Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***1***, den beisitzenden Richter ***3*** sowie die fachkundigen Laienrichter LR 1 und LR 2 in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Felix Karl Vogl Rechtsanwalt GmbH, Bahnhofstraße 34/12, 6780 Schruns, über die Beschwerde vom 18.8.2020 gegen den Bescheid des Zollamtes Feldkirch Wolfurt vom 9. Juli 2020, GZ. 920000/zzzzz/2020 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.3.2025 in Feldkirch in Anwesenheit der Schriftführerin SF zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid - wird soweit er sich auf den Bf. bezieht - aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Mit Bescheid vom 23.7.2019, 920000/xxxxx/27/2019 wurden Herrn ***Bf1*** als Gesamtschuldner (gemeinsam mit der vormaligen AG 1) Abgaben in Höhe von € 573,57 vorgeschrieben (Zoll: € 217,25, EUSt: € 322,44 und Verzugszinsen: € 33,88). Begründet wurde die Vorschreibung unter Hinweis auf Art 79 Abs 1 Buchst a UZK, dass nicht nur durch Angestellte der AG_2, wo der Bf. Geschäftsführer und Verwaltungsrat ist, rechtswidrig Tiernahrung (Nassfutter für Hunde) in die EU verbracht wurde, sondern auch durch die AG 1, wo der Bf. Eigentümer und Mitglied des Verwaltungsrates sei. Dies wurde anlässlich einer Zollkontrolle entdeckt. Die Zollbehörde stützte sich auf ihre Ermittlungen, wonach schon seit Jahren über eine nicht besetzte Zollstelle Hundefutter in die EU verbracht wurde und dass keiner Verzollungsunterlagen vorgelegt worden seien und dass im Namen der AG 1 und des Bf. Waren verbracht worden seien. Als Beweismittel dienen Aufzeichnungen der AG 1 über den Verkauf von Frischfutter der AG_2 für das Kalenderjahr 2016; wobei der erste Eintrag (Buchung laut Kontoauszug) laut den Aufzeichnungen vom 25.1.2016; der letzte Eintrag vom 31.10.2016 stammt.
In der Beschwerde (Eingangsdatum 8.4.2020), die sich nur gegen die Vorschreibung der Zollabgabe richtet, wird ausgeführt, dass die Gegenstände (Sendungen geringen Wertes nach Art 23 ZollBefrVO) "unmittelbar" verbracht worden seien und überdies wurde auf Befragen immer korrekt angegeben, dass die Waren zu geschäftlichen Zwecken mitgeführt werden; deswegen greife Art 86 Abs 6 UZK. Der Bf. als Geschäftsführer der AG 1 habe sich überdies auch telefonisch bei der Zollverwaltung über die korrekte Abwicklung erkundigt (mehrmals auch bei einer Patrouille). Die Behörde hätte dazu Feststellungen treffen müssen.
Insbesondere wurde beim Grenzübertritt auch auf erstes Befragen immer korrekt angegeben, dass Waren zu geschäftlichen Zwecken mitgeführt werden. Auch deren Menge bzw. Anzahl wurde korrekt angegeben. Auch die Wahl eines falschen Grenzübergangs sei nicht als Täuschungsversuch anzusehen - diese war ausschließlich durch die geographische Konstellation, nämlich die Nähe des benutzten Grenzüberganges zu einer Filiale der Österreichischen Post AG, bedingt; den Bf. treffen kein schweres Verschulden.
Eine solche Auskunft schließe jedenfalls eine Täuschungsabsicht aus, sodass die Zollschuld nicht entstehe und erloschen sei. Hinsichtlich der Voraussetzung der unmittelbaren Verbringung und der telefonischen Rückversicherung werde als Beweis eine Parteieneinvernahme angeboten.
In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom 9.7.2020, 920000/yyyyy/2020 teilte die bescheiderlassende Behörde die Ansicht der Bf., dass die Voraussetzung der "unmittelbaren" Einfuhr erfüllt sei; es ihm aber aufgrund eines vorliegenden Internetausdrucks klar gewesen sein musste, dass jegliche Einfuhr über € 22 einfuhrsteuerpflichtig und auch eine Zollanmeldung hätte abgegeben werden müssen. Da dies unterlassen wurde, wäre die Abgabenschuld entstanden. Diesbezüglich ist ein Beschwerdeverfahren vor dem BFG anhängig.
Mit Antrag vom 8.4.2020 wurde ein Antrag auf Erstattung der Zollabgaben gestellt mit folgender Begründung:
"Aufgrund der Auskünfte der Zollverwaltung haben die beiden Bescheid-Adressaten den Sachverhalt so verwirklicht, wie er verwirklicht wurde. Hätte die Abgabenbehörde ***Bf1*** nicht mitgeteilt, dass seine Vorgehensweise den Anforderungen des Art. 23 ZollbefrVO entspricht, so hätte er für die 150 Euro Warenwert nicht übersteigenden Sendungen den grenzüberschreitenden Versand durch einen Paketdienst oder durch die Schweizer Post gewählt. In diesem Falle wäre in seinem Vermögen der Nachteil in Höhe der entstandenen Zollschuld nicht eingetreten.
Gemäß Fachliteratur stellt ein nicht unter Art. 119 Abs. 1 UZK fallender Irrtum der Zollbehörden einen Grund für die Erstattung im Rahmen des Art. 120 UZK dar (Alexander in Witte (Hrsg), UZK7 Art. 120 UZK Rz 23). Die Zollschuld ist aufgrund der unrichtigen Auskunftserteilung durch Organe der österreichischen Zollverwaltung entstanden, sohin unter besonderen Umständen, die nicht auf eine Täuschung oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Zollschuldners zurückzuführen sind.
Mit Bescheid vom 9.7.2020, 920000/zzzzz/2020 wurde der Antrag als unbegründet abgewiesen und das Zollamt hat wie folgt ausgeführt: Nach Ansicht der Bescheidadressaten sei die Zollschuldentstehung in diesem Fall auf eine unrichtige Auskunft bzw. einen Irrtum der Zollbehörden zurückzuführen. Dies stelle nach der Fachliteratur einen Grund im Sinne des Art. 120 UZK für die Erstattung der festgesetzten Eingangsabgaben dar. Der abweisende Bescheid richtete sich sowohl an den Bf als auch an die AG 1, mit einer einheitlichen gleichlautenden Begründung für beide Steuersubjekte. Der (einheitliche) Bescheid wurde an den bf. und die AG 1 zugestellt; ebenso die darauffolgend ergangene Beschwerdevorentscheidung vom 17.9.2020, 920000/aaaaa/2020.
Mit 20.10.2021 wurde ein Vorlageantrag eingebracht; mit 20.3.2025 im Senat verhandelt.
Der Bf war Mitglied des Verwaltungsrates der AG 1. Der Zweck des Unternehmens war wie folgt: "Entwicklung, Produktion und Handel von Witterungsschutzsystemen jeder Art. Die Gesellschaft kann Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften im In- und Ausland errichten, sich an anderen Unternehmen im In- und Ausland beteiligen, im In- und Ausland Grundeigentum erwerben, belasten, veräussern und verwalten, Finanzierungen für eigene oder fremde Rechnung vornehmen sowie Garantien und Bürgschaften für Tochtergesellschaften und Dritte eingehen; (historischer) HR-Auszug). Rechtsnachfolgerin ist die AG 3 mit selber Adresse. Es ist strittig, ob ein besonderer Umstand iSd Art 120 UZK vorliegt.
Der Bf und die AG 1 stellten als Gesamtschuldner gemäß Art. 120 UZK einen Antrag auf Erstattung von Einfuhrabgaben unter Hinweis auf das Vorliegen besonderer Umstände, die eine unbillige Belastung darstellen würden. Die belangte Behörde erließ daraufhin einen gemeinsamen abweisenden Bescheid, adressiert an beide Antragsteller, in welchem deren Begründungen gemeinsam dargestellt und die Abweisung pauschal verfügt wurde. Eine gesonderte Prüfung der individuellen Umstände erfolgte nicht.
Folgende Beweismittel sind aktenkundig:
(historischer) Handelsregisterauszug; fffff
Internetausdruck - Info über Voraussetzungen an eine Zoll- und EUSt-Freiheit
Kontoauszug der AG 1
Einvernahme TR (Dienstnehmer der AG_2) vom 15.3.2019
Einvernahme der PT vom 28.3.2019
Transportauftrag für AG 3 (Auszug)
Aktenvermerk bzgl. eines Telefongesprächs mit ***Bf1*** vom 18.3.2019
Einvernahme des ***Bf1*** vom 20.3.2019 durch das Zollamt Feldkirch-Wolfurt
Diverse ***2*** wie:
Löschung AG 1, Handelsregistereintragung, GGGG
[...]
Art 120 UZK lautet:
(1) In anderen als den in Artikel 116 Absatz 1 Unterabsatz 2 und in den Artikeln 117, 118 und 119 genannten Fällen werden die Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbeträge aus Billigkeitsgründen erstattet oder erlassen, wenn die Zollschuld unter besonderen Umständen entstanden ist, die nicht auf eine Täuschung oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Zollschuldners zurückzuführen sind.
(2) Besondere Umstände gemäß Absatz 1 liegen vor, wenn die Umstände des Falls klar erkennen lassen, dass sich der Zollschuldner im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbeteiligten im gleichen Geschäftsfeld in einer besonderen Lage befindet und dass ihm, wenn diese besonderen Umstände nicht vorliegen würden, keine Nachteile aus der Erhebung des Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbetrags entstanden wären.
§ 199 BAO lautet:
Sind zur Entrichtung einer Abgabe mehrere Personen als Gesamtschuldner verpflichtet, so kann gegen sie ein einheitlicher Abgabenbescheid erlassen werden, und zwar auch dann, wenn nach dem zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnis die Abgabe nicht von allen Gesamtschuldnern zu tragen ist.
§ 267 BAO lautet:
Ist ein Bescheid von mehreren Beschwerdeführern angefochten oder sind gegen einen Bescheid mehrere Bescheidbeschwerden eingebracht, so sind diese Beschwerden zu einem gemeinsamen Verfahren zu verbinden. Ist auch nur über eine solcher Beschwerden nach § 272 Abs. 2 von einem Senat zu entscheiden, so obliegt diesem Senat auch die Entscheidung über die anderen Beschwerden.
Nach § 199 BAO darf ein einheitlicher Bescheid sohin nur bei Abgabenbescheiden im Rahmen eines Gesamtschuldverhältnisses erlassen werden. Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch nicht um einen Abgabenbescheid, sondern um eine Billigkeitsmaßnahme im Sinne des Art. 120 Abs 2 UZK, der auf individuelle persönliche und wirtschaftliche Umstände des jeweiligen Antragstellers abstellt.
Daher findet § 199 BAO keine Anwendung, und die Behörde hätte für jeden Antragsteller eine eigenständige Entscheidung zu treffen gehabt. Der Bescheid wird sohin insofern aufgehoben, als er ***Bf1*** betrifft, weil ein einheitlicher Bescheid nicht hätte ergehen dürfen.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Dass ein einheitlicher Bescheid nur in ausdrücklich genannten Fällen erlassen werden darf, ergibt sich schon aus dem Gesetz (§§ 199, 267 BAO), wie der Begründung zu entnehmen ist.
Salzburg, am 25. März 2025
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