Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch LeitnerLeitner GmbH Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Kapuzinerstraße 38, 4020 Linz, über die Beschwerde vom 13. Dezember 2023 gegen den Bescheid des Finanzamtes für Großbetriebe vom 3. Oktober 2023 betreffend Körperschaftsteuer 2013 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Die Beschwerdeführerin (Bf) ist Gruppenträgerin einer Unternehmensgruppe gemäß § 9 KStG 1988.
Im Zuge einer Betriebsprüfung hinsichtlich der Jahre 2015 bis 2018 wurde eine Bilanzberichtigung nach § 4 Abs 2 Z 2 EStG 1988 durchgeführt, da die steuerrechtliche Abschreibung einer Gebäudeerweiterung fälschlicherweise ab dem Zeitpunkt der Anschaffung des ursprünglichen Gebäudes angesetzt worden sei. Im Betriebsprüfungsbericht wurde dazu ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine amtswegige Wiederaufnahme vorlägen und dies für die beantragte Bilanzberichtigung ausreichend sei. Die übrigen Voraussetzungen des § 4 Abs 2 Z 2 EStG 1988 seien ebenfalls erfüllt.
Daraufhin erfolgte mit nach § 293b BAO geändertem Feststellungbescheid Gruppenträger vom 28.9.2023 eine Bilanzberichtigung gemäß § 4 Abs 2 Z 2 EStG 1988 durch Berücksichtigung eines Abschlags iHv € 8.324.208,39 im ersten nicht verjährten Jahr 2013. Eine Anrechnung der ausländischen Quellensteuer könne aufgrund des negativen Einkommens der Bf iHv € - 4.826.119,54 nicht mehr erfolgen.
Am 3.10.2023 erging der nach § 295 Abs 1 BAO entsprechend angepasste Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2013.
Gegen den Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2013 brachte die Bf mit Schriftsatz vom 13.12.2023 in verlängerter Rechtsmittelfrist Beschwerde ein und führte zur Begründung aus, dass Zu- und Abschläge nach § 4 Abs 2 Z 2 EStG 1988 bei Personengesellschaften nicht im Feststellungsverfahren nach § 188 BAO, sondern im abgeleiteten ESt-/KöSt-Veranlagungsverfahren der Gesellschafter zu berücksichtigen seien. § 4 Abs 2 Z 2 EStG knüpfe tatbestandlich an die Bemessungsverjährung nach § 207 BAO an und ordne den Ansatz von Zu- und Abschlägen im ältesten, noch nicht verjährten Jahr an. Eine Bemessungsverjährung könne nach § 207 BAO jedoch ausschließlich in einem ESt-/KöSt-Veranlagungsverfahren und nicht in einem Feststellungsverfahren eintreten. Folglich scheide ein Ansatz von Zu- und Abschlägen in einem Feststellungsverfahren nach § 188 BAO mangels Verjährungsmöglichkeit aus. Diese Überlegungen seien auf Unternehmensgruppen übertragbar. Für eine Berücksichtigung im ESt-/KöSt-Veranlagungsverfahren spreche darüber hinaus, dass § 4 Abs 2 Z 2 EStG außerhalb der regulären, im Feststellungsverfahren nach § 188 BAO erfolgenden, Gewinnermittlung stehe und Zu- und Abschläge ihrem Wesen nach eine die Gewinnermittlung nicht tangierende Korrekturmaßnahme darstellen würden. Außerdem werde das Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung, die Entscheidung durch den Senat, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie das Unterbleiben der Veröffentlichung der Entscheidung gemäß § 23 Abs 3 BFGG beantragt.
Mit Vorlagebericht vom 11.3.2024 (innerhalb drei Monaten ab Einlangen der Beschwerde) legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. In der Stellungnahme wurde ergänzend ausgeführt, dass für die Erfassung des Abschlags gemäß § 4 Abs 2 Z 2 EStG beim betroffenen Gruppenmitglied oder Gruppenträger der Feststellungsbescheid jenes Wirtschaftsjahres zu korrigieren sei, dessen Ergebnis im ersten nicht verjährten Veranlagungszeitraum des Gruppenträgers (als Teil des Gruppeneinkommens) veranlagt werde (vgl KStR, Rz 1150h). Die vom Bf vorgebrachte Judikatur bzw Literatur stehe in Zusammenhang mit der Besteuerung von Personengesellschaften und sei für die Gruppenbesteuerung nicht analog anzuwenden, da bei Personengesellschaften das Durchgriffsprinzip/Transparenzprinzip gelte. Zu-/Abschläge nach § 4 Abs 2 Z 2 EStG seien daher bei Personengesellschaften im abgeleiteten Veranlagungsverfahren der Gesellschafter und bei Gruppen im Feststellungsbescheid des Gruppenträgers bzw Gruppenmitglieds anzusetzen.
Mit Beschluss des BFG vom 12.6.2025 wurden die Parteien unter Verweis auf das Erkenntnis des VwGH vom 29.9.2022, Ro 2022/15/0011, dazu aufgefordert zur Frage Stellung zu nehmen, ob ein (rechtsgültiger) Antrag auf Bilanzberichtigung seitens der Bf gestellt wurde oder eine Berichtigung von Amtswegen erfolgt ist.
Die Bf führte in ihrer Stellungnahme zusammengefasst dazu aus, dass ein Antrag von ihrer Seite nie vorgelegen sei. Die Betriebsprüfung habe eine PowerPoint-Präsentation als einen schriftlichen Antrag angesehen. Die Präsentation sei jedoch bloß eine Sachverhaltsdarstellung hinsichtlich der verabsäumten Geltendmachung einer Gebäude AfA bei der Gebäudeerweiterung gewesen. Die Präsentation sei außerdem ausschließlich über einen Datenraum bzw. Share-Point zur Verfügung gestellt worden. Dies sei keine zulässige Einbringungsform für ein Anbringen im Sinne der BAO. Weitere Schriftstücke dazu hätten nie existiert.
Dem entgegnete das Finanzamt in seiner Stellungnahme, dass die Bf während der laufenden Betriebsprüfung eine Fehlerberichtigung nach § 4 Abs 2 Z 2 EStG 1988 beantragt habe. Im Zuge der Außenprüfung sei in Punkt 4 der Anforderungsliste vom 8.4.2021 ein Ersuchen um Darstellung der außerbilanzmäßigen Korrekturen zur Gebäude-AfA in der MWR an die Bf gestellt worden. Die Beantwortung der Anforderungsliste vom 8.4.2021 sei durch die Bf per E-Mail am 23.4.2021 erfolgt, welche einen Link zu einem SharePoint enthalten habe. Über den SharePoint sei ua die in der Stellungnahme der Bf angesprochene Präsentation übermittelt worden, in der die "versäumte Geltendmachung von steuerlichen Abschreibungen bei Gebäude-Erweiterungen" hinsichtlich Ursache und betraglicher Auswirkung geschildert worden sei. Nach Übermittlung diverser Berechnungsunterlagen ebenfalls über einen Link in einer E-Mail zu einem SharePoint, habe am 7.7.2021 die mündliche Besprechung des Themas stattgefunden, bei der Ursache und betragliche Auswirkung von der Bf mündlich vorgetragen worden seien. Im Zuge der Übermittlung eines vorläufigen Schlussbesprechungsprogramms per E-Mail habe die Bf einen "Antrag" erwähnt. In der Niederschrift zur Schlussbesprechung und im BP-Bericht sei ebenfalls das Wort "Antrag" angeführt worden. Was Gegenstand des Anbringens ist, hänge nicht von der (allenfalls unrichtigen) Bezeichnung ab, sondern sei dem Inhalt zu entnehmen. Es sei auf das erkennbare bzw zu erschließende Ziel des Parteischrittes abzustellen. Von Seiten der Behörde hätten die vorgelegten Unterlagen samt mündlich ausgeführter Äußerungen so verstanden werden müssen, dass eine Berücksichtigung im Zuge eines Abschlags nach § 4 Abs 2 Z 2 EStG gewollt gewesen sei. Eine solche Berücksichtigung sei das erkennbare bzw zu erschließende Ziel "des Parteischrittes" gewesen. Anbringen iSd § 85 Abs 1 BAO habe die zuständige Abgabenbehörde gemäß § 85 Abs 3 BAO unter anderem ausnahmsweise auch mündlich entgegenzunehmen, wenn dies zur Durchführung des Abgabenverfahrens zweckmäßig sei. Über mündliche Anbringen sei eine Niederschrift anzufertigen (§ 87 Abs 1 BAO). Eine sofortige Aufnahme einer Niederschrift über das geäußerte Anbringen sei zwar nicht erfolgt, jedoch sei dies im Rahmen der in der Schlussbesprechung ergehenden Niederschrift nachgeholt worden. Seitens der Behörde sei das Begehren stets als "Antrag" gewertet worden, was auch von der Bf nicht beanstandet worden sei. Spätestens bei Unterzeichnung der Niederschrift zur Schlussbesprechung sei ein wirksames - mündliches - Anbringen im Sinne der BAO zustande gekommen.Selbst bei Vorliegen eines Verfahrenstitels würde jedoch - angesichts der nunmehr sehr restriktiven VwGH-Judikatur zum Zuschlags- und Abschlagsmechanismus - eine Ermessensentscheidung nicht zugunsten der Bf ausfallen.
Mit Schriftsatz vom 19.11.2025 zog die Bf die in der Beschwerde gestellten Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und auf Entscheidung durch den Senat zurück.
Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:
Die Bf ist eine im Firmenbuch eingetragene Kapitalgesellschaft und ermittelt ihren Gewinn gemäß § 5 Abs 1 EStG 1988.
Die Bf ist außerdem Gruppenträgerin einer Unternehmensgruppe iSd § 9 KStG 1988 (Gruppenfeststellungsbescheid vom 16.1.2006).
In den Jahren 2004 bis 2020 wurde bei nachträglichen Gebäudeinvestitionen die Aktivierung der Aufwendungen ab dem Jahr der Anschaffung/Herstellung des Hauptgebäudes vorgenommen und die Afa dafür dementsprechend ab dem Jahr der Anschaffung/Herstellung berechnet und im Abzug gebracht.
Am 21.9.2015 ergingen die Erstbescheide für das Jahr 2013 (Feststellungsbescheid Gruppenträger und Körperschaftsteuerbescheid Gruppe).
Im Jahr 2019 fand eine Betriebsprüfung über die Jahre 2011 bis 2014 statt (Bericht vom 26.9.2019).
Am 22.10.2020 erging ein nach § 295 Abs 1 BAO geänderter Körperschaftsteuerbescheid Gruppe.
In den Jahren 2021 und 2022 fand eine weitere Betriebsprüfung hinsichtlich der Jahre 2015 bis 2018 statt. Dazu ergingen in diesen beiden Jahren mehrere Vorhalte des Finanzamtes an die Bf.
Im Zuge dieser BP erfolgte schließlich eine Bilanzberichtigung gemäß § 4 Abs 2 Z 2 EStG durch Berücksichtigung eines Abschlags iHv € 8.324.208,39, da bei der nachträglichen Gebäudeinvestition die AfA im Jahr der Zusatzinvestition und eine Abschreibung über die Restnutzungsdauer des Gebäudes zu erfolgen hat.
Der Abschlag in der Höhe von € 8.324.208,39 ergibt sich aus der Summe der korrigierten Afa-Beträge für die Jahre 2004 bis 2012.
Am 28.9.2023 erging in der Folge die entsprechende Bescheidänderung nach § 293b BAO zum Feststellungsbescheid Gruppenträger 2013 sowie am 3.10.2023 der nach § 295 Abs 1 BAO geänderte Körperschaftssteuerbescheid Gruppe 2013.
In der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom 9.8.2023 wurde bezüglich des Vorliegens eines Verfahrenstitels für eine Bilanzberichtigung nach § 4 Abs 2 Z 2 EStG 1988 Folgendes ausgeführt (Seite 5 ff):
…"Ein solcher Verfahrenstitel wäre ein Antrag auf Wiederaufnahme.
Dem Unternehmen waren die Tatsachen oder Beweismittel, auf die eine Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag gestützt werden sollte, zum Bescheiderlassungszeitpunkt bereits bekannt. Es handelt sich für das Unternehmen nicht um eine neue Tatsache iSd § 303 Abs 1 BAO. Die Wiederaufnahme auf Antrag ist daher nicht möglich.
Die Fehlerberichtigung nach § 4 Abs 2 Z 2 EStG auf Antrag des Steuerpflichtigen sollte hingegen möglich sein, sofern bloß die Voraussetzungen für eine amtswegige Wiederaufnahme des Fehlerjahres (abgesehen von der eingetretenen Verjährung) vorliegen (vgl. Brugger/Marchgraber, Fehlerberichtigung gemäß § 4 Abs 2 Z 2 EStG und VwGH- Rechtsprechung zur Wiederaufnahme auf Antrag, ÖStZ 2017/431ff).
Die Abgabenbehörde erlangte von der Tatsache, dass die Zusatzinvestitionen auf das Jahr der Anschaffung/Herstellung des Hauptgebäudes aktiviert wurden, erstmals im Zuge der aktuellen Betriebsprüfung im Jahr 2021 Kenntnis. Für sie handelt es sich somit um eine neu hervorgekommene Tatsache iSd § 303 Abs 1 BAO, die grundsätzlich zu einer Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Körperschaftsteuer der Jahre 2004 bis2011 berechtigen würde.
Die Berücksichtigung eines Zu- oder Abschlages unterliegt dem Ermessen der Abgabenbehörde und ist unter dem Gesichtspunkt von Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu würdigen. Damit sollen einerseits (im Verhältnis zum Totalgewinn oder -verlust) geringfügige steuerliche Auswirkungen nicht zu einem Zu- oder Abschlag führen, andererseits auch eine Berücksichtigung der absoluten Dauer des Zurückliegens des Fehlers ermöglicht werden.
In Hinblick auf die betragsmäßige Höhe der stl. Auswirkung (siehe unten) ist der Abschlag vorzunehmen…"
Aktenkundig ist außerdem eine PowerPoint-Präsentation der Bf vom 21.4.2021, in der die versäumte Geltendmachung der Abschreibung bei der Gebäudeerweiterung (zahlenmäßig) dargestellt wurde.
Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind aktenkundig. Dagegen sprechende Umstände sind nicht ersichtlich.
Das Finanzamt führt in seiner Stellungnahme anlässlich des Vorhalteverfahrens beim BFG aus, dass die Bf einen mündlichen Antrag auf Bilanzberichtigung im Sinne des § 4 Abs 2 Z 2 EStG 1988 gestellt habe.
Eine (verpflichtende) Niederschrift über ein mündliches Anbringen ist jedoch nicht erfolgt. Die Ausführungen in der Niederschrift zur Schlussbesprechung stellen keine Niederschrift im Sinne des § 87 Abs 1 BAO dar. Das Vorliegen eines mündlichen Anbringens wird an keiner Stelle der Niederschrift erwähnt. Die Niederschrift zur Schlussbesprechung ist im Übrigen auch zwei Jahre nach der vorgelegten PowerPoint Präsentation erfolgt.
Ein Nachweis für ein mündliches Anbringen seitens der Bf liegt daher nicht vor.
Die Deutung der Powerpoint-Präsentation als Antrag ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, da die Präsentation erst nach Aufforderung durch die Behörde im Zuge der genannten Anforderungsliste vom 8.4.2021 erstellt worden ist. Viel eher stellt sie, wie von der Bf angeführt, eine Sachverhaltsdarstellung dar.
§ 4 Abs 2 EStG 1988 lautet:
"Die Vermögensübersicht (Jahresabschluss, Bilanz) ist nach den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu erstellen. Nach Einreichung der Vermögensübersicht beim Finanzamt gilt Folgendes:
1. Eine Änderung der Vermögensübersicht ist nur mit Zustimmung des Finanzamts zulässig (Bilanzänderung). Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Änderung wirtschaftlich begründet ist.
2. Entspricht die Vermögensübersicht nicht den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung oder den zwingenden Vorschriften dieses Bundesgesetzes, ist sie zu berichtigen (Bilanzberichtigung). Kann ein Fehler nur auf Grund der bereits eingetretenen Verjährung nicht mehr steuerwirksam berichtigt werden, gilt Folgendes:
• Zur Erreichung des richtigen Totalgewinnes kann von Amts wegen oder auf Antrag eine Fehlerberichtigung durch Ansatz von Zu- oder Abschlägen vorgenommen werden.
• Die Fehlerberichtigung ist im ersten zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht verjährten Veranlagungszeitraum insoweit vorzunehmen, als der Fehler noch steuerliche Auswirkungen haben kann.
• Die Nichtberücksichtigung von Zu- oder Abschlägen gilt als offensichtliche Unrichtigkeit im Sinne des § 293b der Bundesabgabenordnung."
Der Zu- und Abschlagsmechanismus nach § 4 Abs 2 Z 2 EStG 1988 setzt zunächst voraus, dass "ein Fehler nur auf Grund der bereits eingetretenen Verjährung nicht mehr steuerwirksam berichtigt werden" kann. Dies erfordert - bei grundsätzlicher Bejahung einer Berichtigungsfähigkeit eines Fehlers im Rechenwerk - daher eine Prüfung dahingehend, ob unter Ausblendung der Verjährungsfrage überhaupt ein Verfahrenstitel für die Fehlerkorrektur zur Verfügung gestanden wäre.
Der VwGH führt dazu im Erkenntnis vom 29.9.2022, Ro 2022/15/0011, Folgendes aus:
"Zu- und Abschläge iSd § 4 Abs 2 Z 2 EStG 1988 haben somit zur Voraussetzung, dass für die Wurzeljahre an sich ein Verfahrenstitel vorliegt, der es ermöglichen würde, den fehlerhaften Bescheid für das jeweilige Wurzeljahr in Durchbrechung der Rechtskraft zu korrigieren, und dass der Einsatz dieses Verfahrenstitels und die Richtigstellung der Steuervorschreibung für die Wurzeljahre nur deswegen nicht möglich sind, weil dem der Eintritt der Bemessungsverjährung für das betreffende Abgabenjahr entgegensteht.
Wie die Erläuterungen zur Regierungsvorlage betonen, soll durch diese Verfahrenstitelprüfung gewährleistet werden, dass für eine Fehlerberichtigung in Bezug auf verjährte Zeiträume dieselben verfahrensrechtlichen Anforderungen für die Durchbrechung der Rechtskraft gelten, wie sie für eine derartige Maßnahme in Bezug auf nicht verjährte Zeiträume besteht".
Wie der VwGH in ständiger Rsp außerdem ausführt, hat ein Antrag auf Wiederaufnahme - bei Geltendmachung des Wiederaufnahmetatbestandes der neu hervorgekommenen Tatsachen - nämlich insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel für den Steuerpflichtigen "neu hervorgekommen sind". Aus dem insoweit klaren Wortlaut des § 303 Abs 1 lit b iVm Abs 2 lit b BAO ist somit abzuleiten, dass bei einem derartigen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht der antragstellenden Person zu beurteilen ist (vgl zB VwGH, 23.3.2022, Ra 2021/15/0100, mwN). Tatsachen, die der Bf schon immer bekannt gewesen sind, deren steuerliche Berücksichtigung sie aber unterlassen hat, eröffnen ihr daher keinen Antrag auf Wiederaufnahme.
Dies gilt nach der eben zitierten Rsp auch für Anträge nach § 4 Abs 2 EStG 1988.
Strittig ist im gegenständlichen Verfahren, ob die Bf im Rahmen des Betriebsprüfungsverfahrens überhaupt einen solchen Antrag gestellt hat, oder ob eine amtwegige Berichtigung nach § 4 Abs 2 EStG 1988 durchgeführt wurde.
Das Finanzamt geht dabei davon aus, dass die Bf einen Antrag iSd § 4 Abs 2 EStG 1988 mittels einer PowerPoint-Präsentation bzw mündlich im Betriebsprüfungsverfahren gestellt habe. Die Bf argumentiert, dass diese Handlungen nur Anregungen für eine amtswegige Berichtigung dargestellt hätten.
Die Fehlerberichtigung erfolgt gemäß § 4 Abs 2 Z 2 TS 1 durch Zu- oder Abschläge und kann grs von Amts wegen oder auf Antrag des Steuerpflichtigen erfolgen.
Bei einer Wiederaufnahme auf Antrag muss die Sichtweise des Antragstellers berücksichtigt werden (Zorn, SWK 23, 446: Wiederaufnahme von Amts wegen eher möglich als auf Antrag; VwGH 29.9.2022, Ro 2022/15/0011, siehe oben).
Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) sind gemäß § 85 Abs 1 BAO vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs 3 schriftlich einzureichen (Eingaben).
Solche Anbringen können im Anwendungsbereich der BAO nach der ständigen Rsp des VwGH nicht mittels E-Mail eingebracht werden (VwGH 25.01.2006, 2005/14/0126; VwGH 24.02.2011, 2007/15/0042; vgl auch Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren3, § 86, Rz 7).
Eine PowerPoint-Präsentation, die mittels Sharepoint über einen Link in einer E-Mail zu Verfügung gestellt wurde, stellt daher ebenfalls keine nach der BAO zugelassene Form der Einbringung eines Anbringens dar. Weitere Schriftstücke sind nicht vorhanden.
Nach § 85 Abs 3 BAO hat die Abgabenbehörde mündliche Anbringen der im Abs 1 bezeichneten Art entgegenzunehmen,
a) wenn dies die Abgabenvorschriften vorsehen, oder
b) wenn dies für die Abwicklung des Abgabenverfahrens zweckmäßig ist, oder
c) wenn die Schriftform dem Einschreiter nach seinen persönlichen Verhältnissen nicht zugemutet werden kann.
Gemäß § 87 Abs 1 BAO ist in den Fällen der unmittelbaren oder sinngemäßen Anwendung des § 85 Abs 3 das Anbringen, soweit nicht in Abgabenvorschriften anderes bestimmt ist, seinem wesentlichen Inhalt nach in einer Niederschrift festzuhalten.
§ 85 Abs 3 bestimmt, wann die Abgabenbehörde Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (in den Amtsstunden) mündlich entgegenzunehmen hat. Die Handhabung des § 85 Abs 3 liegt nicht im Ermessen der Abgabenbehörde (Althuber/Tanzer/Unger, BAO-HB, § 85, 259; Ritz/Koran, BAO8, § 85 Rz 8).
Zweckmäßig (iSd § 85 Abs 3 lit b) wird die Entgegennahme mündlicher Anbringen beispielsweise im Allgemeinen bei auf Akteneinsicht gerichteten Anbringen oder im Zuge einer mündlichen Verhandlung (§ 274) sein (Ritz/Koran, BAO8, § 85 Rz 8).
Das Finanzamt führt in seiner Stellungnahme zum Vorhalt des BFG aus, dass die Bf den Antrag mündlich gestellt habe und die Niederschrift dazu im Zuge der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom 9.8.2023 ergangen sei.
Eine Niederschrift oder eine der Niederschrift gleichgestellte Feststellung über einen mündlich gestellten Antrag seitens der Bf ist aber der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom 9.8.2023 nicht zu entnehmen (siehe Beweiswürdigung). Dies wäre im Übrigen auch als verspätet anzusehen, da die PowerPoint-Präsentation und somit das Vorbringen der Bf bereits am 21.4.2021 stattgefunden hat.
Ein mündlich gestellter Antrag auf Bilanzberichtigung nach § 4 Abs 2 Z 2 EStG 1988 ist daher nicht nachweisbar (siehe Vorhalteverfahren).
Darüber hinaus ist im gegenständlichen Fall auch die Zweckmäßigkeit eines solchen mündlichen Anbringens zu verneinen, da das erstmalige Aufkommen der Bilanzberichtigung nicht erst im Zuge der Schlussbesprechung hervorkam und ein schriftlicher Antrag ohne weiteres möglich und aufgrund der umfangreichen Berechnungen auch zweckmäßiger gewesen wäre. Der Antrag wäre daher ohnehin schriftlich einzubringen gewesen.
Hinsichtlich der amtswegigen Berücksichtigung der Abschläge im Sinne des § 4 Abs 4 EStG 1988 liegen die Voraussetzungen hingegen vor und entspricht dies auch der tatsächlichen Vorgehensweise durch das Finanzamt, zumal der Abschlag berücksichtigt und über einen Antrag formell nie abgesprochen wurde. Dass die Behörde selbst das Wort "Antrag" mehrmals erwähnt hat, ändert daran nichts.
Die Abgabenbehörde erlangte von der Tatsache, dass die Zusatzinvestitionen auf das Jahr der Anschaffung/Herstellung des Hauptgebäudes aktiviert wurden, erstmalig im Zuge der Betriebsprüfung Kenntnis. Für sie handelt es sich somit um neu hervorgekommene Tatsachen iSd § 303 Abs 1 BAO, die zu einer Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Körperschaftsteuer der Jahre 2004 bis 2011 berechtigen.
Die Berücksichtigung eines Zu- oder Abschlags unterliegt dem Ermessen und ist somit unter dem Gesichtspunkt von Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu würdigen. Je größer der Fehler in die Vergangenheit zurückreicht, umso größer müssen die steuerlichen Auswirkungen sein, um iRd Ermessens einen Zu- oder Abschlag festzusetzen. Die Erreichung eines richtigen Totalgewinns ist im Ermessen zu berücksichtigen; ebenso ist das Ausmaß der Sorgfaltsverletzung im Ermessen zu berücksichtigen (Jakom/Ebner/Marschner EStG17, 2025, § 4 Rz 221).
Die Ermessensentscheidung wurde vom Finanzamt in der Niederschrift über die Schlussbesprechung begründet, indem ausgeführt wurde, dass im Hinblick auf die betragsmäßige Höhe der steuerlichen Auswirkung der Abschlag vorzunehmen ist.
Aufgrund der hohen betragsmäßigen Auswirkung des Abschlages idHv € 8.324.208,39 und dem langen Zeitraum (2004 bis 2020) ist der Abschlag vorzunehmen. Dies überwiegt gegenüber der Sorgfaltsverletzung durch die Bf.
Die Bf hat in den Jahren 2004 bis 2020 bei nachträglichen Gebäudeinvestitionen die Aktivierung der Aufwendungen ab dem Jahr der Anschaffung/Herstellung des Hauptgebäudes vorgenommen. Richtig gewesen wäre eine Aktivierung im Jahr der Zusatzinvestition und eine Abschreibung über die Restnutzungsdauer des Gebäudes. Es liegt daher ein falscher Bilanzansatz vor. Das Vorliegen eines unrichtigen Bilanzansatzes ist auch unbestritten.
Nach § 4 Abs 2 Z 2 EStG ist die Fehlerberichtigung im ersten zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht verjährten Veranlagungszeitraum vorzunehmen.
Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 207 Abs 2 BAO fünf Jahre.
Die Verjährung beginnt nach § 208 Abs 1 lit a BAO in den Fällen des § 207 Abs 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.
§ 209 Abs 1 BAO bestimmt, dass, wenn innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen werden, sich die Verjährungsfrist um ein Jahr verlängert. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.
Die Jahre vor 2013 waren im Jahr der Bescheiderlassung 2023 bereits absolut verjährt.
Die Verjährungsfrist für das Jahr 2013 endet grundsätzlich mit Ablauf des Jahres 2018.
Der Erstbescheid Körperschaftsteuer Gruppe 2013 erging am 21.9.2015 und stellt eine Verlängerungshandlung dar, welche die Verjährungsfrist bis zum Ablauf des Jahres 2019 verlängert.
Die Außenprüfung für die Jahre 2011 bis 2014 wurde 2019 beendet. Der Bericht vom 26.09.2019 stellt ebenfalls eine Verlängerungshandlung dar und verlängert die Verjährung um ein weiteres Jahr bis Ablauf des Jahres 2020.
Am 22.10.2020 erging ein geänderter Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2013. Dementsprechend wird die Verjährung bis zum 31.12.2021 verlängert.
Im Zuge der Betriebsprüfung in den Jahren 2021 und 2022 wurden ebenfalls weitere Verlängerungshandlungen gesetzt. Die Verjährung das Jahr 2013 betreffend endete damit mit Ablauf des Jahres 2023, in welchem der angefochtene Bescheid am 28.9.2023 erlassen wurde.
Das Jahr 2013 ist daher das erste nicht verjährte Veranlagungsjahr. Dies ist ebenfalls unstrittig.
Strittig ist jedoch in welchem Bescheid der Abschlag zu berücksichtigen ist. Abschließend bleibt daher zu prüfen, ob der Abschlag nach § 4 Abs 2 Z 2 EStG im Feststellungsbescheid Gruppenträger 2013 oder im Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2013 zu berücksichtigen ist.
§ 24a Abs 1 KStG 1988 lautet:
"1. Das Ergebnis jedes unbeschränkt steuerpflichtigen Gruppenmitgliedes (§ 9 Abs 2) ist mit Bescheid (§ 92 Abs. 1 lit. b der Bundesabgabenordnung) festzustellen. In diesem Bescheid ist abzusprechen über:
• Das eigene Einkommen gemäß § 9 Abs 6 Z 1,
• die zuzurechnenden Verluste nicht unbeschränkt steuerpflichtiger ausländischer Gruppenmitglieder, an denen eine ausreichende finanzielle Verbindung besteht, sowie deren allenfalls nachzuversteuernde Verluste,
• die anzurechnenden inländischen Steuern,
• die anrechenbaren ausländischen Steuern,
• die verrechenbare Mindeststeuer (Abs 4 Z 2) und
• die Aufteilung des vom Gruppenmitglied zuzurechnenden Ergebnisses auf die Mitbeteiligten einer dem Gruppenmitglied übergeordneten Beteiligungsgemeinschaft.
2. Das Ergebnis des Gruppenträgers (§ 9 Abs 3) oder des Hauptbeteiligten einer Beteiligungsgemeinschaft als Gruppenträger ist mit Bescheid (§ 92 Abs 1 lit b der Bundesabgabenordnung) festzustellen. In diesem Bescheid ist abzusprechen über:
• Das eigene Einkommen gemäß § 9 Abs 6 Z 2 zweiter Satz,
• die zu berücksichtigenden Verluste nicht unbeschränkt steuerpflichtiger ausländischer Gruppenmitglieder, an denen eine ausreichende finanzielle Verbindung besteht, sowie deren allenfalls nachzuversteuernde Verluste,
• die anzurechnenden inländischen Steuern,
• die anrechenbaren ausländischen Steuern und
• die verrechenbare Mindeststeuer (Abs 4 Z 2)."
Nach § 24a Abs 2 KStG 1988 ergeht der Feststellungsbescheid im Sinne des Abs 1 an das jeweilige Gruppenmitglied, den Gruppenträger und im Falle einer dem Gruppenmitglied übergeordneten Beteiligungsgemeinschaft den Minderbeteiligten. Der Feststellungsbescheid ist Grundlage für die Festsetzung der Körperschaftsteuer beim Gruppenträger.
Gemäß § 24a Abs 3 KStG 1988 wird die Körperschaftsteuer nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraum) nach dem Gruppeneinkommen veranlagt, das dem Gruppenträger zuzurechnen ist (§ 9 Abs. 6 Z 2). Das Gruppeneinkommen ergibt sich wie folgt:
1. Bei Gruppenträgern im Sinne des § 9 Abs 3 erster bis fünfter Teilstrich durch Zusammenrechnung des eigenen Einkommens mit den im jeweiligen Veranlagungsjahr zuzurechnenden Ergebnissen der Gruppenmitglieder unter Berücksichtigung der Sonderausgaben.
2. Bei allen Mitbeteiligten einer Beteiligungsgemeinschaft im Sinne des § 9 Abs 3 sechster Teilstrich durch Zusammenrechnung des eigenen Einkommens des Mitbeteiligten mit dem anteilig auf jeden entfallenden Anteil an den Ergebnissen der Gruppenmitglieder unter Berücksichtigung der Sonderausgaben.
Die Steuer für Unternehmensgruppen wird nach § 24a KStG in einem zweistufigen Verfahren erhoben (vgl ua Lachmayer/Strimitzer/Vock, Körperschaftsteuer: Kommentar38, § 24a Rz 2ff).
Auf der ersten Stufe (§ 24a Abs 1 KStG) wird das Ergebnis eines jeden unbeschränkt steuerpflichtigen Gruppenmitgliedes, eines jeden beschränkt steuerpflichtigen ausländischen Gruppenmitgliedes des Gruppenträgers und gegebenenfalls des Hauptbeteiligten einer Beteiligungsgemeinschaft als Gruppenträger jeweils mit einem eigenen Bescheid festgestellt (Feststellungsbescheid).
Auf der zweiten Stufe (§ 24a Abs 3 KStG) werden im Rahmen der Veranlagung des Gruppenträgers zur Körperschaftsteuer die auf der ersten Stufe festgestellten Ergebnisse zusammengerechnet. Die Summe der Ergebnisse nach Abzug der Sonderausgaben des Gruppenträgers stellt die Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage für die Unternehmensgruppe dar. Mit einem an den Gruppenträger adressierten Körperschaftsteuerbescheid wird die Körperschaftsteuer für die Unternehmensgruppe festgesetzt.
In Hinblick auf § 185 BAO ist § 24a Abs 2 letzter Satz KStG die Anordnung in einem Abgabengesetz, dass als Grundlage für die Festsetzung von Abgaben gesonderte Feststellungen vorzunehmen sind. Die §§ 185 und 190-192 BAO sind daher auf die Feststellungsbescheide iSd § 24a Abs 1 KStG anwendbar. Der Körperschaftsteuerbescheid für die Unternehmensgruppe (§ 24a Abs 3 KStG) stellt einen abgeleiteten Bescheid iSd § 295 BAO dar (Lachmayer/Strimitzer/Vock, Körperschaftsteuer: Kommentar38, § 24a Rz 48).
Der Körperschaftsteuerbescheid des Gruppenträgers, des Haupt- und des Minderbeteiligten soll erst erlassen werden, wenn sämtliche Feststellungsbescheide erlassen sind (§ 24a Abs 3 letzter Satz KStG). Diese Vorschrift dient der Verfahrensökonomie, da jeder einzelne Feststellungsbescheid einen Grundlagenbescheid für den abgeleiteten Körperschaftsteuerbescheid darstellt und dieser an später erlassene Feststellungsbescheide nach § 295 Abs 1 BAO angepasst werden müsste (Lachmayer/Strimitzer/Vock, Körperschaftsteuer: Kommentar38, § 24a Rz 78).
Die Erlassung von Feststellungsbescheiden, wozu auch ein Gruppenfeststellungsbescheid nach § 24a KStG 1988 gehört, unterliegt, wie auch Feststellungsbescheide nach § 188 BAO, nicht der Verjährung (vgl VwGH 11.11.2008, 2006/13/0187; BFG 3.10.2023, RV/7103350/2019; Ritz/Koran, BAO8, § 207 Rz 8).
Mit Erkenntnis vom 29.9.2022, Ro 2022/15/0011, hat der VwGH in Bezug auf Personengesellschaften entschieden, dass die Bilanzberichtigung für verjährte Jahre nur in den Einkommensteuerverfahren der Gesellschafter zu Zu- und Abschlägen nach § 4 Abs 2 EStG führen kann. In dem Erkenntnis wird dazu ausgeführt, dass "die Höhe der im Feststellungsbescheid ausgewiesenen Einkünfte gemäß § 192 BAO für das Ein-kommensteuerverfahren verbindlich ist. Von allfälligen Zu- und Abschlägen nach § 4 Abs 2 Z 2 EStG 1988 abgesehen, dürfen im Einkommensteuerbescheid die Einkünfte nicht in einer vom für die betreffende Einkunftsquelle ergangenen Feststellungsbescheid abweichenden Höhe angesetzt werden".
In den EStR 2000, Rz 652l, wird zu § 4 Abs 2 Z 2 EStG 1988 ausgeführt: "§ 4 Abs 2 Z 2 EStG 1988 knüpft in seinem Tatbestand an die Verjährung an, deren Vorliegen oder Nichtvorliegen sich allein aus den Verhältnissen des Beteiligten ergibt. Die Bestimmung steht außerhalb der regulären Gewinnermittlung, weil der Zu/Abschlag seinem Wesen nach eine die Gewinnermittlung nicht tangierende Korrekturmaßnahme darstellt. Für den Gegenstand des Feststellungsverfahrens, nämlich die Ermittlung des Gewinnes/Überschusses ist die Verjährung irrelevant, dementsprechend hat dort auch im Rahmen der Gewinnermittlung eine "Wurzelkorrektur" zu erfolgen. Die Verjährungsprüfung ist allein Gegenstand des abgeleiteten Besteuerungsverfahrens".
Die Festsetzung der Zu- und Abschläge nach § 4 Abs 2 Z 2 EStG im Einkommensteuerverfahren der Gesellschafter bei der Personengesellschaft, wird also vor allem mit der Verjährungsproblematik begründet. Zorn führt dazu aus, dass "den um Zu-und Abschläge adaptierten steuerlichen Gewinn dem Feststellungsverfahren nach § 188 BAO zugrunde zu legen bereits deshalb auf Bedenken stößt, weil im Feststellungsverfahren ohnedies keine Verjährung zu beachten ist" (siehe Zorn, Besonderheiten bei Zu- und Abschlägen wegen Bilanzberichtigung, SWK 2023 Heft 9, 446).
Der VwGH verweist im Erkenntnis vom 29.9.2022, Ro 2022/15/0011, explizit auf § 192 BAO. Wie oben ausgeführt, sind die §§ 185 und 190-192 BAO auch auf Feststellungsbescheide iSd § 24a Abs 1 KStG anwendbar.
Feststellungsbescheide iSd § 24a Abs 1 KStG unterliegen ebenso wie Feststellungsbescheide iSd § 188 BAO keiner Bemessungsverjährung.
Eine Verjährungsprüfung im Zusammenhang mit § 4 Abs 2 Z 2 EStG hat unstrittig bei der Gruppe im Körperschaftsteuerverfahren zu erfolgen.
Bei der Unternehmensgruppe fällt zwar im Gegensatz zur Personengesellschaft die Problematik der Berücksichtigung der unterschiedlichen Verjährungssituationen der einzelnen Mitunternehmer weg, da nur ein einziger Körperschaftsteuerbescheid zu ergehen hat (vgl Zorn, Besonderheiten bei Zu- und Abschlägen wegen Bilanzberichtigung, SWK 2023 Heft 9, 446). Trotzdem ist eine Übertragbarkeit der Rsp des VwGH hinsichtlich Personengesellschaften auf die Unternehmensgruppe gegeben. Dies zum einen, da nach Zorn Bedenken bezüglich der mangelnden Verjährung im Feststellungsverfahren "von vorne herein" bestehen (siehe oben). Zum anderen wegen der Systematik der Gruppenbesteuerung im Allgemeinen. Würde nämlich eine Bilanzberichtigung bei einem Gruppenmitglied stattfinden (und nicht wie im gegenständlichen Fall beim Gruppenträger) müssten die Zu- oder Abschläge im Feststellungsbescheid des Gruppenmitgliedes angesetzt werden. Die Verjährungsprüfung würde dann aber bei einem anderen Steuersubjekt, und zwar im Körperschaftssteuerverfahren des Gruppenträgers, vorgenommen werden. Der Abschlag hat somit sinnvollerweise in dem Verfahren zu erfolgen in dem auch die Verjährungsprüfung vorzunehmen ist.
Die Frage der Verjährung ist zudem grundsätzlich erst anlässlich der Abgabenfestsetzung zu prüfen (vgl Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren2, § 270 Anm 1; VwGH 22. 2. 2007, 2006/14/0018). Die Körperschaftsteuer wird bei der Unternehmensgruppe im Körperschaftsteuerverfahren festgesetzt. Die Verjährungsprüfung ist somit im Körperschaftsteuerverfahren durchzuführen. Folglich sind auch die Zu- und Abschläge im Zusammenhang mit § 4 Abs 2 Z 2 BAO im Körperschaftsteuerverfahren vorzunehmen.
Die Zu- und Abschläge nach § 4 Abs 2 Z 2 BAO stellen darüber hinaus lediglich eine Ergebniskorrektur dar, die außerhalb der Gewinnermittlung erfolgt. Der Abschlag kann daher unabhängig von der Gewinnermittlung der einzelnen Gesellschaft im Körperschaftsteuerbescheid Gruppe festgesetzt werden.
Für diese Vorgehensweise sprechen weiters praktikable Überlegungen. Wenn der Abschlag im Feststellungsverfahren angesetzt werden würde, müsste der Körperschaftsteuerbescheid trotzdem nach § 295 Abs 1 BAO angepasst werden. Wird der Abschlag hingegen erst im Körperschaftssteuerbescheid angesetzt, muss nur dieser nach § 293b BAO geändert werden.
Das Finanzamt führt in seiner Stellungnahme aus, dass bei der Personengesellschaft im Gegensatz zur Körperschaft das Durchgriffsprinzip gilt. Bei der Personengesellschaft werden die Einkünfte jedoch genau wie bei der Unternehmensgruppe in einem ersten Schritt im Feststellungsverfahren ermittelt. Der Zu oder Abschlag nach § 4 Abs 2 Z 2 EStG ist als Ausnahme zu § 192 BAO, aufgrund der mangelnden Verjährung des Feststellungsbescheides, im Einkommensteuerverfahren anzusetzen.
Eine wesentliche Unterscheidung zwischen der Personengesellschaft und der Unternehmensgruppe ist jedoch trotzdem gegeben. Im Unterschied zur Personengesellschaft, wo nur ein Feststellungsbescheid und mehrere davon abgeleitete Einkommensteuerbescheide ergehen, sind es bei der Unternehmensgruppe mehrere Feststellungsbeschiede und nur ein Körperschaftsteuerbescheid Gruppe. Das vom VwGH in seiner Rsp zur Personengesellschaft besonders hervorgehobene Argument der "Verjährungsprüfung" kann jedoch nach Ansicht des BFG auch bei der Unternehmensgruppe nicht außer Acht gelassen werden.
Auch in Rz 1150h der KStR wird zunächst festgehalten, dass "§ 4 Abs 2 Z 2 EStG 1988 in seinem Tatbestand an die Verjährung anknüpft, deren Vorliegen oder Nichtvorliegen sich allein aus den Verhältnissen des Körperschaftsteuerverfahrens der Gruppe ergibt. Für den Gegenstand des Feststellungsverfahrens des Gruppenmitglieds bzw des Gruppenträgers ist die Verjährung irrelevant; denn eine Bemessungsverjährung gemäß § 207 BAO kommt für Feststellungsbescheide, die ohne Bedachtnahme auf Verjährungsfristen erlassen werden können, von vorneherein nicht in Betracht. Somit hat auf Ebene des Gruppenmitglieds bzw. Gruppenträgers zwar eine "Wurzelkorrektur" zu erfolgen, die Verjährungsprüfung ist jedoch allein Gegenstand des Gruppenveranlagungsverfahrens beim Gruppenträger".
Im letzten Absatz der Rz 1150h heißt es dann aber: "Es ist daher für die Erfassung der Zu- und Abschläge gemäß § 4 Abs 2 Z 2 EStG 1988 beim betroffenen Gruppenmitglied oder Gruppenträger der Feststellungsbescheid jenes Wirtschaftsjahres zu korrigieren, dessen Ergebnis im ersten nicht verjährten Veranlagungszeitraum des Gruppenträgers (als Teil des Gruppeneinkommens) veranlagt wird".
Es ist darauf hinzuweisen, dass die KStR als bloße Verwaltungsanweisung keine über die Gesetze hinausgehenden Rechte und Pflichten begründen und somit für die Entscheidungsfindung des Bundesfinanzgerichtes nicht bindend sind. Die Richtlinien enthalten keine weitere Begründung weshalb die Zu- und Abschläge bei der Gruppe im Feststellungsbescheid zu erfassen sind. Der in den KStR vertretenen Rechtsauffassung folgt das Bundesfinanzgericht demnach nicht.
Der Abschlag in Höhe von € 8.324.208,39 ist daher im Körperschaftssteuerbescheid Gruppe 2013 anzusetzen.
Der Gesamtbetrag der Einkünfte der Gruppe im Jahr 2013 beträgt demnach € 245.797.531,82 (€ 254.121.740,21 laut KöSt-Bescheid Gruppe 2013 vom 22.10.2020 abzüglich € 8.324.208,39).
Von der Bf wurde überdies das Unterbeleiben der Veröffentlichung der Entscheidung nach § 23 Abs 3 BFGG beantragt.
Durch das Informationsfreiheits-Anpassungsgesetz (IFG) wurde § 23 Abs 3 BFGG neu gefasst. Der erste Satz dieser Vorschrift lautet nun wie folgt: "Die Veröffentlichung hat zu unterbleiben, soweit und solange eine der Voraussetzungen des § 6 Abs 1 IFG vorliegt."
§ 6 Abs 1 IFG lautet:
"Nicht zur Veröffentlichung bestimmt und auch nicht auf Antrag zugänglich zu machen sind Informationen, soweit und solange dies im überwiegenden berechtigten Interesse eines anderen, insbesondere
a) zur Wahrung des Rechts auf Schutz der personenbezogenen Daten,
b) zur Wahrung von Berufs-, Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen,
c) zur Wahrung des Bankgeheimnisses (§ 38 des Bankwesengesetzes, BGBl. Nr. 532/1993),
d) zur Wahrung des Redaktionsgeheimnisses (§ 31 des Mediengesetzes, BGBl. Nr. 314/1981) oder
e) zur Wahrung der Rechte am geistigen Eigentum betroffener Personen
erforderlich und verhältnismäßig und gesetzlich nicht anderes bestimmt ist. Zu diesem Zweck sind alle in Betracht kommenden Interessen, einerseits an der Erteilung der Information, darunter insbesondere auch an der Ausübung der Meinungsäußerungsfreiheit, und andererseits an der Geheimhaltung der Information, gegeneinander abzuwägen."
Da im gegenständlichen Beschwerdefall ausschließlich verfahrensrechtliche Rechtsfragen zu lösen waren und weder im Sachverhalt noch an einer anderen Stelle des Erkenntnisses personenbezogenen Daten der Bf aufscheinen und auch keine Rückschlüsse auf die Identität der Bf getroffen werden können, hat die Veröffentlichung des Erkenntnisses nicht zu unterbleiben.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zur gegenständlichen Rechtsfrage - ob Zu- und Abschläge gemäß § 4 Abs 2 Z 2 EStG 1988 bei der Unternehmensgruppe im Feststellungsbescheid oder im Körperschaftssteuerbescheid Gruppe anzusetzen sind - gibt es, soweit ersichtlich, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Aus diesem Grund ist die Revision zuzulassen.
Linz, am 27. November 2025
Rückverweise
Keine Verweise gefunden