W176 2235106-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. NEWALD über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA: Syrien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.08.2020, Zl. 1256758705/200009205, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:
A)
Der Beschwerde von XXXX wird stattgegeben und XXXX wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, (AsylG) der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930, (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am XXXX 01.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei seiner Erstbefragung am folgenden Tag nannte er als Fluchtgrund, im Jahr 2016 wegen Desertation von der syrischen Armee verhaftet worden zu seien. Er sei drei Monate in Haft gewesen, wo er auch gefoltert worden sei. Dann sei er freigekommen, weil er eine Kaution bezahlt habe. In seiner Region hätten ihn alle Kampfparteien rekrutieren wollen; er habe jedoch mit dem Krieg „nichts zu tun“ haben wollen und sei deshalb aus Syrien geflüchtet. Bei einer Rückkehr fürchte er die Todesstrafe.
2. Am XXXX 05.2020 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen, gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes an: Syrien habe er im Juli 2017 Syrien verlassen, ausschlaggebend für seine Flucht sei seine dreimonatige Festhaltung und Folter durch die syrische Armee gewesen. Sein Vater habe ihn dann „freigekauft“ und gesagt, dass sein Sohn sich danach der Armee anschließen würde.
Im Rahmen der Einvernahme legte der Beschwerdeführer seinen syrischen Personalausweis, sein syrisches Militärbuch, sein syrisches Familienbuch und eine Heiratsbestätigung in Kopie vor. Ergänzend gab er an, dass sich sein syrischer Reisepass bei seiner Schwester in der XXXX befinde; er habe diesen vor ungefähr sechs oder sieben Monaten beim syrischen Konsulat in XXXX ausstellen lassen.
3. Am XXXX 06.2020 wurde der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde ein weiteres Mal niederschriftlich einvernommen und gab dabei zusammengefasst an, er sei als er 19 Jahre alt gewesen zum Militär einberufen worden. Das syrische Regime, die türkischen Streitkräfte sowie die kurdischen Einheiten hätten ihn einberufen wollen. Deshalb sei sein Leben in Gefahr gewesen und er habe beschlossen, das Land zu verlassen. Im Jahr 2013 sei ihm sein Militärbuch ausgestellt worden; Ende 2014/Anfang 2015 hätte er einrücken müssen. Er sei jedoch nicht eingerückt und habe sich in Folge versteckt. Danach (im Jahr 2016) sei er auch von den türkischen Streitkräften einberufen worden; ebenso sei die Befreiungsarmee bei ihnen einmarschiert. Im XXXX 2016 sei er zu Hause mitten in der Nacht vom syrischen Regime festgenommen und zu einer militärischen Sicherheitsbehörde gebracht worden, wo er drei Monate festgehalten und auch gefoltert worden sei. Er sei festgenommen worden, weil er nicht zum Militär bei der syrischen Armee eingerückt sei. Nach seiner Freilassung habe er den Entschluss gefasst, Syrien zu verlassen. Bei einer Rückkehr nach Syrien wäre sein Leben wegen des Krieges und der allgemeinen Lage in Gefahr. Ihn würden das syrische Regime, die türkischen Streitkräfte, die Freie Syrische Armee sowie die PKK rekrutieren wollen.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.).
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dem Beschwerdeführer habe weder im Zeitpunkt seiner Ausreise eine Verfolgung, insbesondere Rekrutierung, durch die Armee der syrischen Regierung gedroht noch drohe ihm eine solche bei einer nunmehrigen Rückkehr nach Syrien. Weder sei glaubwürdig, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2016 von der syrischen Armee festgenommen und gefoltert worden sei noch, dass jemals ein ernsthaftes Rekrutierungsinteresse seitens der syrischen Regierung an ihm vorgelegen hätte. Darüber hinaus würde der Umstand, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2019 während seines Aufenthalts in der XXXX (nach seiner Ausreise aus Syrien) beim syrischen Konsulat in XXXX einen Reisepass beantragt habe, zeigen, dass ihm keine Verfolgung seitens staatlicher syrischer Behörden drohe.
5. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte darin im Wesentlichen vor, ihm drohe als junger Mann die Zwangsrekrutierung, weil junge Kämpfer benötigt werden würden. Er sei bereits zum Militärdienst einberufen worden; da er bei Einberufung nicht befolgt habe, sei er festgenommen und gefoltert worden. Nach Freilassung auf Kaution und aus Angst vor einer Zwangsrekrutierung habe er Syrien verlassen. Ihm drohe nach wie vor die Zwangsrekrutierung. Er gelte als Wehrdienstverweigerer und habe sich somit gegen den syrischen Staat aufgelehnt; er möchte für keine Gruppe kämpfen und niemanden töten. Ihm drohe deshalb eine Verfolgung aufgrund seiner politischen Gesinnung. Weiters drohe ihm auch aufgrund der illegalen Ausreise aus Syrien und der Asylantragstellung in Österreich bei einer Rückkehr Verfolgung.
6. In der Folge legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Im Rahmen der Beschwerdevorlage erstattete die Behörde eine Beschwerdebeantwortung, in der sie ausführte, die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten lägen nicht vor. Die Vertretungsbehörden der syrischen Regierung in XXXX hätten dem Beschwerdeführer ohne jegliche Behelligung einen syrischen Reisepass ausgestellt. Angesichts dieses Umstandes könne nicht erkannt werden, dass die syrische Regierung oder ihre nachgeordnete Stelle, wie es auch die Vertretungsbehörden im Ausland seien, eine wie auch immer geartete feindselige Haltung gegenüber dem Beschwerdeführer hätten, sondern es ergebe sich daraus vielmehr, dass diese ihn durch konsularische Dienst sogar im Ausland unterstützt hätten. Die Behauptung, dass diese Verfolgungshandlungen ihn zu setzen gedenken, sei vor diesem Hintergrund nicht nachzuvollziehen. Die syrischen Behörden seien ihrer Schutzverantwortung gegenüber dem Beschwerdeführer im Wege der konsularischen Dienstleistung offensichtlich ohne Probleme nachgekommen, sodass kein Grund zur Annahme bestehe, dass die Republik Österreich einen fehlenden Schutz durch den Heimatstaat zu substituieren hätte, was jedoch den zentralen rechtlichen Gedanken der im AsylG umgesetzten Genfer Flüchtlingskonvention darstelle.
7. Am 18.03.2021 stellte der Beschwerdeführer einen Fristsetzungsantrag gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 2 B-VG.
8. Mit verfahrensleitender Anordnung vom 26.03.2021 forderte der Verwaltungsgerichtshof das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 38 Abs. 4 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) auf, binnen drei Monaten die Entscheidung zu erlassen.
9. Am 07.05.2021 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher die belangte Behörde teilnahm, der Beschwerdeführer als Partei vernommen wurde und weitere Länderberichte sowie ein Einberufungsbefehl der syrischen Armee, datiert mit 10.01.2016, vorgelegt wurden.
Die belangte Behörde wies im Rahmen der Verhandlung nochmal daraufhin, dass die syrische Regierung durch die Leistung konsularischer Dienst (Reisepassausstellung im Konsulat in XXXX ) nach Verlassen des syrischen Staatsgebietes Schutzverantwortung für den Beschwerdeführer übernommen habe und diesen mit Dokumenten für eine Reise ins Ausland unterstützt habe. Da in einer solchen Konstellation bei einem bereits Asylberechtigten ein Endigungsgrund anzunehmen wäre, müsse Derartiges auch für jemanden, der sich im Rahmen der Reisebewegung einen Pass habe ausstellen lassen, von Relevanz sein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
1.1. Zum Beschwerdeführer
1.1.1. Der 25-jährige Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Er wurde im Dorf XXXX , welches in der Nähe der Stadt Qamischli liegt, Provinz al-Hasaka, geboren und lebte danach (bis zu seiner Ausreise im Jahr 2017) in der Stadt Qamischli, Bezirk XXXX . Er besuchte sechs Jahre lang die Grundschule und arbeitete zuletzt als Tagelöhner in der Landwirtschaft. Er ist seit 2011 mit einer syrischen Staatsangehörigen verheiratet und hat zwei Töchter.
1.1.2. Die Stadt Qamischli steht unter Kontrolle der kurdischen Einheiten; einzelne Distrikte befinden sich unter Regierungskontrolle. Der Heimatdistrikt des Beschwerdeführers ( XXXX ) steht derzeit unter Kontrolle der kurdischen Milizen.
1.1.3. Im XXXX 2014 wurde der Beschwerdeführer (im Alter von 18 Jahren) einer Musterung betreffend die Ableistung des Militärdienstes unterzogen. Das Musterungsergebnis ist nicht bekannt.
Nicht festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2016 einen Einberufungsbefehl der syrischen Armee erhielt.
Ebenso konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im XXXX 2016 von der syrischen Armee verhaftet und infolge drei Monate lang festgehalten und gefoltert wurde.
Der Beschwerdeführer hat bislang noch keinen Militärdienst bei der syrischen Armee geleistet.
1.1.4. Der Beschwerdeführer verließ ungefähr im Juli 2017 ohne gültige Reisepapiere – aufgrund nicht näher feststellbarer Gründe – Syrien und reiste mit dem Auto in die XXXX , wo er ca. ein Jahr bei seiner Schwester XXXX wohnte. XXXX beim syrischen Konsulat XXXX auf Antrag ein syrischer Reisepass ausgestellt. Im Jahr 2019 verließ der Beschwerdeführer die XXXX Richtung Griechenland und reiste über Albanien, Serbien, Kosovo und Ungarn schlepperunterstützt in Österreich ein, wo er am XXXX 01.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
1.1.5. Die Ehefrau des Beschwerdeführers sowie die gemeinsamen Töchter leben seit Anfang 2017 in XXXX , bei den Eltern seiner Frau. Der Beschwerdeführer hat vier Brüder und vier Schwestern. Seine Mutter sowie seine vier Brüder leben nach wie vor im Elternhaus in Qamischli.
1.1.6. Für den Beschwerdeführer besteht bei einer Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden. Der Beschwerdeführer verweigert die Ableistung des Militärdienstes.
1.1.7. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten (Strafregisterauszug vom 06.05.2021).
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
In Syrien gilt für alle männliche syrische Staatsbürger zwischen 18 bis 42 Jahren ein verpflichtender Militärdienst von zwei Jahren. Bei der Einberufung neuer Rekruten sendet die Regierung Wehrdienstbescheide mit der Aufforderung, sich zum Militärdienst anzumelden, an Männer, die das wehrfähige Alter erreicht haben. Die Namen der einberufenen Männer werden in einer zentralen Datenbank erfasst. Ein „Herausfiltern“ von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem der zahlreichen Checkpoints ist weit verbreitet. Die intensiven Kontrollen erhöhen das Risiko für Militärdienstverweigerer, verhaftet zu werden. Rekrutierungen finden auch in Ämtern statt, beispielsweise wenn junge Männer Dokumente erneuern wollen, sowie an Universitäten, in Spitälern und an Grenzübergängen, wo die Beamten Zugang zur zentralen Datenbank mit den Namen der für den Wehrdient gesuchten Männer habe. Die Behörden ziehen vornehmlich Männer bis zu einem Alter von 27 Jahren ein.
Die syrische Armee hat durch Verluste, Desertion und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen. Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft (Anm.: die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort). In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach Umständen, mit Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft. Bezüglich der Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während manche die Ergreifung eines Wehrdienstverweigerers mit Foltergarantie und Todesurteil gleichsetzen, sagen andere, dass Betroffene sofort eingezogen würden, was von einer Quelle mit dem Bedarf der syrischen Regierung nach Verstärkung in Verbindung gebracht wird. Quellen berichten jedoch auch, dass gefasste Wehrdienstverweigerer riskieren, von den syrischen Behörden vor der Einberufung inhaftiert zu werden. Die Konsequenzen hängen offenbar vom Einzelfall ab. Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen „terroristische“ Bedrohungen zu schützen.
(Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 16.12.2020, S. 43 ff)
In den unter Kontrolle der kurdischen Milizen stehenden Gebieten Syriens ist die syrische Armee in Hasaka, Qamischli, Manbij und Tal Tamr präsent. Aufgrund mangelnder Verwaltungskomptenz hat die syrische Regierung in diesen Gebieten jedoch bislang keinen verpflichtenden Militärdienst wiedereingeführt. Die syrische Armee betreibt in diesen Gebieten keine Wehrdienst-Kampagne und diejenigen, die keinen Wehrdienst leisten möchten, können sich diesem dadurch entziehen, dass sie diejenigen Gebiete, in denen die syrische Armee präsent ist, vermeiden.
(EASO Syria Military service, Country of Origin Report von April 2021, S. 18)
Die syrische Regierung kann die Ausstellung von Reisepässen oder anderen wichtigen Dokumenten aufgrund der politischen Einstellung einer Person, deren Verbindung zu oppositionellen Gruppen oder der Verbindung zu einem geographischen Gebiet, in dem die Opposition dominiert, verweigern.
Infolge der COVID-19-Pandemie wurden sowohl der Flughafen Damaskus als auch die Grenzen zu den Nachbarländern geschlossen. Es gab jedoch bereits wieder Lockerungen für Reisen in das Ausland als auch bei der Einreise nach Syrien. Der Flugbetrieb am internationalen Flughafen in Damaskus wurde wiederaufgenommen. Es kommt jedoch zu verstärkten Einreisekontrollen, Gesundheitsprüfungen und Einreisesperren. Die Reisebeschränkungen zwischen Städten und Umland wurden wieder aufgehoben. In Nordostsyrien haben lokale Machthaber den informellen Fishkabour/Semalka-Grenzübergang ausnahmslos bis auf Weiteres geschlossen. Eine Einreise nach Syrien ist demnach derzeit nur über den Flughafen Damaskus möglich.
(Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 16.12.2020, S. 78 ff; sowie OCHA, Syrian Arab Republic: COVID-19. Humanitarian Update No. 22 vom 23.12.2020)
Über die Zustände, in welche die Flüchtlinge zurückkehren und die Mechanismen des Rück-kehrprozesses ist wenig bekannt. Da Präsident Assad die Kontrolle über große Gebiete wiedererlangt, sind immer weniger Informationen verfügbar. Die Behandlung von Einreisenden ist stark vom Einzelfall abhängig und über den genauen Wissensstand der syrischen Behörden über einzelne Rückkehrer gibt es keine gesicherten Kenntnisse. Es liegen widersprüchliche Informationen vor, ob Personen, die nach Syrien zurückkehren möchten, eine Sicherheitsüberprüfung durchlaufen müssen, oder nicht. Laut deutschem Auswärtigen Amt müssen syrische Flüchtlinge, unabhängig von politischer Ausrichtung, vor ihrer Rückkehr weiterhin eine Überprüfung durch die syrischen Sicherheitsdienste durchlaufen. Auch laut International Crisis Group (ICG) stellt unabhängig davon, welchen administrativen Weg ein rückkehrwilliger Flüchtling wählt, die Sicherheitsfreigabe durch den zentralen Geheimdienstapparat in Damaskus (oder die Verweigerung einer solchen) das endgültige Urteil dar, ob es einem Flüchtling möglich ist sicher nach Hause zurückzukehren. Im Gegensatz dazu berichtet der Danish Immigration Service (DIS) auf Basis von Interviews, dass Syrer, die außerhalb Syriens wohnen und nicht von der syrischen Regierung gesucht werden, keine Sicherheitsfreigabe benötigen, um nach Syrien zurückzukehren. Weiters berichtete Syria Direct gegenüber DIS, dass lediglich Syrer im Libanon, die über „organisierte Gruppenrückkehr“ nach Syrien zurückkehren möchten, eine Sicherheitsfreigabe benötigen.
Es gibt Berichte, denen zufolge Rückkehrer trotz positiver Sicherheitsüberprüfung Opfer willkürlicher Verhaftung, Folter oder Verschwindenlassens geworden und vereinzelt in Haft ums Leben gekommen sein sollen. Der Sicherheitssektor kontrolliert den Rückkehrprozess in Syrien. Die Sicherheitsdienste institutionalisieren ein System der Selbstbeschuldigung und Informationsweitergabe über Dritte, um große Datenbanken mit Informationen über reale und wahrgenommene Bedrohungen aus der syrischen Bevölkerung aufzubauen.
Gesetz Nr. 18 von 2014 sieht eine Strafverfolgung für illegale Ausreise in der Form von Bußgeldern oder Haftstrafen vor. Entsprechend einem Rundschreiben wurde die Bestrafung für illegale Ausreise jedoch aufgehoben und Grenzbeamte sind angehalten, Personen, die illegal ausgereist sind, „bei der Einreise gut zu behandeln“.
Es ist schwierig, Informationen über die Lage von Rückkehrern in Syrien zu erhalten. Regierungsfreundliche Medien berichten über die Freude der Rückkehrer, oppositionelle Medien berichten über Inhaftierungen und willkürliche Tötungen von Rückkehrern. Zur Situation von rückkehrenden Flüchtlingen aus Europa gibt es, wohl auch aufgrund deren geringen Zahl, keine Angaben.
Die syrische Regierung führt Listen mit Namen von Personen, die als in irgendeiner Form regierungsfeindlich angesehen werden. Die Aufnahme in diese Listen kann aus sehr unterschiedlichen Gründen erfolgen und sogar vollkommen willkürlich sein. Zum Beispiel kann die Behandlung einer Person an einer Kontrollstelle, wie einem Checkpoint, von unterschiedlichen Faktoren abhängen, darunter die Willkür des Personals am Kontrollpunkt oder praktische Probleme, wie die Namensgleichheit mit einer von der Regierung gesuchten Person. Personen, die als regierungsfeindlich angesehen werden, können unterschiedliche Konsequenzen von Regierungsseite zu gewärtigen haben, wie Festnahme und im Zuge dessen auch Folter. Es wurde regelmäßig von Verhaftungen von und Anklagen gegen Rückkehrer gemäß der Anti-Terror-Gesetzgebung berichtet, wenn diesen Regimegegnerschaft unterstellt wird. Es gibt Berichte über Menschenrechtsverletzungen gegenüber Personen, die nach Syrien zurückgekehrt waren. Hunderte syrische Flüchtlinge wurden nach ihrer Rückkehr verhaftet und verhört – inklusive Geflüchteten, die aus dem Ausland nach Syrien zurückkehrten, IDPs aus von der Opposition kontrollierten Gebieten, und Personen, die in durch die Regierung wiedereroberten Gebieten ein Versöhnungsabkommen mit der Regierung unterschrieben haben. Sie wurden gezwungen, Aussagen über Familienmitglieder zu machen und in manchen Fällen wurden sie gefoltert.
(Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 16.12.2020, S. 96 ff)
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf die im Rahmen der Feststellungen jeweils in Klammer angeführten Beweismittel und im Übrigen auf nachstehende Beweiswürdigung:
2.1.1. Die wesentlichen biografischen Feststellungen zum Beschwerdeführer beruhen auf seinen insofern glaubwürdigen Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht.
2.1.2. Die Feststellungen zur derzeitigen militärischen Situation in der Heimatstadt bzw. des Heimatdistrikts des Beschwerdeführers beruhen auf der im Internet abrufbaren Syria-Livemap (https://syria.liveuamap.com/) und einem Zeitungsartikel der „iswnews“ ((https://english.iswnews.com/18575/syria-latest-military-situation-of-qamishli-city/; Beilage ./B der VHS vom 07.05.2021)
2.1.3. Die Negativfeststellungen zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers gründen auf folgenden Überlegungen:
Zunächst ist glaubwürdig, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2014 einer Musterung betreffend die Ableistung des Militärdienstes unterzogen wurde, zumal dies seinem Militärbuch zu entnehmen ist und das Datum der Musterung im Hinblick auf sein damaliges Alter (18 Jahre) schlüssig erscheint. Zudem gibt es für das Gericht keine Anhaltspunkte an der Echtheit des vorgelegten Militärausweises zu zweifeln.
Durchgehend widersprüchlich und implausibel waren jedoch die Angaben des Beschwerdeführers betreffend die Einberufung im Jahr 2016 sowie die Verhaftung und Folter durch die syrische Armee im Sommer 2016:
Zum einen konnte nicht nachvollzogen werden, weshalb der Beschwerdeführer erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht im Mai 2021 einen schriftlichen Einberufungsbefehl, datiert mit 10.01.2016, vorlegte, zumal er im Rahmen seiner Einvernahme vor der belangten Behörde aufgefordert wurde, alle für das Verfahren relevanten Dokumente vorzulegen bzw. beizuschaffen. Wenn der Beschwerdeführer meint, er habe gedacht, dass das Vorliegen seines Wehrdienstbuches „reicht“ (Verhandlungsschrift vom 07.05.2021 [VHS], S. 10), so kann dies nicht nachvollzogen werden, zumal ein schriftlicher Einberufungsbefehl ein überaus wichtiges Beweismittel zur Untermauerung seiner Fluchtgründe vor der belangten Behörde gewesen wäre.
Zudem ist der belangten Behörde beizupflichten, dass es überaus verwunderlich ist, dass es dem Beschwerdeführer möglich gewesen war, noch bis Sommer 2017 in Syrien (in seiner Heimatregion) zu verbleiben, wenn er doch von der syrischen Regierung aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung gesucht worden sei.
Weiters ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer befragt vor der belangten Behörde als ausschlaggebenden Grund für seine Flucht aus Syrien die dreimonatige Verhaftung und Folter durch die syrische Armee nennt (Verwaltungsakt S. 16), und gleichzeitig vor dem Bundesverwaltungsgericht nach seinen Fluchtgründen befragt, die Verhaftung und Folter durch die syrische Armee zunächst (von sich aus) gar nicht vorbringt (VHS S. 7). Dass er diese nicht erwähnt habe, weil er gedacht habe, er müsse nur die „Gründe angeben, die unmittelbar zu seiner Ausreise geführt haben (VHS S. 7 f)“, steht im Widerspruch zu seiner Aussage vor der belangten Behörde, dass die Haft und Folter durch die Armee der ausschlaggebende Grund für seine Flucht gewesen sei.
Zudem ergibt sich aus den Länderberichten, dass die syrische Armee zwar teilweise in Qamischli präsent ist, derzeit jedoch nicht über die notwendige Verwaltungsstruktur verfügt, um einen verpflichtenden Wehrdient in dieser Region durchsetzen zu können. Umso weniger kann angenommen werden, dass die syrische Armee zu einem Zeitpunkt, als sie deutlich weniger Einfluss im von den Kurden beherrschten Gebiet hatte, als dies nun (nach der letzten türkischen Militäroperation) der Fall ist, den Beschwerdeführer verfolgt, zu Hause aufgesucht, zu verhaften und während dreimonatiger Anhaltung gefoltert hat, erscheint wenig glaubwürdig.
2.1.4. Die Feststellungen zur Ausreise, Fluchtroute und der Reisepassausstellung XXXX beruhen auf den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers sowie dem vorgelegten syrischen Reisepass.
2.1.5 Die Feststellungen zu den Familienangehörigen des Beschwerdeführers gründen auf seinen diesbezüglich glaubwürdigen Angaben.
2.1.6. Dass für den Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr besteht, zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden, beruht auf folgenden Erwägungen:
Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger und 25 Jahre alt – er ist somit wehrdienstpflichtig. Er hat bislang noch keinen Militärdienst geleistet. Er stammt aus einer Region, die unter Kontrolle der kurdischen Milizen steht und in welcher derzeit aufgrund mangelnder Verwaltungsstrukturen der syrischen Regierung die Wehrdienstpflicht nicht durchgesetzt wird. Da jedoch (in Hinblick auf die Schließung des Grenzübergangs zum Nordirak aufgrund der COVID-19-Situation) eine Einreise derzeit nur über den Flughafen Damaskus möglich ist – der unter Kontrolle der syrischen Regierung steht –, bestünde für den Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr im Zuge von Sicherheitskontrollen durch syrische Beamte am Flughafen angehalten und gegebenenfalls nach Überprüfung seines Wehrdienststatus zum Militärdienst eingezogen zu werden. Wie festgestellt, ist der Wehrdienststatus einer Person in einer zentralen Datenbank dokumentiert, zu welcher Beamte Zugang haben. Da Rekrutierungen auch an Grenzübergangen stattfinden, vornehmlich Männer bis zu einem Alter von 27 Jahren eingezogen werden und aufgrund des Mangels an Soldaten von einem erhöhten Rekrutierungsdruck der syrischen Armee auszugehen ist, ist es hinreichend wahrscheinlich, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Syrien die Einziehung zum Militärdienst droht.
Der von der belangten Behörde in der Beschwerdeverhandlung ins Treffen geführte Umstand, dass zwei Brüder des Beschwerdeführers, die sich ebenfalls im wehrdienstpflichtigen Alter befinden (geboren XXXX und XXXX ) und ihren Militärdienst (noch) nicht abgeleistet haben, nach wie vor unbehelligt in Qamischli leben (vgl. die diesbezügliche Aussage des Beschwerdeführers VHS S. 10 ff), steht der Annahme des Risikos des Beschwerdeführers, zum syrischen Militär eingezogen zu werden, insofern nicht entgegen, als sich die beiden Brüder in einer Region aufhalten, wo die syrischen Behörden nach der Berichtslage die Wehrdienstpflicht mangels Ressourcen bisher nicht durchsetzen (können), während Gleiches für den Beschwerdeführer, dessen Einreise nach Syrien nur über den Flughafen von Damaskus erfolgen könnte, nicht gesagt werden kann.
Dass der Beschwerdeführer die Ableistung des Militärdienstes verweigert, ergibt sich aus seinen diesbezüglichen glaubwürdigen Angaben (vgl. etwa Verwaltungsakt AS 591).
2.2. Die Feststellungen zur Situation in Syrien beruhen auf den genannten im Rahmen der Ladungen zur Beschwerdeverhandlung eingeführten Quellen, die schon das BFA (zum Teil) seinem Bescheid zugrunde legte und die im Wesentlichen inhaltsgleich blieben. Angesichts der Seriosität dieser Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen, denen auch die Parteien nicht entgegentraten, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an deren Richtigkeit zu zweifeln.
Das inzwischen generierte (aktualisierte) Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien mit Stand 11.02.2021 bzw. 12.02.2021 enthält in den hier relevanten Teilen keine Aussagen, die ein maßgeblich anderes Bild zeichnen würden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt A)
3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Antrag abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offensteht oder er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob der Antragsteller tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
Verfolgung ist gemäß § 2 Abs. 11 AsylG jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Statusrichtlinie. Nach Art. 9 der Statusrichtlinie muss eine Verfolgungshandlung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist.
Unter anderem können als Verfolgung folgende Handlungen gelten:
- Anwendung physischer oder psychischer, einschließlich sexueller Gewalt,
- gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder diskriminierend angewandt werden,
- unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
- Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
- Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich des Art. 12 Abs. 2 fallen und
- Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
Nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann einer Wehrdienstverweigerung dann Asylrelevanz zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen seiner Wehrdienstverweigerung vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen - wie etwa bei Anwendung von Folter - jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Ist Letzteres der Fall, so kann dies aber auch auf der - generellen - Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung beruhen, womit unabhängig von einer der Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion im konkreten Fall wirklich zugrundeliegenden religiösen oder politischen Überzeugung der erforderliche Zusammenhang zu einem Konventionsgrund gegeben wäre. Würde der Wehrdienst dazu zwingen, an völkerrechtswidrigen Militäraktionen teilzunehmen, kann nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung auch schon eine Bestrafung mit einer "bloßen" Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 13.11.2019, Ra 2019/18/0274 mwN sowie VwGH 01.03.2007, 2003/20/0111 mwN).
Nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Frage eines möglichen Asylanspruchs entscheidend, ob dem Beschwerdeführer bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat angesichts des in den Länderfeststellungen ausgewiesenen erhöhten Rekrutierungsdrucks der syrischen Armee und der besonderen Gefährdung von einreisenden Männern im wehrfähigen Alter mit maßgebender Wahrscheinlichkeit eine Einziehung zum Wehrdienst droht (VwGH 19.06.2019, Ra 2018/18/0548).
3.1.2. Es ist glaubhaft, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Syrien eine asylrelevante Verfolgung droht:
Zunächst ist festzuhalten, dass die Asylentscheidung eine Prognoseentscheidung ist und auf eine in Zukunft (für den Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat) bestehende Verfolgungsgefahr (Furcht vor Verfolgung) gerichtet ist (vgl. bspw. Putzer, Asylrecht2 Rz 31). Maßgeblich ist daher, ob dem Beschwerdeführer bei einer nunmehrigen Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Verfolgung droht. Demnach ist – trotz der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens zur erfolgten Einberufung und Verhaftung des Beschwerdeführers durch die syrische Armee dennoch – aufgrund des Profils des Beschwerdeführers aufgrund der Berichtslage davon auszugehen, dass er im Falle einer Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Einberufung zum Militärdienst bei der syrischen Armee zu gewärtigen hätte.
Wie festgestellt, betrachtet die syrische Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen „terroristische“ Bedrohungen zu schützen. Auch vor dem Hintergrund der illegalen Ausreise aus Syrien würde seine anzunehmende Weigerung, den Militärdienst abzuleisten, von der syrischen Regierung politischer Gegner betrachtet werden. Ihm würde demnach bei einer Rückkehr aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung (jedenfalls) eine politische (oppositionelle) Gesinnung unterstellt werden.
Dass in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers aufgrund des mangelnden Verwaltungsapparates der syrischen Regierung derzeit kein verpflichtender Wehrdienst besteht, steht der Gefahr einer Einziehung des Beschwerdeführers nicht entgegen, weil dieser – wie bereits ausgeführt – derzeit nur über den Flughafen Damaskus einreisen kann und dieser unter Kontrolle der syrischen Regierung steht.
Wie festgestellt, ist Wehrdienstverweigerung mit hohen Haftstrafen bedroht und möglicherweise mit Foltergarantie und Todesurteil gleichzusetzen. Es liegt demnach jedenfalls eine Verfolgungshandlung mit der in § 2 Abs. 11 AsylG bzw. Art. 9 der Statuslinie geforderten Intensität vor.
Zur Ausstellung des syrischen Reisepasses beim syrischen Konsulat XXXX am 16.10.2019 bzw. zum diesbezüglichen Einwand der belangten Behörde, die Ausstellung des Reisepasses lege nahe, dass die syrische Regierung keine feindselige Haltung gegenüber dem Beschwerdeführer habe und demnach auch keine Verfolgungshandlungen gegen ihn zu setzen gedenke, bzw. die Reisepassausstellung insofern von Relevanz sein müsse, weil im Falle eines bereits Asylberechtigten bei einer solchen Konstellation ein Endigungsgrund anzunehmen wäre, ist Folgendes festzuhalten:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 Asyl ist einem Fremden der Status eines Asylberechtigten von Amts wegen abzuerkennen, wenn einer der in Art. 1 Abschnitt C der GFK angeführten Endigungsgründe eingetreten ist. Art. 1 Abschnitt C Z 1 GFK bestimmt, dass die GFK auf eine Person, die die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A GFK erfüllt, nicht mehr angewendet wird, wenn sie sich freiwillig unter den Schutz ihres Heimatstaates gestellt hat (Z 1). Die Beendigungstatbestände des Art. 1 Abschnitt C GFK lassen sich in der Regel als Gegenstück eines korrespondierenden Tatbestandsmerkmals in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK deuten. Der Asylwerber ist im Entscheidungszeitpunkt Flüchtling im Sinne der GFK, wenn er die Flüchtlingseigenschaft erworben hat und kein Beendigungstatbestand erfüllt ist. Der Beendigungstatbestand des Art. 1 Abschnitt C Z 1 GFK gilt als negatives „Spiegelbild“ der Voraussetzung der Flüchtlingseigenschaft gemäß Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wonach eine im maßgeblichen Zeitpunkt nicht staatenlose Person, die sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb ihrer Heimatlandes befindet, nur Flüchtling ist, wenn sie „nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen“.
Das Vorliegen eines Beendigungstatbestandes bzw. einer allfälligen Unterschutzstellung (Stellung unter Schutz des Heimatstaates) steht somit der Zuerkennung von Asyl entgegen. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass zu prüfen ist, ob in der Ausstellung des syrischen Reisepasses beim syrischen Konsulat XXXX eine Unterschutzstellung des Beschwerdeführers (im Hinblick auf seinen Heimatstaat Syrien) zu erblicken ist:
Nach nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müssen für eine Unterschutzstellung drei Voraussetzungen vorliegen: Die Freiwilligkeit, der tatsächliche Schutzerhalt und – unter dem Gesichtspunkt des Wunsches einer Normalisierung der Beziehungen zum Herkunftsstaat – die Unterschutzstellungsabsicht. Ein Wille zur Normalisierung der Beziehungen zum Herkunftsstaat und der Wunsch des bisherigen Flüchtlings, die Vertretung seiner Interessen – insb. gegenüber dem Aufenthaltsstaat – wieder in die Hände des Heimatstaates zu legen, werden in der Regel fehlen, solange im Herkunftsstaat selbst (insb. staatliche) Verfolgung droht.
Hinsichtlich einer allfälligen Unterschutzstellungsabsicht ist zu beachten, dass sich insbesondere im Zusammenhang mit Anträgen auf Ausstellung oder Verlängerung von Reisepässen die Situation eines Asylwerbers mangels Konventionsreisepasses und angesichts des noch ungewissen Verfahrensausganges von der eines anerkannten Flüchtlings in einer für die Deutung des Verhalts maßgeblichen Weise unterscheidet, weshalb jedenfalls bei Asylwerbern im Falle einer Reisepassausstellung eine von diesen zu widerlegende „Vermutung“ der Unterschutzstellung bzw. eine darauf abzielende Absicht nicht in Betracht kommt (vgl. zum Ganzen ausführlich VwGH 15.05.2003, 2001/01/0499; sowie auch VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0046).
Für den Fall des Beschwerdeführers bedeutet dies Folgendes:
Zwar ist die Reisepassausstellung durch das syrische Konsulat grundsätzlich als ein Akt der Schutzgewährung des syrischen Staates anzusehen. Weiters ist auch (mangels anderer Angaben des Beschwerdeführers) von einer Freiwilligkeit der Reisepassbeantragung auszugehen. Es fehlt jedoch klar an einer Unterschutzstellungsabsicht des Beschwerdeführers, zumal er nach der Reisepassbeantragung in XXXX in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, womit er klar zum Ausdruck brachte, dass er nicht beabsichtigt, sich unter den Schutz seines Heimatstaates zu stellen. Eine Unterschutzstellungsabsicht kann demnach nicht angenommen werden, weshalb der Endigungsgrund der Unterschutzstellung nicht vorliegt.
Dem Einwand der belangten Behörde, die Reisepassausstellung lege nahe, dass die syrische Regierung keine feindselige Haltung gegenüber dem Beschwerdeführer habe und demnach bei einer Rückkehr keine Verfolgungshandlungen gegen ihn setzen würde, ist Folgendes zu entgegnen:
Den Länderberichten ist zu entnehmen, dass die syrische Regierung die Ausstellung von Reisepässen oder anderen wichtigen Dokumenten aufgrund der politischen Einstellung einer Person, deren Verbindung zu oppositionellen Gruppen oder der Verbindung zu einem geographischen Gebiet, in dem die Opposition dominiert, verweigern kann. Daraus ergibt sich demnach nicht zwingend, dass die syrische Regierung jeder Person, die sie als politischen Gegner betrachtet bzw. dem sie eine politisch-oppositionelle Gesinnung unterstellt, automatisch die Ausstellung eines Reisepasses verweigert. In der Reisepassausstellung kann zwar ein Indiz erblickt werden, dass die syrische Regierung keine feindselige Haltung gegenüber dem Antragsteller pflegt; mit hinreichender Wahrscheinlichkeit kann dies jedoch nicht angenommen werden. Während nach der Herkunftsländerinformation syrische Beamte an Grenzübergängen Zugang zur zentralen Datenbank mit den Namen der für den Wehrdienst gesuchten Männer haben, kann nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass Beamte in syrischen Auslandsvertretungsbehörden Konsulaten dieselben Möglichkeiten haben. Auch steht nicht mit hinreichender Sicherheit fest, dass syrische Vertretungsbehörden vor Reisepassausstellung den Wehrdienststatus einer Person überprüfen bzw. bei einer allfälligen Überprüfung aufgrund des Ergebnisses derselben die Ausstellung eines Passes verweigern. Daher kann – auch vor dem Hintergrund des derzeit erhöhten Rekrutierungsdrucks – trotz der Reisepassausstellung nicht mit der gegenständlich erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Syrien zum Militär eingezogen würde und in der Folge aufgrund Wehrdienstverweigerung und der darin erblickten politisch-oppositionellen Gesinnung Verfolgung iSd der GFK zu gewärtigen hat.
Damit fällt der Beschwerdeführer (auch) in eine von UNHCR angeführte Risikogruppe, nämlich der „Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen ([u.a. Wehrdienstverweigerer]“; zur Indizwirkung von UNHCR-Positionen vgl. etwa VwGH 23.01.2019, Ra 2018/18/0521, mwN).
Eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative besteht nicht; die Annahme ebendieser würde im Widerspruch zum aufgrund der derzeitigen Situation in Syrien bereits gewährten subsidiären Schutz stehen (vgl. etwa VwGH 25.03.2015, Ra 2014/18/0168; 29.06.2015, Ra 2014/18/0070).
Da auch kein Asylausschlussgrund vorliegt, war dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen und der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides stattzugeben. 3.2. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt:
Dass dem Beschwerdeführer aufgrund einer ihm unterstellten oppositionellen Gesinnung eine asylrelevante Verfolgung droht, entspricht der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.
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