W211 2209492-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Barbara SIMMA LL.M. als Vorsitzende und die fachkundige Laienrichterin Mag.a Gerda HEILEGGER und den fachkundigen Laienrichter Dr. Ulrich E. ZELLENBERG als Beisitzerin und Beisitzer über die Beschwerde der XXXX , gegen den Bescheid der Datenschutzbehörde vom XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der Bescheid der Datenschutzbehörde vom XXXX wird ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Am XXXX .2018 brachte die mitbeteiligte Partei eine Beschwerde nach § 1 DSG ein, worin zusammengefasst vorgebracht wurde, sie sei in ihrem Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten verletzt worden, da ihre Nachbarin (die Beschwerdeführerin) an ihrer Eingangstür einen "digitalen Türspion" angebracht habe. Dieser schaue direkt auf die Wohnungstür der mitbeteiligten Partei, da diese gleich gegenüber, im Abstand von circa zwei Schritten, wohne. Seit die Beschwerdeführerin dieses Gerät angebracht habe, fühle sich die mitbeteiligte Partei beobachtet und in ihrer Privatsphäre beeinträchtigt. Weder "Wiener Wohnen" noch die zuständige Polizeiwache hätten der mitbeteiligten Partei sagen können, ob das Anbringen dieses Türspions erlaubt sei. Seit Dezember 2018 sei sie in Kenntnis dieses Verstoßes. Sie beantrage daher, die Datenschutzbehörde möge eine Verletzung ihrer Rechte feststellen. Der Datenschutzbeschwerde beigefügt waren zwei Lichtbilder.
2. Mit Mangelbehebungsauftrag vom XXXX .2018 forderte die Datenschutzbehörde die mitbeteiligte Partei auf, ihre Beschwerde entsprechend den gesetzlichen Vorschriften hinreichend zu präzisieren, nämlich den vollständigen Namen der Beschwerdeführerin zu nennen, mitzuteilen, ob es sich bei einem angeschlossenen Bild aus einem Werbeprospekt um das Modell des Türspions handle, das die Beschwerdeführerin verwende, und um welche Type es sich handle.
3. Mit Schreiben vom XXXX .2018 übersendete die mitbeteiligte Partei die verbesserte Datenschutzbeschwerde und übermittelte Lichtbilder, die die jeweiligen Eingangstüren der mitbeteiligten Partei bzw. der Beschwerdeführerin zeigten.
4. Mit Schreiben vom XXXX .2018 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, zu den in der Datenschutzbeschwerde erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen.
5. Mit Stellungnahme vom XXXX .2018 führte die Beschwerdeführerin aus, dass die Behauptungen nicht zutreffen würden. Es handle sich bei der betreffenden Anlage um einen normalen Türspion, der nichts aufzeichnen und keine Fotos anfertigen könne.
6. Am XXXX 2018 wurde durch die Datenschutzbehörde ein Aktenvermerk angelegt, aus dem hervorgeht, dass die Beschwerdeführerin telefonisch mitgeteilt habe, dass sie über keinen Fotoapparat verfüge und sie die Rechnung des Türspions nicht mehr finde. Weiter habe sie wiederholt darauf hingewiesen, dass es sich um einen normalen Türspion handle, bei dem sie einen Knopf betätigen müsse, um zu sehen, wer vor ihrer Tür stehe.
7. Am XXXX 2018 übermittelte die Beschwerdeführerin der Datenschutzbehörde Lichtbilder der Rechnung des Türspions sowie Lichtbilder von der Innenseite ihrer Wohnungstür.
8. Mit Schreiben der Datenschutzbehörde vom XXXX 2018 wurde die mitbeteiligte Partei aufgefordert, zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen.
9. Mit Schreiben vom XXXX .2018 brachte die mitbeteiligte Partei zusammengefasst vor, dass die Behauptungen der Beschwerdeführerin nicht stimmen würden, da ein digitaler Türspion kein normaler Türspion sei. Der digitale Türspion mit Monitor erfasse nicht nur die Wohnungstür, sondern auch darüberhinausgehende Bereiche. Sie fühle sich permanent, rund um die Uhr von der Beschwerdeführerin und ihrem Lebensgefährten überwacht. Auch mehrere Besucher hätten geäußert, dass sie sich durch den digitalen Türspion beobachtet fühlten. Dem Schreiben beigefügt waren weitere Lichtbilder der Wohnungstüren der Parteien.
10. Mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX .2018 wurde der Beschwerde stattgegeben und festgestellt, dass die Beschwerdeführerin die mitbeteiligte Partei dadurch in ihrem Recht auf Geheimhaltung verletzt habe, dass sie an ihrer Wohnungstür einen digitalen Türspion angebracht habe. Es werde der Beschwerdeführerin die Datenverarbeitung durch den digitalen Türspion bei sonstiger Exekution untersagt.
Begründend wurde festgehalten, dass das Betreiben eines digitalen Türspions eine Bildaufnahme iSd § 12 Abs. 1 Datenschutzgesetz (DSG) darstelle. Der digitale Türspion sei eine technische Einrichtung, die geeignet sei, festzustellen, wer sich im Aufnahmebereich des Türspions befinde. Durch das elektrische/digitale Erfassen des Aufnahmebereichs vor der Tür würden Daten verarbeitet werden. Die Beschwerdeführerin sei ebenso unbestritten Verantwortliche der Bildverarbeitung iSd Art. 4 Z 7 Datenschutzverordnung (DSGVO).
Gemäß § 12 Abs. 4 Z 1 DSG sei eine Bildaufnahme ohne ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Person, in deren höchstpersönlichen Lebensbereich eingegriffen werde, unzulässig. Orte, die dem höchstpersönlichen Lebensbereich zuzurechnen seien, seien beispielsweise Privatwohnungen. Der Oberste Gerichtshof (OGH) habe ausgesprochen, dass Bildaufnahmen im Privatbereich, fortdauernde unerwünschte Überwachungen und Verfolgungen eine Verletzung des durch Art 8 EMRK geschützten Persönlichkeitsrechts auf Achtung des Privatbereichs und der Geheimsphäre eines Menschen darstellen würden. Der Schutz der Privatsphäre eines Mieters vor solchen Maßnahmen ende auch nicht an der inneren Wohnungstür; es sei ein durchaus berechtigtes Interesse daran zuzubilligen, dass das Betreten oder Verlassen einer Wohnung durch den Mieter, seine Mitbewohner oder Gäste nicht lückenlos überwacht und aufgezeichnet werde. Dabei gehe es maßgeblich nicht darum, ob eine solche Überwachung auch aufgezeichnet werde, weil es bereits eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Privatsphäre (Geheimsphäre) darstelle, wenn sich ein Betroffener durch die Art der Anbringung und den äußeren Anschein einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt fühle. Daraus könne für das vorliegende Verfahren abgeleitet werden, dass der höchstpersönliche Lebensbereich gemäß § 12 Abs. 4 Z 1 DSG grundsätzlich auch das Äußere einer Wohnungstür umfasse, weil dadurch das Betreten und Verlassen der Wohnung der betroffenen Person erfasst werden könne. Vom Aufnahmebereich des verfahrensgegenständlichen Türspions werde auch die Wohnungstür der mitbeteiligten Partei erfasst. Da zum höchstpersönlichen Lebensbereich Räume zählen, zu denen nur ein beschränkter der/dem Berechtigten bekannter Personenkreis Zugang habe, z.B. eine Privatwohnung, sei die verfahrensgegenständliche Bildverarbeitung einer rechtfertigenden Interessenabwägung nicht zugänglich. Zulässig wäre eine derartige Bildverarbeitung lediglich mit der ausdrücklichen Einwilligung der betroffenen Person, welche gegenständlich nicht vorliege.
11. In ihrer Beschwerde vom XXXX .2018 führte die Beschwerdeführerin wiederholt aus, dass sie keinen digitalen, sondern einen analogen Türspion besitze. Dieser könne nichts aufnehmen und auch nichts speichern. Sie habe sich vor dem Einbau bei der Firma, die die Installation vorgenommen habe, erkundigt, wobei ihr diese zugesichert habe, dass dies erlaubt sei und auch keinen Datenschutz verletze. Weiter sehe sie durch den Türspion nur etwas, wenn es hell sei.
12. Mit Schreiben vom XXXX .2018 teilte die mitbeteiligte Partei der Datenschutzbehörde mit, dass die Beschwerdeführerin den verfahrensgegenständlichen Türspion weiterhin verwende.
13. Mit Schreiben vom XXXX .2018 legte die belangte Behörde den Akt vor und führte aus, dass, soweit die Beschwerdeführerin die Feststellung im angefochtenen Bescheid, wonach es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Türspion um einen digitalen Türspion handle, bestreite, darauf hingewiesen werde, dass die Feststellungen im angefochtenen Bescheid auf den mit Schreiben vom XXXX .2018 von der Beschwerdeführerin vorgelegten Lichtbildern beruhen würden. Es könne somit kein Zweifel bestehen, dass die Beschwerdeführerin statt eines mechanischen Türspions einen digitalen Türspion eingebaut habe. Darüber hinaus habe eine Internetrecherche ergeben, dass die Firma Yale, von der der verfahrensgegenständliche Türspion stamme, im Produktbereich "smart living" zwei digitale Türspione anbiete, ein mechanischer Türspion werde nicht angeboten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin und die mitbeteiligte Partei bewohnen jeweils einander gegenüberliegende Wohnungen in einem Mehrparteienhaus in Wien.
Die jeweiligen Eingangstüren sind mehrere Meter voneinander entfernt.
In der Wohnungstür der Beschwerdeführerin ist anstelle eines mechanischen Türspions ein digitaler Türspion mit Monitor ohne Aufzeichnungsfunktion der Marke "Yale" eingebaut, der per Knopfdruck eine zehnsekündige Aufnahme in Echtzeit überträgt.
Der digitale Türspion nimmt keine Speicherung/Aufzeichnung der übertragenen Bilder vor und ist als solcher von außen nicht von einem mechanischen Türspion zu unterscheiden.
Vom Aufnahmebereich des digitalen Türspions ist auch die Wohnungstür der mitbeteiligten Partei erfasst.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akt in Verbindung mit dem Vorbringen der Parteien, insbesondere aus den vorgelegten Lichtbildern.
Die Feststellungen zur Funktionsweise des Türspions beruhen auf einer Zusammenschau des Fotos des von der Beschwerdeführerin verwendeten Modells mit der Produktbeschreibung auf der öffentlich zugänglichen Website:
https://secure.yalelock.de/index.php?key=produktkatalog ID=38926 c=yalelock treeID=160076 lang=de
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Rechtsgrundlagen:
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten (Datenschutzgesetz - DSG) idF BGBl. I Nr. 14/2019, lauten (in Auszügen):
(Verfassungsbestimmung)
Grundrecht auf Datenschutz
§ 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.
(3) - (4) [...]
Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.04.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), lauten:
Artikel 4 Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:
1. "personenbezogene Daten" alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden "betroffene Person") beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann;
2. "Verarbeitung" jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung;
3. - 26. [...]
Artikel 6 Rechtmäßigkeit der Verarbeitung
(1) Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:
a) - e) [...]
f) die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt. Unterabsatz 1 Buchstabe f gilt nicht für die von Behörden in Erfüllung ihrer Aufgaben vorgenommene Verarbeitung.
(2) - (4) [...]
2. Beschwerdegegenstand ist die Frage, ob die Beschwerdeführerin die mitbeteiligte Partei dadurch in ihrem Recht auf Geheimhaltung gemäß § 1 DSG verletzt hat, indem sie an ihrer Wohnungstür einen digitalen Türspion angebracht hat, von dessen Aufnahmebereich auch die Wohnungstür der mitbeteiligten Partei erfasst ist.
Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:
Der erkennende Senat stellt seine Annahme voran, dass für die Anwendung der §§ 12 und 13 DSG mangels entsprechender Öffnungsklausel in der DSGVO kein Raum besteht und diese daher unangewendet (vgl. EuGH, 09.03.1977, C-106/77) zu bleiben haben:
"Der österreichische Gesetzgeber stützt sich bei der Erlassung von §§ 12 f DSG auf Art 6 Abs. 2 und 3 sowie Art 23 DSGVO und Kap IX DSGVO iVm ErwGr 10. Es sei an dieser Stelle nur angemerkt, dass es mangels einer spezifischen Öffnungsklausel fraglich ist, ob es den Mitgliedstaaten nach der DSGVO überhaupt noch gestattet ist, nationale Normen zur Videoüberwachung einzuführen bzw. beizubehalten. Art 6 Abs. 2 und 3 erlauben es zwar, auf nationaler Ebene spezifischere Regelungen (bei Einhaltungen der weiteren Voraussetzungen) beizubehalten bzw. zu erlassen, allerdings nur für Verarbeitungen auf Basis der Erlaubnistatbestände Art 6 Abs. 1 lit c und lit e (abzustellen wäre wohl iZm Videoüberwachung durch Private auf Art 6 Abs. 1 lit f)" (Kastelitz/Hötzendorfer/Tschohl in Knyrim, DatKomm Art 6 DSGVO, RZ 79 (Stand 1.10.2018, rdb.at)); vgl. auch Souhrada-Kirchmayer in Jahrbuch Öffentliches Recht 2018, NWV, S. 68; und auch in diesem Sinne zur deutschen Rechtslage betreffend eine Videoüberwachung zu privaten Zwecken: Buchner/Petri in Kühling/Buchner, DS-GVO - BDSG, 2. Auflage, C.H. Beck, Art. 6 DS-GVO, RZ 172, S. 277).
Schließlich führte auch das deutsche Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung vom 27.03.2019, BVwerG 6 C 2.18, aus wie folgt:
"Daraus folgt, dass die Öffnungsklauseln des Art. 6 Abs. 2 und 3 DSGVO für Verarbeitungen nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DSGVO Videoüberwachungen privater Verantwortlicher nicht erfassen. Aufgrund dessen ist kein Raum für eine künftige Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 1 des seit 25. Mai 2018 geltenden Bundesdatenschutzgesetzes in der Fassung von Art. 1 des Gesetzes vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2097) - BDSG n.F. - als wortgleicher Nachfolgeregelung des § 6b Abs. 1 BDSG a.F. auf Videoüberwachungen privater Verantwortlicher. Diese sind an Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO zu messen."
Die gegenständliche Beschwerde ist daher auf Basis der Rechtsgrundlage der DSGVO zu prüfen: Nach der Legaldefinition des Art. 4 Z 2 DSGVO besteht der Begriff "Verarbeitung" aus einer allgemeinen Definition und einer demonstrativen Aufzählung unterschiedlicher Verarbeitungsarten. Verarbeitung ist demnach jeder mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführter Vorgang im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten oder jede solche Vorgangsreihe. Dem Wortlaut nach muss es sich sohin um einen ausgeführten Vorgang oder eine ausgeführte Vorgangsreihe handeln, wobei das Erfordernis der Ausführung auf eine bewusst gesetzte Handlung hindeutet. Die Aufzählung der Verarbeitungsvorgänge ist demonstrativ und dient der Konkretisierung der Definition (vgl. Hödl in Knyrim, DatKomm Art 4 DSGVO Rz 27 und 28 (Stand 1.12.2018, rdb.at)).
Jeder Vorgang im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten fällt unter die Definition der Verarbeitung - unabhängig von der konkreten Tätigkeitsform. Die in Art. 4 DSGVO erläuterten Beispiele sind nicht abschließend, sondern exemplarisch. (Simitis/Hornung/Spiecker Datenschutzrecht - DSGVO mit BDSG S. 301, Rz 14).
Im vorliegenden Fall liegt eine Bildübertragung in Echtzeit (Echtzeitüberwachung) vor, die dadurch gekennzeichnet ist, dass Bilder von einem Ort zu einem anderen Ort übertragen werden, ohne dass eine Speicherung stattfindet. Da diese Art der Bildübertragung einen, mit einem automatisierten Verfahren, ausgeführten Vorgang im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten darstellt und somit unter die allgemeine Definition einer Verarbeitung gemäß Art. 4 Z 2 DSGVO fällt, ist sie jedenfalls von der Bedeutung dieses Begriffs erfasst.
Nach Art. 6 Abs. 1 lit f DSGVO kann diese Verarbeitung rechtmäßig sein, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen der Verantwortlichen oder einer Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen überwiegen.
Der OGH hat hinsichtlich des Begriffs des "höchstpersönlichen Lebensbereichs" ausgesprochen, dass Bildaufnahmen im Privatbereich, fortdauernde unerwünschte Überwachungen und Verfolgungen eine Verletzung des durch Art 8 EMRK geschützten Persönlichkeitsrechts auf Achtung des Privatbereichs und der Geheimsphäre eines Menschen darstellen; der Schutz der Privatsphäre eines Mieters vor solchen Maßnahmen endet auch nicht an der inneren Wohnungstür; es ist ein durchaus berechtigtes Interesse daran zuzubilligen, dass das Betreten oder Verlassen einer Wohnung durch den Mieter, seine Mitbewohner oder Gäste nicht lückenlos überwacht und aufgezeichnet wird; dabei geht es maßgeblich nicht darum, ob eine solche Überwachung auch aufgezeichnet wird, weil es bereits eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Privatsphäre (Geheimsphäre) darstellt, wenn sich ein Betroffener durch die Art der Anbringung und den äußeren Anschein einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt fühlt (vgl. OGH 17.12.2013, 5 Ob 69/13b).
Der OGH präzisierte diese Rechtsprechung in einer neueren Entscheidung dahingehend, dass geheime Bildaufnahmen im Privatbereich, fortdauernde unerwünschte Überwachungen und Verfolgungen zwar eine Verletzung der Geheimsphäre darstellen und nicht der Eindruck des Überwachtwerdens im Sinn systematischer, identifizierender Überwachungsmaßnahmen entstehen darf, gleichzeitig jedoch auch anerkannt ist, dass eine Überspannung des Schutzes der Persönlichkeitsrechte zu einer unerträglichen Einschränkung der Interessen anderer und jener der Allgemeinheit führen würde; es bedarf vielmehr einer Wertung, bei welcher dem Interesse am gefährdeten Gut stets auch die Interessen der Handelnden und die der Allgemeinheit gegenübergestellt werden müssen. Systematische, verdeckte, identifizierende Videoüberwachung stellt zunächst immer einen Eingriff in das geschützte Recht auf Achtung der Geheimsphäre dar. Den Verletzer trifft dann die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass er bei dem Eingriff in die Privatsphäre eines anderen in Verfolgung eines berechtigten Interesses handelte und dass die gesetzte Maßnahme ihrer Art nach zur Zweckerreichung geeignet war; entspricht er dieser Behauptungs- und Beweislast, kann der Beeinträchtigte behaupten, dass die Maßnahme nicht das schonendste Mittel zur Zweckerreichung darstellt; stellt sich dabei heraus, dass die Maßnahme nicht das schonendste Mittel war, erübrigt sich die Vornahme einer Interessenabwägung (vgl. OGH 27.06.2019, 6Ob6/19d).
Für den gegenständlichen Fall ist darauf hinzuweisen, dass die Installation eines (mechanischen bzw. digitalen) Türspions grundsätzlich ein geeignetes Mittel darstellt, um potentielle Gefahren vor Öffnen der Türe zu erkennen, wobei ein gelinderes Mittel zu diesem Zweck nicht zur Verfügung steht. Wie zuvor dargelegt handelt es sich beim Einsatz eines digitalen Türspions zwar um eine Echtzeitüberwachung, die Gefährdung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen ist bei derartigen Systemen - ohne Speicherung und Aufnahme von Bilddateien - jedoch deutlich herabgesetzt. Ein Beweissicherungszweck (wie bei einer Videoüberwachung mit Speicherung) kann durch sie nicht erreicht werden, möglich ist lediglich die Einleitung von (datenschutzrechtlich nicht relevanten) Sofortmaßnahmen, also ein Schutzzweck. Dazu kommt, dass der verfahrensgegenständliche digitale Türspion nur bei Knopfdruck eine zehnsekündige Aufnahme in Echtzeit überträgt und weder über eine Aufzeichnungsfunktion verfügt, noch eine Speicherung vornimmt, weshalb von einer vom OGH in seiner Entscheidung angesprochenen "fortdauernden unerwünschten Überwachung" nicht die Rede sein kann. Bringt die mitbeteiligte Partei weiter vor, sie bzw. ihre Besucher würden sich durch den digitalen Türspion permanent überwacht fühlen, womit sie einen ständigen Überwachungsdruck vergleichbar mit der zuvor dargelegten Entscheidung des OGH geltend macht, muss bemerkt werden, dass es in jenem Fall um die Verwendung einer Videokameraattrappe ging, im Unterschied dazu verfahrensgegenständlich jedoch um einen Türspion, der sich von außen optisch nicht einmal von einem mechanischen Türspion unterscheidet. Ein ständiger Überwachungsdruck kann durch diesen, ebenso wenig wie durch einen mechanischen Türspion, dessen Eingriffsintensität er nicht übersteigt, nicht erzeugt werden.
Damit stellt sich die vorliegende Datenverarbeitung im Lichte der DSGVO als gerechtfertigt dar, da gemäß dessen Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO, wie zuvor dargestellt, die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen (nämlich des Schutzzwecks) des Verantwortlichen erforderlich ist und diese die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.
Vor diesem Hintergrund war der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
Im gegenständlichen Fall kann das Unterlassen einer mündlichen Verhandlung darauf gestützt werden, dass der Sachverhalt zur Beurteilung der Beschwerde aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist. Weder war der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als unrichtig. Das Bundesverwaltungsgericht hat vorliegend daher ausschließlich über eine Rechtsfrage zu erkennen (vgl. EGMR 05.09.2002, Appl. Nr. 42057/98, Speil/Österreich). Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist (VfSlg. 17.597/2005; VfSlg. 17.855/2006; zuletzt etwa VfGH 18.6.2012, B 155/12).
Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass eine mündliche Beschwerdeverhandlung von den Parteien nicht beantragt wurde.
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil es zur Frage der Unionsrechtsmäßigkeit der §§ 12 und 13 DSG noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung gibt und es sich dabei um eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung handelt.
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