Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 27. März 2024 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 21. März 2024 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021, Steuernummer ***BFStNr*** :
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Am 25. Oktober 2022 reichte der Beschwerdeführer seine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2021 elektronisch ein, in welcher er auch als außergewöhnliche Belastung bei Behinderung den Grad der Behinderung mit 30% anführte und damit den Freibetrag für Behinderung beantragte.
Von der belangten Behörde wurde mit Ersuchen um Ergänzung vom 25. Oktober 2022 der Beschwerdeführer unter anderem aufgefordert, den gesamten Bescheid des Sozialministeriumservice bis zum 6. Dezember 2022 vorzulegen.
Mit Antwortschreiben vom 6. Dezember 2022 gab der Beschwerdeführer an, dass ihm die Nachreichung der Einstufung zum Grad der Behinderung bis dato nicht möglich gewesen sei. Grund sei der fehlende Bescheid vom Sozialministerium, welchen er bereits Ende September beantragt habe. Trotz mehrmaliger Bitte um Zusendung habe er ihn noch nicht erhalten. Laut Auskunft des Sozialministerium sei Überlastung und Personalmangel die Ursache. Er bete daher um Fristverlängerung und werde den Bescheid sofort nach Erhalt weiterleiten.
Im Einkommensteuerbescheid 2021 vom 21. März 2024 wurde der Freibetrag für Behinderte nicht berücksichtigt.
Der Beschwerdeführer reichte am 27. März 2024 Beschwerde ein und führte aus, dass er aufgrund einer Zahlungsaufforderung festgestellt habe, dass die belangte Behörde die Einstufung des Grades der Behinderung vom Sozialministerium nicht erhalten habe. Diese Behinderung bestehe seit der Geburt und müsste längst aktenkundig sein. Nach mehreren Telefonaten und E-Mails konnte geklärt werden, dass der Bescheid vom Sozialministerium nicht an das Finanzamt weitergeleitet worden sei. Als Beilage übermittelte der Beschwerdeführer den Bescheid des Sozialministeriumservice vom 7. Juni 2023, indem der Antrag vom 2. Jänner 2023 abgewiesen wurde, da mit einem Grad der Behinderung von 30% die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt seien.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 1. August 2024 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und begründend ausgeführt, dass mit Bescheid vom 7. Juni 2023 eine Behinderung im Ausmaß von 30% vom Sozialministerium bescheinigt wurde. Da in diesem Bescheid keine rückwirkende Bestätigung über das Ausmaß der Erwerbsminderung enthalten sei, könne der beantragte Pauschbetrag für das Jahr 2021 nicht zuerkannt werden.
Dagegen brachte der Beschwerdeführer am 20. August 2024 einen Vorlageantrag ein und bat um Berücksichtigung der Freibeträge aufgrund der eigenen Behinderung. Die Behinderung bestehe, wie aus dem aktuellen Sachverständigengutachten des Sozialministeriums ersichtlich sei, seit Geburt (Sehbeeinträchtigung). Außerdem übermittelte er neben dem Bescheid vom 7. Juni 2023 auch das dazugehörige Sachverständigengutachten.
Daraufhin gab die belangte Behörde mit Schreiben vom 4. Dezember 2024 dem Beschwerdeführer bekannt, dass dem Finanzamt nach so langer Zeit keine Unterlagen, für die damals den Eltern gewährte Familienbeihilfe, mehr aufliegen würden. Weiters wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, das damalige Sachverständigengutachten vorzulegen.
In seinem Antwortschreiben vom 29. Dezember 2024 gab der Beschwerdeführer an, dass trotz Befragung und mehrmaliger Durchsicht der Dokumente seiner Eltern keine Unterlagen über die gewährte Familienbeihilfe mehr aufliegen würden. Ebenso liege ein damaliges Sachverständigengutachten nicht mehr auf. Da es sich aber um einen Sehbeinträchtigung handle, sei eine steuerliche Berücksichtigung der Behinderung seit dem Jahr Geburtsjahr gegeben. Diese Behinderung sei durch das erneute Gutachten vom 7. Juni 2023 bestätigt worden und damit auch der Grad der Behinderung seit dem Jahr Geburtsjahr dokumentiert. Ebenso sei ihm aufgrund dieser Behinderung eine Umschulung von einem Art Beruf auf neuer Beruf vom AMS finanziert worden. Beigelegt wurde der ärztliche Befundbericht von Augenarzt vom 22. Dezember 2022, der in dem Sachverständigengutachten Erwähnung fand.
Beim Beschwerdeführer bestand im gegenständlichen Jahr kein durch das Sozialministeriumservice festgestellter Grad der Behinderung.
Das Sozialministerium hat erst mit Bescheid vom 7. Juni 2023 bei dem Beschwerdeführer den Gesamtgrad der Behinderung im Ausmaß von 30% festgestellt. Der Antrag stammt vom 2. Jänner 2023. Der Bescheid und auch das Sachverständigengutachten enthalten keine rückwirkenden Aussagen für vorangegangene Zeiträume (siehe Bescheid des Sozialministeriumservice vom 7. Juni 2023 samt Sachverständigengutachten):Als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung wird nach dem ersten Leiden betreffend die Wirbelsäule mit 30% als zweites Leiden die Sehstörung mit 30%, sowie weitere Leiden angeführt. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30%, wobei das führende Leiden 1 wegen fehlender wechselseitiger Beeinflussung durch das Leiden 2 (…) nicht weiter erhöht wird. Die Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zu Vorgutachten und einer Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten entfällt.
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den dem Gericht vorgelegten Unterlagen, insbesondere aus dem Bescheid des Sozialministeriumservice vom 7. Juni 2023 samt Sachverständigengutachten.
In § 35 Abs. 2 EStG 1988 hat der Gesetzgeber bindend festgelegt, dass die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle - hier das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) - nachzuweisen ist. Der Gesetzgeber hat damit eine bindende Beweisregel geschaffen und insbesondere die Regel des § 166 BAO - wonach als Beweismittel im Abgabenverfahren alles in Betracht kommt, was zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist - durchbrochen.
§ 35 EStG 1988 lautet (idF BGBl. I Nr. 103/2019) auszugsweise:(1) Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,- …und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.
(2) Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:- Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).- Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern. - In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.
(3) Es wird jährlich gewährtbei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von ein Freibetrag von Euro25% bis 34% 124…
Das Ausmaß des Freibetrags bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (§ 35 Abs 2 und 3 EStG 1988). Dabei ist die Tatsache der Behinderung als auch das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit bzw. der Grad der Behinderung durch eine amtliche Bescheinigung oder elektronische Übermittlung (iSd § 35 Abs 8 EStG 1988) der zuständigen Stelle nachzuweisen (§ 35 Abs. 2 EStG 1988). Die zuständige Stelle ist im gegenständlichen Fall das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice). Dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff BBG bzw. durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen (vgl. VwGH 11.11.2015, Ra 2014/11/0109).
Die Feststellung, ob und in welchem Ausmaß eine Person behindert ist, ist daher nicht von der Abgabenbehörde oder dem Gericht zu treffen. Die Bescheinigung des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) als gesetzlich ausdrücklich geforderter Nachweis kann durch die Vorlage von zB haus- oder fachärztlichen Bestätigungen, Privatgutachten oder Arztbriefen anlässlich eines stationären Krankenhausaufenthaltes nicht ersetzt werden.
Der vom Antragsteller vorzulegenden amtlichen Bescheinigung kommt somit feststellende, die Abgabenbehörden bindende Wirkung zu. Dies hat den Vorteil, dass im Abgabenverfahren häufig schwer zu lösende medizinische Streitfragen nicht ausgetragen zu werden brauchen, der Abgabepflichtige den Abgabenbehörden gegenüber aber auch nicht einwenden kann, die in der von ihm vorgelegten amtlichen Bescheinigung enthaltenen Feststellungen träfen nicht zu und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit sei etwa ein höheres (Althuber/Schimmer in Büsser/Ehrke-Rabel/Hirschler/Petritz/Sutter (Hrsg), Die Einkommensteuer (EStG 1988) Band III - Kommentar (62. Lfg 2016) § 35 EStG Rz 4).
Die im Laufe eines Kalenderjahres erfolgte Feststellung des Grades einer Behinderung gilt für Zwecke der Steuerermäßigung aus Vereinfachungsgründen immer für das ganze Kalenderjahr (Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 35; Stand 1.2.2025, rdb.at).
Freibeträge in Zusammenhang mit einer Behinderung sind nur dann für einen Zeitraum vor Ausstellung des Behindertenpasses zu berücksichtigen, wenn sich aus der Bescheinigung des Sozialministeriumservice eindeutig ergibt, dass der festgestellte Grad der Behinderung bereits ab einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit bestanden hat.
Der vorliegende Bescheid samt Gutachten des zuständigen Sozialministeriumservices stammt vom 23. Juni 2023. Eine rückwirkende Feststellung des Grades der Behinderung liegt nicht vor.
Aus dem Sachverständigengutachten werden unter Anamnese unter anderem die Worte "Bekannte Beinträchtigung" angeführt. Bei den derzeitigen Beschwerde gibt der Patient an, sehbeeinträchtigt zu sein. Am linken Auge habe er eine Sehbeinträchtigung mehr. Diesbezüglich sei er bereits vom Sozialministeriumservice mit 30% eingestuft worden. Bei den relevanten Befunden wird der ärztliche Befundbericht von Dr. Arzt vom 22. Dezember 2022 angeführt mit der Zusammenfassung medizinischer Begriff links bei Zustand nach angeborener Sehbeinträchtigung links.
Damit steht fest, dass dem Sozialministeriumservice im Zeitpunkt der Antragstellung auch die seit Geburt bestehende Beeinträchtigung bekannt gewesen ist. Dennoch wurde keine rückwirkende Behinderung bescheinigt.
Der Beschwerdeführer hat auch kein früheren Bescheid bzw. ein Gutachten für frühere Zeiträume vorgelegt. Der ärztliche Befundbericht von Dr. Arzt kann die Bescheinigung des Sozialministeriumservice nicht ersetzen.
Für das Gericht ist zwar nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer seit der Geburt eine Beeinträchtigung am linken Auge hat. Es steht dem Gericht jedoch nicht zu und es ist ihm auch gar nicht möglich, das Ausmaß der Beeinträchtigung für frühere Zeiträume festzustellen. Diese Feststellung ob, ab wann und in welchem Ausmaß eine Behinderung vorliegt, obliegt nur dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice).
Für das gegenständliche Jahr 2021 liegt kein Nachweis für eine Behinderung vor. Der beantragte Freibetrag für Behinderte kann daher keine Berücksichtigung finden.
Die Beschwerde war als unbegründet abzuweisen.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.
Innsbruck, am 9. Dezember 2025
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