Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Dr. Lisa Pucher in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf Adr***, über die Beschwerde vom 20. Mai 2025 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 2. Mai 2025 betreffend Rückforderung der für das Kind ***Kind1*** für den Zeitraum Februar 2020 bis Juni 2023 ausbezahlten erhöhten Familienbeihilfe sowie Kinderabsetzbeträge, zu Recht:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Das Finanzamt erließ am 02.05.2025 einen Bescheid an die Beschwerdeführerin (nachfolgend "Bf") über die Rückforderung der für das Kind ***Kind1*** für den Zeitraum Februar 2020 bis Juni 2023 ausbezahlten erhöhten Familienbeihilfe (Rückforderungsbetrag: € 16.227,40). Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe, wenn ein Kind voraussichtlich dauerhaft erwerbsunfähig sei. Die Erwerbsunfähigkeit müsse vor dem 21. Geburtstag oder während einer Berufsausbildung vor dem 25. Geburtstag eingetreten sein. Dies sei bei ***Kind1*** nicht der Fall. Laut Gutachten des Sozialministeriumservice vom 05.06.2020 sei ein Grad der Behinderung von 50% sowie eine dauernde Erwerbsunfähigkeit rückwirkend ab Februar 2020 festgestellt worden. Laut vorliegenden Unterlagen habe sich ***Kind 1*** zuletzt bis 16.02.2015 in Berufsausbildung befunden.
Am 20.05.2025 wurde Beschwerde gegen diesen Bescheid erhoben. Es lägen zwei Befunde vor (nämlich vom 14.02.2020, von Mag. ***K***, Psychologin und vom 04.03.2020, von Dr. ***U***, Psychiaterin), wonach bei ***Kind 1*** eine kombinierte Persönlichkeitsstörung und Traumatisierung bereits vor dem 18. Geburtstag vorgelegen sei; die kombinierte Persönlichkeitsstörung habe bereits seit Kindheit und Jugend bestanden. Im August 2020 habe die PVA den Antrag auf Invaliditätspension abgelehnt, man habe gegen diesen Bescheid Klage erhoben, die im August 2021 abgewiesen worden sei. Es sei ab September 2021 alles Nötige getan worden, um das Finanzamt davon in Kenntnis zu setzen; dies sei dem Finanzamt telefonisch und auch schriftlich (unter Übermittlung aller relevanten Unterlagen/Entscheidungen und Schilderung der Situation der Tochter) mitgeteilt worden. Das Finanzamt habe auf die Anfang September 2021 eingebrachte Eingabe nicht reagiert. Am 09.11.2021 sei diesbezüglich erneut ein eingeschriebener Brief an das Finanzamt ergangen. Auch darauf habe das Finanzamt nicht reagiert. Im Dezember 2021 sei der Bf mitgeteilt worden, dass die Familienbeihilfe für die Tochter weiter ausbezahlt werde. Im Jänner 2022 sei ein Anruf vom Finanzamt erfolgt, es sei der Bf freundlich mitgeteilt worden, dass sie die (erhöhte) Familienbeihilfe für ihre Tochter sogar noch bis Juni 2023 ausbezahlt erhalte, was der Bf später auch noch schriftlich bestätigt werde. Am 14.02.2022 habe man eine Mitteilung über den Bezug der Beihilfe bis Juni 2023 erhalten. Über den "Fall" ihrer Tochter sei das Finanzamt ausreichend informiert gewesen.
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 03.06.2025 (zugestellt am 10.06.2025) als unbegründet ab. Dass der unrechtmäßige Bezug der Familienbeihilfe vom Finanzamt verursacht worden ist, stehe der Rückforderung nicht entgegen.
Am 04.07.2025 brachte die Bf einen Vorlageantrag ein, in dem sie wie folgt ausführte: Es könne nicht sein, dass die Erwerbsunfähigkeit bei ihrem Kind erst mit Februar 2020 eingetreten sei; die psychischen Probleme ihrer Tochter bestünden schon seit ihrer Kindheit bzw Jugend. Auf die bereits in der Beschwerde angeführten Befunde werde verwiesen. Das Kind habe sich bereits in der Volksschule schwer eingliedern können, die weitere Schulausbildung sei aufgrund ihrer Probleme sehr herausfordernd gewesen. Es habe zwei abgebrochene Lehrausbildungen (in den Jahren 2014 und 2015), eine weitere abgebrochene Ausbildung und einen gescheiterten Versuch als Verkäuferin gegeben. Bereits vor ihrem 18. Geburtstag habe ihre Tochter eine Traumatisierung erlitten, die alles noch schwerer gemacht habe, als es ohnehin schon war. ***Kind 1*** sei auch vor ihrem 21. Lebensjahr nicht in der Lage gewesen, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, dies hätten unzählige Versuche, einen Beruf zu erlernen, gezeigt. Das Geld sei im Vertrauen auf den Erhalt der Familienbeihilfe (wie vom Finanzamt zugesichert) verwendet worden. Am 22.06.2023 habe die Bf schließlich eine Mitteilung über den Wegfall des Anspruches auf Familienbeihilfe vom Finanzamt erhalten. Die Bf frage sich, weshalb man nicht damals (also im Juni 2023) bereits über die Rückforderung abgesprochen habe.
Am 28.07.2025 legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Gemäß § 8 Abs 6 FLAG 1967 erfolge keine Übermittlung der Gutachten des Sozialministeriumservice an das Finanzamt. Man sei aber jedenfalls an die Feststellungen des Sozialministeriumservice gebunden.
Die am ***GebDatum*** geborene und in Österreich lebende ***Kind1*** (Tochter der Bf) ist aufgrund ihrer geistigen Behinderung ab Februar 2020 voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. ***Kind 1*** ist am ***Datum*** volljährig geworden. Bis Februar 2015 hat sie sich in Berufsausbildung befunden; am ***Datum*** hat ***Kind 1*** das 21. Lebensjahr vollendet; am ***Datum*** wurde sie 29 Jahre alt.
Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die Bescheinigungen des Sozialministeriumservice vom Juni 2020 und vom April 2025 sowie die denen zu Grunde liegenden ärztlichen Sachverständigengutachten, die nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes als schlüssig, vollständig und unwidersprüchlich einzustufen sind.
Mit dem Vorbringen, aus den (vom Sozialministeriumservice auch konkret berücksichtigten) Gutachten von Mag. ***K***, Psychologin und vom 04.03.2020, von Dr. ***U***, Psychiaterin, sei ableitbar, dass bei ***Kind 1*** eine kombinierte Persönlichkeitsstörung und Traumatisierung bereits vor dem 18. Geburtstag vorgelegen sei und die kombinierte Persönlichkeitsstörung bereits seit Kindheit und Jugend bestanden habe, zeigt die Bf keine Unschlüssigkeit auf. Es ist schlüssig, wenn der medizinische Sachverständige (hier Fachärztin für Neurologie) nur dann eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit ab einem bestimmten Zeitpunkt annimmt, wenn er dafür in medizinischen Befunden nachvollziehbar dokumentierte Anhaltspunkte findet, die er seinem Gutachten zu Grunde legen kann; Sachverständige haben fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen, verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen, stützen. Der Umstand, dass eine Krankheit bereits diagnostiziert war, rechtfertigt noch nicht ohne weiteres die Annahme einer Erwerbsunfähigkeit. Die vorliegende gesundheitliche Beeinträchtigung muss so gravierend sein, dass eine Erwerbstätigkeit nicht mehr möglich ist. Dass dies bei ***Kind 1*** der Fall ist, konnte (fach)ärztlicherseits - aufgrund des Inhaltes der beigebrachten Befunde aus den Jahren 2020 - erst ab 02/2020 festgestellt werden, mögen sich nachweislich schon viel früher zunehmend ernsthafte Probleme aufgrund der vorhandenen und auch bestätigten Erkrankung(en) gezeigt haben; alleine die Möglichkeit, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Sachverhalt vorgelegen sein könnte, reicht keinesfalls aus, diesen Sachverhalt gutachterlich als gegeben anzusehen und zu bestätigen. Ein Leidenszustand, der eindeutig eine Erwerbsfähigkeit von vornherein ausschließt, wurde von den medizinischen Sachverständigen nicht erkannt (vgl etwa UFS 27.09.2010, RV/0241-S/10 oder auch BFG 31.01.2024, RV/7101239/2023).
Bei dieser Sachlage ist das Bundesfinanzgericht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verpflichtet, die Gutachten als mängelfreie Beweismittel seiner Entscheidung zugrunde zu legen (siehe zB VwGH 16.12.2014, Ro 2014/16/0053, VwGH 22.12.2011, 2009/16/0307 und VwGH 2009/16/0310 mwN).
Dass davon ausgegangen wird, ***Kind 1*** habe sich nur bis Februar 2015 in Berufsausbildung bestanden, ist der Bf vorgehalten worden (siehe Rückforderungsbescheid vom 02.05.2025); dieser schon von der belangten Behörde getroffenen Sachverhaltsfeststellung ist seitens der beschwerdeführenden Partei nichts entgegengebracht worden.
Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres der während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (§ 2 Abs 1 lit c FLAG 1967).
Nach dem festgestellten Sachverhalt liegen die im gegenständlichen Fall tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 2 Abs 1 lit c FLAG 1967 für den Bezug der Familienbeihilfe (Grundbetrag) nicht vor. ***Kind 1*** wird erst seit Februar 2020 als voraussichtlich dauerhaft erwerbsunfähig eingestuft; ***Kind 1*** war im Februar 2020 bereits 23 Jahre alt und zu dieser Zeit nicht mehr in Berufsausbildung befindlich. Der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung darf nur zusätzlich zur Familienbeihilfe (Grundbetrag) gewährt werden. Zu Unrecht bezogene Familienbeihilfe ist nach § 26 Abs 1 FLAG 1967 zurückzuzahlen. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist ebenfalls § 26 FLAG 1967 anzuwenden (siehe § 33 EStG 1988).
Die Behörde ist im Recht, wenn sie ausführt, dass § 26 Abs 1 FLAG 1967 eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen normiert, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat und subjektive Momente, wie etwa das Verschulden an der Auszahlung der Familienbeihilfe, die Gutgläubigkeit des Empfanges oder deren Verwendung, nach ständiger Rechtsprechung des VwGH für die Rückzahlungsverpflichtung unerheblich sind (siehe etwa VwGH 20.12.1968, 0486/68, VwGH 10.12.1997, 97/13/0185, VwGH 31.10.2000, 2000/15/0035, VwGH 03.08.2004, 2001/13/0048, VwGH 23.09.2005, 2005/15/0080, VwGH 18.04.2007, 2006/13/0174, VwGH 19.12.2013, 2012/16/0047). Es ist richtig, dass es sich bei der Rückforderung gemäß § 26 Abs 1 bis 3 FLAG 1967 nicht um eine Ermessensentscheidung handelt. Einer Rückforderung steht nach derzeitiger Rechtslage auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden ist (vgl VwGH 19.12.2013, 2012/16/0047, VwGH 28.10.2009, 2008/15/0329, VwGH 24.06.2009, 2007/15/0162, VwGH 19.03.2008, 2008/15/0002, VwGH 18.04.2007, 2006/13/0174, VwGH 03.08.2004, 2001/13/0048).
Auf die Möglichkeit der Stellung eines Nachsichtsantrages gemäß § 236 BAO hat schon die belangte Behörde im Vorlagebericht hingewiesen. Die Gewährung einer Nachsicht liegt im Ermessen des Finanzamtes und kann bei Versagung der beantragten Nachsicht in einem Rechtsmittelverfahren angefochten werden. Wird der entscheidungsrelevante Sachverhalt dem Finanzamt offengelegt, aber dennoch Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag ausbezahlt, kann eine sachliche Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO vorliegen (vgl BFG 14.10.2016, RV/7101355/2016). Nach der Rechtsprechung kann eine sachliche Unbilligkeit gegeben sein, wenn durch die Beihilfenbehörde der Grundsatz von Treu und Glauben (vgl VwGH 22.07.1999, 98/13/0101) dadurch verletzt wurde, dass der Nachsichtswerber auf ein unrichtiges Verhalten der Behörde, das eindeutig und unzweifelhaft für ihn zum Ausdruck kam, vertraut und danach disponiert hat (vgl BFG 14.06.2022, RV/1100003/2022). Ein derartiges Verhalten der Behörde kann sich nicht nur aus telefonischen Rechtsauskünften, sondern grundsätzlich auch aus Mitteilungen über den Familienbeihilfebezug bei zuvor durch den Beihilfebezieher vollständig offengelegtem Sachverhalt ergeben (siehe etwa BFG 12.09.2022, RV/7102584/2022). Ob dies hier der Fall war, ist im gegenständlichen Verfahren nicht zu beurteilen.
Es war spruchgemäß zu befinden.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei den zu lösenden Rechtsfragen an der einheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur, darüber hinaus hing die Entscheidung im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles sowie auf der Ebene der Beweiswürdigung zu beantwortenden Sachfragen ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.
Wien, am 16. September 2025
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