Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Sasshofer, über die Revision des R P in S, vertreten durch Dr. Anton Cuber und Mag. Claudia Kopp Helweh, Rechtsanwälte in 8020 Graz, Grieskai 46, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juli 2024, G308 22815311/9E, betreffend Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Gesundheitskasse; weitere Partei: Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeweg ergangenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass der Revisionswerber als Geschäftsführer der P. GmbH gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 58 Abs. 5 und § 83 ASVG für aushaftende Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von € 102.667,65 zuzüglich Verzugszinsen von 4,63% aus € 101.249,50 hafte. Der Revisionswerber habe die Forderungen der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) wie das Bundesverwaltungsgericht rechnerisch genau darlegte im Beurteilungszeitraum nur zu 67,91% befriedigt, während die Gesamtforderungen im Beurteilungszeitraum zu 92,43% befriedigt worden seien. Aus der Multiplikation der Differenz dieser Zahlungsquoten mit den Forderungen der ÖGK ergebe sich ein Haftungsrahmen von € 163.982,28. Der Revisionswerber hafte daher zur Gänze für die noch offenen Forderungen in Höhe von € 102.667,50.
2Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
3 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
5Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Der Revisionswerber bringt unter diesem Gesichtspunkt vor, dass die ÖGK eine von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweichende Methode zur Berechnung der Zahlungsquoten angewandt habe. Dazu habe er im Verfahren schon eine Berechnung vorgelegt. Die ÖGK habe eine der ratio legis widersprechende alternative Berechnungsmethode angewendet. Sie verlasse den vom Gesetz vorgegebenen Weg, indem sie ihre Berechnung „punktuell und nicht periodisch“ vornehme. Da es dem Gesetzeszweck entspreche, der ÖGK zumindest so viel an Zahlungen zukommen zu lassen, dass diese periodisch betrachtet gegenüber den anderen Gläubigern nicht schlechter behandelt werde, müsse hier eine periodische Betrachtung, wie sie der Revisionswerber vorgenommen und vorgelegt habe, erfolgen. Es sei daher „von geradezu entscheidender, jedenfalls aber erheblicher rechtlicher Bedeutung, dass die Frage der Berechnungsmethode durch eine höchstgerichtliche Entscheidung geklärt wird“.
7Diese Klärung ist allerdings längst erfolgt (vgl. das zunächst zu § 25a Abs. 7 BUAG ergangene Erkenntnis VwGH 29.1.2014, 2012/08/0227, dessen Grundsätze sodann beginnend mit dem Erkenntnis VwGH 7.10.2015, Ra 2015/08/0040auf die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG übertragen wurden). Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Entscheidung auf diese Rechtsprechung gestützt und auch dargelegt, inwiefern die vom Revisionswerber vorgelegte Berechnung nicht damit in Einklang zu bringen ist. Der Verwaltungsgerichtshof sieht keinen Anlass, von seiner ständigen Rechtsprechung zur Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG die keine „punktuelle“ Betrachtung, sondern die Zugrundelegung eines einheitlichen Beurteilungszeitraums verlangt abzugehen.
8 Der Revisionswerber meint in der Zulässigkeitsbegründung außerdem, dass es eine Überspannung der Sorgfaltspflichten eines Geschäftsführers bedeuten würde, müsste er ex ante eine vollkommene Gleichbehandlung der Gläubiger gewährleisten. Auch der von Gesetz und Judikatur geforderte „sorgfältige Mensch“ sei nicht in der Lage, die geforderte hundertprozentige Gläubigergleichbehandlung während eines laufenden Geschäftsbetriebs zu gewährleisten. Dementsprechend sei auch diesem eine Fehlertoleranz zuzugestehen.
9Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Haftung des Geschäftsführers nach § 67 Abs. 10 ASVG ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung ist, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung von Beiträgen schuldhaft verletzt hat, wobei leichte Fahrlässigkeit genügt (vgl. etwa VwGH 25.10.2022, Ra 2021/08/0038, mwN). Dass den Revisionswerber nicht zumindest leichte Fahrlässigkeit getroffen hat, legt er nicht dar, zumal es einem Geschäftsführer nach der vom Verwaltungsgerichtshof zugrunde gelegten Zahlungstheorie offen stünde, eine Ungleichbehandlung von Gläubigern dadurch zu vermeiden, dass er im Fall eines Liquiditätsengpasses die Zahlungen ganz einstellt sei es vorübergehend bis zur Überwindung dieses Engpasses oder endgültig zugunsten der gleichmäßigen Verteilung im Insolvenzverfahren (vgl. in diesem Sinn Müllerin SVKomm, § 67 ASVG Rz 117).
10 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 4. September 2024
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