Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Seiler, über die Revision des R M, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Promenade 3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. November 2022, W177 2207208 1/22E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein pakistanischer Staatsbürger, stellte am 4. Juli 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er zusammengefasst damit begründete, von den Mitgliedern der „Jamatut Dawa“ verfolgt zu werden, weil er einem Freund seines Bruders, welcher Christ sei und ein Buch gegen den Koran geschrieben habe, geholfen habe.
2 Mit Bescheid vom 30. August 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Pakistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Zu ihrer Zulässigkeit wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision zunächst gegen die Beweiswürdigung des BVwG. Dessen Annahme eines vagen, unplausiblen und widersprüchlichen Vorbringens hielt die Revision entgegen, dass der Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung nicht detailliert befragt worden sei. Überdies sei das Fazit der Beweiswürdigung „wirr“, weil in einem (näher zitierten) Satz einzelne Wörter fehlen würden. Der Beweiswürdigung fehle es an „innerer Logik“, und die Begründung enthalte grammatikalische Fehler. Das BVwG habe Textbausteine unreflektiert verwendet.
8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. In Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 21.9.2022, Ra 2022/19/0021, mwN).
9 Das BVwG setzte sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers auseinander und gelangte zum Ergebnis, dass dem Revisionswerber keine Verfolgung durch regierungsfeindliche Gruppierungen drohe. Dabei schloss es sich in seiner Beweiswürdigung den Ausführungen des BFA an und begründete dies insbesondere damit, dass die Angaben des Revisionswerbers (im Einzelnen näher dargelegte) Widersprüche enthielten, vage und nicht nachvollziehbar gewesen seien. Diesen Erwägungen setzt die Revision nichts Konkretes entgegen. Mit pauschalen Ausführungen und Hinweisen auf sprachliche Unzulänglichkeiten in der Begründung des BVwG vermag die Revision jedoch nicht die Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung aufzuzeigen.
10 Soweit die Revision in diesem Zusammenhang die unterbliebene Befragung eines näher genannten Zeugen bemängelt, ist zunächst festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Beachtlichkeit eines Beweisantrages die ordnungsgemäße Angabe des Beweisthemas, das mit dem Beweismittel unter Beweis gestellt werden soll, somit jener Punkte und Tatsachen, die durch das angegebene Beweismittel geklärt werden sollen, voraussetzt (vgl. VwGH 21.9.2022, Ra 2022/19/0104, mwN). Der Revisionswerber beantragte im Rahmen einer Stellungnahme einen (näher genannten) Zeugen lediglich zum Beweis dafür, dass „mit Schwierigkeiten [...] zwangsläufig auch jene Muslime konfrontiert [seien], die sich für bedrohte Christen aus Mitmenschlichkeit einsetzen und ihnen zur Flucht verhelfen“ würden. Diese Begründung stellt ebenso keine im Sinne der zitierten Rechtsprechung ordnungsgemäße Angabe des Beweisthemas dar wie der bloße Hinweis des Revisionswerbers in der Einvernahme vor dem BFA, dass „wenn Sie einen Zeugen brauchen“ sich eine näher bezeichnete Person auch in Österreich aufhalte.
11 Die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Standes eines Ermittlungsverfahrens ein ausreichend ermittelter Sachverhalt vorliegt oder ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, stellt regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung dar (vgl. VwGH 18.1.2021, Ra 2020/19/0431, mwN). Gründe dafür, dass die unterbliebene Einvernahme des Zeugen nach Lage des vorliegenden Falles einen krassen, die Rechtssicherheit beeinträchtigenden und daher eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfenden Verfahrensfehler darstellen könnte, sind nicht ersichtlich.
12 Im Übrigen ist im Fall einer unterbliebenen Vernehmung um die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers darzulegen in der Revision konkret darzulegen, was die betreffende Person im Fall ihrer Vernehmung hätte aussagen können und welche anderen oder zusätzlichen Feststellungen auf Grund dessen zu treffen gewesen wären (vgl. VwGH 10.3.2021, Ra 2021/19/0042, mwN). Diesen Anforderungen kommt die Revision mit ihrem nicht näher konkretisierten Vorbringen, der Zeuge hätte die damals und aktuell noch drohenden Verfolgungshandlungen gegen den Revisionswerber bestätigen sowie dessen Glaubwürdigkeit untermauern können, nicht nach.
13 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit im Hinblick auf die Rückkehrentscheidung des Weiteren vor, die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung sei grob verfehlt. Das BVwG sei von der Rechtsprechung des VwGH abgewichen, weil es das Familienleben des Revisionswerbers zu seinem Bruder in Österreich, zu welchem ein außergewöhnliches Abhängigkeitsverhältnis bestehe, nicht entsprechend berücksichtigt habe.
14 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen wenn kein revisibler Verfahrensmangel aufgezeigt wird und sie in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel (vgl. VwGH 21.9.2022, Ra 2022/19/0225, mwN).
15 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen familiäre Beziehungen unter Erwachsenen nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. VwGH 9.12.2022, Ra 2022/19/0298, mwN).
16 Das BVwG berücksichtigte die im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK maßgeblichen Umstände wie die Aufenthaltsdauer von mehr als fünf Jahren und die Integration des Revisionswerbers. Es nahm auch auf den Umstand Bedacht, dass der Revisionswerber mit seinem Bruder einen gemeinsamen Wohnsitz habe und diesen bei der Kinderbetreuung und bei Behördenwegen unterstütze. Das BVwG ging aber vertretbar davon aus, dass ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis, das über eine herkömmliche Beziehung zwischen erwachsenen Geschwistern hinausgehe, auch dann nicht bestehe, wenn der Bruder des Revisionswerbers eine Beeinträchtigung am Gehör aufweise, zumal der Bruder bereits seit über zehn Jahren in Österreich lebe und auch vor der Ankunft des Revisionswerbers sein Alltagsleben sowie seine Behördenwege alleine bewältigen habe können und arbeitsfähig sei. Dieser Annahme setzt die Revision nichts Stichhaltiges entgegen. Im Ergebnis ging das BVwG von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des Revisionswerbers an einem Verbleib in Österreich aus. Dass sich das BVwG bei der Gewichtung dieser Umstände von den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien entfernt oder diese in unvertretbarer Weise zur Anwendung gebracht hätte, zeigt die Revision nicht auf.
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 19. Jänner 2023
Rückverweise