuhen: 43% der Befragten sind in der Lage, ihren Haushalt mit diesen Gütern zu versorgen, 42% schaffen es gerade so, und 14% können ihren Haushalt kaum oder gar nicht mit diesen Gütern versorgen (STDOK 31.12.2023). [Anm.: Zu beachten ist, dass es sich hier um eine Befragung in Städten handelt, ländliche Gebiete sind nicht erfasst - hier können Unterschiede im Zugang zu Grundnahrungsmitteln und Konsumgütern bestehen.]
Die Prognosen für die Entwicklungen am algerischen Arbeitsmarkt sind ungünstig, die Arbeitslosigkeit steigt. Dies ist nicht nur auf die Corona-Pandemie zurückzuführen, sondern auch auf sinkende Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft und einer politischen Krise im Jahr 2019. Die Gehälter im öffentlichen Sektor sind höher als in der Privatwirtschaft. Allgemein steigen die Reallöhne in Algerien langsamer als das allgemeine Preisniveau (ABG 8.2024).
Die Arbeitslosigkeit (15-64-Jährige) lag 2022 bei 11,6% (ÖB Algier 21.5.2024; vgl. BS 2024) bzw. 12,4% und 2023 bei 11,8% (WKO 8.2024), die Jugendarbeitslosigkeit (15-24-Jährige) 2022 bei 29,0% (ÖB Algier 21.5.2024) bzw. 32,0% und 2023 bei 30,8% (WKO 8.2024). Die Perspektivenlosigkeit der Jugend ist ungebrochen, eine hohe Zahl findet keine geregelte Arbeit. Die Regierung anerkennt die Problematik der hohen Akademikerarbeitslosigkeit. Schwer zu beziffern ist der informelle Sektor, der laut UN-Quellen (inoffiziell) auf bis zu 60% geschätzt wird (ÖB Algier 21.5.2024).
Das staatliche Arbeitsamt Agence national d’emploi / ANEM bietet Dienste an, es existieren auch private Jobvermittlungsagenturen. Seit Feber 2011 stehen jungen Menschen Starthilfekredite offen, wobei keine Daten darüber vorliegen, ob diese Mittel ausgeschöpft wurden. In manchen Regionen stellt der Staat kostenlos Land, Sach- sowie Geldmittel zur Verfügung, um landwirtschaftliche Unternehmungen zu erleichtern. Grundsätzlich ist anzumerken, dass allen staatlichen Genehmigungen/Unterstützungen eine (nicht immer deklarierte) sicherheitspolitische Überprüfung vorausgeht und dass Arbeitsplätze oft aufgrund von Interventionen besetzt werden. Der offiziell erfasste Wirtschaftssektor ist von staatlichen Betrieben dominiert (ÖB Algier 21.5.2024).
[…]
1.3.11 Rückkehr:
Eine behördliche Rückkehrhilfe ist der österreichischen Botschaft in Algier nicht bekannt (ÖB Algier 21.5.2024). Es gibt seitens der algerischen Regierung keine Reintegrationsprojekte. In der Regel werden Rückkehrer von der Familie aufgefangen. Unterkunft, Verpflegung und medizinische Versorgung werden von den Familienmitgliedern geleistet. Rückkehrer werden erst wieder in das staatliche Sozialversicherungssystem aufgenommen, wenn sie erwerbstätig sind (AA 10.5.2023).
Von 2018 bis 2022 gab es allerdings das Europäische Rückkehr- und Reintegrationsnetzwerk (ERRIN) – eine Arbeitsgemeinschaft aus 16 EU-Mitgliedstaaten und Schengen-assoziierten Staaten, der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (EBCGA/FRONTEX) und der Europäischen Kommission – die in Fragen der Hilfestellung und Begleitung von Rückkehrern tätig war. Als Fortführung des ERRIN-Projekts wurde mit 1.4.2022 das JRS-Programm (Joint Reintegration Services) gestartet. Dieses bietet individuelle Reintegrationshilfen für Rückkehrer in ihre Herkunftsländer. Für die Koordinierung der Reintegrationshilfen bleibt das BMI auf nationaler Ebene weiterhin zuständig. Reintegrationshilfen können ab 1.7.2022 über das europäische JRS-Programm beantragt werden. Für die Umsetzung der 12-monatigen Reintegrationshilfen gelten die bisherigen Projektinhalte fort. Es kann davon ausgegangen werden, dass Familien zurückkehrende Mitglieder wieder aufnehmen und unterstützen; häufig sind Fälle, in denen Familien Angehörige mit beträchtlichen Geldmitteln bei der illegalen Ausreise unterstützt haben. Sollten Rückkehrer auf familiäre Netze zurückgreifen können, würde man annehmen, dass sie diese insbesondere für eine Unterkunft nützen. Die Botschaft kennt auch Fälle von finanzieller Rückkehrhilfe (1.000-2.000€) durch Frankreich und Deutschland, für Personen, die freiwillig ausgereist sind, ähnliches gibt es in unterschiedlicher Höhe auch für andere EU-Staaten. In Österreich bietet Return From Austria in Kooperation mit Frontex (JRS) finanzielle Rückkehrhilfe an (ÖB Algier 21.5.2024). IOM führt ein Programm zur Unterstützung der freiwilligen Rückkehr nach und der Integration in Algerien durch. Das Programm wird aus EU-Mitteln und auch bilateral von deutscher Seite unterstützt (AA 10.5.2023).
Algerien erklärt sich bei Treffen mit EU-Staatenvertretern immer wieder dazu bereit, Rückkehreraufzunehmen, sofern zweifelsfrei feststeht, dass es sich um algerische Staatsbürger handelt. Nachfragen bei EU-Botschaften bestätigen, dass Algerien bei Rückübernahmen kooperiert, allerdings ist der Rhythmus relativ langsam, angeblich maximal 5-10 pro Tag, bzw. auch pro Woche. Algerien behauptet, dass dies auf die insgesamt vielen Rückübernahmen aus zahlreichen Staaten zurückzuführen ist, weil die Aufnahmebehörden sonst überlastet wären. Zwischen Algerien und einzelnen EU-Mitgliedsstaaten bestehen bilaterale Rückübernahmeabkommen (ÖB Algier 21.5.2024).
Die illegale Ausreise ist strafbar (ÖB Algier 21.5.2024; vgl. AA 10.5.2023). Das Gesetz sieht ein Strafmaß von zwei bis sechs Monaten und/oder eine Geldstrafe (ÖB Algier 21.5.2024; vgl. AA 10.5.2023) zwischen 20.000 DA bis 60.000 DA [Anm.: ca. 137 - 410 Euro] vor (ÖB Algier 21.5.2024).
Üblicherweise werden lediglich Geldstrafen in Höhe von 20.000 Dinar (nach offiziellem Kurs rd. 150 Euro, am Schwarzmarkt ca. 100 Euro) verhängt, die Höhe richte sich nach der Art der illegalen Ausreise. So wird eine Ausreise mit dem Boot etwa höher bestraft als ein simpler „Overstay“ (ÖB Algier 21.5.2024). Nach anderen Angaben werden Rückkehrer, die ohne gültige Papiere das Land verlassen haben, mitunter zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Für illegale Bootsflüchtlinge („harraga“) sieht das Gesetz Haftstrafen von zwei bis zu sechs Monaten und zusätzliche Geldstrafen vor. In der Praxis werden zumeist Bewährungsstrafen verhängt (AA 10.5.2023). […]
2. Beweiswürdigung:
Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
2.1 Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
2.2 Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde (Protokoll vom 25.12.2024, AS. 23 ff und vom 25.03.2025, AS. 517 ff) und vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Protokoll vom 27.12.2024, AS. 75 ff), in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Algerien.
Auskünfte aus dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister, dem zentralen Melderegister, dem Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger, der Betreuungsinformation (Grundversorgung) und dem Strafregister wurden ergänzend zum vorgelegten Verwaltungsakt eingeholt.
Der Beschwerdeführer bestreitet den durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete auch in der Beschwerde kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, welches geeignet wäre, die getroffenen Entscheidungen anzuzweifeln, sodass das erkennende Gericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht, zunächst auf die nachvollziehbare Beweiswürdigung verweist und sich ihr vollumfänglich anschließt.
2.3 Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer konnte sich vor den österreichischen Behörden mit keinem gültigen Identitätsdokument ausweisen. Er gab an, dass er kein Ausweisdokument besitze. Sein Reisepass befinde sich in Algerien, weil er diesen 2023 von Russland nach Algerien an seine Eltern zurückgeschickt habe, damit ihn die europäischen Behörden nicht nach Algerien abschieben können (AS. 25, AS. 209, AS. 523). Mittels SIS-Trefferbild konnte er als algerischer Staatsbürger sowie auch mit dem von ihm angegebenen Geburtsdatum identifiziert werden.
Die weiteren Feststellungen zu seiner Person, seinen Lebensumständen, seinen Familienverhältnissen, seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seines Atheismus, seinen Sprachkenntnissen, seiner Schulausbildung sowie seinem Studium, seiner Berufserfahrung, seiner Gesundheit, seiner Arbeitsfähigkeit sowie seiner Nichtabsolvierung des Militärdienstes und dass er keine Familienangehörige in Österreich hat, gründen sich auf den übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung und den niederschriftlichen Einvernahmen vor der belangten Behörde.
Die Feststellungen zu seinem Geburts- und Wohnort und seinen dort lebenden Familienangehörigen sowie der Kontakt zu dieser, ergeben sich aus seinen Angaben vor den Organen der öffentlichen Sicherheit (AS. 79) sowie vor dem BFA (Protokoll vom 25.12.2024, AS. 26 und Protokoll vom 25.03.2025, AS 521, AS. 524 f) Dass ein Bruder in Spanien lebt und der BF Verwandte in Frankreich hat, ergibt sich einerseits aus der niederschriftlichen Erstbefragung vor den Organen der öffentlichen Sicherheit (AS. 79) sowie aus der Einvernahme vor der belangten Behörde (AS. 31, AS. 524 f).
Durch die Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister IZR ergibt sich, dass er jeweils in Deutschland, Finnland und in Schweden einen Asylantrag stellte. Überdies bestätigte dies der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA sowie bei der Erstbefragung und gab an, dass er in keinem europäischen Land über ein gültiges Aufenthaltsrecht oder einen gültigen Aufenthaltstitel verfügt (AS. 28, AS. 83). Die Frage, ob ein Asylverfahren in den besagten Ländern bereits abgeschlossen wurde, verneinte er und sagte, dass er die Verfahren nie abgewartet habe (AS. 29, AS. 83).
Wann er aus Algerien ausreiste, dass er für fünf Jahre ein Studentenvisum für Russland hatte, dort arbeitete, anschließend im April 2023 sich nach Weißrussland begab, sich von dort in verschiedene europäische Länder begab und dort für eine gewisse Zeit aufhältig war, zum Teil bestimmte Länder mehrmals besuchte, wie er reiste und wie er lebte, ergibt sich aus den übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers bei seiner Erstbefragung sowie bei seinen niederschriftlichen Einvernahmen (AS. 27, AS. 83, AS. 523 f). Trotz der zum Teil unterschiedlichen Angaben hinsichtlich der Aufenthaltsdauer in den verschiedenen europäischen Ländern im Verfahren, schmälert dies nicht seine diesbezügliche Glaubwürdigkeit, zumal es nachvollziehbar ist, aufgrund der zahlreichen Wechsel der Aufenthaltsländer, nicht mehr genau zu wissen, wie lang er sich dort jeweils aufgehalten hat. Der Beschwerdeführer gab in seiner Einvernahme an, dass er sich den Aufenthalt in den jeweiligen Ländern als Influencer auf sozialen Medien finanziert habe („Von Til Tok habe ich das meiste Geld bekommen“(AS. 31). Bescheinigungsmittel dafür wie Clips oder Überweisungsbelege, legte der Beschwerdeführer nicht vor. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass sich der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt als Influencer verdient.
Seit wann er in Österreich ist, wie er nach Österreich einreiste und wann bzw. wodurch er erstmalig behördlich in Österreich in Erscheinung trat, festgenommen und in das PAZ XXXX gebracht wurde, ergibt sich einerseits aus seiner niederschriftlichen Einvernahme (AS. 26 f) in Zusammenschau mit dem im Akt befindlichen Festnahmeauftrag (AS 17) sowie der Anzeige der LPD XXXX (AS. 19).
Durch die Einsichtnahme in den Mandatsbescheid vom 25.12.2024 ergibt sich, dass er sich seit dem 25.12.2024 in Schubhaft befand und aus dem Entlassungsschein, dass er am 05.02.2025 aus der Schubhaft entlassen wurde (AS. 35, AS. 151).
Durch die Einsichtnahme in die Betreuungsinformation (Grundversorgung) ergibt sich, dass er staatliche Leistung bezieht. Dass er in Österreich keiner sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgeht, ergibt sich durch Einsichtnahme in das AJWeb. Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich durch Einsichtnahme in den Strafregisterauszug. Er hat jedoch wie aus dem Akt ersichtlich ist, mehrere Diebstähle sowie versuchten Widerstand gegen die Staatsgewalt in Österreich begangen. In seiner Einvernahme gab er an, dass er Deutsch eigenständig lerne. Sonstige Angaben, ob er in einem Verein oder ehrenamtlich tätig ist, machte er keine (AS. 532). Aus der Einsichtnahme in das ZMR ergibt sich, dass er seit dem 24.12.2024 melderechtlich erfasst und seit dem 28.03.2025 im Anhaltezentrum XXXX aufhältig ist.
2.4 Zum Fluchtvorbringen und einer Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers:
Dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat nicht aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität oder politischen Gesinnung verfolgt wurde und Algerien nicht aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat, ergibt sich aus seinen Angaben in der Erstbefragung und in den niederschriftlichen Einvernahmen vor der belangten Behörde.
Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss. Die Verantwortung eines Antragstellers hat jedoch darin zu bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.
Generell ist zur Glaubwürdigkeit eines Vorbringens auszuführen, dass eine Aussage grundsätzlich dann als glaubhaft zu qualifizieren ist, wenn das Vorbringen hinreichend substantiiert ist; der Beschwerdeführer sohin in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über von ihm relevierte Umstände bzw. Erlebnisse zu machen. Weiters muss das Vorbringen plausibel sein, d.h. mit überprüfbaren Tatsachen oder der allgemeinen Lebenserfahrung entspringenden Erkenntnissen übereinstimmen. Hingegen scheinen erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt einer Aussage angezeigt, wenn der Beschwerdeführer den seiner Meinung nach seinen Antrag stützenden Sachverhalt bloß vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt. Weiteres Erfordernis für den Wahrheitsgehalt einer Aussage ist, dass die Angaben in sich schlüssig sind; so darf sich der Beschwerdeführer nicht in wesentlichen Passagen seiner Aussage widersprechen.
Es ist anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten – z.B. gehäufte und eklatante Widersprüche (z.B. VwGH 25.01.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z.B. VwGH 22.02.2001, 2000/20/0461) – zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.
Als er am 25.12.2024 zum Aufenthalt befragt wurde, machte er keinerlei Fluchtgründe geltend, sondern, dass er in Russland ein Studentenvisum für fünf Jahre (2017 bis 2023) hatte und lediglich nach Österreich gekommen sei, um sich das Land anzuschauen und dort Silvester zu feiern (AS. 26 f). Den Aufenthalt in den übrigen europäischen Ländern habe er sich als Influencer auf den sozialen Medien finanziert (AS. 31).
Erst als er am 27.12.2024 einen Asylantrag stellte und am selbigen Tag dazu befragt wurde, gab er an, dass er als Influencer auf den sozialen Medien seine politische Meinung, welche sich gegen die Regierung richtete, teile und er bei einer Rückkehr die Inhaftierung fürchte (AS. 85).
In seiner neuerlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 25.03.2025 (AS. 523 f) gab er an, dass er von seinem Heimatland nach Russland gegangen sei, weil er dort sein Masterstudium absolvieren habe wollen und anschließend sei er im Bereich Marketing, Verkauf und Buchhaltung bei einem Backwarenhandel tätig gewesen. Auf die Frage, warum er in Österreich, um Asyl ansuchte, gab er an, dass er dies ursprünglich gar nicht vorgehabt habe, jedoch habe er sich, als er in Schubhaft gewesen sei, dazu entschlossen, um Asyl anzusuchen. Überdies habe er politische Probleme, weil er über TikTok Kritik an der algerischen Regierung und deren Präsidenten geübt habe. Es hätten sehr viele diese Beiträge gesehen und als ihn Nachrichten erreicht haben, dass ihm das Schaden könnte, habe er seine Videos auf Tik Tok gelöscht. Aufgrund der Videos hätte ihm überdies eine Spezialeinheit aus Algerien geschrieben, welche ihm schriftlich mit einer Inhaftierung gedroht hätte, sollte er nach Algerien zurückkehren (AS. 526 f).
Auf Nachfrage, wann er Tik Tok genutzt habe, gab er als Antwort, dass er dies im Zeitraum Juni 2023 bis Juli 2023 getan habe (AS. 529). Er habe in Algerien keinerlei Probleme mit den staatlichen Stellen gehabt und sei er weder festgenommen worden noch sei ein Gerichtsverfahren gegen ihn anhängig. Es bestehe auch kein aufrechter Haftbefehl in Algerien gegen seine Person. Hingegen habe er in anderen Ländern, wo er sich aufhielt, Probleme mit der Polizei und Gericht gehabt (AS. 529 f).
In der Beschwerdeschrift (S. 8) führte der Beschwerdeführer lediglich allgemein aus, dass er aufgrund seiner politischen Einstellung und öffentlichen Kritik an der aktuellen Regierung von dieser verfolgt werde und der Staat selbst als Verfolger auftrete. Es sei ein faires Verfahren nicht garantiert und die Bedingungen in den Haftanstalten seien lebensbedrohlich. Die Verfolgung erstrecke sich zudem über das gesamte Staatsgebiet.
Der belangten Behörde ist beizupflichten, wenn sie davon ausgeht, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft ist, zumal es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Wie die Behörde richtig erkannte, machte der Beschwerdeführer lediglich vage und pauschal gehaltene Angaben und führte aus, dass er in Algerien politische Probleme hätte (S. 55/ AS. 811). Überdies gab er an, dass er auf den sozialen Medien erst im Jahr 2023 tätig geworden sei (S. 55 f / AS. 811 f), sodass mit der Ausreise aus Algerien (im Jahre 2018) und dem geltend gemachten Fluchtgrund auch kein zeitlicher Zusammenhang besteht. Die Voraussetzung wohlbegründeter Furcht wird in der Regel nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459; dazu auch VwGH 19.10.2000, 98/20/0430). Demnach ist die geforderte zeitliche Verbindung nicht gegeben.
Überdies konnte er diesbezüglich auch keinerlei Beweise vorlegen und gab selbst an, dass er in Algerien mit keiner staatlichen Behörde Probleme habe und kein aufrechter Haftbefehl gegen ihn bestehe, sodass der Beschwerdeführer auch nicht aus wohlbegründeter Furcht die Rückkehr nach Algerien verweigert.
Dem Beschwerdeführer ist es somit nicht gelungen ein stimmiges Fluchtvorbringen zu erstatten, weil er sich in seinen Einvernahmen mehrmals widerspricht, wie bereits oben ausgeführt wurde (vgl. S 57 / AS. 813). Auch hat er laut seinen Angaben, die regierungskritischen Videos, selbst wenn es diese gegeben haben sollte, nach Aufforderung unverzüglich gelöscht, sodass eine Verfolgung des Beschwerdeführers im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht wahrscheinlich ist.
Überdies stellte er am 02.04.2025 einen Antrag auf freiwillige Rückkehr nach Algerien, der zwar zurückgezogen wurde – jedoch deutet dies darauf hin, dass der Beschwerdeführer den Asylantrag lediglich zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen und zur Erschleichung eines Aufenthaltsrechtes gestellt hat (vgl. S 57 / AS. 813).
In einer Gesamtbetrachtung ist es dem Beschwerdeführer somit nicht gelungen, eine aktuelle, gegen seine Person gerichtete Verfolgungsgefahr, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen und waren daher die entsprechenden Feststellungen zu treffen.
Es liegen keine Anhaltspunkte dar, dass der Beschwerdeführer in Algerien einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war oder sein wird. Vielmehr verneinte er selbst Probleme wegen seiner Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit gehabt zu haben.
Ebenso konnte der Beschwerdeführer mit seinen Angaben im Beschwerdeschriftsatz keine konkret gegen ihn gerichtete Verfolgungs- oder Bedrohungshandlung glaubhaft machen, weshalb in einer Gesamtschau keine asylrelevante Verfolgung oder Bedrohung festzustellen war.
Zur Person des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass er gesund und erwerbsfähig ist. Er hat in Algerien die Schule besucht anschließend studiert und gearbeitet. Es sind keinerlei Gründe ersichtlich, weshalb er nicht in der Lage sein sollte, sich in seinem Herkunftsstaat durch die neuerliche Aufnahme einer derartigen oder anderweitigen Tätigkeit, selbst wenn es sich dabei um eine Hilfstätigkeit handelt, eine Lebensgrundlage zu schaffen. Darüber hinaus verfügt er in seinem Herkunftsstaat über familiären Anknüpfungspunkt in Gestalt seiner Eltern und seiner Geschwister. Zu seinen Angehörigen steht er in regelmäßigem Kontakt, sodass davon auszugehen ist, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr auch familiäre Unterstützung zu Teil würde, was ihm den Aufbau einer Existenz erheblich erleichtern sollte. Doch selbst wenn man davon ausginge, dass der Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr keine familiäre Unterstützung erfahren würde, ist darauf hinzuweisen, dass die Grundversorgung der Bevölkerung in Algerien gewährleistet ist (vgl. Punkt II. 1.3.10). Es ergaben sich somit keinerlei Anhaltspunkte die nahelegen würden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr automatisch in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde.
Aus dem Gesagten war die Feststellung zu treffen, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Algerien somit nicht automatisch dazu führt, dass er einer wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird. Auch ist er angesichts der weitgehend stabilen Sicherheitslage in Algerien und insbesondere in der Hauptstadt nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht. Nicht zuletzt gilt Algerien gemäß § 1 Z. 10 HStV als sicherer Herkunftsstaat.
Damit ist die Beurteilung des gegenständlich vorgebrachten Fluchtgrundes und die diesbezügliche Beweiswürdigung durch die belangte Behörde nicht zu bestandenen, sodass sich das Gericht zur Gänze der Beweiswürdigung anschließt.
2.5 Zur Lage im Herkunftsstaat:
Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat in Punkt II. 1.3 ausgewählten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht des erkennenden Gerichts bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH 04.04.2001, 2000/01/0348, mwN).
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche dargestellt wird, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Zusammengefasst ist sohin festzuhalten, dass sich die getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage in Algerien zweifelsfrei aus den unter Punkt II. 1.3. zitierten Quellen ergeben und weder diesen Quellen noch deren Inhalt im Beschwerdeverfahren substantiiert entgegengetreten wurde. Vielmehr wurde in der Beschwerde ausdrücklich auf den Inhalt des sowohl dem angefochtenen Bescheid als auch der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegten Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zu Algerien verwiesen bzw. zitiert.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Zwar hat der Beschwerdeführer vollumfänglich Beschwerde erhoben, jedoch hat er nicht zu jedem Spruchpunkt (I. bis. IX) inhaltliche Ausführungen gemacht. Es kamen auch von Amts wegen keine Gründe hervor, die eine andere Entscheidung als jene der belangten Behörde begründen würden.
3.1 Zum Verlust des Aufenthaltsrechtes (Spruchpunkt I.):
Wie die Behörde richtig erkannte verlor der Beschwerdeführer kraft Gesetzes nach § 13 Abs. 2 Z. 2 AslyG sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet, zumal am 17.03.2025 die Staatsanwaltschaft XXXX Anklage erhob und die belangte Behörde mittels Verfahrensanordnung gemäß § 13 Abs. 4 AsylG zu Recht den Verlust seines Aufenthaltsrechtes aussprach. Auch besteht kein sonstiges Aufenthaltsrecht für ihn.
Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.
3.2 Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt II.):
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abs. A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Im Sinne des Art. 1 Abs. A Z. 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abs. A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413, mwN).
Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG 2005 erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233, mwN).
Wie in der Beweiswürdigung unter Punkt II. 2.4 umfassend dargestellt, konnte der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall keine Gründe glaubhaft machen, die für eine asylrelevante Verfolgung sprächen. Seinem Fluchtvorbringen in Bezug auf die Gefahr einer Verfolgung wegen Äußerung gegen die algerische Politik sowie gegen den Präsidenten war unter Abwägung aller in der Beweiswürdigung dargelegten Gründen die Glaubhaftigkeit zu versagen. Der Beschwerdeführer konnte weder im Verfahren vor der belangten Behörde noch in der Beschwerdeschrift konkret darlegen, worin die Verfolgung besteht bzw. konnte er keinerlei Beweise diesbezüglich noch hinsichtlich seiner behaupteten Äußerungen gegen die algerische Regierung und Präsidenten vorlegen. Er legte lediglich einen Screenshot von seinem Tik Tok Account vor, jedoch seien laut ihm keine Beiträge mehr auf seinem Profil ersichtlich, weil er diese gelöscht habe.
Eine darüberhinausgehende Verfolgung wurde weder von Seiten des Beschwerdeführers behauptet, noch war eine solche für das Bundesverwaltungsgericht erkennbar.
Dem Beschwerdeführer ist es damit nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung von maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.
Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.
3.3 Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt III.):
Gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf Leben geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 01.07.2024, Ra 2024/20/0347, mwN).
Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass, wenn im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage herrscht, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vorliegen, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (vgl. erneut VwGH 01.07.2024, Ra 2024/20/0347, mwN).
Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung für sich genommen selbst ein Leben im Herkunftsstaat in ärmlichen Verhältnissen nicht dazu führt, dass eine Verletzung des Art. 3 EMRK gegeben sein könnte (vgl. erneut VwGH 01.07.2024, Ra 2024/20/0347, mwN).
Dem Beschwerdeführer droht in Algerien keine Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung. Es droht ihm auch keine reale Gefahr, im Falle seiner Rückkehr entgegen Art. 3 EMRK behandelt zu werden. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK – was in Algerien aufgrund der Sicherheitslage grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden kann - ist hingegen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausreichend. Diese Lebensumstände betreffen sämtliche Personen, die in Algerien leben und können daher nicht als Grund für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten herangezogen werden. So liegt hinsichtlich des Beschwerdeführers kein stichhaltiger Grund dafür vor, anzunehmen, dass er bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat tatsächlich Gefahr liefe, die Todesstrafe oder Hinrichtung, die Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung zu erleiden oder einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt zu sein.
Überdies sind keine Gründe ersichtlich, die auf den Vorwurf einer Straftat, welche zur Verhängung der Todesstrafe, der Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat hindeuten könnten, ist ein "ernsthafter Schaden" im Sinne des Art. 15 der Statusrichtlinie auszuschließen.
Ein bewaffneter Konflikt besteht in Algerien ebenfalls nicht. Zwar ist die Sicherheitslage nicht mit jener in Österreich vergleichbar, jedoch erreichen die nach den einschlägigen Länderberichten vorgekommenen sicherheitsrelevanten Vorfälle nicht ein derart hohes Niveau, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen würden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Algerien alleine durch seine Anwesenheit im Staatsgebiet und insbesondere in seiner Heimatregion tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. Punkt II. 1.3). Risikoerhöhende Umstände im Hinblick auf den Beschwerdeführer wurden im Verfahren ebenfalls nicht substantiiert vorgebracht und wurde nicht dargelegt, dass er aufgrund seiner persönlichen Situation in Algerien und den hiermit verbundenen Umständen spezifisch von willkürlicher Gewalt betroffen wäre. Solche Umstände sind im Verfahren auch nicht hervorgekommen (vgl. Punkt II. 2.3 und 2.4). Nicht zuletzt gilt Algerien gemäß § 1 Z. 10 der Herkunftsstaaten-Verordnung als sicherer Herkunftsstaat.
Hinweise auf eine allgemeine existenzbedrohende Notlage in Algerien (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen ebenfalls nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gemäß Art. 2 oder 3 EMRK abgeleitet werden kann. Es kann auf Basis der Länderfeststellungen nicht davon ausgegangen werden, dass generell jede Person im Falle einer Rückkehr nach Algerien mit existentiellen Nöten konfrontiert ist.
Es wurden im Verfahren auch unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers keine exzeptionellen Umstände aufgezeigt, wonach im Falle seiner Rückkehr nach Algerien die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall nicht gedeckt werden könnten (vgl. Punkt II. 1.3.10). Der Umstand, dass sein Lebensunterhalt in Algerien möglicherweise bescheidener ausfallen mag, als er in Österreich sein könnte, rechtfertigt nicht die Annahme, ihm wäre im Falle der Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten (vgl. VfGH 24.02.2020, E3683/2019; zur "Schwelle" des Art. 3 EMRK vgl. VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059). Er ist zudem ledig und ohne Sorgepflichten und hat bereits mehrjährige Berufserfahrung. Es sind keinerlei Gründe ersichtlich, weshalb er nicht in der Lage sein sollte, sich in seinem Herkunftsstaat durch die Aufnahme einer Tätigkeit, selbst wenn es sich dabei um eine Hilfstätigkeit handelt, eine Lebensgrundlage zu schaffen. Darüber hinaus verfügt er in Gestalt seiner Eltern und seinen Geschwistern über ein umfangreiches sowie intaktes familiäres Netzwerk in seinem Herkunftsstaat, was ihm im Falle seiner Rückkehr den Aufbau einer Existenz erheblich erleichtern sollte
Aus den dargestellten Umständen ergibt sich somit, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Algerien nicht automatisch dazu führt, dass er in eine unmenschliche Lage bzw. eine existenzielle Notlage gerät und in seinen durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechten verletzt werden würde.
Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
3.4 Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt IV.):
Gemäß § 58 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Z. 3 FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005.
Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
3.5 Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt V.):
Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.
Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z. 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes und verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Im gegenständlichen Fall verfügt der Beschwerdeführer aufgrund seines erst fünfmonatigen Aufenthaltes seit seiner Asylantragstellung über kein iSd. Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben in Österreich sowie auf dem Gebiet der Mitgliedsstaaten. Er verfügt über keine Familienangehörigen in Österreich und hat das Bestehen eines finanziellen oder anderweitig gearteten Abhängigkeitsverhältnisses oder Naheverhältnisses von maßgeblicher Intensität nicht behauptet.
Seine restliche Familie (Eltern, Geschwister) leben allesamt in Algerien, zu denen er auch den Kontakt pflegt.
Zu prüfen wäre somit ein etwaiger Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers. Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva u.a. gg Lettland, EuGRZ 2006, 554).
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt. Das persönliche Interesse des Fremden an einem Verbleib in Österreich nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 06.05.2020, Ra 2020/20/0093).
Zum Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich ist folgendes festzuhalten: Nach den Feststellungen steht der Einreisezeitpunkt des Beschwerdeführers ins Bundesgebiet mit 23.12.2024 fest. Er hält sich seit seiner Asylantragstellung im Dezember 2024 durchgehend in Österreich auf. Das vorliegende Asylverfahren erreichte, gerechnet von der Antragstellung am 27.12.2024 bis zum Datum der vorliegenden Entscheidung, etwa fünf Monate. Im Hinblick auf diese Zeitspanne kann eine von Art. 8 EMRK geschützte Aufenthaltsverfestigung noch nicht angenommen werden. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet beruhte dessen ungeachtet auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb er während des gesamten Aufenthaltes nicht darauf vertrauen durfte, dass er sich in Österreich auf rechtlich gesicherter Weise bleibend verfestigen kann.
Liegt - wie im vorliegenden Fall - eine relativ kurze Aufenthaltsdauer des Betroffenen in Österreich vor, so wird nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig erwartet, dass die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich ist, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und einen entsprechenden Aufenthaltstitel zu rechtfertigen (vgl. etwa VwGH 10.4.2019, Ra 2019/18/0049, 18.9.2019, Ra 2018/18/0246 und Ra 2018/18/0212 sowie VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0289).
Gegenständlich setzt der Beschwerdeführer keine maßgeblichen Integrationsbemühungen in Österreich. Er weist keine Deutschkenntnisse auf, ist nicht Mitglied eines Vereins oder einer Organisation. Außerdem ist negativ zu werten, dass er innerhalb kurzer Zeit nach Einreise in das Bundesgebiet noch vor Asylantragstellung sowie auch danach mehrmals wegen Diebstahl, Widerstand gegen die Staatsgewalt straffällig in Erscheinung getreten und sogar Anklage wegen §§ 15, 127 StGB erhoben wurde. Ein Urteil liegt jedoch noch nicht vor.
Der Beschwerdeführer brachte weder in den Einvernahmen noch in der Beschwerde weitere für die Integrationsschritte oder nennenswerte private Bindungen vor. Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige besondere Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, sozialer und gesellschaftlicher Hinsicht sind somit nicht erkennbar.
Es sind - unter der Schwelle des Art. 2 und 3 EMRK – aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaige wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen (vgl. VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Eine diesbezüglich besonders zu berücksichtigende Situation liegt jedoch im Fall des jungen und gesunden Beschwerdeführers, welcher überdies ledig und ohne Sorgepflichten ist, über Berufserfahrung als auch über ein familiäres Netzwerk in seinem Herkunftsstaat verfügt, nicht vor.
Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich (bzw. Europa) stehen damit öffentliche Interessen daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind – gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz – auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden. Bei einer Gesamtbetrachtung wiegt unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung – und damit eines von Art 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses – ein hoher Stellenwert zukommt (vgl zB VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086), schwerer als die schwach ausgebildeten privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet das persönliche Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und auch in der Beschwerde nicht substantiiert vorgebracht worden, welche im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig erscheinen ließen.
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden, weshalb auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG nicht in Betracht kommt.
Die sonstigen Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG und § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG sind erfüllt. Der Beschwerdeführer verfügt auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG abzuweisen war.
3.6 Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt VI.)
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde zudem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Algerien zulässig ist. Diesbezüglich ist darauf zu hinzuweisen, dass ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ausgeschlossen ist. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. VwGH 27.04.2021, Ra 2021/19/0082, mwN).
Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig iSd § 50 Abs. 2 FPG, da dem Beschwerdeführer keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Weiters steht der Abschiebung keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR iSd § 50 Abs. 3 FPG entgegen.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich Spruchpunkt VI des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.
3.7 Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VII. und VIII.):
Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung erfolgte seitens der belangten Behörde gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG, da der Beschwerdeführer aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt (Z. 1). Im vorliegenden Fall stammt der Beschwerdeführer aus Algerien, das gemäß § 1 Z. 10 HStV als sicherer Herkunftsstaat gilt. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung erfolgte daher zu Recht.
Gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht, wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird. Im angefochtenen Bescheid wurde entsprechend festgestellt, dass aufgrund der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung die Entscheidung gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.
Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich der Spruchpunkte VII und VIII des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
3.8 Zur Erlassung eines Einreiseverbotes (Spruchpunkt IX.):
Der mit "Einreiseverbot" betitelte § 53 FPG lautet auszugsweise:
§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
(2) [...]
(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn
1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;
3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;
4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;
5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
[…]“
In Bezug auf die für ein Einreiseverbot zu treffende Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289 mit Verweis auf E 24. März 2015, Ra 2014/21/0049). Die Erfüllung eines Tatbestandes nach § 53 Abs. 2 FPG indiziert, dass der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht nur geringfügig gefährdet (VwGH 24.05.2018, Ra 2017/19/0311).
Bei der Festsetzung der Dauer eines Einreiseverbotes ist immer eine Einzelfallprüfung vorzunehmen. Dabei ist das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen, aber auch darauf abzustellen, wie lange die von ihm ausgehende Gefährdung zu prognostizieren ist. Außerdem ist auf seine privaten und familiären Interessen Bedacht zu nehmen (VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0009).
Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt (§ 53 Abs. 5 FPG).
Gemäß § 73 StGB stehen ausländische Verurteilungen inländischen gleich, wenn sie den Rechtsbrecher wegen einer Tat schuldig sprechen, die auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist, und in einem den Grundsätzen des Art. 6 EMRK entsprechenden Verfahren ergangen sind.
Nach erfolgter Einsichtnahme in das europäische Strafregister-Informationssystem ECRIS ergibt sich, dass der BF mit Urteil des deutschen Amtsgerichts XXXX datiert vom 09.09.2024 bereits rechtskräftig wegen Diebstahls verurteilt wurde. Bekanntlich hat Deutschland die EMRK am 05.12.1952 ratifiziert und wendet diese auf Ebene eines einfachen Bundesgesetzes auch in Strafverfahren an. Somit steht gemäß § 73 StGB seine deutsche Verurteilung einer inländischen gleich, zumal er wegen einer Tat schuldig gesprochen wurden, welche auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist (vgl. § 127 StGB).
An der Verhinderung von Eigentumskriminalität besteht ein großes öffentliches Interesse (vgl. VwGH 20.06.2008, 2008/01/0060) und kann ein Fehlverhalten auch dann zur Beurteilung der Gefährdungsprognose herangezogen werden, wenn dieses nicht zu einer gerichtlichen Bestrafung geführt hat (vgl. VwGH 22.01.2014, 2012/22/0246).
Daher sind im Fall des BF die Voraussetzungen des § 53 Abs. 3 Z. 1 letzter Fall FPG, in welchem schon die Wertung des Gesetzgebers - nämlich dass es bei mindestens einmal erfolgter Verurteilung wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlung nicht auf das Ausmaß der verhängte Strafe ankommt – selbst zum Ausdruck kommt, erfüllt (vgl. VwGH 19.05.1994, 94/18/0218). Der besondere Unwertgehalt, welcher ein Einreiseverbot rechtfertigt, liegt diesfalls darin, dass der BF sich durch die erste rechtskräftige Verurteilung nicht davon abhalten ließ, erneut auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende strafbare Handlungen zu begehen (vgl. VwGH 16.01.2001, 2000/18/0241).
Die Erfüllung eines Tatbestandes nach § 53 Abs. 3 FPG indiziert laut ständiger Judikatur bereits das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit (vgl. VwGH 30.07.2014, 2013/22/0281).
Bei der Bemessung des Einreiseverbots ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und aufgrund konkreter Feststellungen eine Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose vorzunehmen. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder des Vorliegens der sonstigen genannten Tatbestandsvoraussetzungen an, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild (vgl. VwGH 19.02.2013, 2012/18/0230).
Im Fall des BF war dabei zu berücksichtigen, dass er einen raschen Rückfall in Österreich (etwa Diebstähle am 24.12.2024, 14.02.2025, 23.02.2025 26.02.2025) nach Eintritt der Rechtskraft seiner einschlägigen deutschen Vorstrafe zu vertreten hat.
Der BF befindet sich seit dem 23.12.2024 in Österreich und beging bereits in dieser kurzen Zeit fünf Ladendiebstähle. Auch in Deutschland wurde der BF schon zuvor wegen Diebstahls rechtskräftig verurteilt. Es zeigt sich, dass der BF nicht gewillt ist die österreichische Rechtsordnung zu respektieren und fremdes Eigentum zu achten.
Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z. 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
Das wiederholte Fehlverhalten eines Fremden bewirkt nach der Judikatur eine schwerwiegende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit (vgl. VwGH 23.03.1995, 95/18/0061).
Bei einer in Straftaten zum Ausdruck kommenden krassen Missachtung des Eigentums anderer erachtet auch der VwGH die Erlassung eines Einreiseverbots zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten (vgl. VwGH 23.03.1995, 95/18/0061).
In Fall des Beschwerdeführers zeigte sich sohin bereits in der jüngeren Vergangenheit, dass er trotz einer rechtskräftigen Vorstrafe in Deutschland und der ihm in Österreich durch die staatliche Grundversorgung vollumfänglich gewährten finanziellen Unterstützungen mehrfach im Bundesgebiet einschlägig straffällig wurden, weshalb auch in Zukunft befürchtet werden muss, dass er neuerlich Eigentumsdelikte begehen wird (vgl. VwGH 11.10.2005, 2003/21/0205).
Für diese Einschätzung spricht auch, dass er in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt vom 25.03.2025 als Rechtfertigung angab, in Österreich Diebstähle zu begehen, um sich ordentliche Kleidung – offenbar teurer Markenhersteller gemeint – leisten zu können.
Aufgrund der Schwere seines Fehlverhaltens ist unter Bedachtnahme auf sein Gesamtverhalten - d.h. im Hinblick darauf, wie er sein Leben in Österreich insgesamt gestaltet - daher davon auszugehen, dass die im Gesetz umschriebene Annahme – nämlich, dass er eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt - gerechtfertigt ist.
Bei der Bemessung des Einreiseverbotes ist insbesondere auch die Intensität der privaten und familiären Bindungen zu Österreich einzubeziehen (vgl. VwGH 07.11.2012, 2012/18/0057).
In seinem Fall ist anzuführen, dass er in Österreich über keinerlei familiäre oder gewichtige private Anbindungen verfügt. Seine Familie lebt in Algerien. Wie bereits zuvor ausgeführt verletzt die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme Art. 8 EMRK nicht.
Folglich muss überprüft werden, ob das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit seine persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich überwiegt.
Die Gesamtberücksichtigung seines Verhaltens, seine Lebensumstände sowie seine familiären und privaten Anknüpfungspunkte hat daher im Zuge der vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung des Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer (3 Jahre) seitens der belangten Behörde gerechtfertigt und notwendig ist, um die von ihm ausgehende schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern.
Das ausgesprochene Einreiseverbot ist zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.
Die Dauer des verhängten Einreiseverbotes ist angemessen sowie verhältnismäßig, weshalb die Beschwerde folglich auch gegen Spruchpunkt IX. als unbegründet abzuweisen war.
4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (vgl. VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (vgl. VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (vgl. VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn - wie im vorliegenden Fall - deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (vgl. VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC (vgl. VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).
Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Bundesverwaltungsgericht lediglich etwas mehr als ein Monat liegt, die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen. Das Beschwerdevorbringen im Hinblick auf eine etwaige Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers erwies sich als unsubstantiiert. Die wesentlichen Feststellungen, insbesondere zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers, sind unbestritten geblieben. Es lagen keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor und es waren auch keine Beweise aufzunehmen. Das Gericht musste sich auch keinen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen, da es sich um einen eindeutigen Fall in dem Sinne handelt, dass auch bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn der persönliche Eindruck ein positiver ist (vgl. VwGH 24.01.2023, Ra 2022/14/0236, mwN).
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
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