Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 31. Jänner 2025 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 30. Jänner 2025 betreffend die Rückforderung von Familienbeihilfe zu Recht erkannt:
I.
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Hinsichtlich der Monate September 2024 bis November 2024 wird von der Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages abgesehen. Die Rückforderung an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag wird auf den Zeitraum Dezember 2024 eingeschränkt und beläuft sich in Euro:
| Familienbeihilfe | 191,60 |
| Kinderabsetzbetrag | 67,80 |
| Gesamtbetrag | 259,40 |
II.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 30. Jänner 2025 wurde die Beschwerdeführerin (Bf) gemäß § 26 Abs.1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) iVm § 33 Abs.3 Einkommensteuergesetz (EStG) aufgefordert, die für ihr Kind ***1*** bezogene Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum September 2024 bis Dezember 2024 in Höhe von € 1.037,60 (FB: € 766,40; KG € 271,20) zurückzuzahlen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass ihre Tochter nicht ernsthaft und zielstrebig ihre Ausbildung absolviere und nicht in angemessener Zeit zu Prüfungen antrete.
Gegen diesen Bescheid hat die Bf mit Eingabe vom 31. Jänner 2025 Beschwerde erhoben. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass ihre Tochter bis November 2024 an der Fachhochschule ***2*** den Bachelorlehrgang ***3*** besucht habe.
Mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Österreich vom 15. Mai 2025 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Ablegen von Prüfungen essentieller Bestandteil einer Berufsausbildung sei.
Mit Eingabe vom 28. März 2024 beantragte die Bf die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) mit der Begründung, ihr sei telefonisch die Auskunft erteilt worden, dass ihrer Tochter die Familienbeihilfe von September bis November 2024 zustehe.
Im Vorlagebericht des Finanzamtes Österreich vom 28. Mai 2025 wurde ausgeführt, dass die Tochter der Bf in ihrem ersten Studienjahr (WS 2023/2024, SS 2024) im Bachelorstudium ***4*** an der ***8*** inskribiert gewesen sei und insgesamt 24 ECTS erreicht habe. Im Wintersemester 2024 inskribierte die Tochter der Bf den Bachelorstudiengang ***3*** an der Fachhochschule ***2***. Dieses Studium habe die Bf am 18. November 2024 abgebrochen. Bis zum Abbruch sei die Tochter zu einer Prüfung angetreten, die sie nicht bestanden habe. Da die Bf nicht im selben Haushalt mit ihrer Tochter lebt, sei von ihr die überwiegende Unterhaltskostentragung nachzuweisen. Die Bf habe trotz entsprechender Aufforderung durch das Finanzamt keine entsprechenden Nachweise übermittelt.
Über Aufforderung des Bundesfinanzgerichtes übermittelte die Bf mit E-Mail vom 16. Oktober 2025, 22. Oktober 2025 und 17. November eine Aufstellung der an ihre Tochter zwischen September 2024 und Dezember 2024 getätigten Überweisungen und führte dazu aus, dass sie die Wohn- und Verpflegskosten für ihre Tochter trage. Von ihrem Vater erhalte die Tochter keinen Unterhalt. Die monatlichen Lebenshaltungskosten von ***1*** würden sich auf ca. € 450,00 belaufen.
Die Tochter der Bf, ***1***, geb. am ***5*** 2002, inskribierte im Studienjahr WS 2023/2024 und SS 2024 das Bachelorstudium ***4*** an der ***8*** und erreichte dabei insgesamt 24 ECTS. Nach ihrem ersten Studienjahr wechselte ***1*** im Wintersemester 2024 an die Fachhochschule ***2*** und inskribierte den Bachelorstudiengang ***3***. Dieses Studium habe die Bf am 18. November 2024 abgebrochen. Zuvor ist ***1*** am 8. November 2025 zu einer Prüfung angetreten und wurde negativ beurteilt. Alle weiteren Prüfungen hätten erst nach der Exmatrikulation stattgefunden.
Die Tochter der Bf war von 6. Juni 2024 bis 5. März 2025 an der Adresse ***6*** und somit in einem anderen Haushalt als die Bf in ***7*** gemeldet. Die Bf hat im verfahrensgegenständlichen Zeitraum im September 2024 € 320,00, im Oktober 2024 € 240,00, im November 2024 € 620,00 und im Dezember 2024 € 330,00 an ihre Tochter zur Bestreitung ihrer Wohn- und Verpflegskosten überwiesen und hat damit den Unterhalt für ihr Kind überwiegend getragen.
Gemäß § 167 Abs.2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (zB VwGH 23.9.2010, 2010/15/0078; 28.10.2010, 2006/15/0301; 26.5.2011, 2011/16/0011; 20.7.2011, 2009/17/0132).
Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt der vom Finanzamt Österreich vorgelegten Verwaltungsakten und den E-Mails der Bf vom 16. Oktober 2025 und 22. Oktober 2025 wonach die Bf die Wohn- und Verpflegskosten ihrer Tochter finanziert habe.
Die Bf hat im Jahre 2024 ein Bruttoeinkommen von € 30.401,93 bezogen, der von der Bf für ihre Tochter gesetzlich zu leistende Unterhalt beläuft sich somit auf rund € 350,00 monatlich. Die Bf hat die monalichen Lebenshaltungskosten für ihre Tochter mit € 450,00, davon € 275,00 für Miete, angegeben.
Zwischen September und Dezember 2025 wurden von der Bf nachweislich durchschnittlich € 377,50 pro Monat an ihre Tochter überwiesen. Das Bundesfinanzgericht geht daher mit einer Wahrscheinlichkeit von über 50 % davon aus, dass damit der überwiegende Teil des Unterhalts von ***1*** von der Bf getragen wird und legt diesen Umstand dem Sachverhalt zugrunde. Nach Angaben der Bf liegen die Lebenshaltungskosten ihrer Tochter bei € 450,00. Auch wenn dieser Betrag eher gering erscheint, ist es äußerst unwahrscheinlich, dass die Lebenshaltungskosten tatsächlich über € 750,00 liegen, denn erst dann hätte die Bf keinen Anspruch auf Familienbeihilfe. Im Übrigen hat keine andere Person die Auszahlung von Familienbeihilfe beansprucht.
Gemäß § 26 Abs.1 FLAG hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Gemäß § 2 Abs.1 lit.b FLAG haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. …
Gemäß § 33 Abs.3 EStG steht Steuerpflichtigen, denen aufgrund des FLAG Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich € 67,80 zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 FLAG 1967 anzuwenden.
Gemäß § 2 Abs.1 lit.b FLAG steht Familienbeihilfe nur dann zu, wenn das Kind in Berufsausbildung steht. Voraussetzung für das Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 FLAG ist ein ernstliches u. zielstrebiges, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg. Dieses Bemühen manifestiert sich im Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind. ***1*** ist zur Prüfung am 8. November 2024 angetreten, wenn auch ohne Erfolg. Ein Prüfungserfolg ist dabei nicht ausschlaggebend (vgl. VwGH 98/13/0042), zumal andere Prüfungen bis 18. November 2024 nicht zu absolvieren waren.
Die Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe nach § 2 Abs.1 lit.b FLAG liegen daher grundsätzlich bis November 2024 vor. Nach der Exmatrikulation besteht jedoch ab Dezember 2024 mangels Berufsausbildung kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Gemäß § 2 Abs.2 FLAG hat eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt und keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
Ob eine Person die Unterhaltskosten für ein Kind überwiegend getragen hat, hängt einerseits von der Höhe der gesamten Unterhaltskosten für ein den Anspruch auf Familienbeihilfe vermittelndes Kind in einem bestimmten Zeitraum und andererseits von der Höhe der im selben Zeitraum von dieser Person tatsächlich geleisteten Unterhaltsbeiträge ab. Ohne zumindest schätzungsweise Feststellung der gesamten Unterhaltskosten für ein Kind, lässt sich, wenn dies nicht aufgrund der geringen Höhe der Unterhaltsbeiträge ausgeschlossen werden kann, somit nicht sagen, ob die Unterhaltsleistung in einem konkreten Fall eine überwiegende war (VwGH 1.3.2018, Ra 2015/16/0058).
Wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, hat die Bf die überwiegenden Unterhaltskosten für ihre Tochter getragen. Die Bf hat daher im Zeitraum September 2024 bis November 2024 Anspruch auf Familienbeihilfe, der Bescheid über die Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages war daher auf den Monat Dezember 2024 einzuschränken.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt im Beschwerdefall nicht vor. Die Entscheidung folgt der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Klagenfurt am Wörthersee, am 18. November 2025
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