Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Andreas Stanek in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über dessen Beschwerde vom 7. Februar 2025 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 15. Jänner 2025 betreffend Anspruchszinsen (§ 205 BAO) 2022, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Mit Steuererklärung (E1) vom 28. April 2023 beantragte der Bf. die erklärungsgemäße Veranlagung zur Einkommensteuer 2022 (BFG-Akt AS 1 - 9).Dieser Einkommensteuererklärung schloss der Bf. die Beilage "E1 kv" bei, mit der Bf. seine inländischen Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von € 96.783,78 unter der FNR 981 und unter der FNR 899 die darauf entfallende KESt in Höhe von € 26.615,54 dem Finanzamt offenlegte. Zwei mal vermerkte der Bf. auf dem Formular "E1 kv" handschriftlich "Einmaliger Verkauf - Keine Vorauszahlung für 2023" (BFG-Akt AS 10 - 12).
Mit Bescheid vom 15. Dezember 2023 ermittelte das Finanzamt die Einkommensteuer mit € 207.269,52 und setzte die Steuer nach Abzug der anrechenbaren Lohnsteuer (€ 185.901,59) sowie der Kapitalertragsteuer (€ 26.615,54) mit einer Gutschrift von € - 5.248, 00 fest. Bei der Steuerfestsetzung ging das Finanzamt davon aus, dass der Bf. die Kapitalertragsteuer bereits entrichtet hatte und wurde dementsprechend - wie die bereits entrichtete Lohnsteuer - berücksichtigt.
Mit Bescheid gleichen Datums wurden Anspruchszinsen mit einer Gutschrift in Höhe von € 69,28 festgesetzt (BFG-Akt AS 22).
Am 15. Jänner 2025 verfügte das Finanzamt die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2022 und setzte mit Bescheid gleichen Datums die Einkommensteuer 2022 nunmehr mit € 21.368,00 - ohne Abzug der Kapitalertragsteuer - fest. Nach Gegenüberstellung der bisherigen Steuergutschrift (€ 5.248,00) mit der nunmehrigen Festsetzung ergab sich eine Abgabennachforderung in Höhe von € 26.616,00 (BFG-Akt AS 25 - 30).
Mit Bescheid vom 15. Jänner 2025 setzte das Finanzamt die Anspruchszinsen für die sich aus dem Einkommensteuerbescheid ergebende Abgabennachforderung in Höhe von € 1.942,62 fest (BFG-Akt AS 31 f).
Mit über FinanzOnline eingereichter Eingabe vom 7. Februar 2025 erhob die steuerliche Vertretung des Bf. Beschwerde gegen den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2022. Zur Begründung werde ausgeführt, dass der Bf. mit der Steuererklärung alles offengelegt und den ersten Einkommensteuerbescheid für richtig befunden habe. Der Bf. verstehe nicht, warum Anspruchszinsen verrechnet werden, obwohl sämtliche Tatbestände in der Erklärung bekanntgegeben worden seien. Der Bf. ersuche um Nachsicht und Stornierung der Anspruchszinsen (BFG-Akt AS 42).
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 13. März 2025 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend verwies das Finanzamt dabei auf § 205 BAO. Die am 27. April 2023 eingereichte Einkommensteuererklärung weise zwar den Erlös aus dem Verkauf der GmbH-Anteile aus, als anrechenbare Kapitalertragsteuer werde die noch zu zahlende Kapitalertragsteuer angeführt. Der Einkommensteuerbescheid habe eine Gutschrift von € 5.248,-- ergeben, womit offensichtlich hätte sein müssen, dass die Kapitalertragsteuer nicht zur Vorschreibung gelangt sei (BFG-Akt AS 46 f).
Am 9. April 2025 beantragte der Bf. seine Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen und eine mündliche Senatsverhandlung anzuberaumen. Die Beschwerde ergänzend halte der Bf. fest, dass er in seiner Steuererklärung für 2022 die Kennzahl 899 ausgefüllt und die auf die Kapitalerträge entfallene Kapitalertragsteuer in Höhe von € 26.615,54 eingetragen habe. Den am 15. Dezember 2023 ergangenen Einkommensteuerbescheid 2022 habe der Bf. nach bestem Wissen und Gewissen als richtig befunden, da auch die von ihm berechnete Kapitalertragsteuer ausgewiesen worden sei. Die Abgabengutschrift in Höhe von € 5.248,00 habe der Bf. auf die hohen Abfindungszahlungen seines ehemaligen Arbeitgebers zurückgeführt." … Im neuerlichen Einkommensteuerbescheid wurde die Kapitalertragsteuer für die Anteilsabtretung als Abgabennachforderung ausgewiesen, welche im ursprünglichen Einkommensteuerbescheid als Vorauszahlung abgezogen wurde.Die Wiederaufnahme des Verfahrens wurde damit begründet, dass aufgrund der Eintragung der Kapitalertragsteuer in die Kennzahl 899, das Finanzamt unter der Annahme war, dass die Kapitalertragsteuer bereits geleistet wurde.Der Bf. verstand die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht, da er seiner Meinung nach die ursprüngliche Steuererklärung 2022 richtig ausgefüllt hat. Aus der Kennzahlenbeschreibung 899 geht nicht hervor, dass hier nur die bezahlte Kapitalertragssteuer einzusetzen ist und nicht - wie er vermutet hat - die auf den Anteilsverkauf entfallende Steuer. … Aufgrund der sofortigen Zahlung der berichtigten Einkommensteuer 2022 (obwohl alle Tatsachen schon bei der 1. Bescheiderstellung vorlagen) ersuchen wir von der Festsetzung von Anspruchszinsen abzusehen, da diese nicht angefallen wären, wenn der Bescheid ursprünglich richtig ergangen wäre … " (BFG-Akt AS 46 - 48).
Das Finanzamt entsprach mit Vorlagebericht vom 24. Oktober 2025 dem Antrag des Bf. und beantragte die unbegründete Abweisung der Beschwerde der Bf. (BFG-Akt AS 32 ff).
Mit Schriftsatz vom "09.04.2025" - gemeint wohl 9.11.2025 - zog die steuerliche Vertretung den Antrag auf mündliche Senatsverhandlung vor dem Bundesfinanzgericht zurück.
Am 15. Jänner 2025 erließ das Finanzamt einen, im wiederaufgenommenen Verfahren, neuen Einkommensteuerbescheid 2022, der zu einer Abgabennachforderung in Höhe von € 26.616,00 führte. Am selben Tag erließ Finanzamt einen Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen in Höhe von € 1.942,62. Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 7. Februar 2025.
An Steuervorauszahlungen entrichtete der Bf. lediglich die von seinem Arbeitgeber einbehaltene und im Einkommensteuerbescheid 2022 angerechnete Lohnsteuer. Vorauszahlungen für Steuern für Einkünfte aus Kapitalvermögen mit besonderem Steuersatz wurden vom Bf. für den Abgabenzeitraum 2022 nicht entrichtet.
Die obigen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und stellen sich als unstrittig dar, weshalb auch auf den dargestellten Verfahrensgang verwiesen wird.
Die Feststellung, dass der Bf. Kapitalertragsteuern für seine Anteilsabtretung noch nicht entrichtet hatte, ergibt sich für das Bundesfinanzgericht aus den beiden eigenen handschriftlichen Vermerken des Bf. auf der Steuererklärung, "Einmaliger Verkauf - Keine Vorauszahlung für 2023". Vor diesem Hintergrund ist das Argument des Bf., er habe den Einkommensteuerbescheid vom 15. Dezember 2023 für richtig befunden nicht nachvollziehbar, da bei der Steuerfestsetzung sowohl die anrechenbare Lohnsteuer als auch die - noch nicht entrichtete - Kapitalertragsteuer in Abzug gebracht wurde.
Am 25. Februar 2025 entrichtete der Bf. die als Einkommensteuer erhobene Kapitalertragsteuer in Höhe vom € 26.615,--.
§ 205 BAO normiert:"Anspruchszinsen
§ 205. (1) Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, sind für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen). Dies gilt sinngemäß für Differenzbeträge aus
a) Aufhebungen von Abgabenbescheiden,
b) Bescheiden, die aussprechen, dass eine Veranlagung unterbleibt,
c) auf Grund völkerrechtlicher Verträge oder gemäß § 240 Abs. 3 erlassenen Rückzahlungsbescheiden.
(2) Die Anspruchszinsen betragen pro Jahr 2% über dem Basiszinssatz. Anspruchszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Anspruchszinsen sind für einen Zeitraum von höchstens 48 Monaten festzusetzen.
(3) Der Abgabepflichtige kann, auch wiederholt, auf Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer Anzahlungen dem Finanzamt bekannt geben. Anzahlungen sowie Mehrbeträge zu bisher bekannt gegebenen Anzahlungen gelten für die Verrechnung nach § 214 am Tag der jeweiligen Bekanntgabe als fällig. Wird eine Anzahlung in gegenüber der bisher bekannt gegebenen Anzahlung verminderter Höhe bekannt gegeben, so wirkt die hieraus entstehende, auf die bisherige Anzahlung zu verrechnende Gutschrift auf den Tag der Bekanntgabe der verminderten Anzahlung zurück. Entrichtete Anzahlungen sind auf die Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuerschuld höchstens im Ausmaß der Nachforderung zu verrechnen. Soweit keine solche Verrechnung zu erfolgen hat, sind die Anzahlungen gutzuschreiben; die Gutschrift wird mit Bekanntgabe des im Abs. 1 genannten Bescheides wirksam. Mit Ablauf des Zeitraumes des Abs. 2 dritter Satz sind noch nicht verrechnete und nicht bereits gutgeschriebene Anzahlungen gutzuschreiben.
(4) Die Bemessungsgrundlage für Anspruchszinsen zu Lasten des Abgabepflichtigen (Nachforderungszinsen) wird durch Anzahlungen in ihrer jeweils maßgeblichen Höhe vermindert. Anzahlungen (Abs. 3) mindern die Bemessungsgrundlage für die Anspruchszinsen nur insoweit, als sie entrichtet sind.
(5) Differenzbeträge zu Gunsten des Abgabepflichtigen sind nur insoweit zu verzinsen (Gutschriftszinsen), als die nach Abs. 1 gegenüberzustellenden Beträge entrichtet sind.
(6) Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Nachforderungszinsen insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen,
a) als der Differenzbetrag (Abs. 1) Folge eines rückwirkenden Ereignisses (§ 295a) ist und die Zinsen die Zeit vor Eintritt des Ereignisses betreffen oder
b) als ein Guthaben (§ 215 Abs. 4) auf dem Abgabenkonto bestanden hat."
Dem § 205 Abs. 1 BAO folgend sind Differenzbeträge an Einkommenschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen, nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen). Die Anspruchszinsen betragen gemäß § 205 Abs. 2 BAO zwei Prozent über dem Basiszinssatz und sind für einen Zeitraum von maximal 48 Monaten festzusetzen.
Anspruchszinsen sind mit Abgabenbescheid festzusetzen, wobei Bemessungsgrundlage die jeweilige Nachforderung oder Gutschrift ist, die sich aus dem Spruch des zur Nachforderung oder Gutschrift führenden Bescheides (Stammabgabenbescheid), ergibt (vgl. BFG 19. Jänner 2016, RV/7101338/2015). Jede Nachforderung bzw. Gutschrift löst (gegebenenfalls) einen Anspruchszinsenbescheid aus. Es liegt je Differenzbetrag eine Abgabe vor.
Die Anspruchszinsen sollen (mögliche) Zinsvorteile bzw. Zinsnachteile ausgleichen, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzung ergeben. Entscheidend ist die objektive Möglichkeit der Erzielung von Zinsvorteilen bzw. Zinsnachteilen. Für die Anwendung des § 205 BAO ist es bedeutungslos, aus welchen Gründen die Abgabenfestsetzung früher oder später erfolgte. Die Verzinsung unterscheidet nicht, ob der Abgabepflichtige die Steuererklärung innerhalb der gesetzlichen (allenfalls durch Bescheid verlängerten) Erklärungsfrist einreicht, oder ob die Festsetzung der Einkommentsteuer wegen Verletzung der Pflicht des Finanzamtes, über die Abgabenerklärung ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden, relativ spät erfolgt. Zinsen nach § 205 BAO sind weder Sanktion noch Druckmittel oder gar Strafe (VwGH 13. September2018, Ro 2016/15/0005).
Anspruchszinsen gehören nach § 3 Abs. 2 lit. b BAO zu den Nebenansprüchen und sind zur festzusetzenden Abgabe formell akzessorisch (vgl. VwGH 19. Jänner 2005, 2001/13/0167). Anspruchszinsenbescheide sind somit nach ständiger Rechtsprechung an die Höhe der im Bescheidspruch des Einkommensteuerbescheides ausgewiesenen Nachforderung gebunden (vgl. VwGH 27. Februar 2008, 2005/13/0039; VwGH 27. März 2008, 2008/13/0036; VwGH 29. Juli 2010, 2008/15/0107).
Eine rechtskräftige Einkommensteuerfestsetzung (Stammabgabenbescheid) wird vom Gesetz nicht verlangt (vgl. VwGH 27. März 2008, 2008/13/0036).
Wegen der Bindung der Anspruchszinsenbescheide an die zugrunde liegenden Einkommensteuerbescheide könnten die Anspruchszinsenbescheide nicht mit der Begründung erfolgreich angefochten werden, der jeweilige Einkommensteuerbescheid sei inhaltlich rechtswidrig (vgl. Ritz, BAO6, § 205 Tz 34).
Die Festsetzung der Anspruchszinsen erfolgte im gegenständlichen Fall aus den dargelegten Gründen zu Recht. Ein Ermessensspielraum der Abgabenbehörde ist nicht gegeben.
Abschließend bleibt darauf hinzuweisen, dass das Bundesfinanzgericht über eine mögliche Nachsicht von Anspruchszinsen, wie im Beschwerdeschriftsatz vom 7. Februar 2025 anklingt, nicht zu entscheiden hatte.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei den zu lösenden Rechtsfragen an der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 205 BAO. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.
Wien, am 20. November 2025
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