Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Mag. Markus Knechtl LL.M., die Richterin Mag.a Gertraud Hausherr sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Johannes Denk und Mag Markus Fischer, BA in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch BKS Steuerberatung GmbH & Co KG, Handelsstraße 8/Stiege 2/Top 2, 3130 Herzogenburg, über die Beschwerde vom 22. Jänner 2024 gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom 19. Jänner 2024 betreffend Entlassung aus der Gesamtschuld nach § 237 BAO wegen Geschäftsführerhaftung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10. April 2025 in Anwesenheit des Beschwerdeführers, von KR Werner Steinwendner für BKS Steuerberatung GmbH & Co KG für den Beschwerdeführer sowie von ***FA-Vertreter*** für das Finanzamt zur Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
BFG-Erkenntnisse vom 3.9.2021 (RV/5101229/2019 betr "***AB-GmbH***"; RV/5101230/2019 betr "***CD-GmbH***")
Das Bundesfinanzgericht hat am 3.9.2021 die Beschwerden des Beschwerdeführers gegen Haftungsbescheide wegen Geschäftsführerhaftung als unbegründet abgewiesen und die Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten wie folgt bestätigt:
| Primärschuldnerin | Betrag |
| ***AB-GmbH*** | 57.732,64 |
| ***CD-GmbH*** | 52.102,90 |
Als Folge des Ausspruchs, dass die Haftung zu Recht bestehe, wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen jene Bescheide, mit denen die Abgabenschuldigkeiten gegenüber den beiden Gesellschaften ausgesprochen wurde (Grundlagenbescheide) dem Bundesfinanzgericht zu den GZ RV/7100322/2024 und RV/7100323/2024 zur Entscheidung vorgelegt. Eine Entscheidung ist noch nicht erfolgt.
Antrag / Anträge
Mit Schreiben vom 2.1.2024 wurde die Entlassung aus der Gesamtschuld in den Verfahren über die Geschäftsführerhaftungen in Höhe von € 57.732,62 und € 52.102,90 beantragt, weil die Einhebung unbillig sei. Vorgebracht wurde, dass der Verkauf einer Eigentumswohnung erfolgte, um die Insolvenz der Gesellschaften abwickeln zu können und kein weiteres Vermögen vorhanden sei.
Bescheide
Mit Bescheiden vom 19.1.2024 hat die belangte Behörde die Anträge (gesondert für jeden Haftungsfall) als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde darauf verwiesen, dass im Wesentlichen eine Vermögenslosigkeit vorgebracht wurde, dies jedoch nicht ausreiche, um eine persönliche Unbilligkeit darzutun.
Beschwerden
Mit Faxnachricht vom 22.1.2024 (datiert mit 21.1.2024) wurde gegen die abweisenden Bescheide jeweils eine Beschwerde erhoben. Die Abgabenbehörde wäre Hauptgläubiger in den Insolvenzverfahren gewesen. Eine Verschleuderung von Vermögenswerten mag durchaus vorliegen, zumal der Verkauf der Eigentumswohnung rasch erfolgen musste, um die Insolvenzverfahren geordnet abwickeln zu können. Eine persönliche Unbilligkeit liege somit vor. Schließlich wurde festgehalten, dass nicht einmal im Strafrecht "lebenslang" tatsächlich "lebenslang" bedeute, sofern sich die Abgabenbehörde auf ein künftiges pfändbares Einkommen berufe.
Beschwerdevorentscheidungen
Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 30.1.2024 wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen. In der Begründung hat die belangte Behörde ausgeführt, dass der Antragsteller - genauso wie bei der Nachsicht - das Vorliegen jener Umstände darzutun hat, auf die die Entlassung aus der Gesamtschuld gestützt werden könnte und das Hauptgewicht der Behauptungs- und Beweislast somit beim Antragsteller liege. Eine schlechte finanzielle Situation alleine sei aber nicht geeignet, eine persönliche Unbilligkeit darzutun.
Vorlageantrag
Mit Vorlageanträgen vom 13.1.2024 beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht sowie die Durchführung einer mündlichen Senatsverhandlung.
Vorlagebericht
In den Vorlageberichten vom 1.3.2024 hat das Finanzamt die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Mündliche Verhandlung
Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer ein Formular zur Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse mitgeschickt, mit der Auflage, dieses Formular noch vor der mündlichen Verhandlung ausgefüllt vorzulegen.
Das Formular wurde ausgefüllt am 30.3.2025 dem Bundesfinanzgericht übermittelt.
In der mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer korrigierend erläutert, dass das Erdgeschoß jenes Hauses, in dem sich auch die Familienwohnung des Beschwerdeführers befindet, entgegen den Angaben vom 30.3.2025 nicht von den Großeltern seiner Gattin bewohnt werde, zumal diese schon lange verstorben wären. Die Rate für den Investitionskredit betreffe eine Investition in die Familienwohnung. Der negative Kontostand am Geschäftskonto resultiere daraus, dass der Beschwerdeführer im Auftrag des Landes Niederösterreich einen Schaltschrank programmiere und installiere und er diesen Schaltschrank zuvor von einem Lieferanten erwerben musste. Ein Teil des Auftrages wurde vom Land Niederösterreich noch nicht bezahlt.
Der Vertreter des Beschwerdeführers führte ergänzend aus, dass die Entlassung aus der Gesamtschuld beantragt wurde, weil kein Vermögen vorhanden sei und weil eine Unbilligkeit der Einhebung vorliege.
Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer und Gesellschafter der ***CD-GmbH*** sowie Geschäftsführer und mittelbar auch Gesellschafter der ***AB-GmbH***. Über das Vermögen beider Gesellschaften wurde am TT.10.2017 das Konkursverfahren eröffnet. Gläubiger im Konkursverfahren der ***AB-GmbH*** waren eine Dienstnehmerin bzw der IEF, die NÖGKK sowie das Finanzamt. Einziger Gläubiger im Konkursverfahren der ***CD-GmbH*** war das Finanzamt.In den Jahren 2018 und 2019 wurden die beiden Gesellschaften wegen Vermögenslosigkeit aus dem Firmenbuch gelöscht.
Im Jahr 2017 wurde bei beiden Gesellschaften eine Außenprüfung durchgeführt. Mit Bescheid vom 17.12.2018 wurde der Beschwerdeführer zur Haftung als Geschäftsführer der ***CD-GmbH*** in Höhe von € 52.102,90 herangezogen. Mit Bescheid vom 11.3.2019 wurde der Beschwerdeführer zur Haftung als Geschäftsführer der ***AB-GmbH*** in Höhe von € 57.732,64 herangezogen. Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden vom Bundesfinanzgericht bereits im Jahr 2021 als unbegründet abgewiesen.
Der Spruchsenat als Finanzstrafbehörde hat festgestellt, dass der Beschwerdeführer Entnahmen aus der ***CD-GmbH*** tätigte, die den jeweiligen Jahresgewinn überstiegen und in der ***AB-GmbH*** nicht alle Erlöse und Einnahmen in der Buchhaltung erfasste, obwohl er diese Beträge als Person erhielt. Er hat vorsätzlich Kapitalertragsteuer nicht entrichtet und grob fahrlässig Umsatz- und Körperschaftsteuer nicht entrichtet.
Im Oktober 2017 verkaufte der Beschwerdeführer eine Eigentumswohnung um einen Barkaufpreis in Höhe von € 66.079,75, wobei der Käufer das offene Wohnbaudarlehen übernahm. Die selbst berechnete Immobilienertragsteuer betrug € 3.612,00.
Seit Februar 2021 wohnt der Beschwerdeführer in ***Bf1-Adr***. Eigentümerin dieser Liegenschaft ist die nunmehrige Gattin und ehemalige Mitarbeiterin der ***AB-GmbH***.
Der Beschwerdeführer führt einen Gewerbebetrieb und erzielt daraus ein Reineinkommen (nach Steuern) in Höhe von ca. € 15.300 (im Jahr 2023). Aktuell ist einer der Auftraggeber des Beschwerdeführers das Land Niederösterreich, das noch nicht alle Leistungen bezahlt hat. Er hat Aufwendungen für die Betriebskosten der Familienwohnung im Haus seiner Gattin in Höhe von € 490 und leistet Kreditrückzahlungen für einen Investitionskredit für die Familienwohnung in Höhe von ca € 330 monatlich.
Die Feststellungen zur Geschäftsführertätigkeit und zur Gesellschafterstellung des Beschwerdeführers gründen sich auf eine Einsichtnahme in die Firmenbuchauszüge der jeweiligen Gesellschaften. Schließlich wird auch im Antrag vom 2.1.2024 vorgebracht, dass der Beschwerdeführer Geschäftsführer der beiden Gesellschaften war und zur Haftung herangezogen wurde.
Aus den Erkenntnissen des Bundesfinanzgerichts vom 3.9.2021, RV/5101229/2019 (betreffend Geschäftsführerhaftung für die ***AB-GmbH***) und RV/7100829/2024 (betreffend Geschäftsführerhaftung für die ***CD-GmbH***) gründen sich die Feststellungen zum Finanzstrafverfahren und zum Erkenntnis des Spruchsenats sowie die Feststellungen zu den Haftungsverfahren. Darüber hinaus wurde in das Erkenntnis des Spruchsenats vom 4.4.2019 Einsicht genommen.
Die Feststellungen zum Verkauf der Eigentumswohnung ergeben sich aus dem Kaufvertag vom 17.10.2017, der in der Urkundensammlung des Grundbuchs hinterlegt ist und in den Einsicht genommen wurde. Dabei ist auch aufgefallen, dass der Erwerber (Käufer der Eigentumswohnung) denselben Familiennamen trägt wie der Beschwerdeführer (Verkäufer).
Die Feststellungen zum Wohnsitz des Beschwerdeführers ergeben sich auf Grund der Eintragungen im Zentralen Melderegister. Aus dem Zentralen Melderegister ist auch erkennbar, dass die (einzige) Arbeitnehmerin der ***AB-GmbH***, die Forderungen im Insolvenzverfahren geltend gemacht hatte, an derselben Adresse wie der Beschwerdeführer einen Nebenwohnsitz angemeldet hat. Aus dem Grundbuchsauszug der ***KG/EZ*** ist zudem ersichtlich, dass diese Gläubigerin im Insolvenzverfahren / ehemalige Arbeitnehmerin der ***AB-GmbH*** die Eigentümerin dieser Liegenschaft (Einfamilienhaus) ist.
Die Feststellungen zu den Vermögensverhältnisses gründen sich auf die vom Bundesfinanzgericht durchgeführte Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Im Zuge der Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse im März 2025 wurde hinsichtlich der Einkommenssituation lediglich auf den Einkommensteuerbescheid 2023 verwiesen. In der mündlichen Verhandlung wurde ergänzend ausgeführt, dass der Beschwerdeführer Leistungen für das Land Niederösterreich erbringt und dazu einen Schaltschrank vorfinanzieren musste, was zu einem negativen Kontostand am Geschäftskonto führte. Die Endabrechnung der Leistungen ist noch ausständig.
§ 237 BAO lautet:
§ 237. (1) Auf Antrag eines Gesamtschuldners kann dieser aus der Gesamtschuld ganz oder zum Teil entlassen werden, wenn die Einhebung der Abgabenschuld bei diesem nach der Lage des Falles unbillig wäre. Durch diese Verfügung wird der Abgabenanspruch gegen die übrigen Gesamtschuldner nicht berührt.
(2) Wird die Entlassung aus der Gesamtschuld widerrufen (§ 294), so lebt der Abgabenanspruch gegen den bisher aus der Gesamtschuld entlassenen Schuldner (Abs. 1) wieder auf. Für die Zahlung, die auf Grund des Widerrufes zu leisten ist, ist eine Frist von einem Monat zu setzen.
Die Voraussetzungen für die Entlassung eines einzelnen Gesamtschuldners aus dem Gesamtschuldverhältnis sind grundsätzlich die gleichen wie die für die Nachsicht, nämlich die Unbilligkeit der Einziehung der Abgabe, für welche ein Gesamtschuldner einzustehen hat. Dabei genügt es, wenn die Billigkeitsgründe lediglich in der Person des antragstellenden Gesamtschuldners gelegen sind. Die Unbilligkeit der Einhebung einer Abgabe nach der Lage des Falles kann eine "persönliche" oder "sachliche" sein. Eine "persönliche" Unbilligkeit liegt insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtwerbers gefährdet. Dabei sind nicht die Vermögens- und Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld maßgebend, sondern jene zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen (vgl VwGH 8.9.1992, 88/14/0103). Ist die Abgabenschuld tatsächlich nicht einbringlich, ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine persönliche Unbilligkeit (Existenzgefährdung durch eine drohende Abgabeneinhebung) im Sinne des § 236 BAO gegeben (VwGH 3.9.2024, Ra 2023/13/0044). Der Tatbestand der "Unbilligkeit der Einhebung nach der Lage des Falles" setzt das Vorliegen eines in den subjektiven Verhältnissen des Steuerpflichtigen oder des Steuergegenstandes gelegenen Sachverhaltselementes voraus, aus dem sich ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den in jenem subjektiven Bereich entstehenden Nachteilen ergibt. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen gefährden würde oder dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögen möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleich käme (VwGH 29.9.2011, 2011/16/0190). Die wirtschaftliche Existenz muss gerade durch die Einbringung der gegenständlichen Abgaben gefährdet sein; keine Unbilligkeit liegt vor, wenn sich an der Existenzgefährdung des Abgabenschuldners nichts ändert, gleichgültig, ob die fraglichen Abgabenschuldigkeiten eingehoben würden oder nicht (VwGH 29.9.2011, 2011/16/0190). Darauf hat bereits die belangte Behörde hingewiesen.
Eine "sachliche" Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus "persönlichen" Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ereignis eintritt. Jedenfalls muss es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen (VwGH 11.11.2004, 2004/16/0077). Folgen des Unternehmerwagnisses sind idR nicht als sachliche Unbilligkeit anzusehen (VwGH 23.1.1996, 95/14/0062).
Im Verfahren betreffend die Entlassung aus der Gesamtschuld ist es Sache des Antragstellers, im Sinne der ihn treffenden Mitwirkungspflicht einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann. Somit ist ein entsprechendes Vorbringen zu erstatten, das geeignet ist, die von ihr gewünschte Rechtsfolge (die Entlassung aus der Gesamtschuld) zu rechtfertigen. Das Hauptgewicht der Behauptungs- und Beweislast liegt sohin beim Antragsteller, dem es obliegt, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf welche die Billigkeitsmaßnahme gestützt werden kann und der insoweit auch am Verfahren mitzuwirken hat (vgl Drapela/Knechtl, Anträge, Rechtsmittel und Rechtsbehelfe nach der BAO, 161 ff).
Im Antrag vom 2.1.2024 wird vorgebracht, dass die Entlassung aus der Gesamtschuld für beide Haftungsverfahren (wobei die Beschwerden gegen beide Haftungsbescheide bereits als unbegründet abgewiesen wurden) beantragt wird. Ergänzend wird angeführt, dass der Verkauf der Eigentumswohnung erfolgte, um die Insolvenz beider Gesellschaften überhaupt abwickeln zu können und dass kein weiteres Vermögen vorhanden sei.
Zum Verkauf der Eigentumswohnung ist anzumerken, dass aus dem Grundbuch hervorgeht, dass der Beschwerdeführer eine Eigentumswohnung im Oktober 2017 an einen Verwandten veräußert hatte. Das Vorbringen hinsichtlich der "Abwicklung" der beiden Insolvenzverfahren kann nur dahin verstanden werden, dass die Masseverwalterin der Primärschuldnerinnen sämtliche Anfechtungsmöglichkeiten geprüft hatte und dabei festgestellt hatte, dass die ***AB-GmbH*** noch Forderungen gegen den Beschwerdeführer hatte. Selbst wenn diese Forderung(en) durch die Masseverwalterin nicht hätten eingebracht werden können, wäre das Insolvenzverfahren fortgeschritten. In der Beschwerde wird diesbezüglich ausgeführt, dass durch den rasch erfolgten Verkauf der Eigentumswohnung "mit Sicherheit ein niedrigerer Verkaufserlös erzielt als bei einem normalen Verkauf" wurde. Nach der Rechtsprechung genügt es für die Bewilligung der Nachsicht oder Entlassung aus der Gesamtschuld, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, "so etwa wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögen möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleich käme" (zB VwGH 29.9.2011, 2011/16/0190). Allerdings kann der in der VwGH-Entscheidung angesprochene Sachverhalt im gegenständlichen Beschwerdeverfahren gar nicht vorliegen, weil der Verkauf der Eigentumswohnung bereits im Jahr 2017 erfolgte. Die Entscheidung über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid erging erst im Jahr 2021 und die Entlassung aus der Gesamtschuld wurde erst mehr als sechs Jahre später beantragt.
Zur (aktuellen) Einkommens- und Vermögenssituation machte der Beschwerdeführer initiativ weder in seinem Antrag vom 2.1.2024 noch in der Beschwerde oder in Vorlageantrag irgendwelche Angaben. Aus den im Rahmen des Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer monatliche Wohnkosten in Höhe von € 490 trägt und Kreditraten im Ausmaß von ca € 330 im Monat leistet. Dazu wurde ausgeführt, dass es sich um einen Investitionskredit für Aufwendungen für den Familienwohnsitz, der im Alleineigentum der Gattin des Beschwerdeführers steht, handelt. Zum Einkommen des Beschwerdeführers wurde nur ein Einkommensteuerbescheid 2023 vorgelegt, aus dem ein steuerpflichtiges Einkommen in Höhe von ca € 16.200 und eine Steuerlast von ca € 900 ersichtlich sind. Aktuellere Einkommensverhältnisse wurden vom Beschwerdeführer nicht bekannt gegeben. Eine (persönliche) Unbilligkeit kann daraus nicht erkannt werden.
Eine Unbilligkeit, die etwa aus der gesetzlich normierten Einrichtung der Gesamtschuld oder der Haftung als solcher abgeleitet werden könnte, reicht für Maßnahmen nach § 237 BAO nicht aus, denn eine allgemein gültige Rechtsvorschrift für sich allein vermag keine Unbilligkeit zu begründen (VwGH 30.3.2000, 99/16/0098).
Ein von einem Rechtsvertreter des Vertragspartners verursachter Nachteil des Abgabepflichtigen kann nicht im Wege einer Entlassung aus der Gesamtschuld dem Abgabengläubiger und damit der Allgemeinheit überbunden werden (VwGH 25.9.1997, 95/16/0140). Umsoweniger kann ein Nachsichtsgrund vorliegen, wenn ein Geschäftsführer einer GmbH Erlöse, die er nachweislich erhalten hatte, nicht verbucht, dadurch einen Abgabenausfall herbeiführt und nun als Geschäftsführer zur Haftung für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft herangezogen wird.
Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 237 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Erst nach der Feststellung, dass die Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles unbillig ist, ist Ermessen zu üben (VwGH 2.7.2002, 99/14/0284). Bei der Ermessensübung ist vor allem das bisherige steuerliche Verhalten des Abgabepflichtigen zu berücksichtigen; insbesondere bei Hinterziehung wird eine Nachsicht im Allgemeinen nicht in Betracht kommen (VwGH 11.11.2004, 2004/16/0077). Nichts anderes kann für die Entlassung aus der Gesamtschuld gelten. Sofern Ermessen zu üben wäre, wäre auch das rechtskräftige Erkenntnis des Spruchsenates vom 4.4.2019, mit dem der Beschwerdeführer schuldig erkannt wurde, grob fahrlässig eine Abgabenverkürzung bzw vorsätzlich Abgaben nicht entrichtet zu haben, zu berücksichtigen.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht folgt der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, es liegt daher kein Grund für eine Revisionszulassung vor. Darüber hinaus hing diese Entscheidung im Wesentlichen von der Würdigung der Umstände des Einzelfalles ab.
Wien, am 18. April 2025
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