L525 2223443-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Pakistan, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2019, ZI. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.02.2023 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsbürger, reiste von Italien kommend nach Österreich und stellte am 19.06.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer wurde am gleichen Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Erstbefragung unterzogen. Zu seinen Ausreisegründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, er sei nach Österreich gekommen, da hier seine Frau und sein Kind leben würden. Da die Situation in Pakistan gefährlich für seine Familie sei, sei er nach Österreich gekommen. Befragt, was er im Falle der Rückkehr nach Pakistan zu befürchten hätte, führte der Beschwerdeführer aus, er wolle nicht alleine in Pakistan sein.
Der Beschwerdeführer wurde in weiterer Folge durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 24.07.2019 niederschriftlich einvernommen. Befragt, aus welchen Gründen er sein Heimatland verlassen hätte, führte dieser aus, er sei nur wegen seiner Frau und seinem Kind hier. Es gäbe sonst keinen Grund, warum er aus Pakistan ausgereist sei. Seine Frau hätte nicht zu ihm kommen wollen, es sei ihm nichts Anderes übriggeblieben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 09.08.2019 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für seine freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.).
Das BFA führte aus, dass der Beschwerdeführer keine Ausreisegründe im Sinne der GFK glaubhaft machen hätte können. Gründe für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz seien keine hervorgekommen. Zur Rückkehrentscheidung hielt das BFA fest, dass die Kernfamilie des Beschwerdeführers in Österreich lebe, er sei aber illegal in das Bundesgebiet eingereist, und hätte durch seine missbräuchliche Antragstellung die aufenthaltsrechtlichen Regelungen des NAG umgangen und sei keine Integrationsverfestigung eingetreten. Die Rückkehrentscheidung sei daher rechtmäßig.
Mit Schriftsatz vom 10.09.2019 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und führte im Wesentlichen aus, bereits die Antragstellung würde für den Beschwerdeführer die Gefahr bergen, dass die pakistanischen Behörden annehmen könnten, dass dieser den pakistanischen Staat in Misskredit gebracht hätte. Der Beschwerdeführer würde hier mit seiner Frau, welche eine afghanische Asylberechtigte sei, und seiner Tochter zusammenleben. Die Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich seien daher höher einzustufen.
Das Bundesverwaltungsgericht hielt am 23.02.2023 eine öffentlich-mündliche Verhandlung ab, zu welcher der Beschwerdeführer mit seiner Rechtsvertretung teilnahm. Die belangte Behörde entsandte keinen Vertreter.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am dort angegebenen Datum geboren. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan und stammt aus Peshawar. Der Beschwerdeführer bekennt sich zum sunnitischen Islam. Der Beschwerdeführer hat in Pakistan das Studium der Botanik abgeschlossen, neben dem Studium hat er an einer Grundschule als Lehrer für Chemie und Biologie gearbeitet. Sein Vater und Geschwister leben in Peshawar und steht er mit diesen in regelmäßigem Kontakt. Der Beschwerdeführer ist 2019 nach Österreich eingereist. Einem Visumsantrag aus dem Jahr 2016 wurden seitens der ÖB Islamabad nicht entsprochen, da die ÖB Islamabad Zweifel an den Intentionen des angestrebten Aufenthaltszwecks Tourismus hegte. Dem Visumsantrag vom 16.04.2019 zu Kulturzwecken wurden seitens der Italienischen Botschaft Islamabad stattgegeben, mit Gültigkeit vom 07.05.2019 bis zum 26.05.2019. Der Beschwerdeführer reiste aus Italien nach Österreich um hier den gegenständlichen Asylantrag zu stellen. Der Beschwerdeführer ist gesund.
1.2. Zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer reiste im Jahr 2019 nach Österreich um mit seiner Frau und seiner Tochter zusammenzuleben. Der Beschwerdeführer hat in Österreich einen A2 Deutschzertifikat erworben und ist kürzlich zur Prüfung zum B1 Zertifikat angetreten, wobei er das Ergebnis noch nicht kennt. Mit dem Beschwerdeführer ist eine Unterhaltung zu Alltagthemen problemlos möglich. Der Beschwerdeführer hat seine Ehefrau, XXXX , im Jahr 2016 in Peshawar, KPK, geheiratet. Die Großmutter der Ehefrau und die Familie des Beschwerdeführers waren Nachbarn. Die Ehefrau hat dem Beschwerdeführer insgesamt zwei Mal in Pakistan besucht, einmal zum Zwecke der Eheschließung im Jahr 2016 für vier Monate, beim zweiten Mal drei Monate. Die Eheleute reden miteinander Urdu, mit den Kindern spricht der Beschwerdeführer Paschto. Die Ehefrau ist gesund und eine afghanische Staatsangehörige, die in Österreich asylberechtigt ist. Die Eheleute haben drei gemeinsame Kinder, zwei Töchter (geboren 2017 bzw. 2022) und einen Sohn (geboren 2020), die ebenso gesund sind. Die älteste Tochter besucht derzeit noch den Kindergarten und wird im Herbst 2023 eingeschult. Der Beschwerdeführer bringt die Tochter oft in den Kindergarten und holt sie dort auch ab. Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu Österreichern im Zuge des Besuches der Deutschkurse, außerhalb davon unterhält der Beschwerdeführer lose Kontakte mit Landsleuten. Der Beschwerdeführer hilft im Haushalt mit. Der Beschwerdeführer geht mit seiner Familie in seiner Freizeit spazieren. Der Beschwerdeführer geht keiner Arbeit nach. Der Beschwerdeführer ist gesund. Der Beschwerdeführer ist nicht vorbestraft.
1.3 zu den Ausreisegründen:
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Pakistan einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder im Fall seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre. Es steht auch nicht fest, dass der Beschwerdeführer um sein Leben zu fürchten hat.
Ferner kann - unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände - nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit mit sich bringen würde.
1.4. Länderfeststellungen:
Covid-19
Letzte Änderung: 22.03.2022
COVID-19 wurde in Pakistan erstmals im Feber 2020 festgestellt. Mit 23.3.2020 wurden Eindämmungsmaßnahmen beschlossen, die selektive Quarantänen, Grenzschließungen, Reisebeschränkungen, Verbot öffentlicher Veranstaltungen, soziale Distanzierungsmaßnahmen und die Schließung von Bildungseinrichtungen beinhalteten. Nach einem Höhepunkt Mitte Juni 2020 sanken die Zahlen wieder. Nachdem in der ersten Welle strenge Lockdown-Maßnahmen eingesetzt und diese ab April 2020 schrittweise gelockert wurden, wurden in der zweiten Welle Ende des Jahres 2020 zeitlich begrenzte, "smarte" Lockdown-Maßnahmen eingesetzt (IMF 2.7.2021). Dabei wurden lokale Lockdowns in Gegenden eingesetzt, wo Ausbrüche festgestellt worden waren (BS 25.2.2022). Auch in der dritten Welle im März und April 2021 wurde so verfahren. Im Mai 2021 wurden die Maßnahmen aufgrund der Eid-Feiern verstärkt, Ende dieses Monats wurden die Restriktionen zu einem großen Teil wieder gelockert (IMF 2.7.2021). Mit 16.3.2022 wurden alle Maßnahmen aufgehoben (WSTO 16.3.2022).
Insgesamt wurden in Pakistan mit Stand 21.3.2022 1.522.191 Fälle COVID-19-Infektionen und 30.331 damit verbundene Todesfälle festgestellt (JHU 21.3.2022).
Im Allgemeinen kam Pakistan besser durch die COVID-19-Pandemie als seine Nachbarländer. Im März 2021 hatte die Regierung allerdings noch kein Budget für den Kauf von Impfstoffen veranschlagt und sich anscheinend in erster Linie auf die Spenden von Impfstoffen durch China und andere Länder verlassen (BS 25.2.2022).
Die Impfkampagne wird von der COVAX, der Weltbank und der Asian Development Bank unterstützt (IMF 2.7.2021). Mit Stand 21.3.2022 sind laut offiziellen Angaben des zuständigen National Command and Operation Center (NCOC) 101.881.176 Menschen vollständig immunisiert worden und 4.869.245 Menschen haben zusätzlich eine Booster-Impfung erhalten. Insgesamt wurden 219.368.557 Dosen verimpft (NCOC 21.3.2022).
Am 24.3.2020 wurde von der Bundesregierung ein Hilfspaket im Wert von 1,2 Billionen PKR (ca. 6,2 Milliarden Euro) angekündigt, das inzwischen fast vollständig umgesetzt wurde. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören u.a. die Abschaffung der Importzölle auf medizinische Notfallausrüstung; Bargeldtransfers an 6,2 Millionen Tagelöhner (75 Mrd. PKR); Bargeldtransfers an mehr als 12 Millionen einkommensschwache Familien (150 Mrd. PKR); Unterstützung für KMUs und den Agrarsektor (100 Mrd. PKR) in Form eines Aufschubs der Stromrechnung, Bankkrediten sowie Subventionen und Steueranreizen. Das Konjunkturpaket sah außerdem Mittel für eine beschleunigte Beschaffung von Weizen (280 Mrd. PKR), finanzielle Unterstützung für Versorgungsunternehmen (50 Mrd. PKR), eine Senkung der regulierten Kraftstoffpreise (mit einem geschätzten Nutzen für die Endverbraucher in Höhe von 70 Mrd. PKR), Unterstützung für die Gesundheits- und Lebensmittelversorgung (15 Mrd. PKR), Unterstützungsleistungen bei der Bezahlung von Stromrechnungen (110 Mrd. PKR), einen Notfallfonds (100 Mrd. PKR) und eine Überweisung an die National Disaster Management Authority (NDMA) für den Kauf von COVID-19-bezogener Ausrüstung (25 Mrd. PKR) vor. Der nicht ausgeführte Teil des Hilfspakets wurde auf das Jahr 2021 übertragen. Darüber hinaus enthält das Budget für das Jahr 2021 weitere Erhöhungen der Gesundheits- und Sozialausgaben, Zollsenkungen auf Lebensmittel, eine Zuweisung für das "COVID-19 Responsive and Other Natural Calamities Control Program" (70 Mrd. PKR), ein Wohnungsbaupaket zur Subventionierung von Hypotheken (30 Mrd. PKR) sowie die Bereitstellung von Steueranreizen für den Bausektor (Einzelhandels- und Zementunternehmen), die im Rahmen der zweiten Welle bis Ende Dezember 2021 verlängert wurden. Maßnahmen der pakistansichen Staatsbank inkludierten u.a. Refinanzierungen zur Unterstützung von Krankenhäusern, stimulierende Investitionen und Lockerung der Zinsen und Vorgaben für Privatkredite (IMF 2.7.2021) [Zu Wirtschaftsdaten, sozialen Folgen und Maßnahmen siehe Kapitel Versorgungslage].
Quellen:
BS - Bertelsmann Stiftung (25.2.2022): Bertelsmann Transformation Index, Pakistan Country Report 2022, https://bti-project.org/de/reports/country-report/PAK#pos13, Zugriff 18.3.2022
IMF - International Monetary Fund (2.7.2021): Policy Responses to COVID-19, Pakistan, https://www.imf.org/en/Topics/imf-and-covid19/Policy-Responses-to-COVID-19#P, Zugriff 18.3.2022
JHU - Johns-Hopkins-University (21.3.2022): COVID-19 Dashboard by the Center for Systems Science and Engineering (CSSE) at Johns Hopkins University (JHU), https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/dashboards/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6, Zugriff 21.3.2022
NCOC - National Command and Operation Center (21.3.2022): Vaccine Stats, https://ncoc.gov.pk/#section2, Zugriff 21.3.2022
WSTO - Wallstreet-Online (16.3.2022): Pakistan hebt Corona-Maßnahmen auf, https://www.wallstreet-online.de/nachricht/15190818-pakistan-hebt-corona-massnahmen, Zugriff 21.3.2022
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 23.03.2022
Allgemeine Entwicklung
Es zeigte sich in Pakistan mit Ausnahme des Jahres 2013 ein kontinuierlicher Rückgang der Anschläge von Jahr zu Jahr von 2009 bis ins Jahr 2020. Für das Jahr 2020 konnte nochmals ein deutlicher Rückgang der Terroranschläge im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet werden. Die kontinuierlichen Einsatz- und Überwachungskampagnen der Sicherheitskräfte und polizeilichen Anti-Terrorabteilungen, darunter die groß angelegten Militäroperationen Zarb-e-Azb, Khyber I-IV und Raddul Fasaad, sowie einige Anti-Extremismusmaßnahmen im Rahmen des Nationalen Aktionsplans (NAP) haben dazu beigetragen (PIPS 15.6.2021).
Die Operation Zarb-e-Azb 2014 war in erster Linie auf die Provinz Khyber Pakhtunkhwa und die damaligen FATA ausgerichtet, um Terrorgruppen in Nord-Waziristan zu bekämpfen. Aus den meisten Gebieten konnten die Militanten vertrieben werden, mit Ausnahme einiger weniger Rückzugsorte und Schläferzellen. Unter den Militäroperationen litt allerdings auch die Zivilbevölkerung vor Ort, eine hohe Anzahl an Personen wurde zu intern Vertriebenen. Die darauf folgende Operation Raddul Fasaad 2017 involviert auch zivile Einsatzkräfte, wie die Polizei, und konzentrierte sich auf geheimdienstliche Operationen im gesamten Land, um Schläferzellen und Verstecke Militanter zu finden. Sie zielte darauf ab, die Errungenschaften der Operation Zarb-e-Azb zu konsolidieren (EASO 10.2021).
Der NAP wurde nach dem Anschlag auf die Army Public School im Dezember 2014 mit dem Ziel eingeführt, einen sinnvollen Konsens zur Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus zu erreichen. Die 20 Aktionspunkte des NAP erzielten seither unterschiedliche Erfolge. Taktische Operationen in ganz Pakistan haben zu einem verbesserten allgemeinen Sicherheitsumfeld beigetragen. Durch die Militäroperationen wurde die Fähigkeit der Militanten zur Ausführung größerer Angriffe reduziert. Auch wurden signifikante Maßnahmen zur Bekämpfung der Terrorfinanzierung unternommen, wie Verbote von Organisationen, Sanktionen von Einzelpersonen und Einfrieren von Bankkonten (FES 12.2020).
Bei der Bekämpfung des Extremismus hat der NAP allerdings den Anzeichen nach nur geringe Erfolge erzielt. Extremistische Literatur ist online und offline in Fülle vorhanden, sektiererische Extremisten hielten in mehreren Städten Kundgebungen ab, und die Verherrlichung von Terroristen und ihrer Taten hält an. Auch zur Unterstützung des politischen Versöhnungsprozesses in Belutschistan, wie im NAP festgehalten, wurde nichts Wesentliches unternommen (FES 12.2020). Es gibt wenig Fortschritte bei der Regulierung von Madrassen oder des Internets, um dem Extremismus entgegenzutreten. Bei der Umsetzung des NAP wurde auf die nicht den Sicherheitsapparat betreffenden Maßnahmen nur sehr wenig Aufmerksamkeit gelegt (PIPS 15.6.2021b). Die Einsätze gegen die Terroristen haben diese zwar geschwächt. Doch die Dynamiken des religiösen Extremismus bleiben bestehen und bieten einen Nährboden für die Netzwerke der terroristischen Gruppen, die in den Militäroperationen nicht vollständig eliminiert werden konnten (PIPS 4.1.2022). Ab Mitte 2020 kam es zu einem Wiederaufleben jihadistischer militanter Gruppen und sektiererischer Extremisten in Gebieten wie Nord-Waziristan und Bajaur in Khyber Pakhtunkhwa (FES 12.2020). So begannen einige Gruppen eine Neuformierung in Teilen des Landes (PIPS 15.6.2021b). Der Regimewechsel in Afghanistan hat diese Gruppen weiter ermutigt. Dies zeigt sich in Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan und sporadisch auch in Karatschi und Punjab (PIPS 4.1.2022).
Trendumkehr in den Anschlagszahlen 2021 und Reaktion der Sicherheitskräfte
Das Jahr 2021 war von einem 42-prozentigen Anstieg der Anschläge im Vergleich zum Jahr 2020 auf 207 Terrorakte gezeichnet. Diese forderten zusammen 335 Menschenleben, ein Anstieg von 52 Prozent, wobei 32 der Todesopfer Terroristen waren. Verletzt wurden 555 Menschen (PIPS 4.1.2022).
Hauptsächlich resultiert der Anstieg zum einen aus einer Steigerung der Anschläge der pakistanischen Taliban (Tehrik-e Taliban Pakistan / TTP) in Khyber Pakhtunkhwa und der belutschischen Terrorgruppen in Belutschistan sowie zum anderen aus der Entwicklung des sogenannten Islamischen Staates Khorasan Province (ISKP) hin zu einem Hauptakteur terroristischer Gewalt in Pakistan. Die Auseinandersetzung zwischen dem ISKP und den Taliban hat damit auch pakistanischen Boden erreicht, wo der ISKP einige Anschläge in Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan gegen angebliche afghanische Taliban oder mit diesen verbundenen Klerikern durchgeführt hat (PIPS 4.1.2022).
Von der Gesamtzahl der Terroranschläge wurden so auch 128 - im Vergleich zu 95 des Vorjahres - von islamistisch motivierten Terrorgruppen, also den TTP, dem ISKP oder lokalen Taliban-Gruppen, verübt. Verschiedene belutschische und Sindhi-nationalistische Gruppierungen verübten 44 Anschläge mit 97 Toten (PIPS 4.1.2022).
Begründet liegt der Anstieg der Terroranschläge nach Ansicht von PIPS auch in den Entwicklungen in Afghanistan. Trotz gegenteiliger Versprechungen ziehen die afghanischen Taliban nicht ernsthaft in Erwägung, gegen die pakistanischen Taliban auf afghanischem Gebiet vorzugehen. Sie haben Gespräche zwischen der pakistanischen Regierung und den TTP vermittelt, doch diese haben mit Stand Anfang des Jahres 2022 keine dauerhaften Ergebnisse erzielt (PIPS 4.1.2022).
Auf den Anstieg der terroristischen Gewalt reagierten die Streitkräfte mit geheimdienstlichen Operationen, der Fortführung der Operation Raddul Fasaad und der Stationierung regulärer Armeetruppen in den Grenzregionen anstatt des paramilitärischen Frontier Corps (EASO 10.2021). Die Sicherheitskräfte führten 2021 63 operative Schläge gegen Terrorgruppen durch, bei denen 197 Personen getötet wurden. In sechs Fällen gab es direkte bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Militanten, bei denen 15 Personen getötet wurden, 156 Verdächtige wurden bei Suchoperationen festgenommen (PIPS 4.1.2022).
Die NGO Center for Research and Security Studies (CRSS) zählt für das Jahr 2021 403 Terrorakte mit 555 Toten, davon 330 Zivilisten, sowie 146 Sicherheitsoperationen, bei denen 298 mutmaßliche Terroristen getötet wurden (CRSS 3.1.2022).
PIPS 4.1.2022
Regionale Konzentration der Anschlagszahlen
Regional aufgeschlüsselt fanden 2021 die meisten Anschläge, konkret 111, in Khyber Pakhtunkhwa statt. Hier konzentrierte sich wiederum, wie seit Jahren, die terroristische Gewalt in den beiden Agencies Nord- und Süd-Waziristan. Belutschistan war mit 81 Anschlägen am zweitstärksten betroffen. Acht Anschläge wurden im Sindh verübt, fünf im Punjab. Zwei terroristische Anschläge wurden in Islamabad verzeichnet, dabei töteten die TTP insgesamt drei Polizisten (PIPS 4.1.2022). CRSS zählte beinahe 75 Prozent aller Todesopfer der von ihm erfassten sicherheitsrelevanten Gewalt in Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan [Anm.: dies ist nicht auf die Terroranschläge aufgeschlüsselt] (CRSS 3.1.2022).
Im Jahr 2020 betrafen 83 Prozent aller Anschläge die beiden Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa zusammengenommen (PIPS 15.6.2021).
Seit vielen Jahren ist sichtbar, dass die terroristische Gewalt hauptsächlich auf Belutschistan und KP konzentriert bleibt. Auch der Anstieg der terroristischen Gewalt 2021 geht auf einen Anstieg in diesen beiden Provinzen zurück. 93 Prozent der gesamten Anschläge dieses Jahres in Pakistan trafen zusammengenommen diese beiden Provinzen. Punjab und Sindh verzeichneten hingegen auch 2021 einen Rückgang der Anschlagszahlen. Während aber der Sindh auch einen Rückgang der Todesopfer vermelden konnte, stieg die Zahl der Todesopfer im Punjab an (PIPS 4.1.2022).
Darstellung der Stdk. nach Daten von PIPS 15.6.2021 sowie PIPS 4.1.2022
Hauptsächliche Zielsetzungen und Mittel der Anschläge
66 Prozent der Anschläge zielten 2021 gegen die Sicherheitskräfte. Dementsprechend waren 177 der 335 Todesopfer Mitglieder der Sicherheits- oder Strafverfolgungsbehörden. 16 Anschläge richteten sich direkt gegen zivile Ziele, neun Anschläge gegen regierungsfreundliche Stammesführer oder Mitglieder von Friedenskomitees, sieben gegen politische Führer bzw. politisch Tätige und sieben gegen Einrichtungen oder Personal der Regierung. Zwei konfessionell motivierte Anschläge wurden durchgeführt - im Vergleich zu sieben 2020, sie forderten zwei Menschenleben (PIPS 4.1.2022).
PIPS berichtet, dass sich auch im Jahr 2020 der Großteil der Anschläge gegen Sicherheitskräfte gerichtet hatte, gefolgt von allgemeinen zivilen Zielen, regierungsfreundlichen Stammesältesten, politischen Führern sowie Mitarbeitern und Schiiten (PIPS 15.6.2021).
80 der Anschläge verübten Terroristen 2021 mit improvisierten Sprengsätzen (IEDs), 102 mit Schusswaffen (PIPS 4.1.2022). Diese Wahl der Mittel entspricht jener im Jahr 2020 (vgl. PIPS 15.6.2021).
Entwicklung 2022
Im Jänner 2022 zählte PIPS 24 Terroranschläge mit 35 Toten, davon 24 Sicherheitskräfte und acht Zivilisten. Sechs operative Schläge wurden durch die Sicherheitskräfte durchgeführt. Jeweils ein Terroranschlag wurde in den Städten Lahore, Rawalpindi (beide Punjab) und Islamabad verübt. In Lahore und Islamabad wurden dabei jeweils drei Personen getötet, in Rawalpindi eine. Im Sindh wurde ein Terroranschlag verübt, konkret in der Provinzhauptstadt Karachi, es gab keine Todesopfer. In KP wurden 15 Anschläge in sieben Distrikten durchgeführt, alle durch die TTP oder ähnliche Gruppierungen. Fünf der Anschläge betrafen Nord-Waziristan. Zwei Drittel aller Anschläge richtete sich gegen Sicherheitskräfte. In Belutschistan wurden 15 Tote bei 5 Anschlägen dokumentiert. Alle wurden durch belutschische nationalistische Gruppen durchgeführt, drei der Anschläge richteten sich gegen Sicherheitskräfte (PIPS 10.2.2022).
Im Feber 2022 starben laut den Aufzeichnungen von PIPS 38 Menschen bei 13 Anschlägen, die allesamt in Belutschistan und KP durchgeführt wurden. Drei der Toten waren Zivilisten, 12 Sicherheitskräfte und 23 Terroristen. In Belutschistan starben 31 Menschen bei acht Anschlägen. 17 der Toten waren Terroristen, die großteils durch Abwehrfeuer starben, drei Zivilisten und zwei Sicherheitskräfte. In KP starben sieben Personen, davon 6 Terroristen, in fünf Anschlägen. Die Anschläge gingen damit in KP um 67 Prozent zum Vormonat zurück (PIPS 4.3.2022).
Weitere Aspekte sicherheitsrelevanter Gewalt
Es zeigt sich, dass der religiöse Extremismus, auch abseits der Terrorgruppen, eine große Herausforderung darstellt. Zum einen ist dies in den Gewalttaten von aufgestachelten Menschenmengen, sogenannten Mobs, erkennbar - 2021 wurden sieben religiös motivierte Vorfälle von Mob-Gewalt verzeichnet, bei denen zwei Menschen getötet wurden [siehe Kap. Religionsfreiheit]. Zum anderen manifestiert sich dies in den gewalttätigen Protesten der politisch-religiösen Bewegung Tehreek-i-Labbaik Pakistan (TLP), bei denen hauptsächlich in den Städten des Punjab 24 Menschen ums Leben kamen, 10 davon Polizisten (PIPS 4.1.2022).
Insgesamt zeichnete PIPS für das Jahr 2021 326 gewalttätige, sicherheitsrelevante Vorfälle auf, neben den Terroranschlägen, Sicherheitsoperationen, Mob-Gewalt und Zusammenstößen zwischen Polizei und TLP-Demonstranten, waren darunter fünf Vorfälle ethnopolitischer Gewalt, eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Stämmen und eine zwischen militanten Gruppen sowie 23 Auseinandersetzungen an den Grenzen zu Afghanistan, Indien und Iran. Insgesamt wurden bei all diesen von PIPS erfassten Vorfällen 609 Personen getötet (PIPS 4.1.2022).
Im Feber 2021 verständigten sich Indien und Pakistan darauf, das Waffenstillstandsübereinkommen von 2003 an der zwischen dem indischen und dem pakistanischen verwalteten Teil Kaschmirs liegenden Grenze, der Line of Control, verstärkt einzuhalten. Die Zahl der Übergriffe an dieser Grenze ging 2021 stark zurück (PIPS 4.1.2022).
Im Nordwesten Pakistan wurde 2017 mit dem Bau eines Grenzzaunes entlang der 2.611 km langen "Durand-Linie" genannten Grenze zu Afghanistan begonnen. Dies soll den Bewegungen von Militanten und Schmugglern sowie illegalen Grenzübertritten Einhalt gebieten. Anfang Juli 2021 war laut pakistanischen Angaben der Bau des Zauns auf über 90 Prozent der Strecke abgeschlossen (AP 13.7.2021). Der Bau des Grenzzauns wird allerdings vom nunmehrigen Taliban-Regime in Afghanistan zurückgewiesen, insbesondere aufgrund des Verlaufs an der Durand-Linie, auf deren definitive Grenzsetzung Pakistan aus Sicht der Taliban keinen rechtlichen Anspruch hat (PIPS 4.1.2022; vgl. Dawn 14.1.2022). Im Jänner 2022 sicherte Pakistan zu, die verbliebenen 21 Kilometer Grenzzaun in diplomatischer Übereinkunft mit Afghanistan errichten zu wollen (Dawn 14.1.2022).
Darstellung der Stdk. nach Daten von ACLED o.D.
Anmerkung: ACLED erfasst sicherheitsrelevante Vorfälle unter Verwendung festgelegter Kriterien und Methodologien mittels Medienbeobachtung. Sind die Angaben zu den Todesopfern in den Quellen ungenau (z.B. „zahlreiche Tote“) oder unbekannt, so codiert ACLED automatisch zehn Todesopfer - oder drei Todesopfer, sofern bekannt ist, dass es sich um weniger als zehn Todesopfer handelt (ACLED 2020). Quellen:
ACLED - Armed Conflict Location Event Data Project (2020): ACLED Codebook, https://acleddata.com/acleddatanew/wp-content/uploads/dlm_uploads/2019/01/ACLED_Codebook_2019FINAL.docx.pdf, Zugriff 10.3.2022
ACLED - Armed Conflict Location Event Data Project (o.D.): ACLED Data, http://www.acleddata.com/data/, Zugriff 9.3.2022
AP - Associated Press (13.7.2021): Shootout in NW Pakistan leaves 2 soldiers, 3 militants dead, https://apnews.com/article/pakistan-ae5585d4039a4a6b2e64ed57d36319f5, Zugriff 9.3.2022
CRSS - Center for Research and Security Studies (3.1.2022): CRSS Annual Security Report 2021-Executive Summary, https://crss.pk/crss-annual-security-report-2021/, Zugriff 9.3.2022
Dawn (14.1.2022): Remaining Pak-Afghan border fence to be completed with Kabul's consent: Sheikh Rashid, https://www.dawn.com/news/1669407, Zugriff 9.3.2022
EASO - European Asylum Support Office (10.2021): Pakistan Security Situation, https://coi.euaa.europa.eu/administration/easo/PLib/2021_10_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff 14.3.2022
FES - Friedrich-Ebert-Stiftung (12.2020): Strengthening Governance in Pakistan Assessing the National Action Plan to counter Terrorism and Extremism, https://www.pakpips.com/web/wp-content/uploads/2021/01/NAP-Final-from-Hamayun.pdf, Zugriff 9.3.2022
PIPS - Pak Institute for Peace Studies (4.3.2022): Pakistan Monthly Security Report: February 2022, http://pakpips.com/app/reports/1142, Zugriff 5.3.2022
PIPS - Pak Institute for Peace Studies (10.2.2022): Pakistan Monthly Security Report: January 2022, http://pakpips.com/app/reports/1128, Zugriff 5.3.2022
PIPS - Pak Institute for Peace Studies (4.1.2022): Pakistan Security Report 2021, http://pakpips.com/app/reports/wp-content/uploads/2022/01/Sr2021FinalWithTitles.pdf, Zugriff 20.1.2022
PIPS - Pak Institute for Peace Studies (15.6.2021): Pakistan Security Report 2020 - Final Report, https://www.pakpips.com/article/book/pakistan-security-report-2020, Zugriff 22.1.2022
PIPS - Pak Institute for Peace Studies (15.6.2021b): Pakistan's Counter-Extremism Challenge and Policy Recourse, https://www.pakpips.com/web/wp-content/uploads/2021/06/Full-webinar-report_for-website.pdf, Zugriff 10.3.2022
Khyber Pakhtunkhwa (inklusive Tribal Districts - ehemalige FATA)
Letzte Änderung: 23.03.2022
Die Provinz Khyber Pakhtunkhwa (KP) ist administrativ in sieben Divisionen und 34 Distrikte unterteilt (EASO 10.2021). Sie war in den Jahren 2020 und 2021 die am stärksten von Terroranschlägen betroffene Region Pakistans (PIPS 15.6.2021; PIPS 4.1.2022). Die ehemaligen Stammesgebiete, besonders Nord-Waziristan, bleiben eine der größten Unruheherde, dort ist ein moderater Anstieg von Terrorakten zu beobachten. Außerdem befinden sich Teile dieses pakistanisch-afghanischen Grenzgebiets weiterhin nicht gänzlich unter staatlicher Kontrolle (AA 28.9.2021). Durch die taktischen Militäroperationen wurden die Kapazitäten militanter Gruppen zur Ausführung größerer Angriffe im Laufe der Jahre reduziert. Allerdings konnte ein Wiederaufleben jihadistischer Militanter und konfessionell motivierter Extremisten beobachtet werden (FES 12.2020).
2020 wurden 79 Anschläge mit 100 Todesopfern in KP durchgeführt. 19 Distrikte der Provinz waren von den Anschlägen betroffen, hauptsächlich jedoch Nord-Waziristan mit 31 Anschlägen. 75 Anschläge wurden durch islamistisch motivierte Gruppen, wie die Tehreek-e-Taliban (TTP), Hizbul Ahrar, Lashkar-e-Islam und lokale Taliban verübt. 50 Anschläge zielten gegen Sicherheitskräfte. Vier Anschläge richteten sich gegen die schiitische Religionsgemeinschaft (PIPS 15.6.2021).
2021 fanden 111 Anschläge in KP statt. 53 von diesen entfielen allein auf die beiden Agencies Nord- und Süd-Waziristan, die auch in den Jahren davor ein Schwerpunkt terroristischer Gewalt waren. Allein auf Nord-Waziristan entfielen 33 Prozent aller Anschläge der Provinz. Insgesamt wurden in KP 169 Menschen bei Anschlägen getötet, 80 davon in den beiden Waziristans. Insgesamt waren 20 Distrikte der Provinz von Anschlägen betroffen. Die Zahl der Anschläge stieg 2021, laut den Aufzeichnungen von PIPS, in KP gegenüber dem Vorjahr um 40 Prozent, die Anzahl der Todesopfer um 69 Prozent. Dies verdeutlicht, dass die Terrorgruppen auch die Intensität einzelner Anschläge erhöht haben (PIPS 4.1.2022).
Mit 79 Anschlägen und damit 71 Prozent richteten sich die Anschläge 2021 überwiegend gegen Sicherheitskräfte. Dabei hatten diese mit 118 auch die mit Abstand meisten Todesopfer zu verzeichnen. Doch auch Polio-Impfteams, regierungsfreundliche Stammesführer und politische Führer waren relevante Ziele. Als hauptsächliche Taktiken griffen Terroristen zu direkten Schusswechseln, konkret bei 69 Anschlägen sowie zu improvisierten Sprengsätzen (IEDs) bei 33 Anschlägen. Von den 63 Operationen der Sicherheitskräfte im Jahr 2021 wurden 43 in KP durchgeführt (PIPS 4.1.2022).
Außerdem kam es in KP im Jahr 2021 zu 14 grenzüberschreitenden Angriffen, denen 13 Personen zum Opfer fielen, sowie im Kurram Tribal District zu einer dreitägigen Auseinandersetzung zwischen zwei Stämmen um ein Stück Wald, der 11 Menschen zum Opfer fielen (PIPS 4.1.2022).
CRSS verzeichnete für KP 165 Todesopfer bei sicherheitsrelevanten Vorfällen, wobei hier Anschläge und Anti-Terroroperationen zusammengenommen werden (CRSS 3.1.2022).
PIPS 4.1.2022
Spezielle Entwicklungen in den Khyber Pakhtunkhwa Tribal Districts (KPTD; auch Newly Merged Districts, vormals Federally Administered Tribal Areas, FATA)
Die Agencies und Frontier Regions der vormals FATA genannten Stammesgebiete wurden in Distrikte und Subdivisionen von KP umstrukturiert und werden jetzt als KPTDs bezeichnet (EASO 10.2021). Das gesamte Jahr 2020 über wurden Proteste und Sitzstreiks abgehalten, um auf die Probleme des nur sehr langsam voranschreitenden Prozesses der Eingliederung der ehemaligen FATA in die gesamtstaatliche Struktur und des Wiederaufbaus der bei den Militäroperationen zerstörten Infrastruktur aufmerksam zu machen (PIPS 15.6.2021). 2021 gab es ebenfalls mehrere Medienberichte zu diesbezüglichen Protesten (EASO 10.2021). Auch eine Zunahme an Grundstückstreitigkeiten in den KPTDs wird mit dem langsamen Reformprozess verbunden (PIPS 4.1.2022). Analysten warnen, dass ein Versagen in der Regierungsführung in den ehemaligen FATA Militanten neue Möglichkeiten öffnet (PIPS 15.6.2021).
Nach einem starken Rückgang an Vorfällen militanter Gewalt in den Jahren davor verschlechterte sich im Jahr 2020 die Sicherheitslage in vier der sieben Distrikte der KPTDs. Eine Zunahme an Vorfällen im Zusammenhang mit Aufständischen und den daraus resultierenden Opfern wurde in den Distrikten Bajaur, Khyber, Nord-Waziristan und Süd-Waziristan beobachtet, während in den anderen KPTDs sporadische Anschläge weiterhin vorkamen. Insgesamt verzeichnete das Fata Research Center (FRC) im Jahr 2020 169 Gewaltvorfälle in den Stammesdistrikten. Davon waren 137 terroristischer Natur und 32 Anti-Terrorismus-Maßnahmen, die zusammen 226 Todesopfer forderten. Im Vergleich dazu berichtet das FRC von 160 Vorfällen im Jahr 2019, davon 106 durch Terrorismus und 54 durch dessen Bekämpfung. Der Anstieg der Gewalt illustriert, dass Angehörige der TTP in die ehemaligen Stammesgebiete zurückkehrten und die Gruppe sich neu zu organisieren begann, insbesondere in Nord- und Süd-Waziristan. Da sie sich unter anderem durch Erpressung und Entführungen gegen Lösegeld finanziert, haben auch solche Vorfälle in den KPTDs, besonders in Nord- und Süd-Waziristan, wieder zugenommen (FRC 1.2021).
Die pakistanischen Sicherheitskräfte führten im Rahmen der laufenden Militäroperation Radd-ul-Fasad im Jahr 2020 in den eingegliederten Distrikten nachrichtendienstlich angeleitete Operationen durch, um der zunehmenden Militanz entgegenzuwirken. 2020 wurden insgesamt 28 solcher Operationen in den Tribal Districts verzeichnet, ihr Hauptfokus lag in Nord-Waziristan, Süd-Waziristan, Khyber und Bajaur (FRC 1.2021). Von den 43 in KP durchgeführten Sicherheitsoperationen des Jahres 2021 wurden 22 in Nord-Waziristan, 8 in Süd-Waziristan und 2 in Bajaur durchgeführt (PIPS 4.1.2022).
FRC 7.1.2021
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.9.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Mai 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2061523/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Mai_2021%29%2C_28.09.2021.pdf, Zugriff 26.2.2022
CRSS - Center for Research and Security Studies (3.1.2022): CRSS Annual Security Report 2021-Executive Summary, https://crss.pk/crss-annual-security-report-2021/, Zugriff 9.3.2022
EASO - European Asylum Support Office (10.2021): Pakistan Security Situation, https://coi.euaa.europa.eu/administration/easo/PLib/2021_10_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff 14.3.2022
FES - Friedrich-Ebert-Stiftung (12.2020): Strengthening Governance in Pakistan Assessing the National Action Plan to counter Terrorism and Extremism, https://www.pakpips.com/web/wp-content/uploads/2021/01/NAP-Final-from-Hamayun.pdf, Zugriff 9.3.2021
FRC - FATA Research Center (7.1.2021): Khyber Pakhtunkhwa Tribal Districts Annual Security Report 2020, https://frc.org.pk/news/kptds-annual-security-report-2020/, Zugriff 9.3.2022
PIPS - Pak Institute of Peace Studies (4.1.2022): Pakistan Security Report 2021, http://pakpips.com/app/reports/wp-content/uploads/2022/01/Sr2021FinalWithTitles.pdf, Zugriff 20.2.2022
PIPS - Pak Institute for Peace Studies (15.6.2021): Pakistan Security Report 2020 - Final Report, https://www.pakpips.com/article/book/pakistan-security-report-2020, Zugriff 22.2.2022
Rechtsschutz, Justizwesen
Letzte Änderung: 23.03.2022
Die pakistanische Verfassung und die gesamte pakistanische Rechtsordnung basieren weitgehend auf dem britischen Rechtssystem. Wenngleich gemäß Art. 227 der Verfassung alle Gesetze grundsätzlich im Einklang mit der Scharia stehen müssen, ist deren Einfluss auf die Gesetzgebung trotz Bestehens des Konsultativorgangs "Council of Islamic Ideology" jedoch eher beschränkt, abgesehen von bestimmten Bereichen wie beispielsweise den Blasphemiegesetzen (ÖB 12.2020).
Der Aufbau des Justizsystems ist in der Verfassung geregelt, die folgende Organe aufzählt: Supreme Court of Pakistan - das pakistanische Höchstgericht, ein Oberstes Gericht in jeder Provinz sowie im Islamabad Capital Territory und anderweitige Gerichte, die durch das Gesetz eingerichtet werden. Die fünf Obersten Gerichte fungieren zum einen als originäres Rechtsprechungsorgan für die Durchsetzung der Grundrechte zum anderen als Berufungsinstanz gegen Beschlüsse und Urteile von untergeordneten Gerichten und der Spezialgerichte in allen zivilen und strafrechtlichen Angelegenheiten sowie als Aufsichts- und Kontrollorgane für alle ihnen unterstehenden Gerichte. Des Weiteren existiert gemäß Verfassung ein Federal Shariat Court (FSC), das zur Prüfung von Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Islam angerufen oder diesbezüglich auch von sich aus tätig werden kann. Es fungiert zusätzlich zum Teil als Rechtsmittelinstanz in Delikten nach den Hudood-Verordnungen von 1979, die eine vor allem Frauen stark benachteiligende Islamisierung des Strafrechts brachten und durch den Protection of Women (Criminal Law Amendment) Act 2006 in Teilen etwas entschärft wurden. In Azad Jammu und Kaschmir sowie in Gilgit-Baltistan gibt es derzeit noch eigene Justizsysteme (ÖB 12.2020; vgl. USDOS 30.3.2021).
Es gilt das Recht auf öffentliche Verhandlungen, die Unschuldsvermutung und das Recht auf Berufung. Auch gegen Entscheidungen des FSC können Einzelpersonen Berufung bei der "Shariat Appellate Bench" des Supreme Court einlegen, wobei noch eine weitere Berufung durch den Supreme Court zugelassen werden kann. Angeklagte haben das Recht auf Anhörung und auf Konsultation eines Anwalts. Die Regierung stellt einen staatlich finanzierten Rechtsbeistand für Gefangene zur Verfügung, die wegen Verbrechen angeklagt werden, für deren Verurteilung die Todesstrafe droht. Für andere Fälle wird nicht regelmäßig eine rechtliche Vertretung zur Verfügung gestellt. Die Verfassung erkennt das Recht auf Habeas Corpus an und erlaubt es den hohen Gerichten, die Anwesenheit einer Person, die eines Verbrechens beschuldigt wird, vor Gericht zu verlangen. In vielen Fällen, in denen es um das gewaltsame Verschwindenlassen von Personen ging, versäumten es die Behörden, die Inhaftierten gemäß den Anordnungen der Richter vorzuführen. Das Gesetz erlaubt es Bürgern, Habeas-Corpus-Ansuchen bei den Gerichten einzureichen (USDOS 30.3.2021).
Die Justiz - vor allem die oberen Gerichte - versucht ihre nach Ende der Militärherrschaft zurückgewonnene Unabhängigkeit zu verteidigen und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken. Gleichzeitig steht sie weiterhin unter starkem Einfluss der mächtigen pakistanischen Armee sowie Beeinflussungen durch die pakistanische Regierung (AA 28.9.2021). So unterliegt die Justiz laut NGOs und Rechtsexperten - obwohl das Gesetz ihre Unabhängigkeit vorsieht - oft externen Einflüssen, wie zum Beispiel der Angst vor Repressalien durch extremistische Elemente in Terrorismus- oder Blasphemie-Fällen und der öffentlichen Politisierung bei hochkarätigen Fällen. Zivilgesellschaftliche Organisationen berichten, dass Richter zögern, der Blasphemie beschuldigte Personen freizusprechen, da sie Selbstjustiz befürchten. Untere Gerichte unterliegen Berichten zufolge nicht nur dem Druck höherrangiger Richter, sondern auch prominenter, wohlhabender, politischer und religiöser Persönlichkeiten (USDOS 30.3.2021). Anhänger konservativer und extremer Denkschulen des Islams sind bestrebt, mit Druck auf allen Ebenen die Rechtspflege zu beeinflussen (AA 28.9.2021). Gleichzeitig lassen sich in der Strafverfolgung von Korruptionsfällen Anzeichen erkennen, wonach sich die Justiz von der nationalen Politik instrumentalisieren lässt - etwa wenn Verfahren gegen mehrere wichtige Oppositionsführer verfolgt werden, während bei Mitgliedern der Regierungspartei ein Mangel an ähnlicher Strafverfolgung herrscht (FH 3.3.2021).
Hinzu kommen Berichte über Korruption im Justizsystem. Untere Gerichte werden als korrupt angesehen, während die oberen Gerichte und der Supreme Court bei der Bevölkerung und den Medien höhere Glaubwürdigkeit genießen. Doch auch hier wird Einflussnahme thematisiert (USDOS 30.3.2021). Die Gerichte und das pakistanische Rechtssystem sind zudem hochgradig ineffizient. Mangelhafte Ausbildung, Befähigung und Ausstattung großer Teile der Polizei, der Staatsanwaltschaft und des Justizwesens zeigen nachteilige Auswirkungen (AA 28.9.2021). Ein exzessiver Rückstau an Fällen in den unteren und oberen Gerichten führt zu einer Schwächung des Rechts auf wirksame Rechtsmittel und ein faires Verfahren. Antiquierte Prozessregeln, unbesetzte Richterstellen, unzureichende rechtliche Ausbildung und mangelhaftes Fallmanagement führen zu Verzögerungen und damit auch zu langer Untersuchungshaft. Nach offiziellen Angaben waren mit Stand November 2020 mehr als 2 Millionen Verfahren an den Gerichten offen (USDOS 30.3.2021).
Nach Einschätzung des UK Home Office hat der Staat somit zwar ein funktionierendes Strafjustizsystem aufgebaut, doch ist dessen Funktionsfähigkeit auch durch die genannten Probleme begrenzt (UKHO 9.2021). Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen fort. Pakistan bekennt sich in seiner Verfassung und auf der Ebene einfacher Gesetze grundsätzlich zur Schutzpflicht gegenüber seinen Bürgern. Gleichwohl fällt es Pakistan insgesamt angesichts der schwach ausgebildeten rechtsstaatlichen Strukturen und der geringen Verankerung des Rechtsstaatsgedankens in der Gesellschaft schwer, rechtsstaatlichen Entscheidungen und damit auch der Schutzpflicht Geltung zu verschaffen (AA 28.9.2021). Neben dem staatlichen Justizwesen bestehen in der Folge vor allem in ländlichen Gebieten Pakistans auch informelle Rechtsprechungssysteme und Rechtsordnungen, die auf traditionellem Stammesrecht beruhen (ÖB 12.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). De facto spielt in weiten Landesteilen das staatliche Recht für die meisten Pakistaner kaum eine Rolle. Rechtsstreitigkeiten werden nach Scharia-Recht oder nach lokalen Rechtsbräuchen gelöst (AA 28.9.2021). Das World Justice Project reiht Pakistan 2021 auf Platz 130 von 139 teilnehmenden Staaten (WJP 14.10.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.9.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Mai 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2061523/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Mai_2021%29%2C_28.09.2021.pdf, Zugriff 26.2.2022
FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2052851.html, Zugriff 26.11.2021
ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf, Zugriff 24.11.2021
UKHO - UK Home Office [Großbritannien] (9.2021): Country Policy and Information Note Pakistan: Ahmadis https://www.ecoi.net/en/file/local/2059923/PAK_CPIN_Ahmadis.pdf, Zugriff 24.11.2021
USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html, Zugriff 24.11.2021
WJP - World Justice Project (14.10.2021): WJP Rule of Law Index Pakistan, https://worldjusticeproject.org/rule-of-law-index/country/Pakistan, Zugriff 20.3.2022
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 23.03.2022
Die Menschenrechtslage in Pakistan bleibt schwierig und hat sich im Berichtszeitraum insgesamt nicht verbessert. Zwar garantieren die pakistanische Verfassung und eine Reihe von Gesetzen fundamentale Bürgerrechte, Menschenrechte und politische Rechte, meist mangelt es jedoch an der Implementierung (AA 28.9.2021).
Der Raum für Zivilgesellschaft und öffentlich-kritische Debatte schrumpft weiter. Militär und Geheimdienste begrenzen den Aktionsradius von Zivilgesellschaft und Medien. Die öffentliche Thematisierung politisch und religiös sensibler Fragen wird eingeschränkt. Das Militär zwingt Journalisten mit Druck erfolgreich zu Selbstzensur (AA 28.9.2021). Behörden setzen Schikanierungen und gelegentlich auch strafrechtliche Verfolgung gegen Journalisten, Menschenrechtsverteidiger oder Anwälte ein, die Kritik an Maßnahmen der Regierung übten. Die drakonischen Gesetze gegen Volksverhetzung und zur Terrorismusbekämpfung werden auch eingesetzt, um politischen Widerspruch zu unterdrücken und regierungskritische zivilgesellschaftliche Gruppen und Organisationen strikt zu regulieren. Es gab gewalttätige Übergriffe gegen Mitarbeiter von Medien (HRW 13.1.2022).
Politische Parteien können weitgehend frei arbeiten, jedoch üben Militär und Geheimdienste Druck auf unliebsame Parteien aus. Institutionen und Menschen, die Kritik am Militär und am Nachrichtendienst ISI üben, müssen mit Sanktionen rechnen. So geht der Sicherheitsapparat teils mit harter Hand gegen die PTM ("Bewegung zum Schutz der Paschtunen"), eine Protestbewegung gegen die Diskriminierung von Paschtunen, vor (AA 28.9.2021). Gegen mehrere wichtige Oppositionsführer werden Korruptionsverfahren geführt - bei gleichzeitigem Mangel an ähnlicher Strafverfolgung gegenüber Mitgliedern der Regierungspartei. Dies lässt Anzeichen erkennen, dass sich die Justiz von der nationalen Politik instrumentalisieren hat lassen (FH 3.3.2021).
Die pakistanischen Strafverfolgungsbehörden werden für Menschenrechtsverletzungen wie Haft ohne Anklage und außergerichtliche Tötungen verantwortlich gemacht (HRW 13.1.2022; vgl. EASO 10.2021). Extralegale Tötungen kommen vor allem in Form von polizeilichen Auseinandersetzungen vor, d. h. bei Zusammenstößen zwischen mutmaßlichen Straftätern, Militanten oder Terroristen und der Polizei oder paramilitärischen Sicherheitskräften. Als Begründung führt die Polizei regelmäßig an, dass die Opfer versuchten, aus dem Polizeigewahrsam zu flüchten, oder bei ihrer Verhaftung von der Schusswaffe Gebrauch gemacht hätten. 2020 kamen laut der Menschenrechtsorganisation HRCP landesweit 293 Menschen bei sogenannten "police encounters" ums Leben. In der Regel werden diese Fälle nicht gerichtlich untersucht (AA 28.9.2021; vgl. HRCP 2021).
Folter im Gewahrsam der Sicherheitskräfte und in Gefängnissen gilt - trotz des Folterverbots in der Verfassung - als weit verbreitet. Die Todesstrafe wird vollstreckt. Im Jahr 2020 fand jedoch keine Hinrichtung statt. In vielen Fällen beruhen die Todesurteile auf rechtsstaatlich zweifelhaften Verfahren. Willkürliche Festnahmen kommen insbesondere aufgrund der weitverbreiteten Korruption innerhalb der Polizei vor. Selbst bei offensichtlich unbegründeten Beschuldigungen kann eine lange Inhaftierung erfolgen, ohne dass es dabei zu einer Haftprüfung kommt. Als Beispiel hierfür dienen die Blasphemie-Fälle (AA 28.9.2021).
Die Sicherheitsdienste greifen in Fällen mit terroristischem Hintergrund oder in Fällen von Landesverrat auf willkürlichen und rechtswidrigen Gewahrsam zurück. Unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung begehen Armee und Sicherheitskräfte vor allem in den Provinzen Belutschistan und Khyber-Pakhtunkhwa regelmäßig menschenrechtsrelevante Verbrechen. Sogenannte "Enforced Disappearances" - das Verschwindenlassen von unliebsamen, v.a. armeekritischen Personen - zählen in diesem Zusammenhang zu den eklatantesten Menschenrechtsverletzungen in Pakistan - auch weil der Staat (v. a. Militär/ Nachrichtendienste, insb. ISI) oftmals als Täter auftritt und seiner Schutzverantwortung nicht gerecht wird (AA 28.9.2021, vgl. HRCP 2021). Amnesty International berichtet, dass das Verschwindenlassen, um politischen Dissens zu bestrafen, verstärkt öffentlich und auch breiter zum Einsatz kam und auch bei Tag und in Städten Personen von den Geheimdiensten entführt wurden. In den vergangenen Jahren gehörten zu den Opfern des Verschwindenlassens Menschenrechtsverteidiger, politische Aktivisten, Studenten und Journalisten, die außerhalb ihrer Gemeinschaften kaum bekannt waren, aber auch bekannte Kritiker (AI 7.4.2021).
Auch bei schwerwiegenden Übergriffen der Strafverfolgungsbehörden verabsäumt es die Regierung, diese zur Rechenschaft zu ziehen (HRW 13.1.2022; vgl. USDOS 30.3.2021).
Der Polizei wird auch allgemein übermäßige Gewaltanwendung, z. B. bei Protesten vorgeworfen. Dies betraf z. B. 2020 auch friedliche Proteste des medizinischen Personals gegen die mangelnde medizinische Ausrüstung und fehlende Sicherheitsvorkehrungen in den Krankenhäusern. Die COVID-19-Pandemie stellt die Lage im Land auch im Menschenrechtsbereich vor neue Herausforderungen. Medizinisches Personal war am Arbeitsplatz öfters gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt, z. B. wenn es Patienten oder Angehörige abweisen musste (AI 7.4.2021; vgl. HRCP 2021).
Gewalt und Missbrauch sowie soziale und religiöse Intoleranz durch militante Organisationen und andere nicht-staatliche Akteure tragen ebenfalls zu Problemen im Menschenrechtsbereich bei (USDOS 30.3.2021). So sind Frauen, religiöse Minderheiten und Transgender mit Gewalt, Diskriminierung und Verfolgung konfrontiert, wobei die Behörden es oft verabsäumen, angemessenen Schutz zu bieten (HRW 13.1.2022). Übergriffe bleiben oft ungestraft, was eine Kultur der Straflosigkeit unter den Tätern - ob offiziell oder inoffiziell - fördert (USDOS 30.3.2021). Viele Menschenleben fallen den Anschlägen von islamistischen Militanten zum Opfer (HRW 13.1.2022).
Staatliche Institutionen zum Schutz von Menschenrechten existieren auf Bundes- und Provinzebene. Diese bleiben jedoch schwach, da sie ohne angemessene Ressourcenausstattung operieren und zudem kein Schutz vor staatlicher Einflussnahme gegeben ist. Die staatliche National Commission for Human Rights (NCHR) ist eine dem pakistanischen Innenministerium zugeordnete Institution und verfügt nur über begrenzte Kapazitäten und kein eigenes Budget. Auch die National Commission on the Status of Women, die Frauenrechte in Pakistan stärken soll, sowie die National Commission on the Rights of the Child bleiben in ihren Arbeitsmöglichkeiten stark beschränkt (AA 28.9.2021). Ein eigenständiges Ministerium für Menschenrechte wurde im Jahr 2015 wieder eingerichtet. Die ständigen Ausschüsse des Senats und der Nationalversammlung für Recht, Justiz, Minderheiten und Menschenrechte führen Anhörungen zu einer Reihe von Menschenrechtsproblemen durch (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.9.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Mai 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2061523/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Mai_2021%29%2C_28.09.2021.pdf, Zugriff 9.12.2021
AI - Amnesty International (7.4.2021): Pakistan 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048601.html, Zugriff 9.12.2021
FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2052851.html, Zugriff 19.1.2022
HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (2021): State of Human Rights in 2020, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/09/website-version-HRCP-AR-2020-5-8-21_removed.pdf, Zugriff 26.1.2022
HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066474.html, Zugriff 19.1.2022
USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html, Zugriff 9.12.2021
Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung: 22.03.2022
Per Gesetz sind die Bewegungsfreiheit im Land sowie ungehinderte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung gewährleistet. Diese Rechte werden allerdings eingeschränkt (USDOS 30.3.2021). Die Behörden beschränken aus Sicherheitsbedenken regelmäßig Reisen in einige Teilen des Landes bzw. auch interne Bewegungen innerhalb dieser Gebiete (FH 3.3.2021). So ist der Zugang zu bestimmten Gebieten der ehemaligen FATA und Belutschistans - meist aufgrund von Sicherheitsbedenken - eingeschränkt. Für Reisen in Gebiete, die als sensibel eingestuft werden, ist ein beglaubigtes "No-Objection-Certificate" notwendig (USDOS 30.3.2021; vgl. HRCP 2021). Innerhalb sensibler Gebiete wird die Bewegungsfreiheit durch Straßensperren und Checkpoints eingeschränkt (HRCP 2021). In den Wochen vor und während der schiitischen Feierlichkeiten zu Muharram werden außerdem die Bewegungs- und Reisefreiheit sowie die Aktivitäten von Klerikern, die für die Aufwiegelung von konfessionell motivierten Spannungen bekannt sind, eingeschränkt (USDOS 12.5.2021).
Das Hauptinstrument zur Einschränkung von Auslandsreisen ist die Exit Control List (ECL), die namentlich genannte Personen von der Nutzung der offiziellen Ausreisepunkte des Landes ausschließt (FH 3.3.2021). Personen auf der ECL ist es verboten, ins Ausland zu reisen. Diese Liste soll Personen, welche in staatsfeindliche Aktivitäten und Terrorismus involviert sind oder in Verbindung zu einer verbotenen Organisation stehen bzw. jene, gegen die ein Strafverfahren vor höheren Gerichten anhängig ist, von Auslandsreisen abhalten (USDOS 30.3.2021; vgl. DFAT 25.1.2022). Regelmäßig wird die ECL allerdings als Mittel zur Kontrolle Andersdenkender eingesetzt (FH 3.3.2021), und laut Zivilgesellschaft befinden sich auch Menschenrechtsverteidiger und Kritiker der Regierung und des Militärs auf der Liste. Es ist möglich, vor Gericht Einspruch zu erheben und seinen Namen streichen zu lassen (USDOS 30.3.2021). Für Personen, die auf der Liste stehen, ist es schwierig, aber nicht unmöglich, über illegale Wege das Land zu verlassen (DFAT 25.1.2022).
Regierungsangestellte und Studenten müssen vor Reisen ins Ausland ein sogenanntes No-Objection-Certificate einholen, doch von Studenten wird dies selten verlangt (USDOS 30.3.2021).
Ausweichmöglichkeiten
Interne Migration ist weit verbreitet und üblich. Große Städte, wie Karatschi, Islamabad und Lahore haben eine ethnisch und religiös diverse Bevölkerung und bieten für jene Menschen eine gewisse Anonymität, die vor Gewalt durch nicht-staatliche Akteure fliehen (DFAT 25.1.2022; vgl. AA 28.9.2021). Es gibt zahlreiche große Städte mit einer Bevölkerungsgröße von 1 bis 16 Millionen. Karatschi ist die zwölftgrößte Stadt der Welt und ethnisch besonders divers (UKHO 6.2020).
Schiiten sind über das ganze Land verteilt, und es gibt große schiitische Gemeinschaften in den großen Städten (UKHO 7.2021). Angehörige der schiitischen Minderheit leben in Pakistan beinahe ausschließlich in der Provinz Belutschistan, die meisten in Quetta. Im Ergebnis sind inländische Ausweich- oder Fluchtmöglichkeiten zwar nicht grundsätzlich auszuschließen, scheinen aber im Falle der Hazara aus Belutschistan deutlich beschränkt (AA 28.9.2021).
Ahmadis bietet ein Umzug nach Rabwah, ihrem religiösen und administrativen Zentrum, einen erheblichen Schutz vor Repressionen, weil sie dort weitgehend unter sich sind, auch wenn sie für ihre Gegner sichtbar sind (AA 28.9.2021). Rabwah erlaubt damit einen größeren Grad an Freiheit, doch durch die große Anzahl an Ahmadis ist sie auch ein Ziel für ihre Gegner. Die staatlichen Gesetze betreffend der Ahmadiyya-Glaubensauslegung gelten in ganz Pakistan und damit auch in Rabwah (UKHO 9.2021). Für Ahmadis besteht ebenso die Möglichkeit, in den Schutz größerer Städte zu fliehen, falls es sich nicht um Menschen handelt, die überregional bekannt geworden sind. Dies sehen auch Vertreter unabhängiger pakistanischer Menschenrechtsorganisationen als grundsätzliche Ausweichmöglichkeit. Verfolgte Angehörige der christlichen Minderheit haben generell Ausweichmöglichkeiten in andere Landesteile - abgesehen von Fällen, die überregional bekannt geworden sind (AA 28.9.2021).
Für Angehörige aller Gruppen gilt, dass ein Ausweichen oft das Aufgeben der bisherigen wirtschaftlichen Basis mit sich bringt (AA 28.9.2021). Die Möglichkeit, in einer neuen Umgebung Fuß zu fassen, hängt von finanziellen Mitteln sowie familiären, tribalen und/oder ethnischen Netzwerken ab. Für alleinstehende Frauen ist es schwierig, umzusiedeln (DFAT 25.1.2022).
Alle größeren Städte sind mit Autobahnen verbunden. Die Hauptbahnroute verläuft mehr als 1.600 km quer durchs Land von Karatschi nach Peschawar, via Lahore und Rawalpindi. Eine weitere Hauptbahnlinie verläuft nordwestlich von Sukkur nach Quetta. Die Hauptflughäfen sind Karatschi, Lahore, Rawalpindi, Quetta und Peschawar (EB 4.3.2022; vgl. UKHO 6.2020).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.9.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Mai 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2061523/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Mai_2021%29%2C_28.09.2021.pdf, Zugriff 19.1.2022
DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (25.1.2022): Country Information Report - Pakistan - January 2022, https://www.ecoi.net/en/file/local/2067350/country-information-report-pakistan.pdf, Zugriff 7.2.2022
EB - Encyclopedia Britannica (4.3.2022): Pakistan, Economy, https://www.britannica.com/place/Pakistan/Labour-and-taxation, Zugriff 7.3.2022
FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2052851.html, Zugriff 19.2.2022
HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (2021): State of Human Rights in 2020, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/09/website-version-HRCP-AR-2020-5-8-21_removed.pdf, Zugriff 26.1.2022
UKHO - UK Home Office [Großbritannien] (6.2020): Country Policy and Information Note Pakistan: Background information, including internal relocation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032936/Pakistan-Background_and_IFA-CPIN-v1.0_June_2020_.pdf, Zugriff 22.2.2022
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UKHO - UK Home Office [Großbritannien] (9.2021): Country Policy and Information Note Pakistan: Ahmadis https://www.ecoi.net/en/file/local/2059923/PAK_CPIN_Ahmadis.pdf, Zugriff 24.2.2022
USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048102.html, Zugriff 10.5.2021
USDOS - US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Country Report on Religious Freedom: Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051590.html, Zugriff 10.2.2022
Grundversorgung
Wirtschaft und Arbeitsmarkt
Letzte Änderung: 22.03.2022
Allgemeine Wirtschaftsleistung
Pakistan weist eine gemischte Wirtschaft auf, in der Firmen in staatlichem Eigentum für einen großen Anteil des Bruttoinlandsprodukts verantwortlich sind. Früher überwiegend landwirtschaftlich geprägt, hat sich die Wirtschaft deutlich diversifiziert. Der Handels- und Dienstleistungssektor ist stark gewachsen und trägt heute den größten Anteil an der Wirtschaftsleistung. Die Landwirtschaft trägt noch zu einem Fünftel zum BIP bei (EB 11.3.2022). Sie bleibt aber die größte Deviseneinnahmequelle (PBS o.D.a). Handwerk und Produktion sind ebenfalls ein bedeutendes Segment. Der Anteil der Finanzdienstleistungen am BIP ist gering, doch stark steigend. Eine wichtige Einnahmequelle sind die Rücküberweisungen von Auslandspakistanis. Die Wirtschaftsleistung schneidet im Vergleich mit vielen anderen Entwicklungsländern gut ab, und Pakistan konnte die letzten Jahrzehnte eine solide Wachstumsrate vorweisen. Gleichzeitig ist die Bevölkerung stark angewachsen, was das Wirtschaftswachstum pro Kopf verringert (EB 11.3.2022). Außerdem weist Pakistan einen sehr großen informellen Wirtschaftssektor auf, dessen Wirtschaftsgröße geschätzt nochmals halb so groß ist, wie das offizielle Bruttoinlandsprodukt. Diese Größe stellt eine Herausforderung für die Planbarkeit von Maßnahmen und für Steuereinnahmen dar (BS 25.2.2022).
Konfrontiert mit der Pandemie fokussierte sich die Regierung auf die COVID-19-Infektionswellen, hat eine Massenimpfkampagne eingesetzt, finanzielle Zuschüsse erhöht und Maßnahmen der Geldpolitik zur Stärkung der Wirtschaft gesetzt. Die Regierung hat auf Mikro-Lockdowns gesetzt, um die Ausbreitung des Virus' zu begrenzen und gleichzeitig die Fortführung ökonomischer Aktivitäten zu gewährleisten und dadurch den wirtschaftlichen Ausfall abzuschwächen (WB 6.10.2021). Der Regierung gelang es damit, eine relativ effektive Antwort auf die COVID-19-Pandemie zu setzen, mit Schul- und Geschäftsschließungen bei gleichzeitiger Ankurbelung von Technologien um "smarte" [Anm.: partielle, lokal begrenzte] Lockdowns zur Viruseindämmung zu ermöglichen (BS 25.2.2022). Die Rücküberweisungen von Auslandspakistanis über offizielle Kanäle erreichten ein Rekordhoch. Die Produktion hat sich 2021 nach zwei Jahren des Rückgangs etwas erholt, ebenso der Dienstleistungssektor, der 60 Prozent des BIP ausmacht. Durch den sich erholenden heimischen Bedarf wird geschätzt, dass das BIP 2021 um 3,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr gewachsen ist. Die Inflation bleibt mit 8,9 Prozent erhöht, wenngleich sie sich auch verlangsamt hat. Besonders die hohe Inflation bei Nahrungsmitteln hat überproportional starke Auswirkungen auf ärmere Haushalte (WB 6.10.2021).
Arbeitsmarkt
Pakistan verfügt laut Schätzung von IOM über 63 Millionen Arbeitskräfte (IOM 30.3.2021). Geschätzt 64 Prozent der Bevölkerung sind unter 30 (BS 25.2.2022). Das Durchschnittsalter beträgt 22 Jahre, die Bevölkerung wächst jedes Jahr um etwa zwei Prozent. Jährlich streben etwa sechs Millionen Jugendliche auf den Arbeitsmarkt (BMZ o.D.). Das Land steht damit vor der Herausforderung, seiner Bevölkerung berufliche Möglichkeiten zu bieten (BS 25.2.2022).
Landwirtschaft und Fischerei stellen den größten Anteil am Arbeitsmarkt und tragen zum Einkommen für ein breites Segment der Bevölkerung bei (EB 11.3.2022). So stellt die Landwirtschaft laut Angaben des Pakistan Bureau of Statistics die Hälfte aller Beschäftigten (PBS o.D.a). IOM rechnet diesbezüglich mit ca. 37 Prozent der Beschäftigten, tendenziell abnehmend. Der Dienstleistungssektor macht demnach etwa 39 Prozent der Gesamtzahl der Arbeitsplätze aus, die Industrie ca. 24 Prozent - Tendenz steigend (IOM 2021). Handwerk und Produktion sind insbesondere durch die Textilindustrie ein bedeutendes Segment des Arbeitsmarktes. Das Staatswesen ist traditionell ein Hauptarbeitgeber in Pakistan, dort findet sich ungefähr ein Fünftel der Arbeitskräfte (EB 11.3.2022). 60 Prozent der Arbeitskräfte des Landes sind in der Provinz Punjab konzentriert (IOM 30.3.2021).
Arbeits- und Einkommensmöglichkeiten, die internationalen Sozialstandards entsprechen, sind allerdings kaum vorhanden: 30 Prozent der arbeitenden Bevölkerung gelten trotz der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns als "Working Poor", über 70 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse liegen im informellen Sektor (BMZ o.D.). Das durchschnittliche Monatseinkommen liegt zwischen 15.000 PKR und 30.000 PKR. Die offizielle Arbeitslosenquote liegt bei fast 6 Prozent (IOM 2021).
Der pakistanische Arbeitsmarkt wurde außerdem durch die COVID-19-Krise hart getroffen. Das Center for Labor Research schätzt die strukturelle Arbeitslosigkeit in Pakistan auf drei bis fünf Millionen, die temporäre Arbeitslosigkeit als Folge der Pandemie auf 10,5 Millionen (IOM 30.3.2021). Eine staatliche Erhebung zu den sozio-ökonomischen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beziffert die Zahl der arbeitenden Pakistanis vor Ausbruch der Pandemie mit ungefähr 55,74 Millionen. Durch den groß angelegten Lockdown 2020 reduzierte sich die Zahl auf 35,04 Millionen. Nach dem Lockdown erholte sie sich demnach wieder auf 52,56 Millionen. Damit verloren 37 Prozent der arbeitenden Bevölkerung ihre Arbeit zumindest vorübergehend (PBS o.D.b).
Arbeitslosenunterstützung, Berufsförderung
Pakistan verfügt über einige Programme zur Unterstützung Arbeitsloser. Diese beinhalten z.B. eine bezahlte Weiterbildung, die Förderung von Geschäftsgründungen oder auch Programme zur Anstellung im staatlichen Sektor (ILO 1.9.2021). Staatliche Projekte zur Förderung der Berufstätigkeit von Arbeitslosen sind z.B. das PM Youth Business Program oder PM Youth Loan Programs. Über jährliche, von der Regierung sowie durch staatliche und private Banken durchgeführte Projekte werden Darlehen von 500.000 bis 1.000.000 PKR (2.683 bis 5.366 Euro) ermöglicht, um ein Unternehmen zu gründen. Weiters gibt es auch Programme für Absolventen MA-Pass-Studenten im Punjab und ein spezielles Programm für wissenschaftliche Talente für Absolventen (IOM 30.3.2021). Initiativen der pakistanischen Regierung zur Berufsausbildung sind z.B. die National Vocational Technical Education Commission und die Technical Education and Vocational Training Authority. Provinzprogramme des Punjab bieten eine Vielzahl von Kursen zur technischen Weiterbildung an. Staatliche Stellen zur Vermittlung von Arbeitsplätzen sind z.B. Career Pakistan oder Small and Medium Enterprises Development Authority (IOM 2021). Weiters zu nennen ist das staatliche Vermittlungsprogramm NEXT, das National Employment Exchange Tool (NEXT o.D.).
Weiters gibt es für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit das Tameer-e-Pakistan-Programm als Maßnahme zur Armutsbekämpfung, um mehr Einkommensquellen für die Armen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen; ein weiteres Programm unterstützt kleine und mittlere Betriebe vor allem durch Gewährung von Steuerbefreiungen (IOM 30.3.2021). Unter dem Mantel der Pakistan Bait-ul-Maal wurden Women Empowerment Centers im ganzen Land eingerichtet, inklusive Azad Jammu Kaschmir und Gilgit-Baltistan. Diese Zentren bieten kostenfreie Ausbildung für Witwen, Waisen und bedürftige Frauen und Mädchen in Bereichen wie Schneiderei, Sticken und Weben (PASSD 7.2.2021).
Quellen:
BMZ - Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung [Deutschland] (o.D.): Soziale Situation Der lange Weg zur Verwirklichung der "Vision 2025", https://www.bmz.de/de/laender/pakistan/soziale-situation-15408, Zugriff 25.2.2022
BS - Bertelsmann Stiftung (25.2.2022): Bertelsmann Transformation Index, Pakistan Country Report 2022, https://bti-project.org/de/reports/country-report/PAK#pos13, Zugriff 3.3.2022
EB - Encyclopedia Britannica (11.3.2022): Pakistan, Economy of Pakistan, https://www.britannica.com/place/Pakistan/Economy, Zugriff 3.3.2022
ILO - International Labour Organization (1.9.2021): World Social Protection Report 2020-22, https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---dgreports/---dcomm/---publ/documents/publication/wcms_817572.pdf, Zugriff 28.2.2022
IOM - International Organization for Migration (30.3.2021): Information on the socio-economic situation in Pakistan, Email 30.3.2021
IOM - International Organization for Migration (2021): Länderinformationsblatt Pakistan 2021, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2021_Pakistan_DE.pdf, Zugriff 25.2.2022
NEXT - National Employment Exchange Tool [Pakistan] (o.D.): National Employment Exchange Tool, https://jobs.gov.pk/, Zugriff 22.2.2022
PASSD - Poverty Alleviation and Social Safety Division [Pakistan] (7.2.2021): Ehsaas strategy, post COVID 19, https://www.pass.gov.pk/Document/Downloads/Ehsaas%20Strategy%20Post%20COVID%20February%207%202021.pdf, Zugriff 5.3.2022
PBS - Pakistan Bureau of Statistics [Pakistan] (o.D.a): Agriculture Statistics, https://www.pbs.gov.pk/content/agriculture-statistics, Zugriff 25.2.2022
PBS - Pakistan Bureau of Statistics [Pakistan] (o.D.b): Special Survey for Evaluating Socio-Economic Impact of Covid-19 on Wellbeing of People, https://www.pbs.gov.pk/sites/default/files//other/covid/Final_Report_for_Covid_Survey_0.pdf, Zugriff 22.2.2022
WB - World Bank (6.10.2021): Pakistan, Overview, Economic update and outlook, https://www.worldbank.org/en/country/pakistan/overview#1, Zugriff 22.2.2022
Versorgungssicherheit bei Nahrungsmitteln und Wohnraum
Letzte Änderung: 22.03.2022
Nahrungsmittelsicherheit, Armut
Das solide Wirtschaftswachstums trägt dazu bei, dass das hohe Bevölkerungswachstum nicht wie in anderen südasiatischen Ländern zu einem hohen Anteil an absoluter Armut führte. Nichtsdestotrotz lebt ein bedeutender Anteil der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze (EB 11.3.2022). Pakistan ist es in den vergangenen zwei Jahrzehnten gelungen, die Einkommensarmut stark zu senken. Der Anteil der Armen an der Bevölkerung hat sich laut Weltbank von 57,9 Prozent im Jahr 1998 auf 21,9 Prozent 2018 reduziert (BMZ o.D.). Laut dem Bertelsmann Transformations Index lebten 2020 geschätzt 24,3 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze und 38,4 Prozent waren von multidimensionaler Armut nach den Kriterien des UNDP betroffen (BS 25.2.2022). Im letzten Human Development Index 2020 von UNDP, der 189 Staaten umfasst und Fortschritte in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Einkommen im internationalen Vergleich misst, liegt Pakistan auf Rang 154 (UNDP 15.12.2020).
Verschärft wird die Situation durch einen scharfen Kontrast zwischen der relativen Prosperität der industrialisierten Regionen um Karatschi und Lahore und der Armut in den semi-ariden Gebieten in Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (EB 11.3.2022). So gibt UNDP die Armutsrate für Belutschistan und in den Newly Merged Districts von Khyber Pakhtunkhwa (ehemalige FATA) mit 70 Prozent an. Im Vergleich dazu weisen die reichsten Bezirke Pakistans im Norden und in der Mitte des Punjabs eine Armutsrate von unter 10 Prozent auf (UNDP 6.4.2021).
Die Landwirtschaft konnte bedeutend modernisiert werden (EB 11.3.2022). Pakistan hat sich zu einem Land mit einer Überschussproduktion an Nahrungsmittel entwickelt und ist ein wichtiger Produzent von Weizen. Dieser wird zwar über verschiedene Mechanismen, unter anderem das World Food Programme, auch an eigene bedürftige Bevölkerungsgruppen verteilt, doch zeigte die nationale Ernährungssicherheitserhebung von 2018, dass 36,9 Prozent der Bevölkerung mit Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung konfrontiert sind. Im Wesentlichen ist dies auf einen eingeschränkten Zugang der ärmsten und vulnerablen Bevölkerungsgruppen, besonders Frauen, zu ausreichender Ernährung zurückzuführen. Die Studie zeigte auch die zweithöchste Rate an Unterernährung bei Kindern unter fünf Jahren in der Region. 18 Prozent der Kinder unter 5 Jahren leiden an akuter Mangelernährung, 40 Prozent sind unterentwickelt und 29 Prozent untergewichtig. Es gibt eine starke Korrelation zwischen dem Bildungsniveau von Mädchen und allen Formen der Unterernährung. Doch gerade der Zugang der Mädchen zu Bildung, insbesondere in Gebieten, die an Afghanistan grenzen, und in Belutschistan bleibt eine Herausforderung. Außerdem sind aufgrund sozialer und kultureller Normen und Praktiken Frauen und Mädchen mit Schwierigkeiten beim Zugang zu humanitärer Unterstützung konfrontiert (WFP o.D.).
Ein durchschnittlicher pakistanischer Haushalt wendet 50,8 Prozent seines monatlichen Einkommens für Nahrungsmittel auf (WFP o.D.). Aufgrund der COVID-19-Pandemie bzw. des Lockdowns 2020 hatten 53 Prozent aller pakistanischen Haushalte Einkommensverluste zu verzeichnen. Am stärksten betraf dies Khyber Pakhtunkhwa, wo 64 Prozent von Einkommensverlusten betroffen waren, hier wiederum besonders stark in den städtischen Regionen. Den Punjab betraf es mit 49 Prozent (PBS o.D.b).
Der Verlust des Einkommens und der Anstieg der Nahrungsmittelpreise während der Pandemie bedeuteten für viele Menschen, die vorher nicht als armutsanfällig gesehen wurden, dass eine ausreichende Ernährung unleistbar wurde. Besonders betroffen waren Personen, die auf Tagelohnbasis und im informellen Sektor arbeiten, aber es betraf auch Angestellte im Privatsektor, wo in einigen Bereichen über Monate keine Löhne ausbezahlt wurden (WFP 1.2.2022). Von starker Unsicherheit bei der Lebensmittelversorgung betroffen waren laut einer staatlichen Studie während des Ausbruchs der COVID-19-Pandemie 2020 10 Prozent der Haushalte gegenüber 3 Prozent bei der letzten Erhebung von 2018/2019; von einer moderaten Versorgungsunsicherheit betroffen waren 30 Prozent im Vergleich zu 13 Prozent davor. 60 Prozent der Haushalte konnten ihre Versorgungssicherheit beibehalten (PBS o.D.b). Die Regierung reagierte auf die Krise mit der Einführung des Ehsaas Emergency Cash Programme im April 2020 (WFP 1.2.2022).
Wohnraum
Es besteht allgemeiner Konsens darüber, dass ein Wohnraummangel herrscht, besonders in den Städten. Außerdem wird Wohnraum oft als kaum erschwinglich bezeichnet, zum einen aufgrund der Armut, zum anderen aufgrund des Mangels an formaler Wohnraumfinanzierung. Die Mehrheit des Wohnraums findet sich somit in Slums, meist in informellen Siedlungen. 30 bis 50 Prozent der Stadtbewohner leben nach Schätzungen in Slums. Laut UNHABITAT sind andererseits 74 Prozent der Stadtbewohner auch Eigentümer ihrer Unterkunft und Städte mit einem großen Anteil an Staatsdienern, wie Islamabad, verfügen über einen großen Anteil an mietfreiem oder stark subventioniertem Wohnraum (UKHO 6.2020).
Konkret wird der Mangel an Wohneinheiten auf 12 Millionen Einheiten geschätzt, wobei der Bedarf im Vergleich zum Angebot weiterhin hoch bleibt. Die Regierung hat Maßnahmen eingeführt, um die Möglichkeit der Finanzierung zu erhöhen, speziell für niedrig- bis mittelpreisige Wohneinheiten. Die Förderungen wurden erhöht, Regelungen für die Vergabe von Finanzierungen gelockert und die Dauer für die Rückzahlung verlängert (TET 27.2.2022).
IOM berichtet, dass in Großstädten Wohnungen und Einzelhäuser zwar leicht verfügbar sind, aber die Miet- und Nebenkosten, insbesondere für Strom und Gas, sehr hoch sind. In ländlichen Gebieten und am Stadtrand kleinerer Städte sind allerdings Wohnungsmöglichkeiten nicht nur kostengünstig, sondern auch zahlreich vorhanden (IOM 2021).
Quellen:
BMZ - Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung [Deutschland] (o.D.): Soziale Situation Der lange Weg zur Verwirklichung der "Vision 2025", https://www.bmz.de/de/laender/pakistan/soziale-situation-15408, Zugriff 25.2.2022
BS - Bertelsmann Stiftung (25.2.2022): Bertelsmann Transformation Index, Pakistan Country Report 2022, https://bti-project.org/de/reports/country-report/PAK#pos13, Zugriff 3.3.2022
EB - Encyclopedia Britannica (11.3.2022): Pakistan, Economy of Pakistan, https://www.britannica.com/place/Pakistan/Economy, Zugriff 3.3.2022
IOM - International Organization for Migration (2021): Länderinformationsblatt Pakistan 2021, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2021_Pakistan_DE.pdf, Zugriff 25.2.2022
PBS (o.D.b): Special Survey for Evaluating Socio-Economic Impact of Covid-19 on Wellbeing of People, https://www.pbs.gov.pk/sites/default/files//other/covid/Final_Report_for_Covid_Survey_0.pdf, Zugriff 22.2.2022
TET - The Express Tribune (27.2.2022): SBP further eases housing finance, https://tribune.com.pk/story/2345420/sbp-further-eases-housing-finance, Zugriff 3.3.2022
UKHO - UK Home Office [Großbritannien] (6.2020): Country Policy and Information Note Pakistan: Background information, including internal relocation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032936/Pakistan-Background_and_IFA-CPIN-v1.0_June_2020_.pdf, Zugriff 3.3.2022
UNDP - United Nations Development Programme (6.4.2021): Pakistan National Human Development Report 2020, https://www.pk.undp.org/content/pakistan/en/home/library/human-development-reports/PKNHDR-inequality.html, Zugriff 22.1.2022
UNDP - United Nations Development Programme (15.12.2020): Human Development Report 2020, http://hdr.undp.org/en/2020-report, Zugriff 22.2.2022
WFP - World Food Programme (1.2.2022): Food security and diets in urban Asia : How resilient are food systems in times of Covid 19?, https://docs.wfp.org/api/documents/WFP-0000136366/download/, Zugriff 22.2.2022
WFP - World Food Programme (o.D.): Pakistan, https://www.wfp.org/countries/pakistan, Zugriff 3.3.2022
Sozialwesen
Letzte Änderung: 22.03.2022
Soziale Wohlfahrt
Pakistan unterhält einige Programme für soziale Wohlfahrt, die auf das Bereitstellen eines rudimentären sozialen Sicherheitsnetzes für die Bürger ausgerichtet sind. Staatliche Schulen und Krankenhäuser bieten eine hoch subventionierte Bildung und Gesundheitsversorgung und Einrichtungen wie Pakistan Bait-ul-Mal verteilen wohltätige Beiträge, die über Steuern eingenommen werden. Doch die Versorgung mit effektiven öffentlichen Dienstleistungen ist aufgrund ernster Kapazitätsengpässe schwach (BS 25.2.2022). Die staatlichen Systeme sozialer Sicherung sind schwach entwickelt und völlig unterfinanziert. Die Notwendigkeit von Investitionen u. a. in Bildung, berufliche Entfaltung und soziale Absicherung wird den pakistanischen Eliten allerdings immer mehr bewusst (BMZ o.D.).
Während ernste Herausforderungen weiterhin bestehen, gibt es auch Fortschritte im Bereich der öffentlichen sozialen Wohlfahrt. Das 2008 eingeführte Benazir Income Support Program (BISP) ist ein auflagenfreies Geldtransferprogramm zur Armutsreduktion, das auf Frauen fokussiert ist. Die Regierung hat als Erweiterung des BISP das Ehsaas Programm eingeführt, das während der ersten Welle der Covid-19-Pandemie zum Einsatz kam. Es agiert ebenfalls als Geldtransferprogramm und beinhaltete für das Jahr 2020 monatliche Geldzahlungen an 15 Millionen vulnerable Haushalte (BS 25.2.2022). Es verstärkte das BISP, indem es die Kriterien zur Anspruchsberechtigung erweitert und somit mehr Menschen miteingeschlossen hat (WFP 1.2.2022). Laut einer Evaluierung der Weltbank erreichten die Notfallzahlungen des Ehsaas-Programmes knapp über 100 Millionen Menschen und waren damit von der Reichweite das viertgrößte Programm weltweit (WB 14.5.2021).
Ehsaas wurde dauerhaft als Schirmorganisation eingerichtet, bei der das BISP nur noch eine von 34 Verwaltungseinheiten darstellt (TET 11.7.2021). Als zentrale, für soziale Wohlfahrt zuständige Stelle, wurde die "Poverty Alleviation and Social Safety Division" eingerichtet, die im allgemeinen Gebrauch auch Ehsaas-Ministerium genannt wird. Zuvor waren für einzelne soziale Programme unterschiedliche Einrichtungen bei verschiedenen Ministerien zuständig, diese wurde nun gebündelt. So wurden die bestehenden Schemen der staatlichen sozialen Wohlfahrt Zakat und Ushr, das BISP und Pakistan Bait-ul-Mal in die Struktur eingegliedert. Die Leistungen umfassen damit Stipendien, Katastrophenhilfe, verschiedene Geldtransferprogramme, Waisenheime, Suppenküchen, zinsfreie Kredite, Unterstützungsleistungen für Behinderte und bedürftige Frauen, Nahrungsmittelhilfen für Mütter und Kinder, Förderungen für bedürftige religiöse Minderheiten und mit der "Sehat Karte" eine Gesundheitsversicherung für Bedürftige. Insgesamt verfügt Ehsaas über mehr als 260 Einzelprogramme (PASSD 7.2.2021).
PASSD 7.2.2021
Ein Programm enthält eine monatliche Zahlung von 2.000 Rupien [ca. 10 Euro] an ärmere Familien mit einem behinderten Familienmitglied. Es umfasst 2 Millionen Familien. In einem weiteren werden 80.000 zinsfreie Kleinkredite für ärmere Haushalte zur Eröffnung von Geschäften vergeben, die Hälfte davon ist für Frauen reserviert (TET 11.7.2021). Das Ehsaas Waseela-e-Taleem Programm ist darauf ausgerichtet, den Grundschulzugang für Kinder ärmerer Familien zu fördern, indem es eine quartalsmäßige Beihilfe für jedes Kind von Ehsaas-Empfängern, das die Schule besucht, leistet. Buben erhalten in der Primarstufe 1.500 Rupien, in den Sekundarstufen 2.500 Rupien, Mädchen jeweils 500 Rupien mehr. Für die höheren Stufen erhöhen sich die Beihilfen. So erhielten 2021 nach offiziellen Angaben eine Million Schüler der Grundschule, 500.000 der Sekundarstufe und 225.000 Schüler der höheren Stufen diese Beihilfe (TET 19.7.2021).
Mit Abschluss der Entwicklung der nationalen sozio-ökonomischen Registrierung können nun Daten zu den sozialen Bedingungen erhoben und auf deren Grundlage die Förderungswürdigkeit bestimmt werden. Man kann auch selbstständig eine Registrierung beantragen, falls man nicht erfasst wurde (PASSD 1.2022). Die Erhebung der Bedürftigkeit und Anspruchsberechtigung geschieht über die Bürgerkarte der NADRA (PPI o.D.; vgl. WFP 1.2.2022).
Die Geldtransferprogramme sind ein wichtiges Mittel zur Armutsreduktion, auch wenn ihre Nachhaltigkeit Fragen offen lässt. Das Ehsaas-Programm stellt eine bedeutende Ausdehnung des Benazir Bhutto Income Program dar, das auf ganz Pakistan angewendet wird. Es ist damit eine signifikante Erweiterung des Systems der sozialen Wohlfahrt, doch Verbesserungen in anderen Formen der Wohlfahrt blieben begrenzt (BS 25.2.2022).
Leistungen der Sozialversicherung, staatliche Altersversorgung
Mitarbeiter der Bundes- und Provinzregierungen, der Regierung von Azad Jammu Kaschmir, der Streitkräfte und der halbstaatlichen / autonomen Einrichtungen sind rentenberechtigt (IOM 2021). Alle Staatsbediensteten erhalten damit bei Eintritt in den Ruhestand eine Pension, ebenso Mitarbeiter von Unternehmen, die bei der Employees' Old Age Benefits Institution registriert sind (ILO 2019). Im Pensionssystem sind Angestellte von Unternehmen mit mehr als fünf Personen erfasst. Pensionsberechtigt sind Männer ab 60 und Frauen ab 55 Jahren mit mindestens 15 Beitragsjahren (USSSA 3.2019). Das Rentensystem bietet den Versicherten oder ihren Hinterbliebenen folgende vier Arten von Leistungen: Altersrente oder gekürzte Rente, Hinterbliebenenrente, Invaliditätsrente und Altersbeihilfe, wenn ein Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Rente hat. Da nur Arbeitskräfte des formellen Sektors Anspruch auf Renten haben, kann nur ein kleiner Teil der Bevölkerung im fortgeschrittenen Alter die Vorteile des Rentensystems in Anspruch nehmen. Die ältere Bevölkerung, die im informellen Sektor arbeitet, bekommt diese Sozialversicherungsleistungen nicht (IOM 2021).
Einige Altersheime werden in den größeren Städten über das staatliche Pakistan Bait-ul-Maal bzw. die Departments für Soziale Wohlfahrt der Provinzen betrieben. Bedürftige ältere Personen gehören auch zu den Gruppen, die Anspruch auf Leistungen aus dem Zakat-System haben, doch im Allgemeinen ist das Sozialsystem für Ältere begrenzt (ILO 2019).
Pakistan hat auf Ebene der Provinzen Schemen einer Arbeitsunfallversicherung eingeführt. Die Abdeckung ist allerdings ebenfalls begrenzt, zum einen aufgrund der Struktur des Arbeitsmarktes mit einem hohen Anteil an Arbeitskräften in der informellen Wirtschaft, sowie zum anderen durch Anstellungspraktiken, die häufig eine Minderregistrierung oder keine Registrierung der Arbeiter aufweisen (ILO 1.9.2021).
In den Provinzen sind Employees’ Social Security Institutions (ESSIs) eingerichtet. Sie bieten Renten für die Familien von Arbeitnehmern, die bei Arbeitsunfällen ums Leben gekommen sind. Finanziert durch eine zusätzliche Abgabe von 6-7 Prozent der Lohnsumme, die vom Arbeitgeber gezahlt wird, bieten die ESSIs Mutterschafts- und Krankheitsleistungen, Leistungen bei Invalidität und Verletzungen. Einige Dienstleistungen für gering bezahlte Arbeitnehmer in Wirtschaftsunternehmen werden ebenfalls durch die ESSI angeboten. Der Workers’ Welfare Fund stellt Wohnkolonien für Arbeiter in Industriegebieten bereit und betreibt Fair-Price-Shops in Industriegebieten mit ermäßigten Preisen (ILO 2019).
Die bestehenden Sozialversicherungssysteme schließen die Beschäftigten in der informellen Wirtschaft aus, indem sie nur die Beschäftigten in der formellen Wirtschaft abdecken. Das DWCP (Decent Work Country Programme) (2016-22) soll die Herausforderung angehen, die bestehenden Sozialschutzsysteme zu erweitern und nachhaltiger zu gestalten. In Zusammenarbeit mit der ILO wurde eine Einheit innerhalb des Ehsaas-Programmes eingesetzt (Labour Social Protection Expert Group, Mazdoor ka Ehsaas), die an der Einbeziehung der Arbeitskräfte in der informellen Wirtschaft in das Sozialversicherungssystem arbeitet (ILO o.D.; vgl PASSD 7.2.2021). Pilotprojekte zur Gesundheitsversicherung der ärmeren Bevölkerung wurden in Khyber Pakhtunkhwa und Gilgit Baltistan mithilfe der German Development Bank (KfW) umgesetzt und auf ganz Pakistan ausgedehnt. Es ist damit eines der weltweit größten Gesundheitsversicherungsschemen für die ärmere Bevölkerung (OPM o.D.). Die Provinzregierung von Khyber Pakthunkhwa hat mit einem Projekt begonnen, das auf eine Gesundheitsversicherung für alle Einwohner der Provinz zielt (BS 25.2.2022).
Private Wohlfahrtsleistungen
Die Edhi Foundation ist die größte private Wohlfahrtstiftung Pakistans und eine der größten weltweit. Das Leistungsspektrum umfasst u.a. Fortbildungen für Arbeitslose, Hilfe für Obdachlose, Heime für Waisen, Behinderte, misshandelte Frauen und Senioren, Rettungswägen, kostenlose Versorgung in Krankenhäusern und Apotheken, Rehabilitation von Drogenabhängigen, kostenlose Heilbehelfe oder Hilfsmaßnahmen bei Naturkatastrophen (Edhi o.D.).
Die pakistanische Entwicklungshilfeorganisation National Rural Support Programme (NRSP) bietet Mikrofinanzierungen und andere soziale Leistungen zur Entwicklung der ländlichen Gebiete an. Sie ist in 70 Bezirken der vier Provinzen – inklusive Azad Jammu und Kaschmir – aktiv. NRSP arbeitet mit mehr als 3,4 Millionen armen Haushalten zusammen, welche ein Netzwerk von ca. 217.000 kommunalen Gemeinschaften bilden. Sie ist damit die größte Entwicklungshilfeorganisation für die ländliche Region in Pakistan (NRSP o.D.b).
Quellen:
BMZ - Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung [Deutschland] (o.D.): Soziale Situation Der lange Weg zur Verwirklichung der "Vision 2025", https://www.bmz.de/de/laender/pakistan/soziale-situation-15408, Zugriff 25.2.2022
BS - Bertelsmann Stiftung (25.2.2022): Bertelsmann Transformation Index, Pakistan Country Report 2022, https://bti-project.org/de/reports/country-report/PAK#pos13, Zugriff 3.3.2022
Edhi - Edhi Foundation (o.D.): About Edhi Foundation, https://edhi.org/about-us/, Zugriff 28.2.2022
ILO - International Labour Organization (1.9.2021): World Social Protection Report 2020–22, https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---dgreports/---dcomm/---publ/documents/publication/wcms_817572.pdf, Zugriff 28.2.2022
ILO - International Labour Organization (2019): Mapping Social Protection Systems in Pakistan, https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---asia/---ro-bangkok/---ilo-islamabad/documents/publication/wcms_737630.pdf, Zugriff 7.3.2022
ILO - International Labour Organization (o.D.): Social security in Pakistan, https://www.ilo.org/islamabad/areasofwork/social-security/lang--en/index.htm, Zugriff 27.2.2022
IOM - International Organization for Migration (2021): Länderinformationsblatt Pakistan 2021, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2021_Pakistan_DE.pdf, Zugriff 25.2.2022
NRSP - National Rural Support Programme (o.D.b): About NRSP, http://www.nrsp.org.pk/about.html, Zugriff 3.3.2022
OPM - Oxford Policy Management Ltd. (o.D.): Social Health Protection Initiative in Pakistan, https://www.opml.co.uk/projects/social-health-protection-initiative-in-pakistan, Zugriff 3.3.2022
PASSD - Poverty Alleviation and Social Safety Division [Pakistan] (1.2022): What is Ehsaas?, https://pass.gov.pk/Detail92a7fc95-647d-43bd-a86c-477897e596e2, Zugriff 5.3.2022
PASSD - Poverty Alleviation and Social Safety Division [Pakistan] (7.2.2021): Ehsaas strategy, post COVID 19, https://www.pass.gov.pk/Document/Downloads/Ehsaas%20Strategy%20Post%20COVID%20February%207%202021.pdf, Zugriff 5.3.2022
PPI - Preparationpoint.info (o.D.): NSER Program Online Registration 2021 – 2022 Check by CNIC, https://preparationpoint.info/daily-top-20-mcqs/nser-program-online-registration-2021/#NSER_survey_2021, Zugriff 6.3.2022
TET - The Express Tribune (19.7.2021): Waseela-e-Taleem to add 1.75m more students, https://tribune.com.pk/story/2311352/waseela-e-taleem-to-add-175m-more-students, Zugriff 10.3.2022
TET - The Express Tribune (11.7.2021): Ehsaas and BISP: What is the difference?, https://tribune.com.pk/story/2309884/ehsaas-and-bisp-what-is-the-difference, Zugriff 28.2.2022
USSSA - US Social Security Administration [USA] (3.2019): Social Security Programs Throughout the World: Asia and the Pacific, 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005518/pakistan.pdf, Zugriff 10.3.2022
WB - World Bank (14.5.2021): Social Protection and Jobs Responses to COVID-19 : A Real-Time Review of Country Measures, file:///home/ms5293/Downloads/Social-Protection-and-Jobs-Responses-to-COVID-19-A-Real-Time-Review-of-Country-Measures-May-14-2021.pdf, Zugriff 3.3.2022
WFP - World Food Programme (1.2.2022): Food security and diets in urban Asia : How resilient are food systems in times of Covid 19?, https://docs.wfp.org/api/documents/WFP-0000136366/download/, Zugriff 22.2.2022
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 22.03.2022
Der Gesundheitssektor des Landes ist gleichermaßen durch ein Stadt-Land-Gefälle in der Gesundheitsversorgung und ein Ungleichgewicht bei den Arbeitskräften im Gesundheitswesen gekennzeichnet. Es mangelt an medizinischen Fachkräften, Krankenschwestern, Sanitätern und qualifiziertem Gesundheitspersonal, insbesondere in den Randgebieten (TSOP 2020). Trotz einer ausgefeilten und umfangreichen Gesundheitsinfrastruktur leidet die Gesundheitsversorgung unter einigen zentralen Problemen wie dem hohen Bevölkerungswachstum, der ungleichen Verteilung der medizinischen Fachkräfte, dem Mangel an Arbeitskräften, der unzureichenden Finanzierung und dem begrenzten Zugang zu qualitativ hochwertigen Gesundheitsdiensten (WHO o.D.).
Insgesamt basiert das System der Gesundheitsversorgung in Pakistan auf zwei Hauptsäulen, zu denen öffentliche und private Gesundheitseinrichtungen gehören (IOM 30.3.2021; vgl. WHO o.D.) - wobei in den privaten, anders als in den öffentlichen, entsprechende Kosten für die Behandlung anfallen (IOM 30.3.2021). Nach der Verfassung fällt das Gesundheitswesen in erster Linie in die Zuständigkeit der Provinzregierung, außer in den auf Bundesebene verwalteten Gebieten. Die Gesundheitsversorgung wird traditionell von der Bundes- und der Provinzregierung gemeinsam verwaltet, wobei die Distrikte hauptsächlich für die Umsetzung verantwortlich sind. Der Staat stellt die Gesundheitsversorgung über ein dreistufiges Gesundheitssystem und eine Reihe von Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit sicher. Die erste Ebene zur primären medizinischen Versorgung umfasst Stellen zur medizinischen Grundversorgung ("basic health units") und ländliche Gesundheitszentren ("rural health centers"). Notfall-, ambulante und stationäre Versorgung wird auf der sekundären Versorgungsebene durch Tehsil Headquarter Hospitals (THQs) und District Headquarter Hospitals (DHQs) angeboten, auf tertiärer Versorgungsebene auch durch Lehrkrankenhäuser (WHO o.D.).
Die Aktivitäten des öffentlichen Gesundheitswesens haben in Bezug auf die materielle Infrastruktur und das Personal stetig zugenommen. Die nationale Gesundheitsinfrastruktur umfasst 1.201 Krankenhäuser, 5.518 Stellen zur medizinischen Grundversorgung ("basic health units"), 683 Gesundheitszentren für den ländlichen Raum, 5.802 Apotheken ("dispensaries"), 731 Zentren für Mutterschaft und Kindergesundheit sowie 347 Tuberkulosezentren. Darüber hinaus bieten mehr als 95.000 Gesundheitshelferinnen in sogenannten "health houses" eine medizinische Grundversorgung an. Angesichts der wachsenden Bevölkerung versucht der private Sektor, die Lücke zwischen der steigenden Nachfrage und den begrenzten öffentlichen Gesundheitseinrichtungen zu schließen. Die Zahl der privaten Krankenhäuser, Kliniken und Diagnoselabors hat erheblich zugenommen. Sogenannte stand-alone clinics - meist von Einzelnen betrieben - sind die wichtigsten Anbieter ambulanter Gesundheitsversorgung (WHO o.D.).
In öffentlichen Krankenhäusern kann man sich bei Bedürftigkeit kostenlos behandeln lassen. Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies auf schwierige Operationen, z. B. Organtransplantationen, nicht zu. Hier können zum Teil gemeinnützige Stiftungen die Kosten übernehmen (AA 28.9.2021). Das Ministerium für nationale Gesundheitsdienste, Regulierung und Koordination hat in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation und der Marie Stopes Gesellschaft Pakistan das "Sehat Sahulat Programm" ins Leben gerufen (WHO 31.8.2021; vgl. Dawn 18.1.2022) - ein Pilotprojekt zur Krankenversicherung für ambulante Patienten im Hauptstadtgebiet von Islamabad (WHO 31.8.2021), wobei bis Ende 2021 das Programm ausgeweitet wird, sodass auch alle ständigen Einwohner des Hauptstadtgebiets von Islamabad (ICT), Punjab und Gilgit-Baltistan in den Genuss der Initiative kommen (TNI 12.11.2021). Im Rahmen des Pilotprojekts werden ambulante Leistungen der primären Gesundheitsversorgung durch Allgemeinmediziner unter Verwendung des Essential Package of Health Services erbracht, einschließlich Leistungen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der Familienplanung (WHO 31.8.2021). Die Initiative bietet der allgemeinen Bevölkerung aus unteren sozio-ökonomischen Schichten die Möglichkeit, ihre privaten Krankenhauskosten von der Regierung übernehmen zu lassen. Die "Sehat Insaaf Card" (auch Qaumi Sehat Card), ist für jeden erhältlich, der unterhalb der Armutsgrenze lebt (d. h., mit einem Einkommen von weniger als 2 US-Dollar (1,68 Euro) pro Tag. Die Karte ist ein Jahr gültig (IOM 30.3.2021; vgl. Dawn 18.1.2022). Sie deckt die kostenlose Behandlung von fast allen wichtigen Krankheiten ab und bietet auch eine individuelle Finanzhilfe für Personen mit schweren Krankheiten/Behinderungen, Witwen und Invaliden mit unterhaltsberechtigten Kindern, Waisen, Studenten mit nachgewiesenen und beständigen akademischen Leistungen und mittellose Personen. COVID-19-Tests in ausgewiesenen Testeinrichtungen des öffentlichen Sektors werden kostenlos angeboten, in privaten Testeinrichtungen sind sie jedoch kostenpflichtig (IOM 30.3.2021). Im Rahmen des Programms erhalten die angemeldeten Familien kostenlosen Zugang zu Gesundheitsdiensten in zugelassenen Krankenhäusern - die Leistungen werden über Qaumi Sehat Cards erbracht und unterstützt Krankenhausaufenthalte und die Behandlung chronischer Krankheiten. Es handelt sich um ein bargeldloses Programm, bei dem die Begünstigten nur die Karte benötigen, um Leistungen in Anspruch zu nehmen. Bis Ende 2021 waren insgesamt 13,26 Millionen Familien eingeschrieben und mehr als 800.000 Begünstigte haben Leistungen von über 600 zugelassenen Krankenhäusern, einschließlich Privatkliniken, in ganz Pakistan in Anspruch genommen (Dawn 18.1.2022). Das Ministerium für Gesundheitsdienste meldete im Januar 2022, dass die Zahl der Krankenhäuser, die Teil des "Sehat Sahulat-Programms" sind, bis März 2022 auf 1.000 erhöht werden soll (DT 11.1.2022). Da Sindh und Belutschistan das Programm jedoch [Anm.: mit Stand Jänner 2022 noch] nicht übernommen haben, gilt eine große Zahl von Menschen, deren Eltern, in einigen Fällen auch Großeltern, in den 1960er Jahren nach Islamabad kamen, immer noch nicht als Einwohner in der Stadt, da ihre ständigen Adressen in Sindh und Belutschistan auf ihren CNICs (Computerised National Identity Card) eingetragen sind. Der Sprecher des Ministeriums für nationale Gesundheitsdienste (NHS), sagte, dass die Gesundheitskarten unter Berücksichtigung der auf den CNICs vermerkten ständigen Adressen ausgestellt würden, es jedoch für jene Personen die über Eigentum in Islamabad verfügen möglich sei, ihre ständige Adresse ändern zu lassen (Dawn 18.1.2022).
Die nicht-staatliche Entwicklungshilfeorganisation Aga Khan Development Network (AKDN) betreibt landesweit über 450 Kliniken, fünf weiterführende Krankenhäuser in Karatschi, Hyderabad und Gilgit sowie das Aga Khan University Hospital in Karatschi. Darüber hinaus arbeitet die Aga Khan Foundation mit lokalen Regierungen zusammen, um eine Reihe von gesundheitsbezogenen Initiativen zu unterstützen, die den Zugang zur medizinischen Grundversorgung verbessern sollen (AKDN o.D.). Einige staatliche/halbstaatliche Organisationen wie die Streitkräfte, halbstaatliche Unternehmen wie Sui Gas, WAPDA, die Eisenbahn, die Fauji Foundation und die Employees Social Security Institution, bieten ihren Mitarbeitern und deren Angehörigen Gesundheitsdienste über ihr eigenes System an, die jedoch insgesamt nur etwa 10 % der Bevölkerung abdecken (WHO o.D.).
In der Stadt Quetta in der Provinz Belutschistan hat die Polizei im November 2021 19 Ärzte festgenommen, weil sie eine Verbesserung der Bedingungen in den öffentlichen Krankenhäusern, Medikamente für die Patienten und moderne medizinische Ausrüstung und die Sicherheit von Ärzten und paramedizinischem Personal gefordert hatten (Dawn 29.11.2021).
Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt. Hierfür muss in Pakistan nur ein Bruchteil der in Deutschland anfallenden Kosten aufgewendet werden, sodass sie für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich ist (AA 28.9.2021).
Psychische Gesundheitsprobleme sind in Pakistan ein Tabuthema, über das man nicht spricht. Dies wirkt sich ungünstig auf die Qualität der Versorgung von Menschen aus, die an psychischen Krankheiten leiden. Scham aufgrund von psychischen Problemen sowie Vorurteile gegenüber Patienten und Familien halten Menschen davon ab, psychologische Hilfe und psychiatrische Versorgung in Anspruch zu nehmen. Zudem genießt die psychische Gesundheit keine hohe Priorität. Außerdem ist es durchaus üblich, sich bei körperlichen oder psychischen Erkrankungen an spirituelle oder traditionelle Heiler zu wenden, da die Menschen psychische Erkrankungen in der Regel als Folge übernatürlicher Einflüsse wahrnehmen. So genannte Glaubensheiler sind in Pakistan eine wichtige Quelle für die Versorgung von Menschen mit psychischen Problemen, insbesondere für Frauen und Menschen mit geringer Bildung (TSOP 2020).
In Pakistan sind etwa 400 qualifizierte Psychiater tätig. Die meisten Psychiater gibt es in Städten, obwohl im ganzen Land auch Stellen für Bezirkspsychiater geschaffen wurden. Der Mental Health Atlas 2017 der WHO berichtet, dass es nur vier große psychiatrische Krankenhäuser im Land gibt, mit 344 stationären Einrichtungen und 654 psychiatrischen Einheiten in allgemeinen Krankenhäusern (TSOP 2020). Der Mangel an Psychiatern in peripheren Regionen sowie die Kosten der Behandlung sind für durchschnittliche Menschen unleistbar (Dawn 13.5.2019; vgl. Dawn 31.12.2020). Abseits davon ist beispielsweise die Telefonseelsorge Talk2Me kostenlos und rund um die Uhr erreichbar und führt 75-90 psychologische Beratungen pro Woche durch (Dawn 13.5.2019).
Anm.: Weitere Informationen zur Lage betreffend Covid-19 sind dem Kapitel "Covid-19" zu entnehmen.
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.9.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Mai 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2061523/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Mai_2021%29%2C_28.09.2021.pdf, Zugriff 8.2.2022
AKDN - Aga Khan Development Network (o.D.): Pakistan – Health, https://www.akdn.org/where-we-work/sout-asia/pakistan/health-pakistan, Zugriff 4.2.2022
Dawn (18.1.2022): Govt hopes Sehat Sahulat Programme will address health issues, https://www.dawn.com/news/1670009/govt-hopes-sehat-sahulat-programme-will-address-health-issues, Zugriff 8.2.2022
Dawn (29.11.2021): 19 doctors arrested for blocking key roads in Quetta, https://www.dawn.com/news/1660825/19-doctors-arrested-for-blocking-key-roads-in-quetta, Zugriff 8.2.2022
Dawn (31.12.2020): Pakistan's silent suicide problem, https://www.dawn.com/news/1494208/pakistans-silent-suicide-problem, Zugriff 8.2.2022
Dawn (13.5.2019): Why are more Pakistanis taking their own lives?, https://www.dawn.com/news/1481826/why-are-more-pakistanis-taking-their-own-lives, Zugriff 8.2.2022
DT - Daily Times (11.1.2022): Number of hospitals to be increased 1000 under "Sehat Sahulat program" by March: CEO, https://dailytimes.com.pk/867194/number-of-hospitals-to-be-increased-1000-under-sehat-sahulat-program-by-march-ceo/, Zugriff 8.2.2022
IOM - International Organization for Migration (30.3.2021): INFORMATION on the socio-economic situation in Pakistan, per Email
TNI - The News International (12.11.2021): All set for expansion of Sehat Sahulat Programme, https://www.thenews.com.pk/print/908098-all-set-for-expansion-of-sehat-sahulat-programme, Zugriff 8.2.2022
TSOP - Taiwanese Journal of Psychiatry (2020): Mental Health Care in Pakistan, https://e-tjp.org/article.asp?issn=1028-3684;year=2020;volume=34;issue=1;spage=6;epage=14;aulast=Javed;type=3, Zugriff 8.2.2022
WHO - World Health Organization (31.8.2021): Launch of "Sehat Sahulat" programme, http://www.emro.who.int/pak/pakistan-news/launch-of-sehat-sahulatq-programme.html, Zugriff 8.2.2022
WHO - World Health Organization (o.D.): Pakistan, http://www.emro.who.int/pak/programmes/service-delivery.html, Zugriff 4.2.2022
Rückkehr
Letzte Änderung: 22.03.2022
Die Rückführung von pakistanischen Staatsangehörigen ist nur mit gültigem pakistanischen Reisepass oder mit einem von einer pakistanischen Auslandsvertretung ausgestellten nationalen Ersatzdokument möglich, nicht aber mit europäischen Passersatzdokumenten (AA 28.9.2021). Für pakistanische Staatsangehörige gibt es keine Einreisebeschränkungen, wenn sie freiwillig zurückkehren wollen (IOM 30.3.2021). In den meisten Fällen geschieht die Ausreise mit gültigen Reisepapieren. Freiwillige Rückkehrer mit gültigen Reisedokumenten werden von den Grenzbehörden wie alle anderen Pakistani, die aus dem Ausland einreisen, behandelt. Zwangsweise Rückgeführte erregen mehr Aufmerksamkeit und wenn vermutet wird, dass die Ausreise illegal war, werden sie von den Grenzbehörden befragt. Wenn keine Vorwürfe vorliegen, wird die Person normalerweise nach einigen Stunden entlassen (DFAT 25.1.2022).
Zurückgeführte haben bei ihrer Rückkehr nach Pakistan allein wegen der Stellung eines Asylantrags weder mit staatlichen Repressalien noch mit gesellschaftlicher Stigmatisierung zu rechnen. Eine über eine Befragung hinausgehende besondere Behandlung Zurückgeführter ist nicht festzustellen. Die pakistanischen Behörden erfragen lediglich, ob die Rückkehrer Pakistan auf legalem Weg verlassen haben. Im Falle einer illegalen Ausreise ist grundsätzlich eine Geld- oder Haftstrafe, bis zu sechs Monate, möglich (AA 28.9.2021). Unter gewissen Voraussetzungen verstoßen Pakistani nämlich mit ihrer Ausreise gegen die Emigration Ordinance (1979) oder gegen den Passport Act, 1974. Laut Auskunft der International Organization for Migration IOM werden Rückkehrende aber selbst bei Verstößen gegen die genannten Rechtsvorschriften im Regelfall nicht strafrechtlich verfolgt. Es sind vereinzelte Fälle an den Flughäfen Islamabad, Karatschi und Lahore bekannt, bei denen von den Betroffenen bei der Wiedereinreise Schmiergelder in geringer Höhe verlangt wurden. Rückkehrende, die nicht über genügend finanzielle Mittel verfügen, um Schmiergelder zu zahlen, wurden in einigen Fällen inhaftiert (ÖB 12.2020). Nach einem anderen Bericht werden Personen, die illegal ausgereist sind, in Haft genommen und normalerweise nach einigen Tagen bei Bezahlung einer Strafe entlassen. Personen, die aufgrund eines Verbrechens in Pakistan gesucht werden oder im Ausland eine schwere Straftat begangen haben, werden verhaftet oder müssen sich regelmäßig bei der Polizei melden (DFAT 25.1.2022). Dem deutschen Auswärtigen Amt ist kein Fall bekannt, in dem aus Deutschland abgeschobene pakistanische Staatsangehörige inhaftiert wurden. Aus Ländern wie der Türkei und aus den Staaten der Europäischen Union finden regelmäßig Abschiebungen nach Pakistan statt (AA 29.8.2021).
Personen, die nach Pakistan zurückkehren, erhalten keinerlei staatliche Wiedereingliederungshilfen oder sonstige Sozialleistungen. EU-Projekte, wie z.B. das European Return and Reintegration Network (ERRIN), sollen hier Unterstützung leisten (AA 28.9.2021). Derzeit gibt es keine von IOM Österreich durchgeführten Reintegrationsprojekte in Pakistan. Allerdings können freiwillige Rückkehrer aus Österreich nach Pakistan durch das ERRIN-Projekt unterstützt werden. Dieses wird von einer NGO in Pakistan durchgeführt und bietet freiwillig und zwangsweise rückgeführten Personen Wiedereingliederungshilfe an, abhängig von ihrer Berechtigung, die von dem jeweiligen europäischen Land festgelegt wird. Einige Organisationen helfen bei der Gründung von Kleinunternehmen, indem sie finanzielle Unterstützung für Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, in Form von Krediten oder Mikrokrediten unterstützen, z. B. die KASHF-Stiftung oder die Jinnah Welfare Society (IOM 30.3.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.9.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Mai 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2061523/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Mai_2021%29%2C_28.09.2021.pdf, Zugriff 10.3.2022
DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (25.1.2022): Country Information Report - Pakistan - January 2022, https://www.ecoi.net/en/file/local/2067350/country-information-report-pakistan.pdf, Zugriff 7.2.2022
IOM - International Organization for Migration (30.3.2021): Information on the socio-economic situation in Pakistan, per Email
ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (12.2020): Asylländerbericht Pakistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2050270/PAKI_%C3%96B-Bericht_2020_12.pdf, Zugriff 10.3.2022
Kinder
Letzte Änderung: 23.03.2022
Registrierung und Staatsbürgerschaft
Die Staatsbürgerschaft wird im Allgemeinen über die Geburt im Land bestimmt. Kinder, die nach 2000 im Ausland geboren wurden oder werden, können ihre Staatsbürgerschaft über Abstammung geltend machen, wenn entweder die Mutter oder der Vater Staatsbürger sind und die Kinder bei den zuständigen Behörden registriert sind (USDOS 30.3.2021). Seit 2000 werden auch alle Kinder einer pakistanischen Mutter und eines Vaters mit fremder Staatsbürgerschaft automatisch als pakistanische Staatsbürger betrachtet (UKHO 6.2020). Kinder von Flüchtlingen oder staatenlosen Personen in Pakistan erhalten nicht die Staatsbürgerschaft über die Geburt im Land (USDOS 30.3.2021).
Die Geburtenregistrierung hat sich verbessert, doch waren beim letzten Demographic and Health Survey 2017-18 immer noch 57,8 Prozent aller Unter-5-Jährigen nicht registriert. Pakistan liegt sowohl im internationalen als auch im regionalen Vergleich zurück. Eine Geburtenregistrierung ist für die Ausstellung einer Identitätskarte sowie eines Reisepasses notwendig [siehe auch Kapitel Registrierungswesen] (UniB 16.7.2021). Sie ist damit auch Voraussetzung für den offiziellen Zugang zu vielen staatlichen Dienstleistungen, wie die Einschreibung an öffentlichen Schulen (bolo 1.2022; vgl. CRCA 11.2021).
Schulbesuch
Die Verfassung sieht vor, dass für alle Kinder zwischen dem 5. und 16. Lebensjahr eine Schulpflicht samt kostenlosem Schulbesuch besteht. Dennoch stellen die staatlichen Schuleinrichtungen den Eltern oft Kosten für Bücher, Schuluniformen und andere Materialien in Rechnung (USDOS 30.3.2021). Das Bildungssystem hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. Nach wie vor brechen aber zu viele Kinder die Schule vorzeitig ab oder erhalten gar keine Schulbildung (BMZ o.D.). Schon vor der COVID-19-Pandemie gingen in Pakistan über 5 Millionen Kinder im Grundschulalter nicht zur Schule, die meisten von ihnen Mädchen. Gründe für das Fernbleiben vieler Mädchen ist der Mangel an Schulen, die mit dem Schulbesuch verbundenen Kosten, Kinderheirat, schädliche Kinderarbeit und geschlechtsspezifische Diskriminierung (HRW 13.1.2022). Dabei verhindern traditionelle Vorstellungen in den Stammesgebieten oft den Schulbesuch von Mädchen. Aber auch weiter verbreitete kulturelle Vorstellungen gehen davon aus, dass Buben und Mädchen nach der Grundschule getrennt unterrichtet werden sollten. Aber oft gibt es keine getrennten Klassen und es gibt mehr öffentliche Schulen für Buben als für Mädchen. In vielen ländlichen Gebieten sind öffentliche Schulen, insbesondere über die Grundschule hinaus, nicht vorhanden bzw. für Mädchen zu weit weg, um sie unbegleitet zu erreichen (USDOS 30.3.2021). Das Committee on the Rights of the Child (CRC) listet auch ein geringes Budget für Kinder-, Gesundheits- und Bildungsangelegenheiten als ein Problemfeld im Kinderrechtsbereich auf (ÖB 12.2020).
Schulschließungen zum Schutz vor der Ausbreitung von COVID-19 betrafen fast 45 Millionen Schüler. Mangelhafte Internetverbindungen behinderten den Onlineunterricht (HRW 13.1.2022). Letzterer kam außerdem nur jenen zu Gute, welche die entsprechende technische Ausstattung hatten. Schüler aus Familien mit niedrigerem Einkommen und außerhalb der großen Städte hatten keinen Zugang zu Onlineunterricht (HRCP 2021).
Für ehemals binnenvertriebene Kinder ist es schwierig, nach der Rückkehr in die ehemaligen Konfliktzonen Bildungseinrichtungen zu besuchen. Die Provinzregierung von Khyber Pakhtunkhwa hat einige der 1.800 Schulen in den ehemaligen FATA, wohin eine große Anzahl an Menschen zurückgekehrt ist, wiederaufgebaut. Für die Regierung hat der Wiederaufbau der Schulen und der Schulbesuch der Kinder Priorität. Die Zahl der Kinder, die nicht zur Schule gehen, hat sich verringert (USDOS 30.3.2021).
Die kostenlose Schulpflicht ist unabhängig von der Nationalität. Alle registrierten afghanischen Flüchtlingskinder haben somit theoretisch Zugang zu den öffentlichen Bildungseinrichtungen. Der Zugang wird allerdings durch die Verfügbarkeit von Plätzen bestimmt. Die meisten afghanischen Kinder besuchen private Schulen, die durch die internationale Gemeinschaft finanziert werden (USDOS 30.3.2021).
Gewalt und Ausbeutung; Kinderarbeit
Häusliche Gewalt und sexueller Missbrauch sowie sexuelle Ausbeutung von Kindern sind weit verbreitet. Vergewaltigung von Kindern ist ebenfalls verbreitet, darunter auch traditionelle Formen des Missbrauchs von Knaben in den Stammesgebieten (DFAT 25.1.2022). Die Kinderrechtsorganisation Sahil sammelte in einer Auswertung verschiedener Tageszeitungen für das Jahr 2020 Medienberichte zu 2.960 Fällen von sexueller Gewalt gegen Kinder inklusive Kinderheiraten und Entführungen. Die tatsächliche Zahl ist laut Experten höher (Sahil o.D.a; vgl. HRCP 2021). 215 Fälle minderjähriger Opfer sexueller Gewalt vertrat Sahil im Jahr 2020 kostenlos vor Gericht (Sahil o.D.b).
Kinderarbeit ist weit verbreitet, unter anderem in der Teppichindustrie, in Steinbrüchen und in der Landwirtschaft. Viele Kinder arbeiten auch in Schuldknechtschaft (DFAT 25.1.2022). Schätzungen gehen von bis zu 12 Millionen Kindern in verschiedenen Formen der Kinderarbeit aus. Mädchen und Buben, die als Hausangestellte arbeiten, werden oft dazu sowie zu langen Arbeitszeiten gezwungen und misshandelt. Viele dieser Kinder sind Opfer von Menschenhandel (USDOS 30.3.2021).
Maßnahmen zum Schutz von Kindern wurden in einigen Teilen Pakistans eingeführt, darunter der Criminal Law Amendment Act (2016), der sexuellen Missbrauch von Kindern und Kinderpornographie strafrechtlich behandelt, sowie Gesetze gegen Kinderarbeit. Die Maßnahmen werden aber nicht effektiv umgesetzt (DFAT 25.1.2022). Im März 2020 wurde der Zainab Alert, Response and Recovery Act verabschiedet, der durch einen schnellen Eingreifmechanismus Verbrechen gegen Kinder reduzieren soll (HRCP 2021). Er stellt Kindesmisshandlung unter Strafe, die bis zu lebenslänglicher Haft reichen kann. In den ersten 6 Monaten nach der Einführung wurden 1.489 Anzeigen registriert, allerdings kam es nur in 20 Fällen zu einer Strafverfolgung (USDOS 30.3.2021).
Kinderehen, Zwangskonversionen
Kinderheirat ist nach wie vor ein ernstes Problem in Pakistan. 18 Prozent der Mädchen werden vor dem 18. Lebensjahr verheiratet, 4 Prozent vor dem 15. (HRW 13.1.2022). In ärmeren, ländlichen Gegenden verkaufen Familien ihre Töchter manchmal in eine Ehe und in einigen traditionellen Konfliktlösungspraktiken werden Mädchen trotz Verbots dieser Praxis zur Beilegung von Konflikten oder zur Tilgung von Schulden übergeben. Bundesgesetze legen das Heiratsalter auf 18 Jahre für Männer und 16 für Frauen fest. Gemäß Provinzgesetz liegt im Sindh das Heiratsalter für beide Geschlechter bei 18 Jahren (USDOS 30.3.2021). Der Criminal Law (Third Amendment) Act 2011 führte u.a. eine härtere Bestrafung bestimmter Formen von Kinderzwangsheirat (Wanni, Swara, Budla-a-sulh) ein (ÖB 12.2020). Die Strafen für Kinderehen wurden außerdem 2017 deutlich auf fünf bis zehn Jahre Haft verschärft. Obwohl Kinderehen und Zwangsehen verboten sind, bleibt in vielen Fällen eine Strafverfolgung begrenzt und diese Praktiken kommen weiterhin vor (USDOS 30.3.2021).
Verschiedene Minderheitengruppen berichten über Entführungen mit Zwangsheiraten sowie Zwangskonversionen von christlichen, hinduistischen und Sikh-Mädchen durch muslimische Männer (HRCP 2021; vgl. USDOS 12.5.2021, HRW 13.1.2022). Die Zahl an Entführungen von Mädchen sollen Berichten zufolge mehrere Hundert pro Jahr betragen und auch sehr junge Mädchen betreffen. Religiöse Minderheiten sind dabei aufgrund ihrer wirtschaftlich marginalen Lage und der Auffassung, ihre Konversion zum Islam wäre wünschenswert, ein besonderes Ziel (DFAT 25.1.2022). Die NGO CSJ sammelte für das Jahr 2021 78 dokumentierte Fälle von Zwangskonversionen an Frauen und Mädchen der christlichen, hinduistischen und Sikh-Minderheit. Mindestens 76 Prozent waren minderjährig, 33 Prozent unter 14 Jahren (CSJ 2.2022). Die Regierung hat wenig unternommen, um solche Verheiratungen zu unterbinden (HRW 13.1.2022).
Marginalisierte Gruppen
Das Familienrecht gibt im Falle einer Scheidung klare Richtlinien vor, unter anderem in Bezug auf das Sorgerecht und Unterhaltsleistungen für minderjährige Kinder. Vielen Frauen sind diese rechtlichen Schutzbestimmungen nicht bekannt oder sie sind nicht in der Lage, zu deren Durchsetzung einen Rechtsbeistand heranzuziehen. Geschiedene Frauen stehen oft ohne jegliche Unterstützung da, weil sie von ihren Familien geächtet werden. Die Regierung unterhält landesweit zahlreiche staatliche Shaheed-Benazir-Bhutto-Frauenschutzzentren für Opfer von häuslicher Gewalt. Von diesen werden die Frauen in eines von landesweit mehreren hundert von den Provinzen verwalteten Frauen- und Kinderwohnheimen (Dar-ul-Aman) weitergeleitet (USDOS 30.3.2021). Außerdem gewähren NGOs Schutz in Frauenhäusern [siehe Kapitel Frauen, u.a. zu Problematiken der Frauenhäuser] (ÖB 12.2020).
Außereheliche sexuelle Beziehungen sind verboten und Kinder, die außerhalb einer Ehe gezeugt wurden, können nicht durch die staatliche Registrierungsbehörde NADRA registriert werden, solange sie nicht unter staatlicher Vormundschaft in einem Waisenheim leben. Außerdem erfahren sie starke gesellschaftliche Stigmatisierung (DFAT 25.1.2022). Für Waisen und Kinder, deren Eltern unbekannt sind, sind spezielle Regelungen für die Registrierung bei der NADRA festgelegt (CSC 1.2021). 4,6 Millionen Kinder in Pakistan sind laut UN Schätzung Waisen (TET 28.4.2021).
Schätzungen zufolge leben in Pakistan zwei Millionen Straßenkinder. Sexueller Missbrauch und Prostitution ist unter diesen weit verbreitet. Oft haben sie bereits vor ihrem Leben auf der Straße Gewalt erfahren. Die Regierung vernachlässigt die Thematik der Straßenkinder (CAPMH 13.11.2021).
Militante Gruppierungen rekrutieren Buben und Mädchen - manche davon erst zwölf Jahre alt - um sie als Späher, Kämpfer oder Selbstmordattentäter einzusetzen. Bei manchen wird den Eltern Geld bezahlt. Oftmals werden die Kinder sexuell und körperlich missbraucht und unter psychischen Druck gesetzt, um sie zu überzeugen, dass die Handlungen, die sie begehen, gerechtfertigt sind. Die Regierung betreibt in Swat eine Einrichtung zur Rehabilitation, Bildung und Wiedereingliederung ehemaliger Kindersoldaten (USDOS 30.3.2021).
Schutzeinrichtungen
Das Committee on the Rights of the Child listet die Einrichtung von nationalen und regionalen Kinderschutzzentren und Rehabilitationszentren für ehemalige Kinderarbeiter und Unterkünfte für Waisenkinder als Erfolg im Kinderrechtsbereich auf. Es gibt allerdings nach wie vor kein Pflegeelternmodell und private Waisen- und Schutzhäuser entsprechen oft nicht den erforderlichen Qualitätsstandards. Mehrere Hilfs- und Kinderrechtsorganisationen sind in den meisten größeren Städten Pakistans tätig (ÖB 12.2020). Pakistan Sweet Homes bietet in 36 Zentren in mehreren Städten Platz für 3.600 Waisenkinder (PSH o.D.a; vgl. PSH o.D.b). In den SOS Children Villages Pakistan sind um die 2.000 Waisenkinder untergebracht (SOS o.D.). Pakistan Children Relief unterhält ein Safe Home für Straßenkinder in Karatschi, wo 25 Kinder untergebracht werden (PCR o.D.a). Außerdem unterstützt es finanziell die Versorgung und Ausbildung von Waisen, die bei ihren Vormunden untergebracht sind (PCR o.D.b). Die private Edhi Foundation unterhält Frauenhäuser für Frauen, die häuslicher Gewalt entkommen sind sowie Heime für Waisen und verlassene Kinder (Edhi o.D.a). Die meisten Edhi-Einrichtungen verfügen über Babyklappen für ungewollte Kinder, z.B. aus illegitimen Beziehungen, die an Adoptiveltern vermittelt werden (Edhi o.D.b). Obwohl Adoptionen in einem strikten, westlichen Sinn in Pakistan nicht möglich sind, können Einzelpersonen die rechtliche Vormundschaft für ein Kind über den Guardians and Wards Act übernehmen (Shahid 3.7.2019).
Quellen:
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2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers und zu seinem Privat- und Familienleben:
Dass die Identität des Beschwerdeführers nicht feststeht, ergibt sich aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer im Verfahren keine Identitätsdokumente vorlegte. Seine im Verfahren vorgelegten Bildungsunterlagen können aus Sicht des erkennenden Gerichtes die fehlenden offiziellen Identitätsdokumente nicht ersetzen. Seinen Bildungsweg und seine bisherigen Tätigkeiten in Pakistan brachte der Beschwerdeführer im Verlauf des Verfahrens gleichlautend vor (AS 71; OZ 16, S 9), ebenso sein Religionsbekenntnis und seine Herkunft (OZ 16, S 9). Darüber hinaus legte der Beschwerdeführer Dokumente aus Pakistan vor, die sich mit seinen Angaben decken, wonach er einen Master-Abschluss in Botanik hält (OZ 14). Die Feststellungen zu seiner Einreise hat bereits die belangte Behörde getroffen und ergeben sich aus den im Verwaltungsakt liegenden CVIS Auszügen (AS 27ff). Darüber hinaus bestätigte der Beschwerdeführer selbst seine Einreisedaten nach Österreich über Italien und die erfolglose Visaantragstellung im Jahr 2016 (OZ 16, S 7).
Von den Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers konnte sich das erkennende Gericht selbst einen Eindruck verschaffen (OZ 16, S 6) und legte der Beschwerdeführer ein A2-Zertifikat vor (OZ 14). Die Hochzeit an sich und die Umstände, die zur Hochzeit führten, legte der Beschwerdeführer und seine Ehefrau gleichlautend dar (OZ 16, S 7ff bzw. Beilage zu OZ 16, S 2). Dass die Ehefrau des Beschwerdeführers insgesamt sieben Monate bei ihm in Pakistan lebte, wurde ebenso von beiden bestätigt (OZ 16, S 7ff bzw. Beilage zu OZ 16, S 2). Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zum Aufenthaltsstatus der Ehefrau sind unbestritten und ergeben sich (auch) aus dem im Zuge der mündlichen Verhandlung vorgelegten Konventionspass. Dass der Beschwerdeführer sich um seine Kinder kümmert und zB die älteste Tochter zum Kindergarten bringt und abholt, ist glaubhaft (OZ 16, S 6 bzw. OZ 17). Dass die älteste Tochter im Herbst eingeschult werden soll korrespondiert mit dem Alter der Tochter. Aus den vorgelegten Unterstützungsschreiben ergibt sich, dass der Beschwerdeführer offenbar losen Kontakt Landsleuten unterhält und dass er sich im Deutschkurs einbringt (OZ 14). Dass der Beschwerdeführer – wie in einem der Unterstützungsschreiben vorgebracht – in einem Cricket Club spielt, erwähnte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung nicht mehr, weswegen das erkennende Gericht davon ausgeht, dass – sofern der Beschwerdeführer überhaupt Cricket spielt – dies keinen wesentlichen Teil seines Lebens einnehmen kann. Kontakt zur österreichischen Mehrheitsbevölkerung war kaum feststellbar, der Beschwerdeführer brachte lediglich vor, dass er zwei Studenten kennengelernt hätte, er versuche sich mit diesen zu treffen und mit ihnen Deutsch zu sprechen. Soweit der Beschwerdeführer vorbrachte, er und seine Familie würden von seiner Schwägerin und seinem Schwager unterstützt (OZ 16, S 7), so wird dem nicht beigetreten, zumal die Ehefrau des Beschwerdeführers davon nichts berichtete, sondern als Lebensfinanzierung Kinderbetreuungsgeld, Familienbeihilfe und Mindestsicherung angab (Beilage 1 zu OZ 16, S 2). Dass der Beschwerdeführer keine Leistungen aus der Grundversorgung bezieht, ergibt sich aus dem seitens des erkennenden Gerichts eingeholten Auszug aus der amtlichen Datenbank, ebenso wie die Feststellung, dass der Beschwerdeführer nicht vorbestraft ist. Dass der Beschwerdeführer keiner Arbeit nachgeht, gab er selbst an (OZ 16, S 6). Dass die Eheleute miteinander Urdu und der Beschwerdeführer mit den Kindern Paschto redet, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers (OZ 16, S 8).
2.2. Zu den Fluchtgründen:
Die Feststellungen des erkennenden Gerichtes zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers beruhen auf folgenden Erwägungen:
Der Beschwerdeführer brachte keinerlei Verfolgungsgründe vor und zwar weder im Zuge der Erstbefragung, noch im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde, noch vor dem erkennenden Gericht. Der Beschwerdeführer gab im Zuge der Erstbefragung zu seinen Fluchtgründen befragt an, er wolle bei seiner Frau und seinem Kind in Österreich leben, da die Situation in Pakistan für seine Familie gefährlich sei (AS 14). Das erkennende Gericht hält in diesem Zusammenhang fest, dass der Beschwerdeführer dann auch im weiteren Verfahren nicht versuchte Fluchtgründe zu konstruieren, sondern wahrheitsgemäß auch vor der belangten Behörde angab, dass er nur wegen seiner Frau und seinem Kind in Österreich sei und es sonst keine Gründe gäbe und dies auch auf nochmalige Nachfrage im Zuge der Einvernahme durch die belangte Behörde aufrecht hielt (AS 72: "F: Sie werden dann noch einmal gefragt, weshalb Sie Ihre Heimat verlassen haben. Wurden Sie in Ihrer Heimat verfolgt, oder ist Ihnen persönlich jemals irgend etwas passiert? – A: Ich habe von Anfang an gesagt, dass es nur um die Frau und mein Kind geht.; Was hätten Sie nun persönlich bei einer Rückkehr in Ihr Heimatland Pakistan konkret zu befürchten? – A: Ich möchte nicht weg von meiner Frau und meinem Kind. Wir möchten hier zusammen als Familie leben. Ich möchte nur nicht getrennt sein, das ist alles."). Das erkennende Gericht hält dies nur für im höchsten Maße glaubhaft, zumal der Beschwerdeführer überhaupt keine Gründe hätte, hier nicht die Wahrheit anzugeben. Die in der Beschwerde geäußerten Vermutungen, dem Beschwerdeführer drohe im Falle der zwangsweisen Abschiebung Ungemach mit den pakistanischen Behörden, da diese davon ausgehen würden, dass der Beschwerdeführer den pakistanischen Staat in Misskredit gebracht hätte und müsste der Beschwerdeführer damit rechnen, dass er am Flughafen verhaftet werde, werden als spekulativ zurückgewiesen und entbehren jeglichem Tatsachensubstrat. Davon abgesehen erwähnte der Beschwerdeführer dies vor dem erkennenden Gericht auch nicht mehr (OZ 16, S 9: "RI: Was würde geschehen, wenn Sie in Ihr Heimatland zurückkehren müssen? – P: Ich kann mir nicht vorstellen mich von meiner Familie zu trennen und nach Pakistan zurückzugehen. Meine älteste Tochter und ich haben ein sehr enges Verhältnis und ich kann mir ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen.").
Das erkennende Gericht kommt daher zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer keiner Verfolgung in Pakistan ausgesetzt ist und dies im Falle der Abschiebung auch nicht zu befürchten hätte. Daran anschließend ergibt sich aus den oben angeführten beweiswürdigenden Überlegungen aber auch, dass der Beschwerdeführer von Anfang an plante, den gegenständlichen Asylantrag (und die damit rechtswidrige Einreise, zu dieser Qualifikation unten) ausschließlich vor dem Hintergrund der zuvor gescheiterten Familienzusammenführung zu stellen. Der Beschwerdeführer behauptete nicht einmal, dass er Verfolgung ausgesetzt gewesen sei und im Falle der Rückkehr Probleme zu befürchten hätte, sondern stellte immer klar, dass er ausschließlich zum Zwecke der Familienzusammenführung einreiste und den gegenständlichen Asylantrag stellte.
2.3. Zu den Länderberichten:
Zu den Feststellungen zur relevanten Sicherheitslage in Pakistan wird festgehalten, dass die Zahl an relevanten Terrorvorfällen seit mehreren Jahren sinkt und der Staat sehr große Anstrengungen erfolgreich unternimmt, die Sicherheitslage zu stabilisieren, was schon der Umstand zeigt, dass die Terroranschläge zurückgegangen sind und eine Vielzahl an geflüchteten Pakistanis mittlerweile in ihre Heimatdörfer zurückkehrt.
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich im Rahmen einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Die herangezogenen Länderberichte erweisen sich aus Sicht des erkennenden Gerichtes als aktuell und ausgewogen; so werden sowohl Berichte von staatlichen Stellen als auch Berichte von NGOs verwendet.
Die vom erkennenden Gericht herangezogenen Länderberichte setzen sich ausführlich mit der allgemeinen Menschenrechtslage sowie der Religionsfreiheit in Pakistan auseinander und konnte die Beschwerde diesbezüglich keine Umstände darlegen, welche die Länderberichte in einem anderen Licht erscheinen lassen würden. In der mündlichen Verhandlung verzichtete der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers auf eine Stellungnahme zu den Länderberichten (vgl. OZ 16, S 10).
Fallgegenständlich erweisen sich die herangezogenen länderspezifischen Quellen – auch im Hinblick auf die aktuelle Sicherheitslage - als ausreichend, um eine abschließende Beurteilung der individuellen Situation des Beschwerdeführers, insbesondere im Rückkehrfall, im Lichte der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat qualifiziert vornehmen zu können.
Was die allgemeine Sicherheitssituation in Pakistan anbelangt, so ist Dank geeigneter Überwachungsmaßnahmen der Sicherheitskräfte und der polizeilichen Anti-Terrorabteilungen, sowie der groß angelegten Militäroperationen und anderer Anti-Extremismusmaßnahmen aktuell ein kontinuierlicher Rückgang an Terroranschlägen zu verzeichnen, weshalb sich die Sicherheitslage zunehmend stabilisiert. Wenn auch im Jahr 2021 einen starker Anstieg an Anschlagszahlen zu verzeichnen war, so richten sich die Anschläge in erster Linie gegen Sicherheitskräfte und gerade nicht gegen Zivilpersonen. Darüber hinaus hält das erkennende Gericht fest, dass die Zahlen an Anschlägen und Opfern seit Jahren rückgängig sind, was sich aus den festgestellten Zahlen des LIB ergibt. Dem ist der Beschwerdeführer in keiner Weise entgegengetreten.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten:
§ 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der geltenden Fassung lautet:
"Status des Asylberechtigten
§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder
2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.
(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.
(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.
(4b) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.
(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt."
Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatensicherheit (§ 4 AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (§ 4a leg. cit.) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (§ 5 leg. cit.) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag des Beschwerdeführers inhaltlich zu prüfen ist.
Eine Verfolgung durch staatliche Behörden brachte der Beschwerdeführer nicht vor. Wie bereits im Zuge der Beweiswürdigung dargelegt behauptete der Beschwerdeführer keine Verfolgung in Pakistan.
Eine Schutzgewährung durch die Republik Österreich kommt daher nicht in Betracht.
3.2. Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat:
§ 8 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der geltenden Fassung lautet:
"Status des subsidiär Schutzberechtigten
§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.
(3a) Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.
(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
(5) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass die zu erteilende Aufenthaltsberechtigung gleichzeitig mit der des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, endet.
(6) Kann der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden, ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen. Diesfalls ist eine Rückkehrentscheidung zu verfügen, wenn diese gemäß § 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG nicht unzulässig ist.
(7) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten erlischt, wenn dem Fremden der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird."
Bereits § 8 AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies war dahingehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (vgl. das Erk. des VwGH vom 10.12.2014, Ra 2014/20/0013, mwN). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehend der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.
Art. 2 EMRK lautet:
"(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.
(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:
a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;
b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;
c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken."
Während das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.
Art. 3 EMRK lautet:
"Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden."
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers liegen nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gemäß Art. 2 oder Art. 3 EMRK abgeleitet werden kann.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Pakistan eine mit Todesstrafe bedrohte strafbehördliche Verfolgung droht und wurde dies auch nicht behauptet.
Dass sich der Herkunftsstaat des Beschwerdeführers im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden; ebenso kann daher nicht festgestellt werden, dass für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht. So unternimmt die pakistanische Regierung große Anstrengungen, die Sicherheitslage zu verbessern, was auch gelingt, wie die stetig zurückgehenden Anschlagszahlen und Terrorismusopfer zeigen. Dass Pakistan in einem Zustand wäre, in dem keine funktionierende Ordnungsmacht mehr gegeben sei, ist darüber hinaus schon mit dem Hinweis widerlegt, als dass Pakistan über eine der schlagkräftigsten Armeen weltweit verfügt und auch viele Anschläge verhindert werden konnten.
Soweit in der Beschwerde auf die Sicherheitslage in Pakistan verwiesen wird, so wird dabei übersehen, dass sich die Anschlags- und Opferzahlen seit Jahren massiv zurückentwickeln und die pakistanischen Sicherheitskräfte eine Vielzahl an militärischen Operationen durchführen, um die Aufständischen bzw. Terroristen zu bekämpfen, insbesondere auch in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers. Eine Schutzunwilligkeit bzw. Schutzunfähigkeit des Staates ist nicht feststellbar. Der pakistanische Staat unternimmt weiterhin große Anstrengungen, die Sicherheitslage zu stabilisieren und ist ein "Gewährenlassen" der Terroristen nicht zu erkennen.
In der Gesamtheit ergibt sich für das erkennende Gericht keine derart labile Lage, die die Zuerkennung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würde. Bestehen in der Praxis teilweise erhebliche Unzulänglichkeiten bezüglich der Einhaltung der Menschenrechte, kann eine generelle Praxis von Menschenrechtsverstößen nicht hergeleitet werden. Die pakistanische Regierung erkennt diese Unzulänglichkeiten und erhöhte z.B. die Zahl der praktizierenden Richter. Ebenso kann aus den vorgelegten Länderberichten, die einerseits die Korruptionsanfälligkeit der Justiz und der Polizei aber auch Menschenrechtsverletzungen durch Polizeiangehörige thematisieren, nicht geschlossen werden, dass in Pakistan eine systematische, staatlich geduldete Verletzung von Menschenrechten vorherrscht. Somit kommt das erkennende Gericht zum Ergebnis, dass auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers in wesentlichen Bereichen als problematisch darstellt, nicht festgestellt werden kann, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechtsverletzungen (iSd VfSlg. 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch jeder, der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält, schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen ist. Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalts abgeleitet werden.
Weitere, in der Person des Beschwerdeführers begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die Familienangehörigen des Beschwerdeführers noch immer im Herkunftsstaat leben und nicht erkennbar ist, warum der Beschwerdeführer nicht dorthin zurückkehren könnte.
Zur individuellen Versorgungssituation des Beschwerdeführers wird weiters festgehalten, dass dieser im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügt, sich in seinem Heimatland sprachlich verständigen kann und die Gebräuche und Sitten kennt. Der Beschwerdeführer ging in Pakistan bereits einer Erwerbstätigkeit nach und war in der Lage seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen mobilen, gesunden und arbeitsfähigen jungen Mann. Einerseits stammt der Beschwerdeführer aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehört der Beschwerdeführer keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf seine individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.
Wie bereits angeführt leben die Familienangehörigen des Beschwerdeführers nach wie vor in Pakistan und bestreiten dort ihren Lebensunterhalt; der Beschwerdeführer verfügt damit über familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat. Es spricht nichts dagegen, dass der Beschwerdeführer wieder bei seiner Familie in Pakistan leben könnte. Der Beschwerdeführer steht mit seinen Familienangehörigen auch regelmäßig in Kontakt. Das erkennende Gericht geht demnach davon aus, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat in der Lage sein wird, sich mit eigener Erwerbstätigkeit ein ausreichendes Einkommen zur Sicherstellung des eigenen Lebensunterhalts und zur Befriedigung seiner Wohnbedürfnisse zu erwirtschaften, ohne dass es der Unterstützung durch ein familiäres Netzwerk bedürfte, wie er es ja auch vor seiner Ausreise schaffte. Das erkennende Gericht geht davon aus, dass der Beschwerdeführer, der über ein abgeschlossenes Studium verfügt, in der Lage ist in Pakistan ein Leben führen zu können, ohne dass er in eine ausweglose Situation gerät.
Der Beschwerdeführer kann für die erste Zeit nach seiner Rückkehr nach Pakistan auch Unterstützung bei verschiedenen pakistanischen Wohlfahrtseinrichtungen, wie z.B. bei Tameer-e-Pakistan ansuchen, um eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt bzw. in die Gesellschaft zu erleichtern. Aufgrund dieser Überlegungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in seinen Heimatstaat seine dringendsten Bedürfnisse befrieden kann und nicht in eine allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage gerät. Zu seinem Gesundheitszustand hält das erkennende Gericht fest, dass der Beschwerdeführer weder behauptete, noch amtswegig erkennbar ist, dass der Beschwerdeführer an einer gesundheitlichen Beeinträchtigung leidet.
Der Beschwerdeführer ist überdies gesund und gehört bei Berücksichtigung aller bekannten Umstände auch nicht der Risikogruppe für einen schweren Verlauf der COVID-19-Erkrankung an. Pakistan unternimmt weiterhin große Anstrengungen der ohnehin weltweit vorkommenden COVID-Pandemie Herr zu werden. So ist zwar die Impfquote gering, es existiert allerdings eine nationale Impfstrategie. Ebenso gab es auch in Pakistan Lockdowns und fixierte die Bundesregierung ein milliardenschweres Hilfspaket für die Wirtschaft und für ärmere Leute.
In einer Gesamtbetrachtung ergeben sich vor dem allgemeinen Hintergrund und der individuellen Situation des Beschwerdeführers keine Hinweise auf eine unzumutbare, schon mit der Rückverbringung des Beschwerdeführers nach Pakistan einhergehende Verschlechterung seines Gesundheitszustandes im Sinne der zitierten Bestimmungen der EMRK. Derartiges wurde auch nicht vorgebracht. Wie bereits erwähnt ist der Beschwerdeführer gesund, arbeitsfähig und verfügt im Herkunftsstaat über ein soziales Netz im Form seiner Familienangehörigen. Es ist auf dieser Grundlage nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer aufgrund der gegenwärtigen COVID-19-Situation in Pakistan in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde. Das erkennende Gericht geht davon aus, dass der Beschwerdeführer in Pakistan auch unter den vorliegenden Umständen seine notwendigen Lebensbedürfnisse decken kann.
Dem Beschwerdeführer droht keine Gefahr im Sinne des § 8 AsylG, weshalb die Gewährung von subsidiärem Schutz ausscheidet.
3.3. Nichterteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung:
Das Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der geltenden Fassung lautet auszugsweise:
"Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme
§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.
...
Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK
§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.
...
"Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz"
§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.
(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.
(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können."
...
Das BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung lautet:
"Schutz des Privat- und Familienlebens
§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn
1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß § 53 Abs. 3 Z 6, 7 oder 8 FPG liegt vor, oder
2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."
Das Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der geltenden Fassung lautet auszugsweise:
"Abschiebung
§ 46. (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn
1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,
2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,
3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder
4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.
(2) Verfügt der Fremde über kein Reisedokument und kann die Abschiebung nicht ohne ein solches durchgeführt werden, hat das Bundesamt bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde ein Ersatzreisedokument für die Abschiebung einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen auszustellen. § 97 Abs. 1 gilt. Der Fremde hat an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments im erforderlichen Umfang mitzuwirken.
(2a) Die Verpflichtung zur Mitwirkung gemäß Abs. 2 kann auch mit Bescheid auferlegt werden, § 19 Abs. 2 bis 4 AVG gilt sinngemäß. Der Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments bei der zuständigen ausländischen Behörde, verbunden werden (§ 19 AVG).
(3) Das Bundesamt hat alle zur Durchführung der Abschiebung erforderlichen Veranlassungen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles (insbesondere Abs. 2 und 4) ehestmöglich zu treffen, insbesondere hat es sich vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Fremden zu vergewissern, dass dieser einem Mitglied seiner Familie, einem offiziellen Vormund oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung im Zielstaat übergeben werden kann. Amtshandlungen betreffend Fremde, deren faktischer Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, sind prioritär zu führen.
(4) Liegen bei Angehörigen (§ 72 StGB) die Voraussetzungen für die Abschiebung gleichzeitig vor, so hat das Bundesamt bei der Erteilung des Auftrages zur Abschiebung Maßnahmen anzuordnen, die im Rahmen der Durchführung sicherstellen, dass die Auswirkung auf das Familienleben dieser Fremden so gering wie möglich bleibt.
(5) Die Abschiebung ist im Reisedokument des Fremden ersichtlich zu machen, sofern dadurch die Abschiebung nicht unzulässig oder unmöglich gemacht wird. Diese Eintragung ist auf Antrag des Betroffenen zu streichen, sofern deren Rechtswidrigkeit durch das Bundesverwaltungsgericht festgestellt worden ist.
(6) Abschiebungen sind systematisch zu überwachen. Nähere Bestimmungen über die Durchführung der Überwachung hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen.
Verbot der Abschiebung
§ 50. (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen Drittstaatsangehörige
Rückkehrentscheidung
§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
....
(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.
Frist für die freiwillige Ausreise
§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.
(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.
(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.
(5) Die Einräumung einer Frist gemäß Abs. 1 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht."
Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention lautet:
"Artikel 8 - Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens
(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."
Zum gegenständlichen Verfahren:
Vorweg ist festzuhalten, dass sich im gegenständlichen Verfahren keinerlei Anhaltspunkte ergeben haben, die die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG angezeigt hätten, bzw. wurde weder im Verfahren vor dem BFA noch im Beschwerdeverfahren dahingehend etwas vorgebracht.
Der Beschwerdeführer verfügt über seine Kernfamilie, seine Ehefrau und seine drei Kinder, in Österreich und lebt die Familie auch zusammen. Die gegenständliche Rückkehrentscheidung stellt daher einen Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers dar.
Im Sinne des § 9 Abs. 2 BFA-VG ergibt sich anhand des dort aufgestellten Kriterienkatalogs folgendes Bild über den Beschwerdeführer:
Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:
Der Beschwerdeführer reiste im Jahr 2019 rechtswidrig in das Bundesgebiet ein und stellte am 19.06.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Zur Einschätzung, dass bereits die Einreise rechtswidrig war, kommt das erkennende Gericht aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer den gegenständlichen Asylantrag in Umgehungsabsicht stellte um nicht unter das Regime des NAG zu fallen um seine Migration nach Österreich bzw. die Familienzusammenführung auf legalem Weg zu erleichtern. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer völlig offen dazu steht, dass seine einzige Intention den gegenständlichen Asylantrag zu stellen, ausschließlich darauf fußte seine Migration nach Österreich zu ermöglichen. Die Vorgehensweise war auch geplant, so wurde der Visumsantrag des Beschwerdeführers durch die ÖB Islamabad bereits einmal mit dem Hinweis abgelehnt, dass der Visumszweck "Tourismus" als nicht glaubhaft eingeschätzt wurde (AS 29). Dies umging der Beschwerdeführer einfach, indem er mit einem italienischen Touristenvisum nach Österreich einreiste um den gegenständlichen Asylantrag zu stellen und damit seinen Aufenthalt quasi so zu ermöglichen. Der Hinweis des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, er sei mit einem Schengenvisum nach Österreich eingereist, wird damit entkräftet, dass sein Schengenvisum ausschließlich zu touristischen Zwecken erteilt wurde, nicht jedoch, dass er in weiterer Folge in Österreich einen nicht einmal ansatzweise substantiierten Asylantrag stellte und der Beschwerdeführer eine touristische Bereisung von Italien ohnehin weder behauptete noch dies glaubhaft ist. Das erkennende Gericht hält fest, dass die gegenständliche Vorgehensweise ausschließlich mit dem Hintergedanken gewählt wurde um die (strengeren) Regelungen der legalen Migration zu umgehen und der Beschwerdeführer selbst zugab den gegenständlichen Asylantrag ausschließlich gestellt zu haben um die Familienzusammenführung zu erreichen.
Das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Privatlebens):
Wie bereits festgestellt, verfügt der Beschwerdeführer über familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich und gestaltet sich das Familienleben als normal. Das erkennende Gericht hält zudem fest, dass – wie im Schriftsatz vom 22.02.2023 vorgebracht – der Umstand, dass der Beschwerdeführer im Haushalt mithilft und Windeln wechselt, als nicht besonders erwähnenswert erscheint, zumal dies eben ein Familienleben ausmacht.
Der Beschwerdeführer verfügt über wenige soziale Kontakte in Österreich; freundschaftliche Kontakte oder Beziehungen zu Österreichern konnten nicht festgestellt werden. Dass der Beschwerdeführer Cricket in einem Verein spielt und dort "einen aktiven Platz in unserem Team einnimmt" (vgl. OZ 14, Schreiben vom 29.01.2023) konnte nicht festgestellt werden, zumal der Beschwerdeführer dies mit keinem einzigen Wort vor dem erkennenden Gericht erwähnte. Unterstützungsschreiben seitens der Familie der Ehefrau des Beschwerdeführers wurden keine vorgelegt, auch hier kann keine besondere Beziehung festgestellt werden. Der Beschwerdeführer verfügt über Kenntnisse der deutschen Sprache, die es ihm erlauben, sich auf Deutsch über Alltagsthemen zu unterhalten. Ein Deutschzertifikat absolvierte der Beschwerdeführer auf dem Niveau A2, einen B1 Kurs absolvierte der Beschwerdeführer bereits, das Prüfungsergebnis war im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht noch ausständig. Der Beschwerdeführer geht keiner erlaubten Beschäftigung nach und sind keine Anhaltspunkte für eine berufliche Integration gegeben. Der Beschwerdeführer bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung.
Die Schutzwürdigkeit des Privat- und Familienlebens:
Der Beschwerdeführer begründete sein Privatleben in Österreich zu einem Zeitpunkt, als der Aufenthalt durch die Stellung seines Asylantrages vorübergehend legalisiert war. Die Schutzwürdigkeit des ohne Zweifel bestehenden Familienlebens wird nun dadurch massiv geschmälert, dass bereits die Ehe in einem Zeitpunkt eingegangen wurde, als der Beschwerdeführer weder in Österreich aufhältig war, noch Aussicht auf eine legale Migrationsmöglichkeit nach Österreich bestanden, bedenkt man, dass der Visumsantrag aus dem Jahr 2016 ja bereits abgelehnt wurde. Anstelle der Möglichkeit einer legalen Migration nach Österreich und der damit verbundenen Überwindung von gewissen Hürden, entschied sich der Beschwerdeführer allerdings den Weg der illegalen Migration nach Österreich zu wählen und täuschte zunächst die italienischen Behörden über seine Aufenthaltszwecke und stellte in weiterer Folge den gegenständlichen Asylantrag um mit seinem Aufenthalt Tatsachen hinsichtlich seines Aufenthaltsrechts zu schaffen. Auch hier hält das erkennende Gericht fest, dass der Beschwerdeführer keine Verfolgungsgründe vorbrachte, sondern das gegenständliche Verfahren den ausschließlichen Grund verfolgte die Regelungen des NAG zu umgehen. Aus Sicht des erkennenden Gerichts konnte der Beschwerdeführer hinsichtlich dieser Vorgeschichte nicht davon ausgehen, dass er in Österreich nach Abschluss des gegenständlichen Verfahrens in Österreich bleiben könnte. Seine privaten, außerfamiliären Kontakte erweisen sich nicht als derart intensiv, als dass die Rückkehrentscheidung unverhältnismäßig erscheint.
Bindungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer verfügt über zahlreiche familiäre Anknüpfungspunkte in Pakistan. Er spricht Punjabi und Urdu und hat in Pakistan ein Studium abgeschlossen und ging auch einer Arbeit als Lehrer nach. Es deutet nichts darauf hin, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich wäre, sich bei seiner Rückkehr in die dortige Gesellschaft zu integrieren und wieder bei seiner Familie zu leben.
Hinsichtlich der Ehefrau und der Kinder hält das erkennende Gericht wie folgt fest:
Die Ehefrau stammt aus einem ähnlichen Kulturkreis wie der Beschwerdeführer und lebte bereits sieben Monate in Pakistan mit dem Beschwerdeführer. Sie unterhält sich mit dem Beschwerdeführer in der pakistanischen Amtssprache Urdu, weswegen davon auszugehen ist, dass eine sprachliche Verständigung in Pakistan gesichert ist. Ebenso spricht der Beschwerdeführer mit seinen Kindern Paschto, jene Sprache die in der Heimatregion vorherrscht. Soweit die Ehefrau angab, dass sie in Österreich aufgewachsen ist und ihre Familie hier lebt und es für sie unmöglich ist dort (gemeint: in Pakistan) zu leben, werden damit keine susbtanziierten Gründe aufgezeigt, die gegen eine Fortsetzung des Familienlebens in Pakistan sprechen. Dies trifft auch auf die Kinder zu. In Pakistan besteht eine Schulpflicht, der Beschwerdeführer selbst verfügt über eine universitäre Ausbildung, was aus Sicht des erkennenden Gerichtes dafürspricht, dass die Kinder auch in die Schule gehen werden. Davon abgesehen besteht die Möglichkeit der Erlangung der pakistanischen Staatsbürgerschaft für die Kinder. Der Umstand, dass die älteste Tochter kurz vor der Einschulung steht und über Freunde in Österreich verfügt, spricht nicht gegen die Zumutbarkeit einer Fortsetzung des Familienlebens in Pakistan. Aufgrund des Alters der Kinder geht das erkennende Gericht von einem anpassungsfähigem Alter aus, wobei das erkennende Gericht festhält, dass auch eine vorübergehende Trennung vom Vater zumutbar ist, um einen legalen Weg der Familienzusammenführung zu absolvieren. Dass mit der Fortsetzung des Familienlebens mit dem Beschwerdeführer in Pakistan für die Ehefrau und die Kinder eine Einschränkung des Kontaktes mit der Familie der Ehefrau bzw. mit Freunden einhergeht übersieht das erkennende Gericht nicht, dies macht die Fortsetzung des Familienlebens mit dem Beschwerdeführer in Pakistan nicht unzumutbar. Die Ehefrau verfügt außerdem über familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich, eine Unterstützung für die Zeit ohne den Beschwerdeführer ist daher sichergestellt. Darüber hinaus bezieht die Ehefrau ja auch jetzt bereits Sozialleistungen, die ihren Unterhalt gewährleisten.
Strafrechtliche Unbescholtenheit:
Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.
Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts:
Der Beschwerdeführer täuschte zunächst die italienischen Behörden über seine Visumsabsicht, da er nie vorhatte nach Italien zu touristischen Zwecken zu reisen, sondern von vornherein feststand, dass er von Italien aus weiter nach Österreich reisen wollte um den gegenständlichen Asylantrag zu stellen. Den Antrag stellte er im Wissen, dass die Antragstellung einzig und alleine dem Grund dient, seinen Aufenthalt vorübergehend zu legalisieren und um die Regelungen der legalen Migration zu umgehen.
Mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden in Bezug auf die Verfahrensdauer:
Das Verfahren wurde dem erkennenden Gericht im August 2019 zugeteilt, die Verfahrensdauer ist als lange zu qualifizieren. Das Verfahren vor der belangten Behörde stellte sich als effizient und schnell durchgeführt dar.
Im Zuge der Interessensabwägung kommt das erkennende Gericht somit zu folgendem Ergebnis:
Der Beschwerdeführer bestand in Österreich einen Sprachkurs, wobei eine Unterhaltung über Alltagsthemen möglich ist. Sonstige Ausbildungen absolvierte der Beschwerdeführer nicht. Festzuhalten ist, dass das Erlernen der deutschen Sprache nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung keine maßgebliche Integration bedeutet.
Zur sozialen Integration des Beschwerdeführers außerhalb der Familie ist festzuhalten, dass dieser über keine besonders intensiven sozialen Kontakte in Österreich verfügt; engere freundschaftliche Kontakte konnten hingegen nicht festgestellt werden. Wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt, waren engere freundschaftliche Bindungen oder intensivere Kontakte des Beschwerdeführers zu Österreichern nicht ersichtlich, sodass das erkennende Gericht zu dem Schluss kommt, dass der Beschwerdeführer keine verfestigten Kontakte zu Österreichern unterhält. Losgelöst von der Frage, ob der Beschwerdeführer wirklich Cricket in einem Verein spielt ist darin noch keine tiefergehende soziale Einbindung des Beschwerdeführers in die österreichische Mehrheitsgesellschaft zu erkennen.
Die berufliche Integration des Beschwerdeführers ist ebenso nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer legte keine Nachweise vor, dass er einer Beschäftigung nachgeht. Es ist für das erkennende Gericht angesichts der langen Verfahrensdauer nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer die Dauer des Verfahrens für eine umfassende und tiefgreifende Integration im Bundesgebiet genutzt hätte, bedenkt man, dass der Beschwerdeführer nach immerhin seit 2019 fast durchgehend im Bundesgebiet aufhältig ist.
Für das erkennende Gericht steht auf der anderen Seite fest, dass der Beschwerdeführer über ein intensives Familienleben in Österreich verfügt. Dies ergibt sich schon aus den drei Kindern und seiner aufrechten Ehe. Obgleich der Beschwerdeführer keinen geldwerten Unterhalt beisteuert, bringt sich der Beschwerdeführer in der Kindererziehung ein. Das erkennende Gericht hält dazu fest, dass damit keine über das gewöhnliche Maß hinausgehende Beziehung in einer funktionierenden Familie dargestellt wurde. Dass die Ehefrau des Beschwerdeführers – die in Österreich über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt – auf die Mitarbeit des Beschwerdeführers angewiesen wäre, ist nicht ersichtlich. Das erkennende Gericht hält dabei abermals fest, dass weder der Beschwerdeführer noch dessen Familie von einem gesicherten Aufenthalt ausgehen konnten und eine Fortsetzung des Familienlebens auch in Pakistan aus Sicht des erkennenden Gerichtes zumutbar ist. Davon abgesehen steht dem Beschwerdeführer nach wie vor die Möglichkeit einer legalen Migration im Zuge einer Familienzusammenführung offen, wenn die Voraussetzungen erfüllt werden.
Dem stehen die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes gegenüber. Dass der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten ist und keine von ihm begangenen Verwaltungsübertretungen aktenkundig sind, begründet noch keine für ihn ausschlaggebende Integration. Dem hingegen steht zunächst der Umstand, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers finanziell als nicht gesichert anzusehen ist, zumal eine Erwerbstätigkeit nicht erkennbar ist und die Familie in erster Linie von Sozialleistungen lebt. Das erkennende Gericht geht außerdem davon aus, dass die Einreise des Beschwerdeführers im Jahr 2019 von Anfang an in einer beabsichtigten Umgehung der Regelungen einer geordneten Zuwanderung und den Familiennachzug bestand.
Der Beschwerdeführer verbrachte den Großteil seines Lebens in Pakistan und ist mit den dortigen Gebräuchen und dem dortigen Leben vertraut, die Ehefrau des Beschwerdeführers stammt aus einem ähnlichen Kulturkreis und verbrachte bereits sieben Monate im Heimatland des Beschwerdeführers mit ihm. Die Kinder befinden sich allesamt im anpassungsfähigen Alter und sind gesund. Die Familie spricht Punjabi und Urdu, der Beschwerdeführer verfügt über Arbeitserfahrung, ist arbeitsfähig und verfügt über einen tertiären Bildungsabschluss. Die Aufnahme einer Beschäftigung im Heimatland ist aus diesem Gesichtspunkt gesichert. Der Beschwerdeführer verfügt über familiäre Anknüpfungspunkte in Pakistan. Dass aus Sicht der Ehefrau und der ältesten Tochter die Aufgabe bzw. Einschränkung von freundschaftlichen oder familiärer Kontakte einhergeht übersieht das erkennende Gericht nicht, jedoch macht dieser Umstand eine Fortsetzung des Familienlebens im Ausland nicht unzumutbar. Konkrete Einwendungen gegen eine Fortsetzung des Familienlebens im Heimatland des Beschwerdeführers wurden nicht erstattet.
Im Rahmen einer Abwägung dieser Fakten im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und unter Berücksichtigung der Judikatur des EGMR erweisen sich die individuellen Interessen des Beschwerdeführers im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht als so ausgeprägt, dass sie insbesondere das öffentliche Interesse der Republik Österreich an der Aufenthaltsbeendigung nach Abschluss des gegenständlichen Asylverfahrens und der Einhaltung der österreichischen aufenthalts- und fremdenrechtlichen Bestimmungen überwiegen.
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet dessen persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre. Die bewusste geplante Umgehung und das Ignorieren von fremdenrechtlichen Bestimmungen um einen Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen stellt eine massive Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen der Republik Österreich dar, die gegenständlich höher zu bewerten sind, als das Interesse des Beschwerdeführers auf Fortsetzung des Familienlebens in Österreich, berücksichtigt man zusätzlich, dass es der Familie zumutbar ist, das Familienleben in Pakistan fortzusetzen.
Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung nach Pakistan unzulässig wäre. Derartiges wurde in der Beschwerde auch nicht schlüssig geltend gemacht.
Es liegen daher alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung vor.
Die festgelegte zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers ist angemessen.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
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